Dokumentation und INFORMATIONEN (Stand 11.03.00)

zum
Unterricht an befüllten CASTOR-Behältern

 

 

Briefwechsel zum Thema: 

  • Anschreiben der Bürgerinitiative an Landesregierung, Bezirksregierung, sowie Schulleiter und Schulpflegschaftsvorsitzende von Schulen in Ahaus: (Antwortschreiben s. unten)
  •  

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Ahaus, den 16.2.2000

Anschriften

 

Betr.: Geplante Projekte mit jugendlichen Schülerinnen und Schülern im Brennelement-Zwischenlager Ahaus (BZA)

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Vor einigen Wochen hat sich ein Prof.Dr. Eckhard Rückl mit einem Schreiben an die Schulleitungen der allgemeinbildenden Schulen (Sekundarstufen I und II) sowie der berufsbildenden Schulen in der Stadt Ahaus gewandt. Darin bietet er die Durchführung eines "fachdidaktischen Projekts" an. In dessen Rahmen sollen Lehrkräfte mit SchülerInnen eigenständig Strahlenmessungen innerhalb und außerhalb des Brennelement-Zwischenlagers(BZA) in Ahaus vornehmen. Inzwischen haben an etlichen Schulen bereits Vorbesprechungen mit Fachlehrkräften für Physik und teilweise benachbarten Fächern stattgefunden.

Prof. Rückl beruft sich gegenüber den Schulen auf die "Zustimmung der Staatskanzlei des Herrn Ministerpräsidenten in NRW" sowie auf die "Förderung der Bezirksregierung Münster". Dies hat uns sehr erstaunt, da wir erhebliche Zweifel an der Seriosität dieses Unterfangens haben. Daher wenden wir uns heute mit diesem Schreiben an Sie und bitten um Stellungnahme.

Prof. Rückl hat bereits im Frühjahr 1999 ein entsprechendes Projekt mit Schülerinnen und Schülern der 10. Klasse des Alexander-Hegius-Gymnasiums durchgeführt. In der Zeitschrift "Lernwelten", Heft 4/1999 hat er darüber gemeinsam mit dem beteiligten Fachlehrer einen Bericht veröffentlicht. In diesem Bericht heißt es zur Zielsetzung des Projekts unter anderem. "Transparenz kerntechnischer Anlagen und Offenheit in der Informationsvermittlung sind...notwendige Bedingungen für deren Akzeptanz in der Öffentlichkeit."(S.200) Diese Zielsetzung zu verfolgen, bleibt Herrn Rückl als Staatsbürger selbstverständlich unbenommen. Es muss aber die Frage gestellt werden, ob Schule dafür instrumentalisiert werden darf, für die Akzeptanz kerntechnischer Anlagen in der Öffentlichkeit zu werben. Dies gilt umso mehr, als die demokratisch gewählte Bundesregierung den Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie beschlossen hat &endash; eben weil sie von der Gesellschaft wegen der mit ihr verbundenen Risiken nicht akzeptiert wird.

Rückl geht aber noch weiter. In dem selben Bericht bezeichnet er es als ein "wesentliches affektives Lernziel", Schüler zu der Erkenntnis zu führen, "dass BZA sehr sorgfältig mit den Strahlenschutzbestimmungen umgeht."(S.199).

Anstatt SchülerInnen zu selbständiger und kritischer Auseinandersetzung mit der Kernenergie bzw. dem Betrieb einer kerntechnischen Anlage zu befähigen, wird hier eindeutig Parteinahme zugunsten einer seit vielen Jahren umstrittenen Anlage angestrebt. Dies steht unseres Erachtens nicht in Einklang mit den allgemeinen Bildungszielen des Schulsystems in Nordrhein-Westfalen.

Wie fragwürdig überdies das als Lernziel formulierte Werturteil ist, wird bei der Lektüre des Berichts selbst deutlich: Das Projekt wurde mit minderjährigen Schülern durchgeführt. Die Strahlenschutzverordnung verbietet für diese ausdrücklich den Aufenthalt im Kontrollbereich einer kerntechnischen Anlage, sofern er nicht für die Erreichung eines Ausbildungszieles erforderlich ist (§56 StrSchVO). Letzteres ist hier nicht der Fall. Neben zahlreichen Physiklehrern hat uns dies auch der stellvertretende Vorsitzende der Strahlenschutzkommission der Bundesrepublik Deutschland, Herr Prof.Dr. Köhnlein aus Münster, bestätigt. Um nun diese Bestimmung der StrSchVO zu umgehen, "wurde der für den gesamten Bereich des TBL deklarierte Kontrollbereich nach Absprache mit der Aufsichtsbehörde vorübergehend eingeschränkt."(Lernwelten, S.194) Im Klartext heißt das: Da nach der Strahlenschutzverordnung Jugendliche die Lagerhalle nicht betreten dürften, wurde für den Zeitraum der Messungen kurzerhand nur noch ein Teilbereich der Lagerhalle als Kontrollbereich definiert! Wie man aus der Aushebelung von Schutzvorschriften für Jugendliche einen "sehr sorgfältigen Umgang mit den Strahlenschutzbestimmungen" ableiten will, ist uns unerfindlich. Herr Prof.Dr. Köhnlein hat uns gegenüber jedenfalls erklärt, dass er dies für grob fahrlässig halte und Eltern dringend davon abraten würde, ihre minderjährigen Kinder an dem Vorhaben teilnehmen zu lassen. Auf diese Problematik angesprochen, erklärte Prof. Rückl gegenüber Lehrkräften der Anne-Frank-Realschule am 7.2.00, dass er die Strahlenschutzverordnung nicht in diesen Einzelheiten kenne und sich auch nicht darum kümmere, weil für die Einhaltung der StrSchVO allein die Betreibergesellschaft verantwortlich sei. So kann man sich auch seiner Verantwortung entziehen !

Übrigens will Rückl in diesem Jahr offenkundig noch jüngere SchülerInnen in seine Experimente einbeziehen: Er hat sich auch an die im Aufbau befindliche Realschule im Vestert gewandt, deren älteste SchülerInnen zur Zeit in der 8.Klasse, also 14 Jahre alt sind.

Zweifel an der Seriosität und Kompetenz des Prof. Rückl ergeben sich auch aus verschiedenen Auftritten in Ahaus:

Auf einer Lehrerfortbildung im Alexander-Hegius-Gymnasium am 29.10.98 informierte Rückl über von beladenen Castor-Behältern ausgehende Strahlung und ihre Messung. Befragt zu den Kontaminationsvorfällen, die im gleichen Jahr zu einem Transportstopp geführt hatten, bestritt er, dass dies ein Problem der Castor-Behälter sei. Vielmehr gelte es abgesehen von einer "geringfügigen Grenzwertüberschreitung an einem Behälter in Ahaus" nur für ausländische Behälter mit anderen Namen, die zu den Wiederaufarbeitungsanlagen in La Hague/F und Sellafield/GB transportiert worden seien. Rückl beharrte auf dieser Auffassung, obwohl er von einem Teilnehmer der Fortbildung darauf hingewiesen wurde, dass ausweislich der im Auftrag der Bundesregierung erstellten gutachterlichen Stellungnahme der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (Zwischenbericht vom 17.7. und Abschlussbericht vom 11.9.98) bei Transporten nach Sellafield unzulässige Kontaminationen gerade an einem Behälter der Bauart "Castor" (hier: Typ S 1) gemessen wurden. Überhaupt war auf dieser Tagung (wie auch im Bericht über das Schülerprojekt in den "Lernwelten") festzustellen, dass die zahlreichen technischen Probleme und durch Schlamperei verursachten Handhabungsfehler, die in den letzten Jahren im Zusammenhang mit den Castor-Behältern aufgetreten sind, systematisch ausgeklammert wurden .

(Anm.: Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier nur erwähnt :

  • Die Befüllung von Castor THTR/AVR-Behältern mit einem falschen Edelgas im Jahr 1994, die deren Dichtigkeitsüberwachung verunmöglichte;
  • die unzureichende Lackbeschichtung aller Behälter dieses Typs,
  • die heute dazu führt, dass sie systematischem Rostfraß ausgesetzt sind und einer Generalüberholung bedürfen;
  • die durch Fehlberechnungen bzw. &endash;messungen mit zu großem Durchmesser produzierten Moderatorstäbe in den Behältern Castor V/19;
  • die inzwischen an allen 3 Behältern des Typs Castor V/52 festgestellten Kontaminationen aufgrund leichtfertiger Befüllung dieser Behälter ohne Schutzhemd. Damit befindet sich im BZA Ahaus kein einziger Behälter mit Brennelementen, an dem in den wenigen Jahren seit der Einlagerung nicht schon gravierende Mängel festgestellt worden sind !)

Auf der oben bereits erwähnten Besprechung mit Lehrkräften der Anne-Frank-Realschule am 7.2.00 behauptete Rückl, dass beim Castor-Transport nach Ahaus im März 1998 alle diesen begleitenden Polizisten Strahlenplaketten am Körper getragen hätten, auf denen keine übermäßige Strahlenbelastung festgestellt worden sei. Als er von einem Teilnehmer darauf hingewiesen wurde, dass man mit diesen Plaketten nur Gamma-Strahlen erfassen könne, jedoch keine Neutronenstrahlen, bestritt er dies zunächst mehrmals, bevor er einräumen musste, dass er unrecht habe.

Die Aufzählung solcher Einlassungen, die entweder fehlende Kompetenz oder zumindest mangelnde Sensibilität im Umgang mit dem Gefahrenpotenzial der Nukleartechnik zeigen, ließe sich noch fortsetzen. Wir sehen die große Gefahr, dass bei den geplanten Projekten die Begeisterung von SchülerInnen für Technik ausgenutzt wird, um sie unter dem Vorwand eines praxisnahen Unterrichts zu manipulieren. Bezeichnend erscheint uns auch, dass Rückl eine von Prof. Köhnlein angebotene öffentliche Diskussion über sein Vorhaben abgelehnt hat.

Unter diesen Umständen können wir nicht glauben, dass der Ministerpräsdident des Landes NRW und die Bezirksregierung in Münster wirklich in voller Kenntnis der Sachlage das Projekt des Prof. Rückl billigen. Wir können auch nicht glauben, dass sich das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand, Technologie und Verkehr als Aufsichtsbehörde mit der beschriebenen Umgehung der Schutzbestimmungen für Jugendliche einverstanden erklärt. Wir bitten Sie daher dringend, eine eventuell erteilte Zustimmung zu überdenken und den betroffenen Schulen das Ergebnis mitzuteilen. Für eine Unterrichtung über Ihr Vorgehen wären wir dankbar.

 

Mit freundlichen Grüßen !

 

 (Peter Münster, Vorsitzender)

 

 

Dieses Schreiben geht auch an:

- Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen

- Minister für Wirtschaft, Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes NRW

- Ministerin für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW

- Bezirksregierung in Münster

Wir werden uns darüber hinaus auch direkt an die Schulleitungen und Schulpflegschaften der betroffenen Schulen wenden sowie die Öffentlichkeit informieren.

 

Antwort von der Ministerin für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW an BI

  30.03.00 Auch in Biblis CASTOR undicht

Strahlenschutzverordnung

Falls Prof. E. Rückl oder andere Atomfreunde ähnliche Aktivitäten an anderen Standorten entwickeln,

meldet Euch bitte bei der BI-Ahaus.Wir sind gerne bereit mit Euch die Seriösität dieser Anliegen zu überprüfen.

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