Münsterland-Zeitung 31.08.01

Ingewahrsamnahme war rechtswidrig

Drei Jahre nach Castortransport werten BI und Polizei Richterspruch sehr unterschiedlich

Ahaus - Die polizeilichen Ingewahrsamnahmen Hunderter von Demonstranten während des Castortransportes vom März 1998 waren rechtswidrig. Das geht aus acht rechtskräftigen Urteilen des Verwaltungsgerichts Münster hervor, die die Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus" (81) gestern präsentierte.

Während die BI ihre Auffassung bestätigt sah, dass die Ingewahrsamnahmen grundsätzlich widerrechtlich gewesen seien, räumte das Polizeipräsidium Münster gestern nur formale Fehler ein, die für das Gericht ausschlaggebend gewesen seien. Insgesamt waren am 20 März 627 Demonstranten festgenommen und in Gefangenensammelstellen in Münster, Rheine, Rhede und Coesfeld zum Teil über 20 Stunden festgehalten worden.

Das Verwaltungsgerichts hält die Ingewahrsamnahmen schon deshalb für rechtswidrig, weil in keinem Fall die vorgeschriebene richterliche Entscheidung eingeholt worden sei.

Dazu erklärte der Rechtsanwalt der Bl, Wilhelm Achelpöhler: "Die Musterurteile des Verwaltungsgerichts bestätigen unsere Auffassung, dass der erhebliche Eingriff in die Freiheitsrechte der Betroffenen Unrecht war. Die Bürgerrechte sind am Tag des CastorTransportes unter die Räder gekommen.' Nicht nur die richterliche Anordnung habe gefehlt. Die Ingewahrsamnahmen seinen auch von ihrer Dauer her unverhältnismäßig gewesen. Obwohl die Castoren bereits am Abend ins Zwischenlager gerollt seien, hätten die Ingewahrsamnahmen noch bis zum nächsten Tag angedauert. "Mit Zufriedenheit" habe die BI jetzt die Urteile des Verwaltungsgerichts aufgenommen, so ihr Sprecher Hartmut Liebermann. Er erwarte jetzt eine Entschuldigung des Polizeipräsidenten Münster und eine öffentliche Erklärung, dass sich die Polizei im Falle weiterer Castortransport an geltendes Recht halte.

Dagegen erklärte Alfons Probst als Sprecher des Polizeipräsidiums Münster, die Polizei habe im März 1998 beim Amtsgericht Ahaus nur telefonisch und nicht im Einzelfall die Ingewahrsamnahme abgesprochen. Dies sei ein Fehler gewesen, den die Polizei anerkenne. Probst: .Das sagt nichts darüber aus, ob die Ingewahrsamnahme im Grundsatz rechtswidrig war." Darum sehe er für die Polizei auch keinen Anlas, sich zu entschuldigen. - gro

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Mathias Engels aus Ahaus, einer der 627 Festgenommenen, beschrieb gestern seine

Ingewahrsamnahme vom 20.März 1998 als bittere Erfahrung':

"Wir sind wie Schwerverbrecher im Gefangenenbus nach Münster gebracht worden. So einen Eingriff ins Grundrecht habe ich vorher nicht für möglich gehalten. Darum habe ich dagegen geklagt. Das jetzige Urteil erfüllt mich mit einer gewissen Genugtuung: ich lebe doch in einem Rechtsstaat."

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Bayern und Hessen wollen nach wie vor Zwischenlager in Ahaus nutzen

Ahaus - Die Atomkraftwerksbetreiber und Landesregierungen in Bayern und Hessen wollen nach wie vor Castortransporte nach Ahaus durchfuhren.

Nachdem Anfang August der hessische Umweltminister auf einen Castor-Transport von Biblis nach Ahaus gedrängt hat (Münsterland Zeitung berichtete), hat in dieser Woche auch der technische Geschäftsführer des Atomkraftwerks im bayrischen Gundremmingen, Gerd von Weihe, betont, auch die Betreiber von Gundremmingen planten weiter Transporte nach Ahaus durchzufahren. Bei einem Besuch bayrischer Journalisten im Ahauser, Zwischenlager sagte von Weihe, ab-2005 seien die Lagerkapazitäten am Kraftwerk ausgeschöpft. Wenn dann das dezentrale Zwischenlager am Kraftwerksstandort noch nicht fertig sei, seien weitere, Transporte ins zentrale Zwischenlager nach Ahaus unumgänglich Die bayrische Staatsregierung lehnt die im Atomkonsens vereinbarte Schaffung von dezentralen Zwischenlagern an den Kraftwerksstandorten nach wie vor strikt ab. Schließlich, so der bayrische Umweltminister, reichten die Lagerkapazitäten der zentralen Zwischenlager in Ahaus und Gorleben noch für die nächsten 15 Jahre. Im September und Oktober will das Bundesamt für Strahlenschutz in Bayern Gespräche über den Bau dezentraler Zwischenlager führen.

Die Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus hatte sich bereits Anfang August gegen weitere Castortransporte aus Biblis nach Ahaus gewandt. "Unsere Schreiben an die nordrhein-westfälische Landesregierung wurden aber bis jetzt noch nicht beantwortet" sagte gestern BI-Sprecher Hartmut Liebermann. "Wir sind weiterhin wachsam. Unser Ziel ist es, Transporte schon im Vorfeld zu verhindern." Während Liebermann den Transportantrag aus Gundremmingen als "rein politischen Antrag" in der Auseinandersetzung zwischen der Bundesregierung und den unionsregierten Ländern sieht, bestehe für Biblis schon eher die Wahrscheinlichkeit eines Castortransportes nach Ahaus, weil dort im Gegensatz zu Gundremmingen die Lagerkapazitäten erschöpft seien. - ja/gro

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Pressemitteilung der BI v.30.08.2001: Rechtswidrigkeit des Polizeieinsatzes bei Castor-Transport nach Ahaus gerichtlich bestätigt !