TAZ 07.10.99
Weitere Atomunfälle weltweit
Finnland, Russland und Südkorea: Die Atomanlagen sind weltweit derzeit
nicht gerade in Hochform. Japaner versuchen, die verstrahlten Arbeiter von Tokai
zu retten
Berlin/Tokio (taz/dpa/AP) - Während in Japan und Südkorea noch die Ursachen
der jüngsten Zwischenfälle in Atomanlagen untersucht werden, hat es schon die
nächsten erwischt. Die letzte Meldung kam gestern morgen aus dem russischen
Bjelojarsk im Ural. Nach einem Defekt sei der dritte Reaktorblock des russischen
Atomkraftwerks Bjelojarski im Ural in der Nacht zum Mittwoch abgeschaltet worden.
Grund sei Rauchentwicklung in einer der Turbinen gewesen, meldete die
Nachrichtenagentur Interfax. Nach Angaben eines Sprechers des Ministeriums sind
damit zwei Reaktoren des AKW derzeit außer Betrieb.
Ebenfalls in Schwierigkeiten ist das AKW in Loviisa an der finnischen Südküste.
Dort trat explosives Wasserstoffgas aus. Es habe zunächst Brandgefahr bestanden,
aber keine Gefahr für den Nuklearprozess, sagte eine Sprecher des Atomkraftwerks
90 Kilometer östlich von Helsinki. Der Wasserstoff sei aus Flaschen mit defekten
Dichtungen ausgetreten und sollte eigentlich beim Kühlen der Turbinen helfen.
Feuerwehrleute der Stadt und des Atomkraftwerks hätten das Leck überwacht.
Waren es in den beiden bisherigen Beispielen Reaktoren russicher Bauart, so haben
die Südkoreaner ein Problem mit solchen kanadischer Herkunft. Im AKW Wolsong
liefen durch ein Leck 45 Liter radioaktiv verseuchten Schweren Wassers aus, so das
zuständige Ministerium. Die Ursache des Unfalls ist noch nicht geklärt, die
Regierung arbeitet aber verstärkt daran. Den Behörden zufolge wurden 22
Atomarbeiter leichter radioaktiver Strahlung ausgesetzt. Der Zwischenfall passierte
bei Wartungsarbeiten am Montag, am Dienstag erst machten ihn die Betreiber
öffentlich.
In Japan begannen unterdessen die Vorbereitungen für eine Bluttransformation für
den am schwersten verstrahlen Atomarbeiter von Tokai. Dort waren nach einer
unbeabsichtigten Kettenreaktion mindestens 49 Menschen verstrahlt worden, darunter
drei lebensgefährlich. Der 35-Jährige hatte mit 17 Sievert das 17.000fache der
erlaubten Jahresdosis abbekommen; ein anderer Kollege 10, ein Dritter 3 Sievert,
meldet Wise aus Paris, der World Information Service on Energy.
Die Regierung erwägt, der Betreibergesellschaft JCO die Lizenz für die
Uranbrennstoff-Fabrik zu entziehen. Die Geschäftsführung soll Druck auf die
Arbeiter ausgeübt haben, schneller voranzukommen. Dazu soll sie schon vor sieben
oder acht Jahren die internen Vorschriften geändert haben, ohne die Aufsicht zu
informieren. Die Polizei durchsuchte die Zentrale von JCO in Tokio.
taz Nr. 5958 vom 7.10.1999 Seite 5 80 Zeilen
TAZ-Bericht rem