Schwerer Atomunfall möglich

Umweltschützer verweisen auf

Sicherheitsmängel in Deutschland

 

ADN Berlin -02.12.99 Die deutschen Atomkraftwerke weisen nach

Experteneinschätzung zum Teil gravierende Sicherheitsmängel auf.

Dies ist das Ergebnis einer Studie, die der Bund für Umwelt und

Naturschutz Deutschland (BUND) gestern in Berlin vorstellte.

Danach könnte die Freisetzung radioaktiver Partikel im AKW

Krümmel für die gehäuften Leukämie-Fälle bei Kindern in der

Umgebung verantwortlich sein.

 

Weitere Mängel seien spröde Reaktorbehälter, die bei einem Störfall

bersten könnten, fehlende Sicherheit in den Kühlsystemen sowie der

mangelnde Schutz vor Erdbeben im hessischen Biblis. Der Leiter der

Studie, Helmut Hirsch, bilanzierte: «Ein schwerer Atomunfall ist in

Deutschland tatsächlich möglich.» Daneben bestehe eine

«schleichende Bedrohung» durch unkontrollierte radioaktive

Emissionen.

 

Die unkontrollierte Freisetzung von Radioaktivität erfolgt der Studie

zufolge durch so genannte große Partikel, die aus dem Kühlwasser

der Reaktoren in die Umgebung gelangen. Da diese Teilchen relativ

selten vorkommen, könnten sie von den punktuellen

Kontrollmessungen nicht erfaßt werden. Dennoch reiche die

Strahlung von nur einem dieser Partikel, um bei einen Kleinkind

Leukämie hervorzurufen. Hirsch führte die Blutkrebsfälle bei

Minderjährigen in der unmittelbaren Nähe des AKW Krümmel auf

diese Teilchen zurück. Seit 1990 wurden dort elf krebskranke

Kinder erfaßt. Hirsch räumte ein, dass es sich bei den Teilchen

bislang um theoretische Annahmen handele. Ein Nachweis fehle bis

heute.

 

Die Gefahr eines Atomunfalls rührt nach Angaben der BUND-Studie

aus Sicherheitsmängeln der AKW her, die zum Teil auf einen

Verschleiß des Materials zurückzuführen seien.

 

Die atompolitische Sprecherin des BUND, Renate Backhaus,

bekräftigte mit Blick auf die Untersuchung ihre Forderung nach

einem sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie. Die derzeit

diskutierten Laufzeitformel 30 plus X sei für den BUND

unannehmbar.

 

Bundeskanzler Gerhard Schröder zweifelt daran, dass es noch in

diesem Jahr zu einer Einigung über den Atomausstieg kommt. Bis

spätestens Anfang nächsten Jahres solle dies erreicht werden, sagte

er gestern ZDF-Sendung «Was nun, Herr Schröder?». Wichtigster

Punkt sei, dass es wegen der Laufzeit der Atomkraftwerke keine

Klagen auf Entschädigung seitens der Stromwirtschaft geben werde.

Er sei bei der Laufzeit nicht auf eine Zahl festgelegt.

© Berliner Morgenpost 1999

 

Klick-Tipp: Das Gutachten auf der Homepage des BUND

1999-12-01 - BUND-Studie über aktuelle Probleme und Gefahren bei deutschen Atomkraftwerken - Langfassung zum Download

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HEW planen Zwischenlager in Krümmel und Brunsbüttel

 

Brennelemente im Elbhang bei Geesthacht?

 

Als ersten Schritt zur direkten Endlagerung hat der Sprecher der

Hamburgischen Electricitäts-Werke AG (HEW), Johannes Altmeppen,

den geplanten Bau von Zwischenlagern an den

Kernkraftwerksstandorten Krümmel und Brunsbüttel bezeichnet. "Der

Bau von Zwischenlagern an den Kernkraftwerksstandorten ist ein

erster Schritt zur direkten Endlagerung", sagte Altmeppen.

Mittelfristig bedeute diese Maßnahme, für die die erforderlichen

Genehmigungen jetzt beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)

beantragt worden seien, den Rückzug aus der Wiederaufarbeitung.

Ziel sei es, die Zahl der Brennelemente-Transporte zu verringern.

   Mit dem Bau der Zwischenlager sei frühestens in drei Jahren zu

rechnen. In Krümmel solle das Lager in den Hang "hereingebaut"

werden, in Brunsbüttel sei an eine Halle mit Spezialfundament

gedacht, erklärte Altmeppen. Die Sicherheit vor der radioaktiven

Strahlung der Brennelemente werde durch die Castor-Behälter

gewährleistet.

    Die Brennelemente-Zwischenlager sind nach seinen Worten

ausschließlich für Elemente aus den Kernkraftwerken Brunsbüttel und

Krümmel vorgesehen. Mit dem jetzt gestellten Antrag würden

Ergebnisse aus dem ersten Konsensgespräch umgesetzt, das die

Energieversorgungsunternehmen im Januar 1999 mit der

Bundesregierung geführt hatten, betonten die HEW. Verantwortlich

und zuständig für ein Endlager sei die Bundesregierung. Die beiden

Kernkraftwerke beabsichtigten, "ihre ausgedienten Brennelemente

aus dem jeweiligen Zwischenlager am Kraftwerksstandort direkt in

das Bundesendlager zu bringen, sobald die Bundesregierung dies

zur Verfügung gestellt hat", hieß es weiter. Gesellschafter des

Kernkraftwerks Krümmel sind zu je 50 Prozent HEW und

PreussenElektra. Am Atomkraftwerk Brunsbüttel sind die HEW mit

zwei Dritteln, PreussenElektra mit einem Drittel beteiligt.

   Bei der Suche nach den Ursachen für die ungewöhnliche Häufung

von Kinderleukämien in der Nähe des Atomkraftwerks Krümmel gibt

es einen neuen Verdacht. Nach Meinung des hannoverschen

Physikers Helmut Hirsch könnten große radioaktive Partikel Auslöser

für die seit Anfang der Neunzigerjahre in der Elbmarsch auftretenden

Blutkrebserkrankungen unter Kindern sein. Es sei durchaus möglich,

dass solche "Cruds" unbemerkt aus dem Reaktorkühlwasser über die

Abluft der Kraftwerke in die Umwelt gelangten, heißt in einer am

Mittwoch in Berlin vorgestellten Studie, die Hirsch für den Bund für

Umwelt und Naturschutz (BUND) anfertigte.

   Zur Frage, ob die Sicherheit der Hamburg umgebenden

Kernkraftwerke auch beim Jahrtausendwechsel gewährleistet sei,

findet am 7. Dezember ein Anhörverfahren vor dem

Umweltausschuss der Bürgerschaft statt. GAL und

Regenbogen-Gruppe haben das Hearing beantragt. Als Experten

werden Vertreter der HEW, des TÜV-Nord und Informatikprofessor

Klaus Brunnstein gehört. (dpa/rup)

 

© 2.12.1999, Ein Service vom Hamburger Abendblatt

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