TAZ 21.03.2002

Die Angst vor jedem Meter Gleis

 

Castoren durch Hamburg: Robin Wood-Aktivisten stoppten gestern früh

dreieinhalb Stunden lang einen Atomtransport

 

Plötzlich stand der Zug, die Strecke war blockiert. Polizei und Bundesgrenzschutz

(BGS) gelang es in der Nacht zu Donnerstag nur unter großem Personal- und

Kraftaufwand, dem Atommülltransport aus dem Reaktor Krümmel den Weg durch

Hamburgs Osten zu bahnen. Über dreieinhalb Stunden blockierten sechs

AktivistInnen der Umeltschutzorganisation Robin Wood den Zug in Bergedorf.

Die AtomgegnerInnen hatten sich an die Gleise gekettet und waren auf ein

Dreibein geklettert. Laut Polizei wurden bei den Aktionen 37 Personen

festgenommen.

 

Der Zug hatte gegen 1.26 Uhr den Atommeiler bei Geesthacht mit drei

umstrittenen Castorbehältern vom "Typ NTL 11" mit 45 abgebrannten

Brennelementen verlassen. Sie waren 1998 nach Falltests wegen akuter

Sicherheitsmängel aus dem Verkehr gezogen worden. Seitdem war der "NTL 11"

zwar konstruktionsmäßig verändert worden, allerdings keinen Falltests unterzogen

worden. "Die Folgen eines Unfalls wären katastrophal", so Robin

Wood-Energieexpertin Bettina Dannheim. "Bei ungünstigen Wetterverhältnissen

würde die Bevölkerung im Radius von zehn Kilometern verstrahlt."

 

Ein großes Polizeiaufgebot sicherte in Schleswig-Holstein zunächst die Fahrt,

sodass es zu keinen nennenswerten Blockaden kam. Ansammlungen löste die

Polizei bereits im Vorfeld auf, gegen 14 Personen verhängte sie präventive

Platzverweise oder nahm sie in Gewahrsam. "Zwischenfälle waren erst zu

verzeichnen, nachdem der Zug Hamburger Gebiet erreicht hatte", berichtet der

Ratzeburger Polizeisprecher Eckhardt Schröder. Denn zwischen Escheburg und

dem Güterbahnhof Bergedorf blo-ckierten gegen 1.50 Uhr zwei Dutzend Personen

kurzfristig die Gleise. Wenig später begann die Robin Wood-Aktion. 20

mutmaßliche AktivistInnen hatte der BGS bereits Stunden zuvor präventiv in

Gewahrsam genommen.

 

Trotzdem lag der Überraschungseffekt bei Robin Wood. "Wir haben viele Beamte

im Raum eingesetzt, können aber nicht jeden Meter Gleis permanent überwachen",

sagt Polizeisprecherin Christiane Lewen. Erst gegen 5.25 Uhr konnten die

Aktivisten von den Schwellen entfernt werden und der Zug wieder rollen, nachdem

ein Bagger den Schotter aus dem Gleisbett entfernt hatte und die Schwellen

abmontiert worden waren.

 

Ohne Behinderungen verlief indes zeitgleich der Castor-Transport aus dem AKW

Brokdorf zum Rangierbahnhof Maschen, wo beide Züge am Morgen zur

Weiterfahrt nach Sellafield zusammengekoppelt wurden.. Magda Schneider

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TAZ 21.03.02

Der alte Stahlrohrtrick funktioniert immer noch

 

Aktivisten blockieren erfolgreich Atomtransport. Robin Wood kritisiert Betreiber

HEW, der ausrangierte Transportbehälter einsetzt

 

BERLIN taz Zwischen Escheburg und Bergedorf war erstmal Schluss: In

Hamburgs Südosten stoppten Robin-Wood-Aktivisten gestern den

Atomschrottzug aus den AKWs Krümmel und Brokdorf. Der alte Stahlrohrtrick

und ein präpariertes Dreibein aus Gerüststangen verhinderten fast vier Stunden die

Weiterfahrt. Vier Aktivisten hatten sich angekettet, zwei von der

Gerüstkonstruktion auf die Gleise abgeseilt. Robin-Wood-Expertin Bettina

Dannheim kritisierte, dass der Krümmel-Betreiber HEW erstmals seit Jahren

wieder Behälter des Typs NTL 11 einsetzt. Dannheim: "Dieser Behältertyp

bestand 1998 mehrere Tests nicht. Deshalb wurde er aus dem Verkehr gezogen".

Die HEW lehnte jede Stellungnahme zu den Vorwürfen ab.

 

Bereits im Vorfeld hatte es im Raum Hamburg mehrere Sitzblockaden gegeben, an

denen sich etwa 250 Menschen beteiligten. Nach Polizeiangaben wurden 46

festgenommen. Und auch nach der Robin-Wood-Blockade kam der Zug nicht so

vorran, wie von der Einsatzleitung erwünscht: Gegen sieben Uhr blockierten zwei

Duzend Demonstranten bei Jesteburg die Gleise Richtung Bremen. Diesmal

konnte die Polizei schnell räumen, aber X-tausendmal-quer-Sprecherin Swaantje

Fock kündigte weitere Aktionen bis zum Abend an. Sie sollen zeigten, dass "der

Widerstand lebendig wie je ist".

 

Wenig lebendig präsentierte sich die Anti-Atom-Bewegung im Süden der

Republik. Dem Aktionsbündnis Castor-Widerstand Neckarwestheim gelang es,

den Schrotttransport etwa eine Viertelstunde aufzuhalten. Die Krümmeler

Brennstäbe gehen in die englische Wiederaufbereitungsanlage Sellafield, die aus

Brokdorf und Grohnde nach La Hague. Am Abend sollte der Transport von

Rheinland-Pfalz aus die französische Grenze passieren - falls niemand mehr

dazwischen kommt. NICK REIMER

 

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TAZ Bremen Aktuell 21.03.02

 

Castor-Blockade vor Buchholz gestoppt

 

Rotenburg (taz) - Mit einer Sitzblockade stoppten rund 25 Jugendliche aus dem

Raum Rotenburg-Buchholz gestern Morgen kurz vor Buchholz den Zug mit vier

Castor-Behältern aus den Atomkraftwerken Krümmel und Brokdorf. Nach einer

halben Stunde verließen sie freiwillig und unerkannt die Gleise. In Buchholz und

Rotenburg protestierten Menschen gegen den Transport mit 45 abgebrannten

Brennstäben und den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke. In Bremen saß niemand

auf den Gleisen.

 

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Frankfurter Rundschau 22.03.2002

 

Demonstranten stoppen Atomtransport stundenlang

 

HAMBURG, 21. März (rtr/afp). Atomkraftgegner haben in der Nacht zum Donnerstag bei Hamburg einen

Atommülltransport zur Wiederaufbereitung im Ausland mehrere Stunden lang blockiert. Vier Mitglieder

der Umweltschutz-Organisation Robin Wood hatten sich auf dem Güterbahnhof Bergedorf an die Gleise

gekettet. Zwei weitere Demonstranten seilten sich von einem Gerüst über den Schienen ab.

 

Anschließend rollte der Zug mit abgebrannten Brennstäben aus dem Reaktor Krümmel in

Schleswig-Holstein ungehindert weiter. Der Atommüll war Teil eines Sammeltransports von insgesamt

neun Behältern mit Brennstäben. Geplant war, dass die Züge ihre Zielorte im Laufe dieses Freitags

erreichen.

 

Insgesamt rollen vier Castor-Transporte durch Deutschland. Der Atommüll aus Krümmel und dem

baden-württembergischen Neckarwestheim soll nach Sellafield gebracht werden. Die Brennelemente

aus Brokdorf und Grohnde (Niedersachsen) sind für die französische Wiederaufbereitungsanlage La

Hague bestimmt. Die Züge sollen vermutlich zusammengekoppelt werden und die französische Grenze

passieren. Die Routen durch Deutschland werden geheim gehalten

 

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