dpa 29.05.01
Strahlung in La Hague - nach Gutachten für BMU -
um 600% werden deutsche Grenzwerte überschritten.
Berlin
Die radioaktive Strahlung an den atomaren Wiederaufbereitungsanlagen im französischen La Hague und im britischen Sellafield ist deutlich höher als bislang bekannt. Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums bestätigte gestern einen Bericht des TV-Magazins "Report", der sich auf ein vom Ministerium in Auftrag gegebenes Gutachten bezog.
Wie zudem der Südwestfunk berichtete, überschreitet die Strahlung in Sellafield den deutschen Grenzwert sogar um das 20-fache (mehr als 1900%), in La Hague um das Siebenfache (mehr als 600%).
Financial Times Deutschland
Aus der FTD vom 29.5.2001
Atomwirtschaft rechnet mit neuen Meilern
Von Olaf Preuß, Hamburg
Die deutschen Stromversorger und die Atomwirtschaft rechnen
damit, in absehbarer Zeit in Europa und in Deutschland wieder
neue Atomkraftwerke bauen zu können.
"Der politisch gewünschte Ausstieg aus der Kernenergie steht im
Widerspruch zu den Klimaschutzzielen der Bundesregierung", sagte
am Montag in Frankfurt Günter Marquis, Präsident des Verbandes der
Elektrizitätswirtschaft (VDEW), bei der Vorstellung des
VDEW-Jahresberichtes 2000. "Nationale und europäische Alleingänge
behindern eine nationale Energiepolitik", sagte Marquis, im
Hauptberuf Vorstandsmitglied der Lech-Elektrizitätswerke in
Augsburg.
Die Zukunft der Atomkraft dürfte auch ein zentrales Thema beim
diesjährigen VDEW-Kongress sein, der am Dienstag in Hamburg
eröffnet wird. Es ist die größte energiewirtschaftliche Tagung in
Deutschland.
Zwei Umstände beflügeln den neuen Optimismus der Branche: In
Deutschland gibt es bislang keine energiepolitische Strategie, wie
Atomreaktoren, die in den kommenden Jahren schrittweise vom Netz
gehen, ersetzt werden sollen, ohne dabei den deutschen Ausstoß an
Treibhausgasen zu erhöhen. Schon jetzt ist klar, dass die deutschen
Ziele zum Klimaschutz in den kommenden Jahren kaum eingehalten
werden können. Die neue US-Regierung unter Präsident George Bush
wiederum, die eine Ratifizierung des Klimaschutz-Abkommens von
Kioto ablehnt, setzt für die Energieversorgung der Vereinigten
Staaten auch auf den Neubau von Atomreaktoren.
Hoffen auf Neubewertung
Die Vereinbarung über den Atomausstieg zwischen der
Bundesregierung und den Atomkraftwerks-Betreibern diente der
Branche lediglich dazu, den Bestand der 19 laufenden Reaktoren in
Deutschland zu sichern. "Nach meiner Auffassung hat die Kernenergie
auch in Deutschland trotz dieser Vereinbarung noch eine Zukunft",
sagte Gert Maichel, Präsident des Deutschen Atomforums, kürzlich in
Dresden. "Über die Grundsatzfrage der friedlichen Nutzung der
Kernenergie bestehen zwischen der Bundesregierung und der
Industrie weiterhin unterschiedliche Auffassungen", sagte
RWE-Vorstandsmitglied Maichel. In Deutschland werde es "in wenigen
Jahren zu einer Neubewertung der Kernenergie mit dem Ergebnis
einer weiteren Nutzung kommen".
Von der Renaissance der Atomkraft in den USA profitiert jetzt bereits
der weltgrößte Reaktorbauer und Nukleardienstleister Framatome
ANP, der zu zwei Dritteln der französischen Framatome gehört und zu
einem Drittel dem Siemens-Konzern. Noch unter Präsident Bill Clinton
begannen in den USA die ersten Betreiber von Atomkraftwerken, eine
von 40 auf 60 Jahre verlängerte Laufzeit zu beantragen. "Wir rechnen
damit, dass für rund drei Viertel der 103 Atomreaktoren in den USA
eine Verlängerung der Betriebsdauer von 40 auf 60 Jahre genehmigt
werden wird", sagt Framatome-Sprecher Wolfgang Breyer. Framatome
werde vor allem bei der Modernisierung von Kraftwerken dabei sein,
etwa bei der Einrichtung neuer Leitstände. Der Konzern sei zudem
"lebhaft daran interessiert", beim Neubau von Reaktoren ins Geschäft
zu kommen.
Noch wurde in den USA kein neues Atomkraftwerk in Auftrag gegeben,
auch in Europa gibt es derzeit keine Neubaupläne. Framatome bietet
allerdings den Druckwasserreaktor EPR und den Siedewasserreaktor
SWR 1000 an. Beide Anlagen sind laut Breyer Weiterentwicklungen
bestehender Reihen und könnten ohne Prototyp gebaut werden.
Erstmals könnte einer dieser Reaktortypen in Finnland zum Einsatz
kommen. Die finnische Regierung prüft derzeit einen Antrag zum
Neubau eines neuen Atomkraftwerkes.