TAZ 28.10.00 Kurzmeldungen
AKW-Baustopp in Taiwan verkündet
BERLIN taz Taiwans neuer Premier Chang Chun-hsiung hat gestern einen
Baustopp für den umstrittenen vierten Doppelreaktor verkündet. Das AKW sei
nicht nur ein ökonomisches Thema, sondern berühre das Leben aller 23 Millionen
Taiwaner, sagte Chang in Anspielung an Sicherheits- und Umweltbedenken.
Wegen des Streits um das zu einem Drittel fertig gestellte AKW war Anfang
Oktober der damalige zur Opposition gehörende Premier zurückgetreten. Darauf
wurde Chang Regierungschef. Er gehört zur Demokratischen Fortschrittspartei.
Sie ist für einen Atomausstieg, hat aber im Parlament keine Mehrheit.
NZZ 28. Oktober 2000
Taiwan verzichtet auf umstrittenes AKW
Nichtnukleare Energieversorgung als Fernziel
Die Regierung Taiwans hat am Freitag verfügt, dass die
im letzten Frühjahr sistierten Bauarbeiten am vierten
Kernkraftwerk nicht mehr aufgenommen werden. Kreise
der Opposition, die im Parlament die Mehrheit hat und
für die Vollendung der zu einem Drittel fertiggestellten
Anlage eintritt, drohen mit einem Misstrauensantrag.
us. Tokio, 27. Oktober
Kurz nachdem der Oppositionsführer Lien Chan in einer
Auseinandersetzung mit Präsident Chen Shui-bian einen
Kompromissvorschlag zur Beendigung des seit längerem
schwelenden Parteienstreits angeboten hatte, hat Ministerpräsident
Chang Chun-hsiung verlauten lassen, dassdie Regierung auf den Bau
des umstrittenen vierten Kernkraftwerks im Norden Taiwans
verzichten werde. Chang begründete den Beschluss mit der Gefahr
für die Gesundheit der Inselbewohner und den langfristigen
Belastungen durch radioaktive Abfälle. Für die nächsten sieben
Jahre gebees keine Versorgungsschwierigkeiten. Längerfristig
werde sich die Regierung um die Bereitstellung von nichtnuklearen
Alternativen bemühen.
Problematischer Standort
In den letzten Tagen hatte sich die energiepolitische
Auseinandersetzung zwischen den taiwanischen Parteien verschärft.
Die Kuomintang(KMT) hatte verlauten lassen, dass sie die
anstehende Debatte über den Haushalt für das nächsteFinanzjahr
boykottieren werde, falls die Regierung nicht einen definitiven
Entscheid über den Bau des Kernkraftwerks fällen sollte.
Unerwartet rasch ist Ministerpräsident Chang diesem Begehren nun
am Freitag nachgekommen, allerdings nicht im Sinne, wie es die
Opposition erwartet hatte. Ihre Reaktion fiel scharf aus. Der
Parlamentssprecher Wang Jin-pyng, der der KMT angehört,
bezeichnete den Entscheid als illegal.Andere KMT-Abgeordnete
bezichtigten die Regierung, die Energieversorgung der Insel aufs
Spiel zu setzen. Von Abgeordneten der neuen Volkspartei des
ehemaligen KMT-Dissidenten James Soong wurde die Einreichung
eines Misstrauensantrags gegen die Regierung angedroht.
Die Demokratisch-Progressive Partei (DPP) von Präsident Chen
Shui-bian hat die Abkehr von der Kernenergie in ihrem Programm.
Ministerpräsident Chang betonte jedoch, dass es sich beidem
Regierungsentscheid nicht um einen ideologischen Schritt handle. Es
gehe der Regierung um die Gesundheit der Bevölkerung. In der Tat
gab es weitverbreitete Skepsis über den Standort der Anlage vierzig
Kilometer östlich der Hauptstadt Taipeh. Erst vor kurzem war ein
Bericht japanischer Wissenschafter bekannt geworden, demgemäss
ein Unfall von der Art, wie er sich in Tschernobyl ereignet hatte,
im Norden Taiwans sogleich 8700 Todesopfer verursachen und 3,5
Millionen Personen ernsthaften Strahlungsschäden aussetzen
würde. Die Befürchtungen der Bevölkerung werden noch durch die
starken Erdbeben, die Taiwan relativ häufig heimsuchen, verstärkt.
Schwierigkeiten bei der Stromversorgung?
Die Elektrizitätsgesellschaft, welche die drei bestehenden
Kernkraftwerke betreibt, unterstützt den Regierungsentscheid.
Demgegenüber besteht die KMT, die das Projekt durch das
Parlament gepeitscht hatte, darauf, dass Taiwan ohne die
Fertigstellung des vierten Kernkraftwerks, das 2005 hätte in
Betrieb genommen werden sollen, in der Zukunft ernste
Schwierigkeiten bei der Stromversorgung drohen werden. Dies
werde zur Abwanderung von Industriebetrieben und zur
Verunsicherung auswärtiger Investoren führen. Chen Shui-bian
hatte in seiner Präsidentschaftskampagne die Sistierung der
Bauarbeiten versprochen. Als Wirtschaftsminister Lin Hsin-i sich
für eine völlige Aufgabe des Projekts stark machte, trug dies dazu
bei, dass vor Monatsfrist Ministerpräsident Tang Fei von der KMT
nach knappfünf Monaten Amtszeit den Hut nahm. Verfassungsgemäss
ernennt der Präsident die Regierung und kann, sofern die
Legislative ihr das Vertrauen entzieht, diese auflösen und
Neuwahlen ausschreiben. Es ist fraglich, dass in ihrem derzeitigen
Zustand die KMT einen solchen Ausgang der Kontroverse wünschen
könnte.
Darmstädter Echo 27.10.00
Haar-Riss in Biblis sehr sicherheitsrelevant"
BIBLIS (ai). Die Betreiber des Kernkraftwerks Biblis hätten den Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) schon bei seinem Besuch am 19. Oktober über Probleme im Reaktorblock A informieren können.
Das behauptet der Bergsträßer Landtagsabgeordnete Norbert Schmitt (SPD). CDU und FDP
haben am Donnerstag im Umweltausschuss des Landtags eine öffentliche Diskussion über den am
Montag bekannt gewordenen Haar-Riss verweigert. SPD und Grüne unterlagen mit ihrem Antrag,
die Öffentlichkeit zuzulassen.
Die Oppositionsfraktionen wollten unter anderem wissen, warum das Umweltministerium elf Tage
wartete, bevor es eine Pressemitteilung herausgab. Die schadhafte Schweißnaht am
Notkühlsystem des Reaktors war der Behörde nach eigenen Angaben am 12. Oktober mitgeteilt
worden.
Nach weiteren Prüfungen wurde Umweltminister Wilhelm Dietzel (CDU) eine Woche später
informiert. Dietzel benachrichtigte am 20. Oktober das Bundesumweltministerium, drei Tage darauf
die Öffentlichkeit.
Schmitt berichtete am Donnerstag nach der Sitzung, ein RWE-Vertreter habe im Umweltausschuss
darum gebeten, die Reparatur der Schweißnaht bis zur nächsten Revision im Jahr 2002 zu
verschieben. Eine Verzögerung des für den 3. November geplanten Wiederanfahrens der Anlage
um sechs Wochen bedeute Verluste für das RWE von 50 Millionen Mark.
Schmitt: Das zeigt, dass dem RWE Geld wichtiger ist als die Sicherheit". Der Konzern verhalte sich
ähnlich wie damals, als erhöhte Strahlenwerte an Castor-Transportbehältern gemessen wurden,
diese Erkenntnis aber nicht an die Aufsichtsbehörde weitergeleitet worden sei.
Ein Sprecher des Hessischen Ministeriums hat nach Auskunft von Schmitt am Donnerstag im
Ausschuss eingeräumt, dass der Haar-Riss sehr sicherheitsrelevant" sei.
AP 27.10.2000
Alter Defekt im Atomkraftwerk Biblis entdeckt
Schweißnaht am Kühlsystem hat Riss - Neuer Wirbel um Castor-Behälter
Wiesbaden (AP) Bei der turnusmäßigen Überprüfung von Block A des Atomkraftwerks Biblis in
Hessen ist eine schadhafte Stelle am Kühlsystem entdeckt worden. Es handelt sich dabei um
einen vermutlich uralten Riss an der Schweißnaht der Verbindung zwischen dem Kühlkreislauf
des Reaktors und dem Not- und Nachkühlsystem. Es sei jedoch kein Kühlwasser ausgetreten und damit auch keine Radioaktivität
freigesetzt worden, berichtete das hessische Umweltministerium am Montag in Wiesbaden. Minister Wilhelm Dietzel (CDU) erklärte, der
Riss habe sich wahrscheinlich bereits beim Bau der Anlage 1973 gebildet.
Dietzel forderte den Betreiber RWE auf, die Ursachen zu untersuchen und unverzüglich mit der Reparatur zu beginnen. Er informierte
Bundesumweltminister Jürgen Trittin und kündigte an, die Reaktorsicherheitskommission werde den Sachverhalt noch im Oktober
erörtern.
Der Block A ist seit dem 19. August abgeschaltet. Dietzel erklärte, falls es erforderlich sein sollte, könne sich die Revision um mehrere
Wochen verlängern. Aufschlüsse solle ein Begutachtungsverfahren bringen, das er veranlasst habe.
Nach Angaben von Ministeriumssprecherin Birgitt Wagner befindet sich der Riss an einer unzugänglichen Stelle. Wie groß der Riss ist,
konnte die Sprecherin nicht sagen. Das Kühlwasser ist radioaktiv belastet, bei einem Auslaufen wäre also radioaktive Strahlung freigesetzt
worden.
Die Schweißnaht wird mit Hilfe von Sensoren kontrolliert. Den Angaben zufolge hatte ein Messgerät schon bei einer Überprüfung 1992
einen Mangel registriert, jedoch glaubte man damals irrtümlich an einen Messfehler.
Eine neue Diskussion gibt es um die Strahlungssicherheit der Castor-Behälter, die zum Transport von abgebranntem und
wiederaufgearbeitetem Kernbrennmaterial verwendet werden. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace berichtete, aus derartigen
Behältern des baden-württembergischen Kernkraftwerks Philippsburg könne radioaktive Strahlung austreten.
Aus einem internen Papier des Eisenbahnbundesamtes gehe hervor, dass bei der Vorbereitung zum Beladen eines Transportbehälters
Löcher in einem Schutzüberzug entdeckt worden seien, erklärten die Umweltschützer. Dennoch sei der Behälter mit hoch radioaktiven
Brennelementen beladen worden und stehe abfahrbereit auf dem Kraftwerksgelände. Die Energie Baden-Württemberg Kraftwerke AG
sprach von Panikmache und völlig unseriöser Darstellung.
Greenpeace-Energieexperte Veit Bürger erklärte, trotz der zweieinhalbjährigen Zwangspause, die das 1998 wegen Strahlungsproblemen
erlassene Transportverbot bewirkte, hätten die Kraftwerksbetreiber ihre alten Probleme nicht in den Griff bekommen. Daher müssten die
Transporte weiter untersagt bleiben.
Noch dieses Jahr sollen aus den Atomkraftwerken Philippsburg, Stade und Biblis acht Behälter mit rund 30 Tonnen hochradioaktiven
Brennelementen nach La Hague in Frankreich zur Wiederaufarbeitung transportiert werden. Atomtransporte ins westfälische
Zwischenlager Ahaus soll es dieses Jahr nicht mehr geben, wie der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens erklärte.
TSCHECHISCHES AKW abgeschaltet
Nur zweieinhalb Wochen nach seiner Inbetriebnahme ist das AKW Temelín
gestern wegen Problemen im Kontrollsystem einer Pumpanlage abgeschaltet
worden. Die Betreiber teilten mit, dass durch die Probleme jedoch keine Gefahr
für die Sicherheit des AKWs bestand. (afp)
Süddeutsche Zeitung Wirtschaft 27.10.2000 22:19
AKW Temelin nach Pumpen-Ausfall herunter gefahren
Prag, 27. Okt (Reuters) - Zweieinhalb Wochen nach seiner
Inbetriebnahme ist das umstrittene Atomkraftwerk im
tschechischen Temelin am Freitag wegen e ...
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Standard, Der Vermischtes 27.10.2000 22:16
Temelín: Neuer Störfall im AKW
Zirkulationspumpen ausgefallen
Temelín/Prag - Neuer Störfall im südböhmischen Atomkraftwerk
Temelín: Wie AKW-Sprecher Milan Nebesar am Freitag bestätigte,
seien Donner ...
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Financial Times Wirtschaft 27.10.2000 21:50
Eon Energie: Kernkraftwerk Stade geht 2003 vom Netz
Der Energiekonzern Eon will das Kernkraftwerk Stade im Jahr
2003 abstellen. Konzernweit sollen 4.800 Megawatt (MW)
der insgesamt 30.000 MW der Eon-Leistung vom Netz
genommen werden.
Ein Großteil der Reduzierung werde bereits im kommenden Jahr
erfolgen, teilte das Unternehmen am Montag miz. Mit den
Stilllegungen reagiere Eon auf die durch die Liberalisierung der
Strommärkte entstandenen Überkapazitäten in Deutschland und
Europa, hieß es. Der Konzern verspricht sich dadurch über die
nächsten zehn Jahre per Saldo eine Verbesserung des
Betriebsergebnisses von rund 1,4 Mrd. DM.
Stade ist damit voraussichtlich das erste Kernkraftwerk, das nach
dem im Sommer zwischen Bundesregierung und Atomwirtschaft
erzielten Kompromiss zum Atomausstieg stillgelegt wird. Die im
Kompromiss festgelegte Reststrommenge für Stade hätte den
Betrieb der Anlage bis 2004 ermöglicht.
Im Zuge der Fusion von Veba und Viag zur Eon hatte der
Konzern angekündigt, alle Kraftwerke auf ihre Wirtschaftlichkeit
hin zu überprüfen. Auch der Essener Konkurrent RWE hat eine
Stilllegung von Kraftwerkskapazitäten in Aussicht gestellt.