Pro 7 VT 115 v. 08.12.2000

AKW Bibilis: Schweißnähte ungeprüft

Manche schwer zugängliche Schweißnähte im Atomkraftwerk Biblis A sind noch nie vollständig überprüft worden. Das berichtet die "Frankfurter Rundschau". Demnach sind vier "Bogenlängsschweißnähte" im seit 1974 in Betrieb befindlichen Hauptkühlsystems von Stützfüßen verdeckt. Die alle acht Jahre vorgenommenen Ultraschall-Untersuchungen seien deshalb auf die zugänglichen Nahtbereiche beschränkt gewesen. Der Reaktor ist derzeit zur Revision abgeschaltet.

zurück

Darmstädter Echo 08.12.2000

Stehen im Frühjahr beide Blöcke im Atomkraftwerk Biblis still?

Reparatur im Block A verzögert sich, Block B geht bald zur nächsten Revision vom Netz &endash; Stillstand schützt vor Pannen nicht

 

 

BIBLIS. Falls es nicht gelingt, die defekten Schweißnähte im Block A des

Kernkraftwerks Biblis in den nächsten Wochen vorschriftsmäßig zu

reparieren, dann könnten im Frühjahr beide Reaktoren gleichzeitig still

stehen. Das war zuletzt 1996 der Fall. Block B muss voraussichtlich Ende

April zur nächsten planmäßigen Revision vom Netz. Der 21. Betriebszyklus

dieses Reaktors hat am 21. Juni begonnen. Weil damals nicht die

größtmögliche Zahl von Brennelementen ausgewechselt werden konnte,

dauert dieser Zyklus nur zehn statt normalerweise bis zu 14 Monaten.

 

Stillstand schützt vor Pannen nicht: Block A war am 19. August planmäßig

zur Revision vom Netz gegangen. Die routinemäßigen Arbeiten sind

abgeschlossen. Mit der Entdeckung einer defekten Schweißnaht wurde

Anfang Oktober klar, dass dieses Kraftwerk nicht wie geplant zurück ans

Netz gehen kann. Die Entdeckung des Risses hatte bundesweit die

Diskussion über die Sicherheit kerntechnischer Anlagen neu angefacht. Bis

ins Berliner Umweltministerium und in den Hessischen Landtag reichten die

Auswirkungen des Vorfalls.

 

Eine Meldung der Betreibergesellschaft RWE Power (Essen) über zwei

Vorkommnisse im Kraftwerksblock A hat das hessische Umweltministerium

als zuständige Aufsichtsbehörde Ende vergangener Woche erreicht. In

dem für den Brennelementewechsel, Inspektionen und die Nachrüstung

abgeschalteten Block habe am 29. November bei einer Prüfung der

Feuerlöschanlagen zunächst eine Armatur nicht geöffnet werden können.

Über diese Armatur wird eine Sprühflutanlage für elektrische Kabel mit

Löschmittel versorgt. Die Prüfung sei erfolgreich gewesen, nachdem ein

Ventil gereinigt worden war, heißt es in fast gleich lautenden Erklärungen

aus Wiesbaden und Biblis.

 

Bei einer Überprüfung am Tag darauf, dem 30. November, ließen sich laut

Aufsichtsbehörde nach dem Start des Notstromdiesels zwei von acht

sicherheitstechnischen Pumpen in der Kühlwasserversorgung mit einer

Auslegung von je 50 Prozent nicht starten. Nach dem Austausch einer

defekten Elektronik-Baugruppe sei diese Prüfung erfolgreich wiederholt

worden.

 

Nach einer ersten Bewertung durch die Aufsichtsbehörde haben die

Vorkommnisse keine sicherheitstechnische Bedeutung. Eine Gefährdung

des Personals, der Umgebung oder Anlage sei mit den Vorkommnissen

nicht verbunden gewesen. Eine abschließende Bewertung wird unter

Hinzuziehung des TÜV Nord vorgenommen.

 

Im Reaktorblock B war &endash; wie kurz berichtet &endash; am 18. November eine von

vier Hauptkühlmittelpumpen ausgefallen. Auch darüber wurde das

hessische Umweltministerium als zuständige Aufsichtsbehörde vom

Betreiber des Atomkraftwerkes informiert. Mit dem Ausfall der Pumpe war

die automatische Absenkung der Reaktorleistung auf etwa 43 Prozent

verbunden. Ursache für die Abschaltung sei ein Kurzschluss im

Antriebsmotor der Pumpe gewesen.

 

Zwischenzeitlich wurde Block B gemäß den Festlegungen der

Betriebsgenehmigung mit einer abgesenkten Reaktorleistung von maximal

75 Prozent mit den drei noch vorhandenen Hauptkühlmittelpumpen

betrieben. Nach einer ersten Bewertung durch die Atomaufsichtsbehörde

hatte die Störung keine sicherheitstechnische Bedeutung. Ebenso liegt

keine Meldepflicht gemäß den deutschen Meldekriterien oder nach der

Internationalen Skala zur Bewertung von Vorkommnissen vor. Die

Reparaturmaßnahmen werden von der Aufsichtsbehörde unter

Hinzuziehung des TÜV Süddeutschland kontrolliert.

 

Wie berichtet, hat RWE Power beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)

den Antrag auf Genehmigung der so genannten Interimslagerung von

Castor-Behältern für abgebrannte Brennelemente auf dem Bibliser

Kraftwerksgelände gestellt. Bereits jetzt dürfen in Biblis bis zu sechs

Castor-Behälter bis zu ihrem Abtransport in eines der deutschen

Zwischenlager abgestellt werden. Auf der vorgesehenen Fläche ist Platz für

28 Behälter. Alle Behälter werden auf Betonplatten gelagert. Sie werden

hierbei auf Lagerblöcke gelegt und zum Wetter- und Strahlenschutz mit

einer Betonhaube umgeben. Durch diese Art der Lagerung würde selbst

bei maximaler Belegung der vom Gesetzgeber vorgeschriebene Grenzwert

der Strahlenbelastung weit unterschritten.

 

Bis zur Fertigstellung der bereits beantragten Zwischenlagerhalle,

voraussichtlich im Jahr 2005, ist es das vorrangige Ziel von RWE, zur

Entsorgung abgebrannter Brennelemente Abtransporte in die zentralen

Zwischenlager oder in die Wiederaufarbeitung durchzuführen. Insofern ist

die Interimslagerung nur für den Fall notwendig, dass diese Transporte

nicht rechtzeitig und in ausreichender Zahl realisierbar sind. Sobald die

Zwischenlagerhalle am Standort aufnahmebereit ist, wird die

Interimslagerung von Castoren geräumt.

Bernd Sterzelmaier

8.12.2000

zurück

YAHOO-Spezial Freitag 1. Dezember 2000, 15:33 Uhr

 

RWE Power beantragt Interimslagerung für Biblis

 

Essen, 01. Dez (Reuters) - Die RWE Power AG hat beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)

beantragt, übergangsweise mehr Castor-Behälter für abgebrannte Brennelemente auf dem

Kraftwerksgelände Biblis lagern zu dürfen als bislang erlaubt. Dies sei nur für den Fall

notwendig, dass die Abtransporte in eines der Zwischenlager nicht rechtzeitig und in

ausreichender Zahl realisierbar seien, teilte die RWE-Tochter, in der die Kraftwerksaktivitäten des

Konzerns gebündelt sind, am Freitag weiter mit. Bereits jetzt dürften sechs Behälter abgestellt

werden. Auf der vorgesehenen Fläche sei Platz für maximal 28 Behälter.

 

Alle Behälter würden auf Betonplatten und Lagerböcken gelagert und zum Strahlen- und

Wetterschutz mit einer Betonhaube umgeben. Selbst bei maximaler Belegung würden die vom

Gesetzgeber vorgeschriebenen Grenzwerte "weit unterschritten", hieß es. Bis zur Fertigstellung

der bereits beantragten Zwischenlagerhalle im Jahr 2005 sei das vorrangige Ziel, abgebrannte

Brennelemente in zentrale Zwischenlager oder Wiederaufarbeitunganlagen zu entsorgen.

 

Der bislang letzte innerdeutsche Castor-Transport war am 20. März 1998 in Ahaus eingetroffen. Die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) hatte alle Atomtransporte gestoppt, da an Atommüllbehältern überhöhte Strahlenwerte gemessen worden waren. Das nordrhein-westfälische Innenministerium hatte im Oktober die nächsten Transporte für Anfang 2001 angekündigt. Nach Auffassung der Atomkraftwerksbetreiber sind 20 bis 25 Atommüll-Transporte bis zum Jahr 2005 erforderlich. Für mehrere Transporte besteht nach früheren Angaben ein kurzfristiger Bedarf.

zurück

Westfälische Nachrichten 08.12.2000

Manche Schweißnähte im AKW Bilbis angeblich noch nie geprüft

 

Frankfurt/Main (dpa) - Manche schwer zugängliche Schweißnähte im

Atomkraftwerk Biblis A sind noch nie vollständig überprüft worden. Das

berichtet die »Frankfurter Rundschau«. Demnach geht aus einer Mitteilung

des hessischen Umweltministeriums hervor, dass im Hauptkühlsystem des

1974 in Betrieb gegangenen Reaktors vier »Bogenlängsschweißnähte« von

Stützfüßen verdeckt sind. Die alle acht Jahre vorgenommenen

Ultraschall-Untersuchungen seien deshalb auf die von außen zugänglichen

Nahtbereiche beschränkt gewesen. Der Reaktor ist seit August zur Revision

abgeschaltet.

Copyright: Deutsche Presse Agentur

zurück

Frankfurter Rundschau 08.12.2000

Größter Anzunehmender Kredit

Der Westen finanziert den Ausbau der ukrainischen Kernenergie und unterstützt so ein unsinniges und risikoreiches Projekt

Von Joachim Wille

 

Eigentlich eine gute Nachricht: Tschernobyl geht vom Netz. Mehr als 14 Jahre nach dem Super-GAU,

der Europa radioaktiv einnebelte und Tausende das Leben kostete, ist endlich die Voraussetzung

dafür erfüllt, dass der letzte noch aktive Reaktor des Kraftwerks abgeschaltet wird.

 

Doch das ist gleichzeitig die schlechte Nachricht. Die Erpressung auf höchster Regierungsebene hat

funktioniert: Kiew drückt den Aus-Knopf nur, weil nun sichergestellt ist, dass der Atomsektor in dem

Land eine kräftige Aufbau-Spritze bekommt. Zwei eingemottete AKW-Projekte können mit West-Geld

fertig gebaut werden, weil die Osteuropa-Bank den ersten einschlägigen Kredit über 467 Millionen Mark

freigegeben hat. Am Ende wird der Westen 3,3 Milliarden für die Aufrüstung einer

Dinosauriertechnologie hinblättern.

 

Das ist doppelt fatal: Erstens, weil die Meiler russischer Bauart auch modernisiert für die Bevölkerung

ein hohes Risko darstellen, und zweitens, weil in der Ukraine als erstes eine Modernisierung der

maroden Kohle- und Gaskraftwerke sowie der ineffizienten Energiestrukturen angezeigt wäre. Mehr

Strom in ein löchriges Netz fließen zu lassen, macht keinen Sinn.

Das Bild, das die auf Atomausstieg verpflichtete Bundesregierung bei der Abstimmung in der Bank

abgab, ist traurig. Sie hatte sich als aufrechte Gegnerin dieser Kreditvergabe geoutet, um sich dann nur

zu einer müden Enthaltung aufzuraffen. Dabei steht zu befürchten, dass der Atomkredit die Tür für

weitere ähnliche Projekte in Osteuropa öffnet. Und dass die Folgen uns mehr betreffen können, als uns

lieb ist, hat Tschernobyl ja bewiesen.

zurück