TAZ ß2.11.00

Risse in Biblis A durch Schlamperei beim Bau

 

Kommission: Defekt an "sicherheitsrelevanter Stelle" ist schon 27 Jahre alt, er

kann aber repariert werden. Dann darf das AKW wieder ans Netz

 

FRANKFURT/M. taz Der Ausschuss "druckführende Komponenten in

Atomanlagen" der Reaktorsicherheitskommission (RSK) des Bundes hat sich

festgelegt: Die drei Risse an einer Schweißnaht im Bereich der Verbindung

zwischen Notkühlsystem und Reaktorkühlkreislauf im AKW Biblis A seien "mit

ziemlicher Sicherheit herstellungsbedingte", sagte der Vorsitzende der RSK,

Lothar Hahn, gestern auf Nachfrage der taz.

 

Der RSK-Ausschuss tagte am Dienstag bis in die Abendstunden. Angehört

wurden Vertreter der Betreibergesellschaft RWE Energie AG, Gutachter der

Landesbehörde (Atomaufsicht Hessen) und Vertreter des hessischen

Landesregierung. Die Risse seien "reparabel", so Hahn weiter. Danach könne

Block A in Biblis, der wegen der Jahresrevision ohnehin schon im August vom

Netz genommen wurde, wieder angefahren werden - allerdings wohl erst einige

Wochen nach dem eigentlich vorgesehenen Termin im November.

 

Dass repariert werden müsse, sei im Ausschuss klar gewesen, berichtete Hahn

weiter. Über das Wie sei aber noch nicht gesprochen worden. An einem Modell

sollen Reparaturvarianten in dem schwer zugänglichen Teil der Anlage erprobt

werden. Auch müssten die Überwachungssysteme des Reaktors optimiert werden:

Schon 1992 waren die Risse bei Messungen aufgefallen. Die Anzeige interpretierte

der TÜV allerdings als "Messfehler".

 

Weil die Risse nicht, wie befürchtet, durch den Reaktorbetrieb entstanden seien,

sondern durch Schlamperei bei Schweißarbeiten beim Bau der Anlage 1973,

müssten Reaktoren ähnlicher Bauart jetzt nicht zwingend stillgelegt und auf den

gleichen Defekt hin untersucht werden. Das Thema sei im Ausschuss allerdings

"noch nicht ausdiskutiert", sagte Hahn.

 

Fest steht: Der 1.200-Megawatt-Atomreaktor war knapp 27 Jahre lang am Netz -

mit drei Rissen an einer von allen Experten als "sicherheitsrelevant" bezeichneten

Stelle. Gebaut hat ihn die Siemens-Tochter KWU. Im Rahmen einer von den

Grünen und der CDU beantragten aktuellen Stunde wird sich der hessische

Landtag heute mit dem Thema befassen.

 

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

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