Kölner Stadtanzeiger 01.11.2000

AKW Obrigheim -- Kommt das Aus vor dem Aus?

Von Peter Henkel

 

Dem ältesten deutschen Lieferanten von Atomstrom, dem Kernkraftwerk

Obrigheim (KWO), haben die Grünen schon mehrfach das Sterbeglöcklein

geläutet. Längst ist die Anlage im Nordbadischen, mit ihren 340 Megawatt ein

hoch betagter Zwerg, zum Prestigeobjekt geworden in der Auseinandersetzung

um die nukleare Energiegewinnung.

 

Die Grünen möchten den "Schwarzbau" so schnell wie möglich abgeschaltet

sehen, und die Betreiber, allen voran die Energie Baden-Württemberg (EnBW),

sind zumindest ebenso erpicht darauf, den Grünen und der Anti-Atom-Bewegung

überhaupt am Beispiel KWO eine Nase zu drehen.

 

Unübersehbar hat dieses AKW auf der Habenseite etliche Pluspunkte: seit 32

Jahren durchweg unauffälliger Betrieb, Rückhalt bei der EnBW, Unterstützung

der Bevölkerung vor Ort und vor allem - nachdem hunderte Millionen Mark in

Nachrüstung und Sicherheit gesteckt wurden - schwarze Zahlen, die jetzt

geschrieben werden.

 

An Widersachern ist aber auch kein Mangel. Neben den zur Regierungspartei

aufgestiegenen Grünen sind das ein paar äußerst hartnäckige Kläger. Hinzu

treten Faktoren wie der Stromüberschuss im liberalisierten Markt und der

Atomausstiegskonsens zwischen Regierung und Industrie.

 

Unbekannte Gefahr droht ferner vom französischen Strommonopolisten

Electricité de France (EdF), der demnächst Herr im EnBW-Haus sein dürfte und

wohl keinerlei sentimentale Bindungen an Obrigheim hat.

 

Seit einigen Tagen ist es nun auch die juristische Ecke, aus der Ungemach

kommen könnte. Auf Geheiß des Berliner Bundesverwaltungsgerichts muss

demnächst der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in

Mannheim erstmals inhaltlich prüfen, was es auf sich hat mit den Differenzen

zwischen Genehmigung und Bau; und ob trotzdem die Genehmigung hätte gegeben

werden dürfen; oder ob eventuelle Mängel insgesamt gravierend genug sind, um

Stilllegung zu verfügen.

 

Jetzt hängt viel davon ab, ob der Gerichtshof Eile oder Weile an den Tag

legt. Ein Wettlauf der besonderen Art: Ende 2002 soll Obrigheim laut

Atomkonsens ohnehin abgeschaltet werden - wenn, ja wenn es da nicht diese

sehr spezielle Klausel gäbe, wonach Strommengen zwischen verschiedenen

Atomkraftwerken hin und her geschoben werden dürfen.

So ließe sich das Überleben noch ein, zwei Jahre verlängern, und die EnBW

gibt sich wild entschlossen dazu. Ob sich das aber rechnet, ist mehr als

fraglich. Ob eine rot-grüne Bundesregierung die nötige Zustimmung gibt,

ebenfalls.

 

Jedenfalls versendet Obrigheim Durchhalteparolen (". . . hat keine Bange"),

streicht die Sicherheit der Anlage heraus - und bleibt im Blick auf die Zeit

danach, obwohl man sonst immer die Jobs und die Steuereinnahmen in der

Region im Munde führt, ein Konzept für Anschlussinvestitionen schuldig.

So oder so: Das Ende ist nicht mehr allzu fern.

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afp 31.10.00

Paris verweigert weiter Annahme deutscher Atommülltransporte -

Voynet: La Hague darf nicht «Atommüllhalde Europas» werden

 

Paris, 31. Oktober (AFP) - Die französische Regierung lehnt

weiterhin deutsche Atommülltransporte nach Frankreich ab. Solange

Deutschland nicht mit der Rücknahme des wiederaufbereiteten Mülls

beginne, werde Frankreich keine neuen Abfälle für die

Wiederaufarbeitungsanlage La Hague annehmen, sagte die grüne

Umweltministerin Dominique Voynet der Wirtschaftszeitung «Les

Echos» (Dienstagsausgabe). La Hague am Ärmelkanal und die

umliegende Region seien nicht dafür bestimmt, «die Atommüllhalde

Europas oder gar der ganzen Welt» zu werden.

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Stuttgarter Nachrichten 31.10.00

 

Kein Platz mehr: Neues Zwischenlager für Philippsburg

 

Philippsburg (lsw) - Ein Termin für den nach zwei Jahren

bundesweit ersten Atommülltransport in die

Wiederaufarbeitungsanlage La Hague in Frankreich ist nicht in

Sicht. Doch gegen ein neues Zwischenlager auf dem Gelände gibt es

viele Einwände.

 

Dies teilten am Montag die Betreiber des Kernkraftwerks

Philippsburg mit. Da die Lagerkapazitäten im Kraftwerk nahezu

erschöpft seien, will man vorsichtshalber ein Interimslager auf

dem Kraftwerksgelände errichten. Die Erörterung für den Bau des

Lagers für Castoren mit abgebrannten Brennelementen beginnt an

diesem Donnerstag. Nach Angaben des Bundesamtes für

Strahlenschutz in Salzgitter gibt es dagegen mehr als 5000

Einwendungen.

 

Kraftwerksleiter Hans-Josef Zimmer hofft noch immer auf einen

baldigen Transport. Die rot-grüne Bundesregierung habe mit dem

Atomkonsens zugesichert, dass es keine Verstopfungsstrategie

geben werde. "Wir müssen uns alle Wege offen halten'', betonte er

jedoch. Wenn keine Transporte stattfinden und bis Mitte Mai keine

Zwischenlagerung geschaffen worden sei, müsse Philippsburg vom

Netz. Das Interimslager sei als Risikoabsicherung nötig. Bis zum

nächsten Jahr sind acht bis zehn Transporte aus Philippsburg

geplant.

 

Das Interimslager soll aus 24 Stellplätzen für Castorbehälter

bestehen, die auf Stahlbetonstützen abgelegt werden. Als Schutz

gegen die Witterung und zur zusätzlichen Abschirmung der

Strahlung soll jeder Castor von einer 40 Zentimeter dicken

Stahlbeton-Umhausung umhüllt werden. Das Lager soll so lange

genutzt werden, bis ein Zwischenlager mit Halle am Standort

fertig ist. Die Betreiber rechnen damit, dass es mindestens fünf

Jahre dauert, bis ein kraftwerkeigenes Zwischenlager erstellt

ist. In Letzterem könnten dann 152 Behälter Platz finden.

Keinesfalls sei an ein Endlager am Standort gedacht.

 

Die Erörterung für das Interimslager könnte sich bis Anfang

nächster Woche hinziehen. Parallel dazu läuft das

Baugenehmigungsverfahren. Auch der Gemeinderat der Stadt

Philippsburg muss sich damit befassen. Dem ersten Transport eines

Atommüllbehälters nach La Hague steht neben einem Widerspruch von

Greenpeace beim Bundesamt für Strahlenschutz die Weigerung der

Franzosen entgegen, neuen Atommüll aus Deutschland aufzunehmen.

Abfahrbereit sind auch sechs Castor-Behälter für das westfälische

Zwischenlager Ahaus im Atomkraftwerk Neckarwestheim.

 

Atomkraftgegner hatten mit dem 18. Oktober als frühestmöglichem

Termin gerechnet. Diesen Tag hatten sie mit Protestaktionen

begleitet. Ein Widerstandscamp wurde nach einer Räumungsdrohung

freiwillig abgebaut. Die Polizei hatte Küchenzelte und -

einrichtungen beschlagnahmt. Wie das Verwaltungsgericht Karlsruhe

mitteilte, war die Maßnahme rechtens. Die Versammlungsfreiheit

umfasse nicht Strategien zur Verhinderung eines Atomtransports.

 

>>Wichtige Anmerkung zu obigem Artikel

Das Interimslager ist beim derzeitigen Stand keine

Ausweichmöglichkeit für die Betreiber, da sie die dafür

benötigten Castor-Behälter der Typen V/19 und V/52 nicht dicht

bekommen. Solange dieser Zustand anhält, sieht es für

Philippsburg schlecht aus. Jochen Stay

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