Samstag 23. September 2000, 17:47 Uhr
Atomkraftgegner fordern zu Transport-Blockade auf
Gorleben (Reuters) - Tausende Atomkraftgegner haben am Samstag im Wendland gegen die rot-grüne
Bundesregierung und gegen neue Atommüll-Transporte protestiert. Bei einer Kundgebung vor dem
Zwischenlager für Atommüll im niedersächsischen Gorleben kündigten Sprecher der Bürgerinitiativen
Widerstand gegen Transporte in die französische Wiederaufbereitungslage La Hague an. "Wir werden nicht
tatenlos zusehen, wie die Castor- Transporte wieder aufgenommen werden", sagte Jochen Stay von der
Initiative "X-tausend mal quer". Er forderte zur Blockade des für Ende Oktober geplanten ersten Transports
vom Atomkraftwerk Philippsburg auf.
An der ersten großen Demonstration der Atomkraftgegner nach dem Konsens zum Ausstieg aus der Atomenergie nahmen nach Angaben von
Polizei und Veranstaltern 4000 bis 5000 Menschen teil. Die Demonstranten hatten sich in der Ortschaft Gedelitz versammelt und waren von
dort zu dem zwei Kilometer entfernten Anlagen bei Gorleben gezogen. Unterwegs bildeten sie auf einem Acker ein riesiges X als Symbol für
den Widerstand gegen Castor- Transporte und Atomenergie. Bei sonnigem Herbstwetter verlief die Kundgebung friedlich.
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter hatte am Freitag mitgeteilt, dass es acht Bahn-Transporte von abgebrannten
Brennelementen aus den Atomkraftwerken Stade, Biblis und Philippsburg nach La Hague in der Bretagne genehmigt habe. Die Unternehmen
wollen die Transporte bereits im Oktober anlaufen lassen. Es wären die ersten Atom-Transporte seit dem im Mai 1998 nach überhöhten
Strahlungen von Transportbehältern verhängten Transportstopp und dem im Juni vereinbarten langfristigen Ausstieg aus der Atomenergie.
TAZ 23.09.00
Atommüll nach Frankreich soll rollen
Erste Bahntransporte nach La Hague Ende Oktober erwartet.
Lange vorbereiteter Widerstand angekündigt
BERLIN taz/dpa Seit gestern sind alle Atommülltransporte wieder offiziell
genehmigt. Als Letztes stempelte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) gestern die
Transporte nach Frankreich. Die dabei verwendeten so genannten Stachelbehälter
waren die am heftigsten kritisierten Stahlbehälter. Laut Wolfram König, Präsident des
Bundesamtes für Strahlenschutz in Salzgitter, wurde durch Auflagen insbesondere
sichergestellt, dass künftig die international festgelegten Grenzwerte für die
radioaktive Verunreinigung auch bei diesen Behältern aus Frankreich eingehalten
werden.
Wegen radioaktiver Kontaminationen an Transportbehältern waren im Mai 1998 alle
Transporte eingestellt worden. Die AKW-Betreiber und ihre Atomtransport-Töchter
hatten die Kontaminationen jahrelang verschwiegen.
Die jetzt erteilten Genehmigungen sind nach Angaben des BfS bis zum 31. Dezember
dieses Jahres befristet. Wann von ihnen Gebrauch gemacht wird, sei Sache der
Kraftwerksbetreiber und des Transporteurs, der Nuclear Cargo + Service GmbH
(NCS).
Die Anti-Castor-Bewegung rechnet mit den ersten Zügen Richtung Frankreich für
Ende Oktober. "Der erste Transport wird vom AKW Philippsburg aus starten", so
gestern Jochen Stay, Sprecher der bundesweiten Kampagne "X-tausendmal quer".
Die Betreiber dächten, die Transporte ins Ausland seien der Weg des geringsten
Widerstands, vermutet Stay. Das wird nicht der Fall sein, meint er: "Die Transporte
werden der Kristallisationspunkt des Anti-Atom-Widerstands sein. Wir hatten zwei
Jahre Zeit, uns vorzubereiten."
Zu den beiden Reaktoren in Philippsburg bei Karlsruhe kündigen sich schon jetzt
Atomkraftgegner aus ganz Deutschland an. Im Anschluss an die heutige
Anti-Atom-Demo im Wendland wird eine zweitägige Sonderbundeskonferenz der
Bewegung stattfinden, um Genaueres zu besprechen.
Ein Problem bleibt weiterhin: Die schadlose Verwertung des in den abgebrannten
Brennstäben enthaltenen Bombenmaterials Plutonium ist noch nicht geklärt. Nach
derzeitigem Stand müsste das in der WAA in Frankreich gewonnene Plutonium zu so
genannten Mischoxidbrennstäben verabreitet und wieder in deutschen Reaktoren
verwendet werden. Davon gibt es aber bei den entsprechenden Betreibern nach
derzeitigem Stand eventuell keine oder nicht genug. Die Genehmigung erfolgte
trotzdem, so das Bundesumweltministerium (BMU), weil das Problem bei den
diesjährigen Transporten noch nicht akut ist. Das BMU wies aber die zuständigen
Bundesländer an, den Sachverhalt zu prüfen.
REINER METZGER
Spiegel 23.09.2000
5000 Castor-Gegner
Gegen den Atomkonsens der rot-grünen Bundesregierung und gegen weitere
Castortransporte haben in Gorleben 5000 Menschen demonstriert. Der
Atomausstieg sei eine "Lüge".
Gorleben/Düsseldorf - "Wir werden uns wie immer querstellen", sagte Wolfgang
Ehmke von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg: "Der
Atomausstieg ist eine Lüge." Jakob von Uexküll, Grüner und Stifter des
Alternativen Nobelpreises, verurteilte die geplanten neuen Atommülltransporte ins
Ausland scharf. "Wenn Regierungen ihre zentralen Ziele verraten, müssen wir für
mehr Gegendruck im Interesse der Demokratie sorgen", sagte Uexküll unter
Beifall.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte vor einer überstürzten Wiederaufnahme
der Atommülltransporte ins Ausland. Die Polizei benötige mindestens sechs
Monate Vorbereitungszeit, um die Maßnahmen zur Begleitung der Transporte zu
ergreifen, sagte der GdP-Vorsitzende Norbert Spinrath in einem dpa-Gespräch.
Bislang seien die Atommülltransporte ins Ausland von der Öffentlichkeit und
Atomkraftgegnern weitgehend unbeachtet geblieben. Dies werde sich aber nach
dem Ausstiegskonsens ändern, sagte Spinrath.
An die Bundesregierung appellierte Spinrath, nicht nur mit den Kraftwerkseignern,
sondern auch mit den Atomkraftgegnern einen "Transportkonsens" herzustellen.
"Ich habe keine Lust, mir wieder verletzte Kolleginnen oder Kollegen anzusehen,
die derartige Transporte begleiten." Wenn für die neuen Transporte ins Ausland
demnächst rund 30.000 Polizeibeamte abgestellt werden müssten, werde dies
auch zu Lasten der Bürger gehen.
dpa 23.09.2000
Gorleben/Düsseldorf (dpa) - Vor den Atomanlagen in Gorleben haben am Samstag annähernd 5 000
Menschen gegen den Atomkonsens der rot- grünen Bundesregierung und gegen weitere
Castortransporte demonstriert.
«Wir werden uns wie immer querstellen. Der Atomausstieg ist eine Lüge», sagte Wolfgang Ehmke von
der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Jakob von Uexküll, Grüner und Stifter des
Alternativen Nobelpreises, verurteilte die geplanten neuen Atommülltransporte ins Ausland scharf.
«Wenn Regierungen ihre zentralen Ziele verraten, müssen wir für mehr Gegendruck im Interesse der
Demokratie sorgen», sagte Uexküll unter Beifall.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte vor einer überstürzten Wiederaufnahme der
Atommülltransporte ins Ausland. Die Polizei benötige mindestens sechs Monate Vorbereitungszeit,
um die Maßnahmen zur Begleitung der Transporte zu ergreifen, sagte der GdP-Vorsitzende Norbert
Spinrath in einem dpa-Gespräch in Düsseldorf. Bislang seien die Atommülltransporte ins Ausland von
der Öffentlichkeit und Atomkraftgegnern weitgehend unbeachtet geblieben. Dies werde sich aber
nach dem Ausstiegskonsens ändern, sagte Spinrath.
An die Bundesregierung appellierte Spinrath, nicht nur mit den Kraftwerkseignern, sondern auch mit
den Atomkraftgegnern einen «Transportkonsens» herzustellen. «Ich habe keine Lust, mir wieder
verletzte Kolleginnen oder Kollegen anzusehen, die derartige Transporte begleiten.» Wenn für die
neuen Transporte ins Ausland demnächst rund 30 000 Polizeibeamte abgestellt werden müssten,
werde dies auch zu Lasten der Bürger gehen.
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter hat nach zweijähriger Zwangspause für die
deutschen Stromkonzerne für dieses Jahr noch acht Transporte abgebrannter Brennelemente aus
den Atomkraftwerken Stade, Biblis und Philippsburg nach La Hague genehmigt. Die gesetzlich
erforderliche Vorsorge gegen Schäden sei getroffen, hatte BfS-Präsident Wolfram König am Freitag
die Entscheidung begründet.
Hannoversche Zeitung 23.09.00
Atomkraftgegner fordern zu Blockade auf
Tausende Atomkraftgegner haben am Samstag im Wendland
gegen die rot-grüne Bundesregierung und gegen neue
Atommüll-Transporte protestiert. Bei einer Kundgebung vor dem
Zwischenlager für Atommüll im niedersächsischen Gorleben
kündigten Sprecher der Bürgerinitiativen Widerstand gegen
Transporte in die französische Wiederaufbereitungslage La Hague
an. "Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie die Castor-Transporte
wieder aufgenommen werden", sagte Jochen Stay von der Initiative
"X-tausend mal quer". Er forderte zur Blockade des für Ende
Oktober geplanten ersten Transports vom Atomkraftwerk
Philippsburg auf.
An der ersten großen Demonstration der Atomkraftgegner nach
dem Konsens zum Ausstieg aus der Atomenergie nahmen nach
Angaben von Polizei und Veranstaltern 4000 bis 5000 Menschen
teil. Die Demonstranten hatten sich in der Ortschaft Gedelitz
versammelt und waren von dort zu dem zwei Kilometer entfernten
Anlagen bei Gorleben gezogen. Unterwegs bildeten sie auf einem
Acker ein riesiges X als Symbol für den Widerstand gegen
Castor-Transporte und Atomenergie. Bei sonnigem Herbstwetter
verlief die Kundgebung friedlich.
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter hatte am
Freitag mitgeteilt, dass es acht Bahn-Transporte von abgebrannten
Brennelementen aus den Atomkraftwerken Stade, Biblis und
Philippsburg nach La Hague in der Bretagne genehmigt habe. Die
Unternehmen wollen die Transporte bereits im Oktober anlaufen
lassen. Es wären die ersten Atom-Transporte seit dem im Mai 1998
nach überhöhten Strahlungen von Transportbehältern verhängten
Transportstopp und dem im Juni vereinbarten langfristigen
Ausstieg aus der Atomenergie.
rtr, Gorleben, 23.09.2000 17:29 Uhr
Junge Welt 25.09.2000 Inland
Atomkonsens ein Verbrechen
5 000 demonstrierten in Gorleben gegen Kernkraft und Castoren
Die geschmückten Wagen an der Spitze der Demonstration muten an wie ein ökologischer Karnevalsumzug. Oder wie
ein alternatives Erntedankfest. Fahnen mit lachenden Sonnen sind zu sehen, Luftballons, Transparante mit Reimen
gegen die rot- grüne Atompolitik. Greenpeace transportiert eine gelbe Castor-Attrappe aus Pappmaché. Auf einem
anderen Anhänger duckt sich ein riesiger Maulwurf: »Mutter Natur schlägt zurück - Mutanten gegen Castor«. Auch ein
Trecker mit einer überdimensionalen »Goldenen Hakenkralle« tuckert mit.
Rund 5 000 Menschen sind am Sonnabend nach Gorleben gekommen, um gegen den von der Bundesregierung und
den großen Stromkonzernen ausgehandelten Atomkonsens zu protestieren. Zu der Aktion hatten Anti-Atom-Initiative,
Umweltverbände und die »Ärzte gegen den Atomkrieg aufgerufen«. In der Menge wehen auch Wimpel der PDS, der
IG Metall, der Naturfreunde. Mitglieder oder Anhänger der Grünen outen sich nicht.
An dem Atomkonsens kritisieren die Atomgegner vor allem die langen Reaktorlaufzeiten und das »Chaos« bei der
Entsorgung. »Mit dem Segen von Rot-Grün wird noch einmal der gleiche Berg an Atommüll produziert, wie er bereits
bis jetzt angefallen ist«, sagt Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Im
übrigen, argumentiert Jochen Stay von der Kampagne »x- tausendmal quer«, sei der sogenannte Konsens gar keiner.
Verhandelt hätten schließlich nur Regierung und Kraftwerksbetreiber. Die Atomkraftgegner seien außen vor geblieben.
»Daß mit dem grünen Umweltminister Jürgen Trittin auch die Antiatombewegung mit am Tisch gesessen hätte, ist ein
weit verbreiter Irrtum«, meint Stay.
Der Stifter des Alternativen Nobelpreises, Jakob von Uexküll, berichtet bei der Kundgebung, wie begeistert die
Umweltbewegungen im Ausland zunächst auf die deutsche Ausstiegsankündigung reagiert hätten. »Umso größer war
das Entsetzen, als sie merkten, daß es statt Ausstieg einen Bestandsschutz für die Atomkraftwerke gibt.« Die
Bundesregierung habe tatsächlich den Bestandsschutz der Atomanlagen über den »Bestandsschutz der Bevölkerung«
gestellt. Und sie habe ihr Versprechen gebrochen, das sei ein »Verbrechen an der Demokratie«, so Uexküll.
Auch Andreas Blechner, Betriebsratsvorsitzender von VW Salzgitter, nimmt die »Lügen« der Regierung aufs Korn.
Noch im Wahlkampf habe Gerhard Schröder versprochen, in Schacht Konrad werde kein Atommüll eingelagert. Jetzt
stehe das Endlager kurz vor der Genehmigung. Und Trittin? Der ist, sagt Blechner, »persönlich meine größte
Enttäuschung. Wenn er das, was hier vereinbart wurde, als Ausstieg verkauft, dann ist das nur noch lächerlich«.
Zu Beginn der Aktion haben sich die Demonstranten am Sonnabend mittag auf einem Acker zwischen Gorleben und
Gedelitz zu einem mehrere hundert Meter großen X formiert. Das X ist das Symbol des Widerstandes gegen Castor-
Transporte. Viele Lüchow-Dannenberger haben in ihren Gärten Baumstämme über Kreuz aufgestellt, an zahlreiche
Hauswände und Scheunentore wurden Latten zu einem X zusammengenagelt.
»Die Ankündigung weiterer Atommülltransporte hat unserer Demonstration Auftrieb gegeben«, sagt Wolfgang Ehmke.
Am Freitag war bekanntgeworden, daß voraussichtlich noch in diesem Jahr acht Atommüllbehälter von den deutschen
Atomkraftwerken Biblis, Philippsburg und Stade zur französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague geschafft
werden sollen. Auch Castor-Transporte ins nordrhein-westfälische Zwischenlager Ahaus wurden bereits erlaubt.
Die Bundesregierung habe die Genehmigungen erteilt, ohne daß die Ursachen für die Verstrahlung der Behälter
wirklich beseitigt seien, sagen die Atomgegner. Die radioaktiven Verunreinigungen waren im Frühjahr 1998
bekanntgeworden, die damalige Umweltministerin Angela Merkel hatte daraufhin alle Transporte mit abgebrannten
Brennelementen gestoppt. »Rot-Grün läßt jetzt wieder transportieren«, so Wolfgang Ehmke. »Wir werden uns quer
stellen, wo auch immer die Castoren rollen«, versicherte er.
Reimar Paul
TAZ 23.09.00
Widerstand überlebt Atomkonsens
5.000 Atomkraftgegner protestieren in Gorleben gegen die angebliche
Ausstiegspolitik der rot-grünen Bundesregierung. Bürgerinitiativen kündigen
Blockaden der am Freitag genehmigten neuen Castor-Transporte nach Frankreich an
Mit einer unerwartet großen Demonstration am Gorlebener Zwischenlager hat sich am
Wochenende die außerparlamentarische Bewegung gegen die Atomkraft
zurückgemeldet. Unter dem Motto "Atomausstieg? - Alles Lüge!" zogen am Samstag
5.000 AKW-Gegner, die von AKW-Standorten aus dem gesamten Bundesgebiet
angereist waren, vom wendländischen Dörfchen Gedelitz zu den Atomanlagen im
Wald bei Gorleben.
Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg hatte bei der Demonstration, zu der
zahlreiche Anti-Atom-Initiativen und Umweltverbände aufgerufen hatten, nur mit
knapp 2.000 Teilnehmern gerechnet. Als die Demonstrierenden unterwegs als
Symbol des Widerstands gegen die Atomtransporte ein großes "X" aus Menschen
bilden wollten, erwies sich denn auch das auf einem Acker abgesteckte Areal als viel
zu klein und konnte nicht einmal die Hälfte der Leute fassen. In den Zug hatten sich
auch 20 Trecker der wendländischen Bäuerlichen Notgemeinschaft eingereiht, deren
Anhänger von diversen Standortinitiativen, etwa aus Ahaus, Neckarwestheim und
Brokdorf, geschmückt worden waren.
Auf der Kundgebung vor dem Gorlebener Zwischenlager hob der Stifter des
Alternativen Nobelpreises, Jakob von Uexküll, die wichtige Rolle der
Bürgerbewegung hervor: "Wenn Regierungen ihre zentralen Ziele verraten, müssen
wir für mehr Gegendruck im Interesse der Demokratie sorgen." Die
Umweltbewegungen im Ausland hätten auf die deutsche Ausstiegsankündigung
begeistert reagiert. "Umso größer war das Entsetzen, als sie merkten, dass es statt
Ausstieg einen Bestandsschutz für die AKWs gibt." Für die Arbeitsgemeinschaft
Schacht Konrad rief der Betriebsratsvorsitzende des VW-Werks Salzgitter, Andreas
Blechner, zum Widerstand gegen die Wiederaufnahme der Atommülltransporte auf.
Anklang fanden auch die ehemaligen Grünen-Vorsitzenden Thomas Ebermann und
Rainer Trampert, die mit vollmundigen Ankündigungen eines einstigen Mitstreiters -
Bundesumweltminister Jürgen Trittins - ein Politkabarett bestritten.
Am Abend versammelten sich 200 Vertreter von Standortinitiativen aus dem gesamten
Bundegebiet zu einer spontanen Herbstkonferenz der Anti-AKW-Bewegung. Auf
dem Treffen bestand Einigkeit darüber, dass die erneuten Transporte von Atommüll
in die Wiederaufarbeitung ernsthaft blockiert werden sollen. Schließlich hatte das
Bundesamt für Strahlenschutz gerade noch rechtzeitig zu der Demonstration am
Freitag mitgeteilt, dass es acht Transporte von abgebrannten Brennelementen aus den
AKWs Biblis, Philippsburg und Stade nach Frankreich genehmigt und damit den im
Mai 1998 noch von Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) verhängten
Transportstopp endgültig aufgehoben hat.
Man rechne damit, dass der erste Transport nach Frankreich möglicherweise schon
Ende Oktober im AKW Philippsburg starten werde, sagte der Sprecher der BI
Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmke. Die nächste Aktion werde am 8. Oktober in
Philippsburg stattfinden. Nach Angaben ihres Sprechers Jochen Stay steckt auch die
Aktion "X-tausendmal quer" bereits in den Vorbereitungen einer großen
Sitzblockade.
BI-Sprecher Ehmke resümierte den Aktionstag nicht ohne Stolz: "Mit der
Anti-AKW-Bewegung ist wieder zu rechnen, mit dem Kompromiss zwischen
Regierung und AKW-Betreibern findet sie sich nicht ab."
aus Gorleben JÜRGEN VOGES