tagesschau 22.9.00 17 Uhr

Atomtransporte genehmigt

 

Für den Fall neuer Atomtransporte in Deutschland haben

Atomkraftgegner neue, massive Proteste angekündigt. Sie

reagierten damit auf eine Entscheidung des Bundesamtes für

Strahlenschutz. Nach zweijähriger Pause hat die Behörde noch für

dieses Jahr acht Atommülltransporte in die französische

Wiederaufarbeitungsanlage La Hague genehmigt.

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dpa-südwest 22.9.00

Im Oktober Atomtransport nach La Hague

Bundesamt gibt grünes Licht für Philippsburg

Widerstand angekündigt

 

Philippsburg (lsw) - Das Kernkraftwerk Philippsburg will nach

Möglichkeit bereits im Oktober den ersten von zwei Atommüll-

Transporten in die französische Wiederaufarbeitungsanlage La

Hague starten.

 

Der Sprecher der EnBW-Kraftwerke AG (Stuttgart), Stephan Gabard,

begrüßte am Freitag die Entscheidung des Bundesamtes für

Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter, bis zum Jahresende acht

Transporte abgebrannter Brennelemente aus den Atomkraftwerken in

Stade, Biblis und Philippsburg nach La Hague zu genehmigen. "Nach

rund zweijährigem Transportstopp ist das die Voraussetzung für

einen weiteren reibungslosen Betrieb der Kernkraftanlagen", sagte

der Sprecher. Das Abklingbecken in Philippsburg sei so voll, dass

bei der im Frühjahr 2001 geplanten nächsten Revision dort kein

einziges weiteres abgebranntes Brennelement mehr hätte gelagert

werden können, betonte Gabard.

 

BfS-Präsident Wolfram König teilte am Freitag mit, dass die

gesetzlich erforderliche Vorsorge gegen Schäden bereits getroffen

worden sei. Durch Auflagen an die Kraftwerke habe man

sichergestellt, dass künftig die international festgelegten

Grenzwerte für die radioaktive Verunreinigung auch bei den so

genannten Stachelbehältern aus Frankreich eingehalten würden.

Wegen radioaktiver Kontaminationen an Transportbehältern waren im

Mai 1998 alle Transporte eingestellt worden.

 

Nach Angaben Gabards sollen beim ersten Transport aus

Philippsburg zwölf abgebrannte Brennelemente in

Sicherheitsbehältern vom Typ TN 13 per Bahn aus Block II des

Kernkraftwerks nach Frankreich gebracht werden. Ein Zeitpunkt

lasse sich derzeit noch nicht nennen, da die Polizei den Termin

festlegen müsse, zu dem sie sich in der Lage sehe, den Transport

zu sichern, hieß es. Auch sei der Beladungszeitraum der Behälter

noch nicht ganz absehbar.

 

Erst am 18. September hatten in Karlsruhe Atomkraftgegner gegen

die geplanten Transporte entschiedenen, aber friedlichen

Widerstand angekündigt. Es seien "massenhaft gewaltfreie

Sitzblockaden" geplant. Transporte sollten unmöglich gemacht

werden, damit die Kernkraftwerke ausgeschaltet werden müssten und

im "eigenen Atommüll ersticken", erklärten die Sprecher

verschiedener Anti-Atom-Gruppen.

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AP 22.9.00

 

Erstmals wieder Atommülltransporte nach Frankreich genehmigt -

Acht Behälter in diesem Jahr - Termin steht noch nicht fest -

Kernkraftgegner kündigen Blockaden an

Berlin (AP)

 

Erstmals seit Mai 1998 soll es wieder Atommülltransporte zur

Wiederaufarbeitung nach Frankreich geben. Das Bundesamt für

Strahlenschutz genehmigte am Freitag acht Transporte mit

abgebrannten Brennelementen aus den Kernkraftwerken Stade, Biblis

und Philippsburg zu der Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague,

wie Präsident Wolfram König in Berlin mitteilte. Bereits im

Januar waren Genehmigungen für innerdeutsche Castor-Transporte

erteilt worden. Atomkraftgegner kündigten auch Blockaden der

Transporte nach Frankreich an.

 

König betonte, durch Auflagen habe er sicher gestellt,

dass künftig die international festgelegten Grenzwerte für

radioaktive Verunreinigungen auch bei den französischen

«Stachelbehältern» eingehalten würden. Transporte abgebrannter

Brennelemente zur Wiederaufarbeitung waren noch unter der

Regierung Helmut Kohl ausgesetzt worden. Das Kernproblem waren

damals jahrelang verschwiegende Grenzwertüberschreitungen für die

radioaktive Oberflächenkontamination. Entscheidend für die

Wiederaufnahme der Transporte war nach Angaben von König deshalb

der Nachweis, dass künftig die Grenzwerte während des gesamten

Transports eingehalten werden.

 

Wann von den jetzt erteilten Genehmigungen, die bis

Jahresende befristet sind, Gebrauch gemacht wird, liegt nach

Angaben des obersten Strahlenschützers bei der Transportfirma NCS

und den Kraftwerksbetreibern. Der konkrete Termin müsse mit den

Innenministerien der betroffenen Länder Baden-Württemberg, Hessen

und Niedersachsen abgestimmt werden. König sagte, insgesamt seien

54 Transporte nach La Hague beantragt worden. Wegen fehlender

Versicherungsnachweise für das Jahr 2001 seien bislang aber nur

acht genehmigt worden.

 

Atomkraftgegner von der Kampagne «X-tausendmal quer -

überall» warfen der Bundesregierung vor, sie öffne das

Hintertürchen für die gefährlichste und schmutzigste Methode, mit

radioaktiven Abfällen umzugehen. Es sei eine Fehleinschätzung,

wenn die Stromkonzerne keinen nennenswerten Widerstand gegen die

Transporte ins Ausland erwarteten. «Bundesweit stehen Anti-Atom-

Initiativen in den Startlöchern, um den ersten wieder rollenden

Atommülltransport mit unterschiedlichsten Aktionen aufzuhalten.»

 

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland

kritisierte die Transportgenehmigung. Eine Fortsetzung der

radioaktiven Verseuchung von Menschen und Umwelt in Frankreich

und Großbritannien durch die Wiederaufarbeitung deutschen

Atommülls sei nicht zu akzeptieren.

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22.09.2000

Greenpeace kündigt massive Proteste an

 

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kündigt nach dem

Beschluss zur Wiederaufnahme von Atommüll-Transporten aus

deutschen Kernkraftwerken massive Protestaktionen an. Der

Kernenergie-Experte von Greenpeace, Veit Bürger, sagte, er hoffe,

dass bereits bei den für diesen Samstag am Atommüll-Zwischenlager

im niedersächsischen Gorleben angekündigten Protesten gegen

weitere Castor-Transporte "die Luft brennt".

 

Bürger bezeichnete die Genehmigung weiterer Transporte in die

französische Wiederaufbereitungsanlage La Hague als

"richtungweisende Entscheidung, mit der die Bundesregierung die

Weichen zur Beteiligung an einem der größten Umweltverbrechen

unserer Zeit stellt". Allein aus La Hague würden jährlich 1,4

Millionen Liter radioaktiv belastetes Wasser in den Ärmelkanal

gepumpt. Nun habe die deutsche Regierung genehmigt, was sie zuvor

selbst als illegal bezeichnet habe, sagte der Greenpeace-Experte.

 

Als besonders fatal bezeichnete der Greenpeace-Experten die

jüngste Genehmigung vor dem Hintergrund des Skandals um

kontaminierte Castor-Behälter vor zweieinhalb Jahren. Seit dem

von der damaligen Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU)

verhängten Transportstopps seien weder fundierte Erklärungen für

jene Panne gefunden noch ausreichende Sicherheiten gegen erneute

Kontaminierungen geschaffen worden. Selbst nach entsprechenden

Veränderungen, die seither in Frankreich vorgenommen wurden, sei

es dort trotzdem zu Grenzwertüberschreitungen gekommen, betonte

Bürger.

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dpa 22.9.00

 

Aus sicherheitstechnischen Gründen

 

Keine Castor-Transporte in diesem Jahr nach Ahaus

 

Ahaus - Castor-Transporte ins Brennelemente- Zwischenlager im

westfälischen Ahaus (Kreis Borken) wird es in diesem Jahr nicht

mehr geben.

 

Das sagte der Bürgermeister der Stadt, Dirk Korte (CDU), am

Freitag der dpa unter Berufung auf ein Schreiben des nordrhein-

westfälischen Innenministers Fritz Behrens (SPD).

 

Behrens halte Transporte aus polizeilicher Sicht in diesem Jahr

nicht mehr für möglich, heißt es in dem der dpa vorliegenden

Schreiben.

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Kölner Rundschau 22.09.00

Erstmals seit 1998 wieder acht Castor-Behälter

Atommülltransporte nach Frankreich genehmigt

 

Berlin. (ap) Erstmals seit Mai 1998 soll es wieder Atommülltransporte nach

Frankreich geben. Das Bundesamt für Strahlenschutz genehmigte acht

Transporte mit abgebrannten Brennelementen aus den Kernkraftwerken

Stade, Biblis und Philippsburg zur Wiederaufarbeitungsanlage in La

Hague, teilte Präsident Wolfram König in Berlin mit. Bereits im Januar

waren Genehmigungen für innerdeutsche Castor-Transporte erteilt

worden. Atomkraftgegner kündigten Blockaden an.

 

König betonte, durch Auflagen habe er sicher gestellt, dass künftig die

internationalen Grenzwerte für radioaktive Verunreinigungen auch bei

französischen "Stachelbehältern" eingehalten würden. Transporte

abgebrannter Brennelemente zur Wiederaufarbeitung waren noch unter

der Regierung Helmut Kohl ausgesetzt worden, weil jahrelang

Grenzwertüberschreitungen für die radioaktive Oberflächenvergiftung

verschwiegen worden waren.

 

Wann von den jetzt erteilten Genehmigungen, die bis Jahresende

befristet sind, Gebrauch gemacht wird, liegt bei der Transportfirma NCS

und den Kraftwerksbetreibern. Der konkrete Termin müsse mit den

Innenministerien der betroffenen Länder Baden-Württemberg, Hessen

und Niedersachsen abgestimmt werden.

 

Castor-Transporte ins Brennelemente-Zwischenlager im westfälischen

Ahaus (Kreis Borken) wird es in diesem Jahr nicht mehr geben.

NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) schloss Transporte in den

nächsten Monaten aus, weil die nötige Vorbereitungszeit für die Polizei

nicht eingehalten werden könne.

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Südwest-Presse 23.9.00

Vertrauen reicht nicht

KOMMENTAR

MARTIN HOFMANN

 

Nun rollen sie wieder, die Atomzüge. Auch der Protest wird nicht

ausbleiben. Die Demonstranten dürften ihre Aktionen aber rasch

auf einzelne Transporte konzentrieren. Bis zum Jahr 2005 können

die abgebrannten Brennstäbe nach Frankreich gekarrt werden. So

sieht es die Vereinbarung zwischen Bundesregierung und

Stromkonzernen vor. Schöpfen die Unternehmen diese Marge aus,

wird etwa jeden dritten Tag eine Lokomotive Strahlenmaterial über

die Gleise ziehen. 30 Tonnen ausgedienten Kernbrennstoff

hinterlässt jede der 19 deutschen Atomanlagen pro Jahr.

 

Manchen mag die Aussicht auf die Masse an Transporten

erschrecken. Doch den ausgehandelten Atomkonsens werden die

Protestler nicht wieder kippen. Sie sollten an die

Energieversorger appellieren, die teure Wiederaufarbeitung des

Kernmaterials - sie belastet die Umwelt zusätzlich - schnell

aufzugeben. Damit reduziert sich die Fahrerei des

Strahlenmaterials erheblich.

 

Die Behörden versichern, wenigstens die Behälter strahlten nicht

stärker als die Grenzwerte vorschreiben. Sie ziehen hoffentlich

die Lehren aus dem Transportskandal vor zwei Jahren. Vertrauen

reicht nicht, das Beladen wie Verfrachten der Behälter muss

intensiv überwacht werden. Über kurz oder lang muss die

Bundesregierung auch ihre Hinhaltetaktik, was die bestehenden

Zwischenlager anbelangt, aufgeben. Sonst kann sie ihre

Vorstellung von Lagern direkt bei den Kraftwerken kaum

durchsetzen.

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