Frankfurter Rundschau 2000

Die Aussichten: sonnig - mit gelegentlichen Kraftwerk-Schließungen

 

Dänemarks Anti-AKW-Bewegung verabschiedet sich in den Ruhestand,

sie hat sich selbst überflüssig gemacht

 

Von Hannes Gamillscheg (Kopenhagen)

 

Die lachende Sonne mit der Aufschrift "Atomkraft? Nein danke" war seit den siebziger Jahren weltweit

ein Symbol für den Widerstand gegen die Kernenergie. In Dänemark, wo es herkam, hat das Symbol

jetzt ausgedient. Der Kampf ist gewonnen, die Atomkraftgegner sperren zu. Am heutigen Mittwoch bittet

die OOA, die "Organisation für Atomkraft-Aufklärung", alte Freunde und alte Gegner zum

Leichenschmaus. Dann ist endgültig Schluss. Die Bewegung - die 1979, nach dem Unfall im

US-Kraftwerk Harrisburg, binnen fünf Wochen im kleinen Dänemark mehr als 300 000 Unterschriften

sammeln konnte - hat keine Leute mehr. "Wir machen dicht, aus Rücksicht auf unseren guten Ruf",

sagt Siegfried Christiansen, der seit der ersten Stunde dabei war.

 

26 Jahre ist das jetzt her. Damals waren die Vorbereitungen für die Einführung der Atomkraft in vollem

Gang. Die Ölkrise hatte die Dänen, deren Energieversorgung fast ausschließlich von importiertem Erdöl

abhängig war, aufgeschreckt. Die Regierung setzte den Bau von Atomkraftwerken auf ihr Programm.

Doch in der Bevölkerung war die Skepsis groß, und mit einer Mischung aus Parolen und sachlicher

Information, Straßentheater und Agit-Rock gelang es der OOA, die Stimmung zu wenden. Die

Atomkraftgegner wurden zur größten Basisbewegung Dänemarks. Und mit der dottergelben, lachenden

Sonne, die einem politischen Kampf ein freundliches Symbol verschaffte, beeinflussten die Dänen den

Feldzug gegen die Atomkraft weit über die Landesgrenzen hinaus.

 

Die OOA-Aktivisten Anne Lund und Sören Lisberg aus Aarhus hatten die Sonne gezeichnet, die sie,

hätten sie sie kommerziell verwertet, reich gemacht hätte. Stattdessen stellten sie das Bild der

Organisation zur Verfügung, die es weltweit vertrieb und mit dem Verkauf der Buttons und Aufkleber

ihren Betrieb finanzierte.

 

Das ist jetzt Geschichte. Die OOA ist tot, aber sie hat sich zu Tode gesiegt. Unter dem Eindruck von

Protestmärschen verschoben die Politiker ihr Ja zum Bau von AKWs so lange, bis andere

Energiequellen die Kernkraft überflüssig machten. "Wir haben dem Staat Milliarden Kronen erspart, die

er sonst in eine veraltete Energieform investiert hätte", sagt Christiansen. Seit 1985 kommt die

Atomkraft in dänischen Energieplänen nicht mehr vor.

 

Doch 20 Kilometer von Kopenhagen entfernt lagen weiterhin die beiden schwedischen

Nuklearreaktoren von Barsebäck. Trotz der auch in Stockholm geteilten Erkenntnis, dass die Lage des

Werks denkbar ungünstig war. "Was muss weg? Barsebäck!" skandierten dänische und schwedische

Atomkraftgegner, wenn die OOA zur Demonstration rief, aber es dauerte Jahrzehnte, bis Schwedens

Regierung die Rufe erhörte und mit dem Ausstieg aus der Atomkraft in Barsebäck begann. Im Herbst

des vergangenen Jahres scheiterten die letzten Versuche der Barsebäck-Betreiber, die Schließung

ihres Werkes zu verhindern. Der erste Meiler wurde vom Netz genommen, der zweite soll im Sommer

2001 folgen.

 

Noch ist das verbliebene Häuflein der OOA-Aktivisten skeptisch, ob die Schweden ihr Versprechen

halten. So machen sie an ihrem letzten Arbeitstag nochmals dem dänischen Umweltminister Svend

Auken ihre Aufwartung, damit der am Ball bleibt. Auken kann dann gleich "Ja, danke" sagen: Ohne die

OOA hätte Dänemark heute wohl ein paar AKWs und wäre nicht weltweit führend bei Windkraft und

Energie-Recycling.

 

Dokument erstellt am 30.05.2000 um 21:02:58 Uhr

Erscheinungsdatum 31.05.2000

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junge Welt 31.05.2000

20 Jahre »Republik Freies Wendland«

Anti-Atom-Aktivisten treffen sich am Wochenende in Gorleben

 

Am 3. Mai 1980 besetzten mehrere tausend Atomkraftgegner den Bohrplatz »1004« im Gorlebener Wald. Sie errichteten ein Hüttendorf

und proklamierten die »Republik Freies Wendland« - mit symblischem Schlagbaum, einer eigenen Paßstelle und einem großen

Freundschaftshaus. Mit der Besetzung wollte die Anti-Atom-Bewegung eine weitere Tiefbohrung zur Erkundung des Salzstocks in

Gorleben verhindern.

 

Am Morgen des 4. Juni rückte ein Großaufgebot von Polizei und Bundesgrenzschutz an. Dutzende Hubschrauber donnerten über den

Platz, die Hütten wurden niedergewalzt, die Besetzer brutal geräumt. Als letzte die Leute, die auf einem 20 Meter hohen Holzturm

ausharrten.

 

Die Widerstandsaktion, aber auch das Dorfleben in der »Republik Freies Wendland« sind in der Erinnerung vieler Aktivisten fest

verankert. »Nostalgie schwingt mit, aber auch das Bewußtsein, daß der widerspenstige Geist von 1004 nicht unterzukriegen war«, urteilt

der Sprecher der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmke.

 

Anläßlich des Jubiläums hat die BI die Anti-Atom- Bewegung für das kommende Wochenende ins Wendland eingeladen. »Wir wollen ein

Fest feiern, das den Brückenschlag zwischen damals und heute versucht und gleichzeitig die nächsten Aktionen zum Stopp der

Pilotkonditionierungsanlage und des nächsten Castor- Transports ins Visier nimmt«, so Ehmke. Nach Angaben der BI steht die

Genehmigung eines Atommülltransportes aus La Hague nach Gorleben unmittelbar bevor.

 

Schauplatz des »zwo1004« genannten Memorials ist die »Esso-Wiese« am Stadtrand von Dannenberg. Von hier aus hatte die BI in den

vergangenen Jahren die Widerstandsaktionen gegen die Castor-Transporte koordiniert. Das Fest beginnt bereits am Himmelfahrtstag mit

Musik und einer Ausstellung. Am Freitag abend gibt es ein »Gespräch mit Besetzern von gestern, heute und morgen«. Anschließend wird

der 1004-Film »Der Traum von einer Sache« gezeigt. Jede Menge Anti-AKW-Kultur für große und kleine Leute steht dann wieder am

Sonnabend auf dem Programm.

 

Reimar Paul

 

*** Anmeldungen, Infos: BI Umweltschutz Lüchow- Dannenberg, Drawehner Straße 3, 29439 Lüchow, Tel. 05841/4684, Fax 3197

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OÖ-Nachrichten 31.05.2000

Temelin-Erbauer wollen Atomkraftwerk im Oktober in Betrieb nehmen

 

LINZ/BUDWEIS. Jetzt brennt der Hut -bis Ende August sollen im AKW

Temelin die Brennstäbe eingesetzt sein, ab Oktober soll das Werk

laufen.

 

Die Baukosten sind auf ein Vielfaches gestiegen, die Bauzeit wesentlich

länger geworden, immer wieder wurden Pannen bekannt, der Strom aus

Temelin wird nicht benötigt, ist zudem preislich international nicht

konkurrenzfähig -trotz alledem will die tschechische Errichter- und

Betreiberfirma CEZ nun endgültig Ernst machen. Und der tschechische

Industrieminister Gregr erhöht den Druck, indem er das Ziel gesetzt hat,

dass bis spätestens 31. August die Brennstäbe eingesetzt sind.

In diesem Zusammenhang ist wieder eine Fahrlässigkeit aufgeflogen. Zur

Aktivierung der Brennstäbe sind Neutronenquellen nötig. Die

Sicherheitsaspekte sollen dabei nur zweitrangig behandelt werden. "Um

die hohen Mietkosten für die Lagercontainer zu sparen, wurden die

Neutronenquellen aus den Containern genommen und mehr oder

weniger frei gelagert", berichtet die oberösterreichische Plattform gegen

Atomgefahr.

Auch in Tschechien wurden mittlerweile offiziell "schwerwiegende Fehler"

und "technologische Mängel" einbekannt. Die oberste

Nuklearaufsichtsbehörde Tschechiens (SUJB) verzeichnet in ihren beiden

jüngsten Quartalsberichten unter anderem, dass die Reparatur von

Schweißmängeln nicht gewährleistet ist, in der Kontrolle des Kühlsystems

wurde ein schwerwiegender Fehler festgestellt.

 

Reihenweise Mängel

 

Bei der Software wurden ebenfalls Mängel eruiert, das führende

Operationspersonal hat Schwächen in der Ausbildung. Und in der

Betriebs- und Bewilligungsdokumentation fehlten wesentliche Bereiche,

sodass die SUJB-Behörde dieses Werk nicht genehmigt.

 

Bisher nicht durchgeführt wurden auch 13

Umweltverträglichkeitsprüfungen. Und ebenso nicht eingelöst wurde die

Zusage des tschechischen Ministerpräsidenten Milos Zeman, eine

Volksbefragung über die Inbetriebnahme des AKW durchzuführen.

Dennoch soll im Oktober der Probebetrieb beginnen.(gsto)

 

OÖN vom 31.05.00

(c) 2000 Medienhaus Wimmer

 

zuletzt geändert am: 30.05.00 19:51:03

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Neues Volksblatt Lokales 30.5.2000 22:30

Temelin-Gegner: Aus Atomschlaf aufwachen!

 

LINZ &emdash; Der Hut brennt: Im AKW Temelin soll trotz allen Mängeln und kritischen

Anmerkungen der tschechischen Nuklear-

oberaufsichtsbehörde SUJB im Oktober der Probebetrieb anlaufen! Mathilde Halla

und Josef Pühringer von der Oö. Plattform gegen Atomgefahr forderten gestern in

einer Pressekonferenz ein entschiedenes Auftreten der österreichischen

Bundesregierung; sie solle „endlich aus dem Atomschlaf aufwachen".

 

Die Temelin-Gegner in OÖ und Tschechien hoffen, dass das ihrer Meinung nach

wegen eines Mix aus russischer und westlicher Technologie brandgefährliche AKW

nicht in Betrieb geht. Sie hoffen, dass das tschechische Volk in einem eventuellen

Referendum aus ökonomischen (es drohen 15.000 Arbeitslose im Kohlerevier,

unrentabler Strompreis; die (Kosten-)Frage der Atommüll-Lagerung ist ungelöst

usw.) und aus Günden der Sicherheit und Ökologie gegen die Inbetriebnahme ist.

Vor allem aber erwartet man sich in OÖ (die Grünen werden nächste Woche im

Landtag eine entsprechende Resolution einbringen), dass die Bundesregierung in

Prag entschiedenst auftritt und u. a. auf bilateraler und europäischer Ebene die

Rechtsstaatlichkeit besonders im Zusammenhang mit dem

Betriebsgenehmigungsprozess zu Temelin in Tschechien

einfordert, in EU-Erweiterungsverhandlungen auf die

„höchsten Sicherheitsstandards" bei Temelin drängt, dass die von SUJB kritisierten

Mängel auch von internationalen Experten durchleuchtet werden und dass

entsprechende Transparenz und Offenlegung aller Informationen erfolgt.

 

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