Berliner Zeitung 06.02.2000
Britischer Brennstoff auch im AKW Brokdorf
Atom-Lizenz von PreussenElektra bedroht
BERLIN, 5. März. Die Affäre um gefälschte Sicherheitsnachweise bei
Brennelementen der britischen Atomfirma BNFL zieht in Deutschland Kreise.
Schleswig-Holsteins Energieministerium räumte gegenüber der "Berliner
Zeitung" ein, dass im Kernkraftwerk Brokdorf ebenfalls
BNFL-Nuklearbrennstoff im Einsatz ist. Der Vorgang sei aber nicht mit dem im
Meiler Unterweser in Niedersachsen vergleichbar, versicherte die Behörde.
Das Atomkraftwerk Unterweser war Ende Februar abgeschaltet worden, um vier
von BNFL montierte und gelieferte Brennelemente auszutauschen, bei denen
Sicherheitsdokumente manipuliert worden waren. Der Meiler Unterweser gehört
dem Stromkonzern PreussenElektra, an Brokdorf hält das Unternehmen eine
80-Prozent- Mehrheitsbeteiligung. Nach Angaben des Kieler
Energieministeriums sind in Brokdorf zwei Brennelemente-Nachladungen, so
genannte Pellets, zum Einsatz gekommen, die von BNFL am Standort
Springfields in Großbritannien gefertigt worden seien. Bei den Pellets
handelt es sich um Uranbrennstoff, der in Füllrohre gefügt und so zu
Atom-Brennelementen montiert wird.
>Keine Anhaltspunkte für Schäden
In Brokdorf gebe es allerdings keinerlei Anhaltspunkte für Schäden der
Brennelemente, hieß es aus dem Ministerium in Kiel. Die Behörde betonte, im
Unterschied zu dem Brennstoff in Unterweser seien die in Brokdorf
verwendeten Brennelemente vom deutschen Nuklear-Spezialisten Siemens in
Hanau und nicht bei BNFL in Sellafield endgefertigt worden. Unklar ist
jedoch, inwieweit sich deshalb der Fall Brokdorf von den Vorgängen in
Unterweser unterscheidet. Wie eine Sprecherin des niedersächsischen
Umweltministeriums der "Berliner Zeitung" bestätigte, war Siemens auch bei
der Brennelement-Lieferung an das Atomkraftwerk Unterweser der
Haupt-Auftragnehmer.
Für den Betreiber PreussenElektra werden die Vorkommnisse nun immer
bedrohlicher. Stellt sich heraus, dass Mitarbeiter des Stromkonzerns
frühzeitig darüber informiert waren, dass Nuklear-Brennstoff von BNFL auch
für Meiler in Deutschland mit gefälschten Sicherheitsnachweisen geliefert
wurde, steht womöglich die atomrechtliche Zuverlässigkeit, also die
Betreiber-Lizenz des Energieunternehmens auf dem Spiel.
Ein erstes Indiz dafür gibt es, weil das niedersächsische Umweltministerium
nach eigenen Angaben bereits am 16. September 1999 von einem
PreussenElektra-Mitarbeiter angeblich vage über Fälschungen von
Sicherheitsdokumenten in Zusammenhang mit BNFL-Brennelementen unterrichtet
wurde, die nach Japan geliefert worden waren.
Unterdessen räumte auch eine Sprecherin von Bundesumweltminister Jürgen
Trittin (Grüne) ein, dass sein Ressort bereits seit dem 15. September über
Streit zwischen japanischen Atombetreibern und der BNFL wegen gefälschter
Sicherheitsnachweise der britischen Atomfirma unterrichtet ist. Die
"Berliner Zeitung" hatte am Samstag von einem Warn-Schreiben der Deutschen
Botschaft in London an das Auswärtige Amt berichtet, das an das
Bundesumweltministerium weitergeleitet wurde.