Berliner Zeitung, 25.01.99
Bundesamt will Atomtransporte freigeben
Insgesamt sechs Frachten werden in Kürze genehmigt
Ewald B. Schulte
BERLIN, 24. Januar. Die Wiederaufnahme der umstrittenen
Atommülltransporte steht unmittelbar bevor. Wie das Bundesamt für
Strahlenschutz (BfS) der "Berliner Zeitung" bestätigte, sei bereits
"in Kürze" mit der Genehmigung von fünf innerdeutschen Castor-
Transporten ins nordrhein-westfälische Zwischenlager Ahaus zu
rechnen. Die Bearbeitung dieser Anträge im Bundesamt sei
weitestgehend abgeschlossen. Darüber hinaus werde das Amt parallel
einen Rücktransport von sechs Behältern mit hochradioaktiven Abfällen
aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague ins
niedersächsische Zwischenlager Gorleben genehmigen.
Wie das Bundesamt erläuterte, entfallen je zwei der Castor-
Transportgenehmigungen auf die Kernkraftwerke Biblis und
Neckarwestheim. Zudem werde ein Castor-Transport aus dem KKW
Philippsburg nach Ahaus gestattet. Ausdrücklich offen ließ die
Behörde den Zeitpunkt, an dem die innerdeutschen
Atommülltransporte konkret durchgeführt werden sollen. Wie die
"Berliner Zeitung" bereits berichtete, gibt es innerhalb der
Bundesregierung und der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen
ernsthafte Bestrebungen, die umstrittenen Nuklear-Transporte auf
einen Zeitpunkt nach der im Mai stattfindenden NRW-Landtagswahl zu
verschieben.
Transport noch vor der Expo
Auf Basis der BfS-Genehmigungen könnten aber in Abstimmung mit den
atomrechtlichen Aufsichtsbehörden der Länder die Castor-
Transportbehälter schon jetzt mit abgebrannten Brennstäben beladen
werden, so dass in den Abklingbecken der Kraftwerke genug Platz für
die Aufnahme weiterer Brennelemente geschaffen werde. Damit sei
gewährleistet, dass die Reaktoren in Biblis, Neckarwestheim und
Philippsburg auch nach den jetzt turnusmäßig anstehenden
Brennelementwechseln mit voller Leistung weiter betrieben werden
können. Entsorgungsbedingte wirtschaftliche Einbußen der
Kraftwerksbetreiber seien damit vorerst ausgeschlossen.
Die jetzt kurzfristig in Aussicht gestellte Genehmigung zur
Rücklieferung der La-Hague-Abfälle könnte von der französischen
Cogema als Betreiber der Wiederaufarbeitungsanlage genutzt werden,
den Transport nach Gorleben noch vor Beginn der Expo-Weltausstellung
in Hannover abzuwickeln. Allerdings wies das Bundesamt darauf hin,
dass das Sicherheitskonzept für die über Sachsen-Anhalt führende
Alternativ-Route mit den Innenbehörden der Länder noch nicht
abschließend abgestimmt sei.
Artikel vom 25. Januar 2000
Frankfurter Neue Presse, 24.01.2000
Atomkraftgegner planen Widerstand gegen Transporte
Biblis. Atomkraftgegner haben am Montag gegen eine mögliche
Wiederaufnahme von Atomtransporten aus dem einzigen hessischen
Atomkraftwerk Biblis massiven Widerstand angekündigt. "Wir können in
kürzester Zeit mindestens 10 000 Menschen zu gewaltfreien Sitzblockaden
mobilisieren, egal von wo nach wo der erste Transport in Deutschland
rollen sollte", sagte ein Sprecher der Anti-Atomkraft-Organisation
"X-tausendmal quer - überall".
Bislang haben über 3000 Aktivisten den Mobilisierungsaufruf der
Organisation unterzeichnet. "Nach unseren Erfahrungen in Gorleben und
Ahaus kommen dann drei bis vier Mal so viele Unterstützer", sagte der
Sprecher. Die X-tausendmal-quer-Kampagne stelle zudem nur einen Teil der
Anti-Atom-Bewegung. Andere Gruppen seien bereit, über gewaltfreie
Sitzblockaden hinaus Widerstand zu leisten.
Der Kampagne-Sprecher ging davon aus, dass der im Sommer 1998
erlassene Transport-Stopp im Rahmen der Konsens-Gespräche wieder
aufgehoben werden könnte. "Dann würde im März oder April der erste Zug
mit radioaktivem Atommüll auf die Schiene gehen." Wie in anderen
Atomkraftwerken seien auch in Biblis die Lagerkapazitäten für
abgebrannte Brennstäbe von Mai an fast vollständig erschöpft. (lhe)
Kurzmeldung Hessischer Rundfunk, 24.2.00
BIBLIS:
Atomkraftgegner haben für den Fall der Wiederaufnahme von
Atomtransporten massive Proteste angekündigt. Eine Initiative
rechnet mit mindestens 10.000 Teilnehmern an Sitzblockaden
und anderen Aktionen.
Montag, 24. Januar 2000, 16:44 Uhr
Atomkraftgegner kündigen Protest gegen Transporte an
Biblis (Reuters) - Atomkraftgegner haben am Montag Proteste gegen neue
Atommülltransporte aus dem hessischen
Kraftwerk Biblis angekündigt. Die Kampagne "X-tausendmal quer" erklärte,
sie rechne ab Mai mit Transporten, da
das Atomkraftwerk dann keine Lagerkapazitäten für abgebrannte Brennstäbe
mehr habe. Mit Sitzblockaden und
einem Hüttendorf würden die Atomkraftgegner wenn nötig tagelang die
Abfahrt vor dem Kraftwerk in Biblis
blockieren. Ein RWE- Sprecher sagte jedoch, es gebe noch keine konkreten
Planungen für eine Wiederaufnahme der
Transporte. Zunächst müsse die Genehmigung des Bundesamtes für
Strahlenschutz abgewartet werden.
Im Mai 1998 hatte die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU)
sämtliche Atomtransporte gestoppt,
nachdem an einigen Transportbehältern stark überhöhte Strahlenwerte
gemessen worden waren. Die
Energiewirtschaft drängt auf eine rasche Wiederaufnahme der Transporte,
weil die Lagerkapazitäten an einigen
Atomkraftwerken bald erschöpft sind und diese Anlagen dann abgeschaltet
werden müssten.
win/sas/ker
Frankfurter Rundschau vom 26.1.2000:
Atomenergie: Betriebsräte dringen auf neue Castor-Transporte
KARLSRUHE, 25. Januar (dpa/afp). Die Betriebsräte der Atomkraftwerke aus Baden-Württemberg und Hessen haben eine zügige Genehmigung der Brennelemente-Transporte gefordert. Um den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke zu sichern, seien sie "dringend" nötig. In einer Mitteilung vom Dienstag fordern die Betriebsräte aus Philippsburg, Obrigheim, Neckarwestheim und Biblis Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auf, Wort zu halten und "keine Verstopfungsstrategie" seitens des Bundes zuzulassen. Bis die von der rot-grünen Regierung geforderten Zwischenlager an den jeweiligen Meilern genutzt werden könnten, seien weitere Transporte nötig.
Unterdessen bestätigte ein Sprecher des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter, dass die Genehmigung neuer Atomtransporte in Deutschland unmittelbar bevorstehe. "In Kürze", so der Sprecher, sollten entsprechende Anträge für die Atommeiler Biblis, Neckarwestheim und Philippsburg genehmigt werden. Einen konkreten Zeitpunkt wollte er aber nicht nennen. Offen blieb auch, wann die Castor-Transporte konkret rollen sollen. Dafür müssten sich zunächst die Betreiber mit den Sicherheitsbehörden der Länder abstimmen, so das BfS.