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Stellungnahme der Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus" zur Vereinbarung zwischen der deutschen Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000:

 

Von ihren Unterzeichnern und in den Medien wird diese Vereinbarung gerne als "Energiekonsens" oder als "Vereinbarung über den Atomausstieg" bezeichnet. Beide Formulierungen sind unserer Meinung nach nicht gerechtfertigt: Zu einem gesellschaftlichen Konsens über die Energiepolitik hätte es nur kommen können, wenn Bürgerinitiativen und Umweltschutzverbände in die Verhandlungen mit einbezogen worden wären. Tatsächlich hat die Bundesregierung von Anfang an nur mit den Energieversorgungsunternehmen (EVU) gesprochen. Das Ergebnis ist entsprechend ausgefallen: Von einem Atomausstieg kann keine Rede sein, die ganze Vereinbarung ist eine gigantische Mogelpackung. Dazu im Einzelnen:

 

  • Vereinbart ist eine Regellaufzeit von 32 Jahren für alle Atomkraftwerke. Es gibt bis heute weltweit nur wenige Atomkraftwerke, die diese Lebensdauer erreicht oder gar überschritten haben. Faktisch bedeutet die Vereinbarung daher eine Bestandsgarantie für die laufenden Atomkraftwerke bis zu ihrem technischen K.O oder ihrer wirtschaftlichen Unrentabilität.
  • Hinzu kommt, dass die Laufzeiten von 32 Jahren nach oben offen sind: Wenn ein EVU eine alte Anlage eher abschaltet, weil diese unwirtschaftlich geworden ist oder nicht mehr den Sicherheitsanforderungen entspricht, kann es die diesem zugestandene Restlaufzeit auf ein anderes Kraftwerk übertragen.
  • Die Bundesregierung verpflichtet sich in der Vereinbarung, den heute gültigen Sicherheitsstandard und die ihm zugrunde liegende Philosophie nicht zu ändern. Sie nimmt sich damit selbst die Möglichkeit, Anlagen aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse stillzulegen oder mit höheren Genehmigungsauflagen zu versehen.
  • Zwar soll der Neubau von Atomkraftwerken verboten werden, allerdings ist in den letzten 11 Jahren sowieso kein neues AKW mehr ans Netz gegangen und niemand beabsichtigt, ein neues zu bauen: AKW sind heute gegenüber anderen Kraftwerken (v.a. modernen Gasverbund-Kraftwerken) nämlich nicht mehr konkurrenzfähig. Das Neubauverbot ändert daher faktisch nichts an der gegenwärtigen Situation.
  • Bei einer Laufzeit von 32 Jahren - also einer Restlaufzeit von mindestens 21 Jahren für das als letztes ans Netz gegangene AKW Neckarwestheim 2 - würde sich die Menge des bis heute angefallenen Atommülls aus deutschen Atomkraftwerken mehr als verdoppeln. Bereits heute aber weiß niemand, wie dieser Müll endgültig schadlos zu entsorgen ist, im Gegenteil: Anfang diesen Jahres hat der Umweltsachverständigenrat der Bundesregierung sein aktuelles Gutachten vorgelegt. Darin heißt es, dass die Endlagerung von hochradioaktivem Atommüll nicht nur weltweit nicht gelöst ist, sondern wahrscheinlich sogar unlösbar ist.
  • Trotzdem wird in der Vereinbarung nicht die Konsequenz gezogen, die Atommüll-Produktion (und damit die Erzeugung von Atomstrom) sofort zu beenden. Es wird nicht einmal der Salzstock Gorleben als mögliches Endlager ganz aufgegeben, trotz aller Sicherheitsbedenken, die Wissenschaftler in den letzten 20 Jahren dagegen erhoben haben. Statt dessen sieht die Vereinbarung nur ein 3 - 10jähriges "Moratorium" für die Untersuchung des Salzstocks vor !
  • Als "Entsorgungsnachweis" sieht die Vereinbarung die Zwischenlagerung vor. "Zwischenlagerung" bedeutet aber faktisch nur ein Abstellen von Atommüll, keine wirkliche Entsorgung. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieses Abstellen direkt an den AKW ("dezentrale Zwischenlagerung") oder wie bisher an den zentralen Zwischenlagern Gorleben und Ahaus bzw. bei den Wiederaufarbeitungsanlagen Sellafield/England oder Cap de la Hague/Frankreich erfolgt. Lediglich unsinnige Transporte würden durch die dezentrale Zwischenlagerung verhindert.
  • Ein kleiner Fortschritt scheint auf den ersten Blick die vereinbarte Aufgabe der Wiederaufarbeitung zu sein. Allerdings wird sie fälschlicherweise als Entsorgungsvariante bezeichnet: Abgesehen von den schädlichen Freisetzungen radioaktiver Emissionen bei der WAA werden auch Menge und Gefährdungspotential des Atommülls bei der WAA nicht verringert, sondern eher noch vergrößert. Außerdem soll die Beendigung der Transporte in die WAA erst ab dem 1.7.2005 erfolgen. Die dort bis zu diesem Zeitpunkt angelieferten Mengen dürfen auch später ohne jegliche zeitliche Begrenzung aufgearbeitet werden !
  • Der vereinbarte Bau von dezentralen Zwischenlagern an den Reaktorstandorten ("so zügig wie möglich") soll unsinnige Transporte und die Proteste gegen dieselben vermeiden. Damit soll auch die Bevölkerung in der Umgebung von Ahaus und Gorleben für eine Akzeptanz des Atomkompromisses gewonnen werden. Allerdings dürfte selbst diese Rechnung nicht aufgehen: Die süddeutschen Bundesländer (Bayern, Baden-Württemberg) haben bereits unmissverständlich erklärt, dass sie diesen Teil der Vereinbarung mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln boykottieren werden. Abgesehen von führenden Politikern der CDU und CSU, die dies aus parteitaktischen oder lokalbornierten Überlegungen ankündigen (während sie andererseits klar für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke plädieren und gegen jeden Ausstieg sind !), mehrt sich auch der Protest der Bevölkerung in der Umgebung der jeweiligen AKW: Vielen Menschen wird auf einmal die Problematik des ungelösten Atommüll-Problems deutlich . Es ist also mehr als fraglich, wann oder ob überhaupt diese dezentralen Zwischenlager jemals in Betrieb gehen werden.

 

Als Fazit bleibt: Die Bundesregierung ist mit dem von ihr angekündigten Versuch eines Atomausstiegs auf Verhandlungsebene gescheitert. Fortschritte zu einem Ausstieg, der diesen Namen auch verdient, wird es nur in dem Maße geben, wie die außerparlamentarische Widerstandsbewegung gegen die Nutzung der Atomenergie Druck von unten erzeugt und deutlich macht, dass ein gesellschaftlicher Konsens mit dieser Vereinbarung nicht erreicht wird.

Die nächsten Castor-Transporte werden dazu Gelegenheit bieten.

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