Presseauswahl 10./11.12.2003

-EU-Kommission prüft Atom-Geschäft mit China: dpa

-"FTD": IAEA nennt Kontrolle von Hanauer Atomanlage in China unsinnig: afp

-Siemens - Halten an Atom-Kraftwerks-Projekt in Finnland fest : Reuters

-Atom-Streit: Plutonium-Kern soll nicht nach China: AFP

-Zypries soll dem Kanzler Hanau eingebrockt haben: Spiegel Online

-Kernenergie für alle: Tagesspiegel

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dpa Donnerstag 11. Dezember 2003, 08:30 Uhr

 

EU-Kommission prüft Atom-Geschäft mit China

 

Berlin (dpa) - Der geplante Verkauf der Plutonium-Anlage aus Hanau nach

China beschäftigt nach einem Bericht der «Berliner Zeitung» nun auch die Europäische Union. Nach Informationen des Blattes (Donnerstag) prüft die EU-Kommission in Brüssel, ob das Geschäft gegen Ausfuhrregeln der Union verstößt und untersagt werden kann. Europäische Rechtsvorschriften sehen vor, dass der Export militärisch nutzbarer Güter einer Genehmigungspflicht unterliegt. Die Grünen im Europäischen Parlament halten den Verkauf der Brennelemente-Fabrik durch den Hersteller Siemens daher für unzulässig.

Nach Ansicht der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) macht die von SPD und Grünen geforderte Überwachung der für den Export nach China vorgesehenen Brennelementefabrik keinen Sinn. «Ich weiß nicht, was solche Kontrollen vor Ort bewirken sollen», sagte IAEO-Sprecher Mark

Gwozdecky der «Financial Times Deutschland» (Donnerstag). «China ist ein Atomwaffenstaat und hat genügend spaltbares Material für sein Waffenprogramm. Was also sollen diese Kontrollen?» Die Fraktionen von SPD und Grünen hatten am Dienstag den Export der Siemens-Anlage nach China unter den Vorbehalt gestellt, dass sie nicht zur Herstellung waffenfähigen Materials benutzt werden dürfe. Dies soll durch Kontrollen der IAEO sichergestellt werden.

«Bei Atomwaffenmächten wie China versuchen wir nicht, die Produktion von weiterem waffenfähigen Material zu verhindern», sagte der IAEO-Sprecher. «Die Teilnahme an den Kontrollen ist für diese Staaten freiwillig.» Auf Wunsch von Deutschland und China könnte die IAEO eine Anlage überwachen. «Aber wir können keine Garantie für andere Anlagen abgeben.»

Die Entscheidung über das umstrittene Atomgeschäft mit der Volksrepublik China soll «in aller nächster Zeit» getroffen werden. «Wir sind in der Schlussphase», sagte der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Ditmar Staffelt (SPD), am Mittwoch im Bundestag in Berlin. Die Bundesregierung werde China «auf eine ausschließlich zivile Nutzung verpflichten».

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Afp Donnerstag 11. Dezember 2003, 02:06 Uhr

 

"FTD": IAEA nennt Kontrolle von Hanauer Atomanlage in China unsinnig

 

(AFP) Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hält eine von der SPD und den Grünen geforderte Kontrolle der Hanauer Atomanlage in China für unsinnig. "China ist ein Atomwaffenstaat und hat genügend spaltbares Material für sein Waffenprogramm. Was also sollen diese Kontrollen?", sagte IAEA-Sprecher Mark Gwozdecky der "Financial Times Deutschland" (Donnerstagausgabe). Auf Wunsch von Deutschland und China könnte die IAEA zwar die Hanauer Plutoniumfabrik nach ihrem Export überwachen. "Aber wir können keine Garantie für andere Anlagen abgeben", betonte Gwozdecky.

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Reuters Mittwoch 10. Dezember 2003, 14:52 Uhr

 

Siemens - Halten an Atom-Kraftwerks-Projekt in Finnland fest

 

München, 10. Dez (Reuters) - Der Siemens-Konzern hält auch ohne staatliche Ausfuhrbürgschaft an seiner Beteiligung am Bau eines Atomkraftwerks in Finnland fest.

"Unser Gebot steht", sagte ein Firmensprecher am Mittwoch in München. Er bestätigte, dass sich das Unternehmen nicht um eine staatliche Hermes-Bürgschaft zur Absicherung des Geschäfts bemühe. Siemens bietet für den Kraftwerksauftrag durch seine Beteiligung Framatome, ein Gemeinschaftsunternehmen mit der französischen Areva. "Der Umstand, dass Siemens nicht auf staatliche Garantien besteht, ist kein Grund für Zweifel an dem Areva-Siemens-Gebot", sagte eine Sprecherin von Areva inParis.

Mit dem Verzicht auf die Bürgschaft ist ein Streitthema der rot-grünen Regierungskoalition vom Tisch. Im Streit über den Verkauf der ebenfalls Siemens gehörenden Hanauer Plutoniumfabrik nach China hatten die Grünen angekündigt, dem Finnland-Geschäft die staatliche Hermes-Bürgschaft zu verweigern. In einem Zeitungsbericht hieß es, dann würde das Geschäft platzen.

Finnland will bis zum Jahresende entscheiden, wer das Atomkraftwerk mit 1000 bis 1600 Megawatt Kapazität errichten soll. Siemens wird vor General Electric favorisiert.

brn/kad

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AfP Berlin Mittwoch 10. Dezember 2003, 11:21 Uhr

 

Atom-Streit: Plutonium-Kern soll nicht nach China

Nach Ansicht von Vertretern der rot-grünen Koalition darf die geplante Lieferung der Hanauer Atomanlage nach China einen Verkauf des Plutonium-Kerns nicht einschließen. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering sagte dazu, bislang liege noch kein schriftlicher Antrag Chinas dafür vor. Auch gebe es "keine Intention der Bundesregierung", sich darauf einzulassen. Die Siemens-Energietochter RWE Power verhandelt offenbar jetzt mit Frankreich über die Lieferung des in Hanau einlagernden so genannten Kalkar-Kerns.

Die insgesamt 205 Brennelemente des nie in Betrieb gegangenen Schnellen Brüters in Kalkar sollten zur Wiederaufarbeitungsanlage La Hague in Frankreich geliefert werden, berichtet die "Berliner Zeitung". Dort könnten sie zu wieder verwertbaren Brennstäben verarbeitet werden. Allerdings müsste RWE für eine derartige Dienstleistung der französischen Betreiberfirma Cogema nach Auskunft eines Insiders "viel Geld" bezahlen, hieß es in dem Bericht.

Derzeit lagern die Kalkar-Brennelemente im so genannten "Spaltstoffbunker" auf dem Siemens-Gelände in Hanau. Betreiberin ist das Bundesamt für Strahlenschutz. Der Vertrag zwischen dem Bund und Siemens sieht vor, dass das Lager bis spätestens 2008 geräumt wird.

Die USA haben Zeitungsberichten zufolge keine grundsätzlichen Einwände gegen einen Export der Plutoniumfabrik in Hanau nach China. "Die Anlage hat nicht die Fähigkeit, neues Plutonium zu produzieren", sagte ein hochrangiger Mitarbeiter im US-Außenministerium dem "Handelsblatt". Allerdings setze Washington darauf, dass die Bundesregierung die Abmachungen der im so genannten Londoner Club zusammengeschlossenen Staaten einhalte. Die mehr als 40 Mitgliedsländer verpflichten sich darin auf strenge Kontrollen beim Export von nuklearem Material.

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Spiegel Online 11.12.03

PLUTONIUM-STREIT

Zypries soll dem Kanzler Hanau eingebrockt haben

Der Koalitionsstreit über den Export der Hanauer Plutoniumfabrik soll durch eine Indiskretion von Justizministerin Zypries während der China-Reise des Kanzlers ausgelöst worden sein. Nach Angaben der Grünen wird sich das Prüfverfahren für eine Exportgenehmigung hinziehen.

 

Brigitte Zypries: Hat sie geplaudert?

Berlin - Die "Stuttgarter Zeitung" berichtet, Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) werde in der SPD-Fraktion verdächtigt, den Deal mit der Hanauer Plutoniumfabrik ausgeplaudert zu haben. Zypries gehörte zur China-Delegation des Kanzlers und nahm auch am Gespräch mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao teil. Der Vorwurf, Zypries sei die undichte Stelle, wurde beim Justizministerium in Berlin weder bestätigt noch dementiert.

Von sich aus wäre der Kanzler während seiner China-Reise jedenfalls nicht bereit gewesen, die umstrittenen Exportpläne publik zu machen. Dies erklärte SPD-Fraktionschef Franz Müntefering am Dienstag eigens vor den SPD-Abgeordneten. Gegenüber seinen chinesischen Gesprächspartnern habe er lediglich deutlich gemacht, dass die Regierung nach bisheriger Prüfung keine rechtlichen Gründe gegen dieses Geschäft sehe. In einer schriftlichen Stellungnahme Münteferings hieß es: "Dieser Vorgang ist von einem Gesprächsteilnehmer unkoordiniert öffentlich gemacht worden. Das macht nachträgliche Erklärungen erforderlich."

Nach Ansicht der Grünen wird sich das Prüfverfahren für die Exportgenehmigung der Hanauer Plutoniumanlage nach China weiter hinziehen. Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck wollte keine Prognose abgeben, wie lange die Prüfung der Bundesregierung dauern werde. Er hoffe, dass China angesichts der Kontrollauflagen, auf die sich SPD und Grüne verständigt haben, das Interesse an dem Geschäft verlieren könnte.

Das Verfahren könne erst dann abgeschlossen werden, wenn alle offenen rechtlichen Fragen eindeutig geklärt seien, sagte Beck. "Es wäre unvernünftig, konkrete Fristen zu nennen." Dem widerspricht die Auffassung im Auswärtigen Amt. Eine Sprecherin teilte am Dienstag mit, die Prüfung befinde sich in der Endphase.

Beck bezeichnete es als Erfolg der Politik seiner Partei und des Drucks der letzten Tage, dass Siemens seine Anfrage auf eine Hermes-Bürgschaft für den Export von Turbinen für das neue finnische Atomkraftwerk zurückgezogen habe. Ein Erfolg sei auch, dass die SPD-Führung das Problem anerkenne, China könne möglicherweise waffenfähiges Plutonium in der Anlage herstellen.

Einer Umfrage des Forsa-Instituts unter 1005 Befragten zufolge lehnen die Bundesbürger den Export der Hanauer Atomanlage nach China mehrheitlich ab. Demnach sprachen sich 57 Prozent gegen das politisch umstrittene Geschäft aus. Lediglich 32 Prozent befürworteten die Ausfuhr der Brennelementefabrik, elf Prozent zeigten sich unentschlossen.

Der Energiekonzern RWE verhandelt unterdessen mit dem Betreiber der französischen Atom-Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague über den Verkauf des Brennelementekerns des nie in Betrieb gegangenen Atomkraftwerks Kalkar. Eine Sprecherin von RWE Power bestätigte am Mittwoch in Essen einen entsprechenden Bericht der "Berliner Zeitung". Der Verkauf an die französische Cogema sei allerdings noch nicht unter Dach und Fach. Ein konkretes Verkaufsdatum gebe es daher nicht. Die Kalkar-Brennelemente lagern derzeit auf dem Siemens-Gelände in Hanau. Betreiber ist das Bundesamt für Strahlenschutz. Laut RWE-Sprecherin geht die Verantwortung für die Brennelemente Ende 2008 an ihre Firma über. Bis dahin habe RWE Zeit, eine Verwertungsmöglichkeit zu finden. Es seien bereits mit vielen Ländern Sondierungsgespräche geführt worden. Darunter seien auch China und die USA gewesen. Derzeit gebe es mit China allerdings keine Gespräche.

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Tagesspiegel - 10. Dez. 2003

 

Kernenergie für alle

 

Deutschland fördert die Verbreitung der Nukleartechnik im Rahmen des

Atomwaffensperrvertrags

/Von Peter Siebenmorgen

 

Der Atomausstieg gilt &endash; nicht überall. Auch im kommenden Jahr wird Deutschland beträchtliche Mittel in den internationalen Ausbau der Kernenergie stecken. Wozu es auch verpflichtet ist. Denn die Bundesrepublik gehört zu den Unterzeichnerstaaten des Atomwaffensperrvertrags. Darin verpflichten sich die Vertragsstaaten die Verbreitung von Atomwaffen zu unterbinden. Im Gegenzug versprechen sie allerdings im Paragraphen zwei des Artikels IV auch, den umfassenden internationalen Austausch zur friedlichen Nutzung der Kernenergie aktiv zu befördern. Ausgerechnet im Jahr 2000, als Rot-Grün den Atomausstieg aushandelte, wurde diese Selbstverpflichtung zur Weitergabe von atomtechnischem Know-how bei der Überprüfungskonferenz des Vertrags ausdrücklich bekräftigt. Die Verbreitung der zivil genutzten Kernenergie sei ein geeignetes Mittel, um die „technischen und ökonomischen Ungleichheiten zwischen entwickelten und unterentwickelten Ländern zu überwinden".

Die Bundesregierung jedenfalls machte vor drei Jahren keine Anstalten, die exklusive und intensive Förderung der zivilen Atomenergie im internationalen Rahmen zumindest infrage zu stellen. Sie hielt es damals wie auch jetzt mit Blick auf die nächste Überprüfungskonferenz im Jahr 2005 nicht für angebracht, bei der Energie-Entwicklungshilfe im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags wenigstens darauf zu drängen, dass auch andere Formen der Energiegewinnung der privilegierten Atomenergie zumindest gleichgestellt werden.

Praktisch findet die Förderung der Weiterverbreitung der zivilen Atomenergie im Rahmen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) statt &endash; einer Gründung aus den fünfziger Jahren, der mittlerweile 137 Staaten angehören. Die IAEO ist nicht nur für die internationale Wahrung von Sicherheitsstandards bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie zuständig, sondern unterhält ein eigenes Programm zur Weiterverbreitung, den „Technical Cooperation Fund". Im Haushaltsansatz der Bundesrepublik für das Jahr 2004 sind rund 28 Millionen Euro für die IAEO eingeplant. Allerdings sollen die darin enthaltenen sieben Millionen US-Dollar für die aktive Förderung von nukleartechnischem Wissen in anderen Ländern um rund ein Drittel gekürzt werden. Aber nicht etwa, weil Rot-Grün nun auch international auf einen behutsamen Atomausstieg setzt, sondern nur, weil Hans Eichel sparen muss.

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