Exporte von Atommaterial... Presse vom 08./09.12.03
-Grüne Seele mit Hornhaut !!!: Offenbacher Post
-Grüne verstärken Widerstand gegen Verkauf der Plutoniumanlage: AP
-Kanzler kommt Atom-Kritikern entgegen: dpa
-Deutsch-finnische Gespräche zu Atomgeschäft: AFP
-Streit um Atomgeschäft mit China beschäftigt Fraktionen: dpa
-Rot-Grün mit gegensätzlichen Positionen zu Atomexporten: Reuters
-Interview mit Michael Sailer: Tagesschau
-Paziorek: Umweltausschuss befasst sich mit geplantem Atomexport nach China: ots/cdu
-China will mit deutscher Hilfe Plutonium produzieren: Capital/ftd
-Langsame Brüter: Spiegel Online
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Offenbacher Post 09.12.03
Grüne Seele mit Hornhaut/ Von Volker Kampmann
Die größten Kritiker der Elche, die sind heute selber welche: Der leicht
abgewandelte Spruch aus der wildbewegten Sponti-Szene der 70er-Jahre
könnte dem Ex-Sponti und heutigen Außenminister Joschka Fischer zurzeit
des öfteren durch den Sinn gehen. Denn heftig wogt die Diskussion um den
mit ausdrücklicher Billigung des deutschen Bundeskanzlers
vorangetriebenen Verkauf der Hanauer Plutoniumanlage an China.
Zwei Seelen wohnen - Ach! - in des Ministers Brust. Die des deutschen
Vizekanzlers und Machtpolitikers Joseph Martin Fischer und die des
Ur-Grünen Joschka gleichen Nachnamens. Welche Seele jedoch letztendlich
dominieren wird, daran zweifelt er ebensowenig wie die gesamte
Führungsetage der Grünen. An den Fleischtöpfen der Macht hat sich die
grüne Seele beim häufigen Abschiednehmen von einst hochheiligen
Prinzipien mittlerweile eine Hornhaut zugelegt.
Zur Erinnerung: Bei den Grünen pochte früher das Herz der deutschen
Anti-Atomkraft-Bewegung. Sie waren ihr politischer Arm. Jetzt aber
klingt der Protest von Partei und Fraktion gegen den Verkauf der Hanauer
Anlage eher wie eine Inszenierung für die verbliebenen Idealisten an der
grünen Basis, die noch von den seligen Zeiten der Fundamentalopposition
zehren: "Schaut her, wir sind heftigst dagegen. Aber die Rechtslage ..."
Wo liegt die Schmerzgrenze bei den Grünen? Keine Bange: Die Koalition
wird nicht zerbrechen, bloß weil ein SPD-Bundeskanzler die hierzulande
durch rot-grünes Regierungshandeln geächtete Atomtechnologie bedenkenlos
an die bisher noch nicht durch übermäßige Skrupel aufgefallenen Chinesen
verscherbeln lässt - und das zu allem Überfluss auch noch öffentlich
begrüßt.
Der eloquente wie intelligente grüne Dampfplauderer Daniel Cohn-Bendit
machte dieser Tage seinen Parteifreunden sinngemäß folgende Rechnung
auf: "Wenn wir aus der Koalition aussteigen, kommen die Schwarzen an die
Macht. Und die machen dann den Atomausstieg wieder rückgängig". Wow! Das
ist Realpolitik.
Moment noch, eine Frage zum Schluss: Welchen Stellenwert haben
eigentlich noch politische Grundüberzeugungen, Glaubwürdigkeit und
Moral?
Eine Antwort wird derzeit nicht erwartet.
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AP Dienstag 9. Dezember 2003, 09:26 Uhr
Grüne verstärken Widerstand gegen Verkauf der Plutoniumanlage
Frankfurt/Main (AP) Die Grünen verstärken ihren Widerstand gegen den
umstrittenen Atomexport nach China. Die Bundesvorsitzende Angelika Beer
betonte, ihre Partei wolle alle rechtlichen Optionen nutzen, um den
Verkauf der Hanauer Nuklearfabrik zu verhindern. Die
nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn kündigte an, die
Grünen wollten zur Verhinderung des umstrittenen Atomexports auch die
USA und die NATO einschalten. Der zur Parteilinken gerechnete
Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann kritisierte auch Außenminister
Joschka Fischer.
«Von einer Lieferung der Hanauer Anlage sind auch Sicherheitsinteressen
der NATO und der Vereinigten Staaten berührt. Beide müssen in jedem Fall
vor einem Verkauf einbezogen werden», sagte Höhn der «Rheinischen Post»
(Dienstagausgabe). Beer erklärte im Fernsehsender Phoenix, die Grünen
und auch ihr Außenminister seien «politisch dagegen». Der von China
zudem angestrebte Kauf der Technik des Schnellen Brüters würde auch
internationalen Widerstand auf den Plan rufen. «Siemens hat da noch ganz
andere Geschäfte vor und ich glaube nicht, dass die Amerikaner davon
begeistert sind», sagte Beer wörtlich.
Der stellvertretende Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Reinhard
Loske, forderte die internationale Kontrolle der Anlage, um eine
militärische Verwendung auszuschließen. «Die Fabrik muss der lückenlosen
Aufsicht durch die internationale Atomenergiebehörde in Wien unterworfen
werden», sagte Loske der «Berliner Zeitung». Dies gelte für den Fall,
dass der Export rechtlich nicht mehr verhindert werden könne.
Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer hatte die SPD zuvor
nachdrücklich an die Koalitionsvereinbarungen zum Atomausstieg erinnert.
Man müsse sich vergewissern, was die gemeinsame Grundlage der rot-grünen
Energiepolitik sei, sagte Bütikofer am Montagabend im «heute journal»
des ZDF. «Das ist der Atomausstieg, und dazu passt es einfach schlecht,
wenn man mit dieser Leichtfertigkeit, wie es manche gegenwärtig tun,
über so ein Exportgeschäft spricht.» Zwar seien die Grünen nicht direkt
verärgert über Bundeskanzler Gerhard Schröder, aber «dass der Kanzler
nicht mit sich selbst koaliert, sondern mit den Grünen, muss ja auch
irgendwo zum Ausdruck kommen».
Der Bundestagsabgeordnete Hermann sagte im ZDF-Morgenmagazin, ein Export
der Hanauer Anlage stünde in krassem Widerspruch zum Atomausstieg und
zur Nichtverbreitung von Nuklearwaffen. «Ich bin erstaunt, dass
Bundeskanzler Schröder in China das alles vergessen hat angesichts der
Nähe des Herrn von Pierer», fügte Hermann hinzu. Pierer hatte als Chef
des Siemens-Konzerns Schröder auf dessen China-Reise begleitet.
Es gebe auch keinen rechtlichen Automatismus zur Genehmigung des
Verkaufs, sagte Hermann weiter und kritisierte Fischer und
Grünen-Fraktionschefin Krista Sager. Der Außenminister habe den
Widerstand in der Partei trotz früher Warnungen aus dem Umweltressort
falsch eingeschätzt und müsse nun etwas tun, auch wenn er damit in
Gegensatz zu Schröder gerate. Und Sager habe in dieser Frage «zu
vorschnell die Segel gestrichen. Auch die energiepolitische Sprecherin
der Grünen im Bundestag, Michaele Hustedt, sagte im Bayerischen
Rundfunk, ihre Partei sei in dieser Frage nicht zum Kompromissen bereit.
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Dpa Dienstag 9. Dezember 2003, 09:06 Uhr
Kanzler kommt Atom-Kritikern entgegen
Berlin (dpa) - Bundeskanzler Gerhard Schröder hat Atom-Kritikern nun
offenbar doch Entgegenkommen signalisiert. Nach Informationen des
«Tagesspiegels» will er die Lieferung deutscher Nukleartechnik nach
Finnland stoppen. Beim Export der Hanauer Plutonium-Anlage nach China
wolle der Kanzler aber hart bleiben, hieß es nach einer Sitzung des
SPD-Vorstands. Die Grünen wollen auf ihrer heutigen Fraktionssitzung
eine Beschlussvorlage verabschieden, die den Verkauf der Hanauer Fabrik
ablehnt.
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(AFP) Berlin Dienstag 9. Dezember 2003, 07:56 Uhr
Deutsch-finnische Gespräche zu Atomgeschäft
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) kommt heute mit dem finnischen
Ministerpräsidenten Matti Vanhanen zusammen. Bei dem am Abend
beginnenden Gespräch im Kanzleramt soll es auch um die geplante
Beteiligung von Siemens am Bau eines Atomkraftwerkes in Finnland gehen.
Das Unternehmen hatte dafür eine Exportbürgschaft beantragt. Nach
Informationen des "Tagesspiegels" könnte Schröder den Grünen im
Koalitions-Streit um den Export der Hanauer Plutoniumfabrik nach China
dahingehend entgegenkommen, dass er den Bedenken einer staatlichen
Bürgschaft für das Reaktorgeschäft mit Finnland Rechnung trage.
Siemens ist Teil eines deutsch-französischen Konsortiums, das sich um
den Auftrag für den Bau des finnischen Atomkraftwerkes beworben hat. Die
Entscheidung über die Hermes-Bürgschaft liegt bei einem
interministeriellen Ausschuss, dem Vertreter der Ministerien für
Wirtschaft, Finanzen und Entwicklung sowie des Auswärtigen Amtes
angehören. Sie muss einstimmig fallen.
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Dpa Dienstag 9. Dezember 2003, 00:11 Uhr
Streit um Atomgeschäft mit China beschäftigt Fraktionen
Berlin (dpa) - Der Streit um das von Bundeskanzler Gerhard Schröder
unterstützte Atomgeschäft mit China beschäftigt heute auch die
Fraktionen des Bundestags. In der Grünen-Fraktion soll eine
Entschließung diskutiert werden. Darin wird unter anderem eine
zweifelsfreie Garantie verlangt, das jeglicher militärische Gebrauch der
Lieferung durch China ausgeschlossen wird. Auch in den Reihen der
SPD-Fraktion gibt es Kritiker des Geschäfts. Die FDP-Fraktion will für
morgen eine Aktuelle Stunde zu dem Thema beantragen.
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Reuters
Rot-Grün mit gegensätzlichen Positionen zu Atomexporten
Berlin, 08. Dez (Reuters) - Parteiführung und Minister der Grünen haben
sich gegen den von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) befürworteten
Verkauf der Hanauer Plutoniumfabrik an China gewandt. Sie wollen
zugleich eine Exportbürgschaft für den geplanten Bau eines
Atomkraftwerks in Finnland unter Federführung eines Konsortiums um
Siemens und die französische Firma Framatome verhindern.
Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sagte am Montag: "Bündnis90/Grüne halten
den Export für falsch." Sie bedauerten, dass Schröder nicht Einfluss auf
Siemens ausgeübt habe, damit die Firma auf das Geschäft verzichte. Sie
warnten ihn vor einer Belastung der rot-grünen Koalition. Die Position
des SPD-Vorstands zu der Frage blieb dagegen offen. Im Gegensatz zu
Schröder halten die Grünen die Entscheidung über den Export für offen.
Bütikofer kündigte an, die Grünen würden einer Bürgschaft für das
Geschäft mit Finnland nicht zustimmen. Ein Streit zwischen Schröder und
Außenminister Joschka Fischer (Grüne) über die Atomthemen wurde
dementiert.
GRÜNE: EXPORT DER HANAUER ANLAGE IST IMMER NOCH OFFEN
Fischer sagte zum Export: "Wenn Sie mich nach der Sache fragen, kann ich
Ihnen nur sagen, halte ich das für unnötig wie einen Kropf." Er fügte
hinzu: "Offensichtlich gibt es hier auch eine rechtliche Lücke, die beim
Atomausstiegsgesetz nicht bedacht wurde." Bütikofer bedauerte, dass
Schröder nicht Einfluss auf Siemens genommen habe, damit die Firma auf
das Geschäft verzichte. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte, es
gehe bei der noch laufenden Prüfung darum, eine militärische Nutzung der
Anlage auszuschließen.
Bütikofer sagte: "Das ist nicht nur Pro-forma-Prüfung, auch wenn wir
durchaus zur Kenntnis genommen haben, dass der Kanzler davon ausgeht,
dass das Ergebnis schon fest stehe." Grünen-Fraktionsvize Fritz Kuhn
warnte Schröder vor einer Missachtung des Koalitionspartners in dieser
Frage: "Ich kann nur sagen in Richtung auch des Bundeskanzlers, er darf
natürlich nicht vergessen, dass er mit den Grünen koaliert."
SPD-Generalsekretär Olaf Scholz sagte, im Vorstand habe es für die
Position Schröders breite Unterstützung gegeben, wonach der Verkauf
Plutoniumfabrik rechtlich nicht zu verhindern ist. Schröder sagte nach
Scholz' Angaben, die Regierung sei rechtlich gebunden. Im Vorstand habe
niemand den Wunsch geäußert, daran etwas zu ändern. Regierungssprecher
Bela Anda sagte, die Festlegung Schröders auf den Export beruhe auf
einer "eindeutigen und klaren rechtlichen Bewertung".
Ein SPD-Vorstandsmitglied sagte dagegen, es sei nicht richtig, dass es
im Vorstand breite Unterstützung für die Regierung in dieser Frage gebe.
"Nicht nur die Grünen haben Probleme damit, sondern auch die SPD."
Lediglich Schröder und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement hätten die
Regierungslinie verteidigt. Vier weitere Vorstandsmitglieder hätten sich
kritisch geäußert. Linken-Chefin Andrea Nahles sagte: "Es gibt in der
SPD die breite Einschätzung, dass uns die Sache politisch geschadet
hat."
GRÜNE KÖNNTEN EXPORT-BÜRGSCHAFT FÜR FINNLAND BLOCKIEREN
Zum Finnland-Geschäft sagte Bütikofer: "Wir sind uns einig, dass es von
grüner Seite für diese Hermes-Bürgschaft keine Zustimmung geben wird."
Die Grünen können sie blockieren, da der zuständige Regierungsausschuss,
in dem das Auswärtige Amt sitzt, laut Wirtschaftsministerium einstimmig
entscheidet.
Scholz bewertete eine Bürgschaft dagegen positiv. Im Vorstand hieß es,
Schröder habe den Eindruck erweckt, als ob die Frage nicht endgültig
entschieden sei. Scholz sagte, in der SPD-Spitze gebe es keinen großen
Widerstand gegen die Beteiligung von Siemens an dem finnischen
Atomkraftwerk.
Siemens wollte die Debatte nicht kommentieren. Laut "Leipziger
Volkszeitung" würde das Geschäft für das Konsortium bei Blockade der
Bürgschaft platzen, weil es ohne die staatliche Risiko-Absicherung einem
US-Anbieter unterliegen werde.
kra/vat/tin
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Tagesschau 8.12.03
Interview: ''Prüfen, ob Gesetze Export verbieten''
http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID2757438_REF1_NAVSPM
1,00.html
Michael Sailer, Leiter des Fachbereichs Nukleartechnik und
Anlagensicherheit des Öko-Instituts
Im Gegensatz zur Bundesregierung ist der Leiter des Fachbereichs
Nukleartechnik und Anlagensicherheit des Öko-Instituts, Michael Sailer,
überzeugt, dass China die Hanauer Plutoniumfabrik für seine
Atomwaffenproduktion verwenden könnte. tagesschau.de sprach mit Sailer
darüber, ob die Bundesregierung den Export der Anlage verhindern könnte,
wenn sie es denn wollte.
tagesschau.de: Könnte China die Bestandteile der Hanauer
Plutonium-Fabrik für seine Atomwaffen-Produktion verwenden?
Sailer: In bestimmten Schritten der Atomwaffenproduktion muss Plutonium
chemisch umgewandelt oder mechanisch bearbeitet werden, und für solche
Schritte sind die Einzelteile der Anlage in Hanau durchaus geeignet. Man
könnte die Anlage entsprechend umbauen.
tagesschau.de: Braucht China die Hanauer Anlage für sein
Atomwaffenprogramm?
Sailer: China will auch weiterhin Atommacht bleiben. Es wird also die
Zahl seiner Waffen möglicherweise vergrößern und modernisieren. Das geht
natürlich auch mit Anlagen, die bisher schon dort stehen, aber die
Hanauer Anlagenteile stellen eine relativ moderne Technik dar. Insofern
ist das Angebot schon reizvoll - zumindest zu dem Preis. Im zivilen
Bereich gibt es in China zur Zeit keine Anwendungsmöglichkeiten für eine
Anlage dieser Größenordnung und dieses Bautyps.
tagesschau.de: Bundeskanzler Schröder sagt, man werde China Auflagen
machen, dass die Hanauer Anlage nicht zur Waffenproduktion verwendet
werde. Kann man das überhaupt kontrollieren?
Sailer: Man kann es faktisch nur kontrollieren, indem man in den
nächsten 20 bis 40 Jahren immer guckt, wo die Bestandteile der Anlage
gelandet sind. Dafür müsste es eine bilaterale Vereinbarung zwischen
Deutschland und China geben. Das heißt, Deutsche müssten prüfen, was auf
chinesischer Seite mit der Anlage gemacht wird. Das ist aber sowohl aus
diplomatischen als auch aus Gründen der nationalstaatlichen Souveränität
sehr schwierig.
tagesschau.de: Gibt es keine Möglichkeit, den Export rechtlich zu
verhindern? Was ist mit dem Atomwaffensperrvertrag?
Sailer: Der Atomwaffensperrvertrag bietet keine Möglichkeit, weil China
offiziell eine Atommacht ist. Und offizielle Atomwaffenstaaten dürfen
sich im Rahmen des Atomwaffensperrvertrages Gerätschaften für ihr
Atomwaffenprogramm besorgen. Bei Nicht-Atomwaffenstaaten wie Deutschland
ist das anders.
tagesschau.de: Hat die Bundesregierung tatsächlich keine Möglichkeit,
den Export rechtlich zu verhindern, wenn sie das wollte?
Sailer: Es gibt natürlich Abkommen jenseits des
Atomwaffensperrvertrages, die zum Beispiel dazu dienen, Waffenexporte zu
kontrollieren. Und in unserem Fall liegt natürlich ein so genannter
"dual use" vor, das heißt, die Anlage kann zivil oder militärisch
genutzt werden. Es wäre zu prüfen, ob deutsche Gesetze und auch
internationale Richtlinien einen solchen Export verbieten. Mit der
Prüfung muss sich der Ausfuhrausschuss befassen.
tagesschau.de: Es ist also nicht so, wie Bundeskanzler Schröder sagt,
dass es überhaupt keine Handhabe gibt, diesen Export zu verhindern?
Sailer: Mit dieser Einschätzung wäre ich etwas vorsichtiger als Herr
Schröder.
Das Gespräch führte Sabine Klein, tagesschau.de
Stand: 08.12.2003 18:28 Uhr
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Ots Montag 8. Dezember 2003, 14:29 Uhr
Paziorek: Umweltausschuss befasst sich mit geplantem Atomexport nach China
Berlin (ots) - Anlässlich des möglichen Verkaufs des
MOX-Brennelementwerks Hanau an China erklärt der umweltpolitische
Sprecher der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, Dr. Peter Paziorek MdB:
Auf Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird sich am Mittwoch der
Umweltausschuss des Deutschen Bundestages mit dem möglichen Verkauf des
MOX-Brennelementwerks Hanau an China befassen.
Die Doppelmoral dieser Bundesregierung in der Atompolitik ist
offensichtlich. Während der Umweltminister auf Kosten des
Steuerzahlers den Ausstieg aus der Kernenergie feiert, ist der
Bundeskanzler im Ausland unterwegs und macht den Weg für den Verkauf
deutscher Kerntechnik frei.
Der Umweltminister steht in der Pflicht, zu erklären, wie dies
zusammenpasst.
Die Union erwartet, dass die Bundesregierung im Umweltausschuss
umfassend über den möglichen Verkauf des MOX-Brennelementwerks Hanau an
China aufklärt. Insbesondere ist von Interesse, seit wann Umweltminister
Trittin davon Bescheid wusste.
ots-Originaltext: CDU/CSU - Bundestagsfraktion
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Capital 9.12.03
China will mit deutscher Hilfe Plutonium produzieren
China arbeitet am Aufbau eines Programms für Schnelle Brüter und sucht
dafür deutsche Hilfe. Experten fragen sich, was China mit diesen Mengen
Plutonium will
Der Bundesregierung sind die Bemühungen Chinas um diese speziellen
Atomreaktoren, in denen große Mengen waffenfähigen Plutoniums erzeugt
werden, bekannt: Ende 2002 wollte China den Reaktorkern des nie in
Betrieb genommenen Schnellen Brüters von Kalkar kaufen. Die 205
Brennelemente und 1,6 Tonnen Plutonium lagern auf dem Gelände der
Hanauer Atomfabrik. Der Energiekonzern RWE, dem der Brüter gehört,
bestätigte am Montag, dass China Interesse geäußert hatte. Im Frühjahr
2003 lehnte Umweltminister Jürgen Trittin den Handel wegen der möglichen
Verwendung des Plutoniums als Bombenmaterial ab. Derzeit hat China
allenfalls eine erste Forschungsanlage für Schnelle Brüter. Die
RWE-Brennelemente würden sich nur zum Betrieb eines deutlich größeren
Brüters eignen.
Damit erhält der Streit bei den Grünen und in der SPD über die geplante
Lieferung der Hanauer Atomfabrik an China eine neue Qualität. Der
geplante Export erscheine nun »in einem neuen Licht«, sagte Otfried
Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische
Sicherheit: Die Fabrik »war ursprünglich für die Produktion von
Brennelementen für den Schnellen Brüter gedacht.« Bundeskanzler Gerhard
Schröder hatte gesagt, mit der Anlage solle in China im Rahmen der
friedlichen Nutzung der Atomkraft Plutonium nur entsorgt werden.
Das bezweifeln Experten. »Was die Stromproduktion angeht, ist das
Interesse Chinas nicht zu erklären«, sagte Atom-Expertin Christina
Küppers vom Darmstädter ÖKO-Institut: »In Westeuropa, den USA und Japan
ist der Einstieg in die zivile Brütertechnologie abgebrochen worden,
weil sie zu teuer und gefährlich ist. Es ist die Frage, was China mit
diesen großen Mengen Plutonium will.«
Schröder unterstützte am Montag erneut den Export der Hanauer Atomfabrik
nach China und eine geplante Staatsbürgschaft für den Neubau eines
Kernkraftwerks in Finnland. Der Fraktionsvorstand der Grünen beschloss
dagegen die Ablehnung beider Projekte. Sollte die Fabrik doch geliefert
werden, müsste sie von der Internationalen Atomenergieaufsichtsbehörde
überwacht werden.
Alle Rechte vorbehalten. © FTD
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Spiegel Online 09.12.03
KOALITIONSSTREIT ÜBER ATOM-EXPORT
Langsame Brüter/ Von Markus Deggerich
Der Streit über den Export der Hanauer Atomanlage nach China kommt für
Kanzler Schröder zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Die Grünen spüren,
dass sie sich bei dem hoch symbolischen Thema kaum wehren können. Doch
gedemütigte Abgeordnete könnten im heißen Winter der Reformbeschlüsse
ein unkalkulierbares Risiko werden.
Berlin - Das Problem von Atommüll ist die hohe Halbwertzeit und seine
giftige Wirkung, wenn er weiterstrahlen darf. Eine ähnliche Wirkung muss
Kanzler Gerhard Schröder nun für seine Koalition befürchten, nachdem er
seine China-Kracher gezündet hatte.
Schröder hat die symbolische Wirkung seines Deals unterschätzt und einen
gefährlichen Zeitpunkt gewählt, um wieder einmal eine seiner
Bauch-Entscheidungen durchzupauken. In den Augen vieler Grüner trat
Schröder auf seiner China-Reise gleich zwei hochsymbolische
Gründungsmythen des kleinen Koalitionspartners mit Füßen: den Widerstand
gegen die Atomkraft und mit dem leichtsinnigen Versprechen, sich für
eine Ende des EU-Waffenembargos einzusetzen, auch den Pazifismus.
Während Schröder am Wochenende noch versuchte, die Hanau-Diskussion
allein in die Reihen der Grünen zu bugsieren, wurde ihm am Montag klar,
dass diese Strategie so nicht aufgeht - und zudem Risiken birgt.
Widerstand gegen das schnelle Geschäft gibt es auch in der SPD: von
Fraktionsvize Michael Müller über das Vorstandsmitglied Andrea Nahles
bis zur neuen stellvertretenden Vorsitzenden Ute Vogt. Schröder
klammerte sich am Montag in einer Diskussion des Parteivorstandes in
seiner Argumentation rein an die Rechtslage. Demnach sei seiner Ansicht
nach eine Lieferung nicht zu verhindern. Das sieht das linke
Vorstandsmitglied Hermann Scheer anders: Für die Verweigerung einer
Exportgenehmigung gebe es gute rechtliche Gründe, sagte er mit Hinweis
auf den Atomwaffensperrvertrag.
Doch die Diskussion um das richtige Recht ist Schröders größtes Risiko:
Da werden Garantiererklärungen gefordert (von den Grünen) oder Verträge
geschlossen (von Siemens), die allen juristischen Prüfungen standhalten
mögen. Doch in diesem Winter der schwierigen Kompromisse über die Agenda
2010 packt der Regierungschef auf das ohnehin schwere Entscheidungspaket
für seine Abgeordneten noch etwas oben drauf. Über den Hanau-Export
entscheidet der Ausfuhrausschuss, in dem Vertreter des Außen- und
Wirtschaftsministeriums sitzen - und es dürfte tatsächlich schwer sein,
bei aktueller Rechtslage das Geschäft zu verhindern. Aber wer sich an
dieser Stelle nicht wehren kann, sucht eventuell bei anderer Gelegenheit
ein Ventil für seinen Fruststau und kann als langsamer Brüter dem
Bundeskanzler das Leben mehr als schwer machen.
Hoch symbolische Gründungsmythen
Schröder hat einen Kardinalfehler begangen: In seinem China-Rausch und
als Handlungsreisender in Sachen Deutschland AG wollte er mit guten
Wirtschaftsnachrichten glänzen und erweckte so den Eindruck, als sei der
Hanau-Deal ihm zu verdanken: Erst als ihn das Echo aus Deutschland
erreichte, lenkte er ein wenig ein und erklärte, es gebe keine Handhabe,
ein rechtmäßiges Geschäft zu verhindern, und es sei auch nicht seine
Aufgabe als Regierungschef, Recht zu beugen, sondern durchzusetzen. Der
Widerstand gegen die Atomgeschäfte sei "keine rein innergrüne
Angelegenheit", wehrte sich Grünen-Chef Reinhard Bütikofer am Montag.
Der verspürt wenig Lust, die Zerreiß- und Solidaritätsprobe allein
auszuhalten, weil das einem mittlerweile in diese Koalition eingeübten
Ritual folgt: Die SPD agiert und die Grünen reagieren - meist mit einem
schlechten Gewissen - und führen dann stellvertretend die inhaltlichen
Diskussionen, die dem Machtmenschen Schröder so lästig sind. Tatsächlich
gibt es kaum Möglichkeiten für Außenminister Joschka Fischer und
Umweltminister Jürgen Trittin, Siemens am Verkauf zu hindern. Aber sie
wissen sehr wohl um die Bedeutung für ihre Stammwähler.
"War gut, ist gut"
Nach außen halten sich deshalb bedeckt, weil sie keinen Fehdehandschuh
aufnehmen für einen Kampf, den sie juristisch nicht gewinnen können und
bei dem sie politisch verlieren. Offiziell hat der Streit um die Hanauer
Atomfabrik das Verhältnis zwischen Schröder und Fischer nach
Einschätzung von Regierungssprecher Bela Anda nicht belastet. Das
Verhältnis der beiden "war gut, ist gut und wird gut bleiben".
Die Sprecherin des Auswärtigen Amts, Antje Leendertse, sagte, die
Prüfung des Exports der Hanauer Fabrik sei "in der Endphase". Es gehe
noch darum, eine militärische Nutzung der Siemens-Fabrik auszuschließen.
Anda bekräftigte die Einschätzung Schröders, dass die rein zivile
Nutzung der Anlage gewährleistet sei. Bei der Prüfung gehe es darum,
"jeden Zweifel auszuräumen".
Doch so einfach wird das nicht. Grünen-Chef Bütikofer sagte am Montag,
Vorstand, Faktionsführung und Minister seien sich einig:
"Bündnis90/Grüne halten den Export für falsch." Sie warnten vor einer
Belastung der rot-grünen Koalition. Im Gegensatz zu Aussagen Schröders
halten die Grünen die Entscheidung über den Export für offen. Strittig
ist, ob der mögliche Einsatz der Anlage in einer Produktionskette für
waffenfähiges Plutonium dem Export entgegensteht.
"Unnötig wie ein Kropf"
"Wenn Sie mich nach der Sache fragen, kann ich Ihnen nur sagen, ich
halte das für unnötig wie einen Kropf", ist bisher alles, was man von
Fischer dazu hören kann. Man müsse die Rechtslage sehen. "Offensichtlich
gibt es hier auch eine rechtliche Lücke, die beim Atomausstiegsgesetz
nicht bedacht wurde."
Als eine Möglichkeit zum Kompromiss sehen beide Seiten die Idee von
Grünen-Fraktionschefin Krista Sager: Sie will eine internationale
Kontrolle der Anlage in China vorschreiben, um eine militärische Nutzung
auszuschließen. Die von Schröder angeführte Zusage Chinas für eine
zivile Nutzung genügt den Grünen nicht - denn Papier ist geduldig.
"Das hat eine politische Bedeutung"
Die Grünen sind in einer misslichen Lage: "Wir wissen, dass es nur
begrenzte rechtliche Handhaben gibt, es noch zu verhindern", sagte
Bütikofer. Gerade deshalb will man der Basis beweisen, dass alle
rechtlichen Möglichkeiten geprüft wurden. Der Günen-Fraktionsvize Fritz
Kuhn warnte Schröder vor einer Missachtung des Koalitionspartners: "Ich
kann nur sagen, in Richtung auch des Bundeskanzlers, er darf natürlich
nicht vergessen, dass er mit den Grünen koaliert. Das hat eine
politische Bedeutung." Bütikofer sagte zur Stimmung in der Koalition:
"Ich würde schon wichtig finden, dass wir jetzt nicht zurückfallen in
Zeiten, in denen das bei Rot-Grün ständig holterdiepolter gegangen ist."
Denn aufgebrachte und unberechenbare Abgeordnete sind das letzte was
Schröder in den kommenden Wochen gebrauchen kann. Die Fraktionssitzungen
am Dienstag werden einen ersten Eindruck davon vermitteln. Wenn die
Atomfrage Rot-Grün spaltet, könnte das auch Schröders Reformpläne
verstrahlen. Abgeordnete können eine giftige Wirkung entfalten, in
Sachen Atom haben Grüne eine hohe Halbwertzeit.