Junge Welt 08.12.2000
Ahaus: Runder Tisch geplatzt
Atomgegner und SPD wollen nicht mehr mit der Polizei diskutieren
Der Runde Tisch zum nächsten Castor-Transport nach Ahaus ist geplatzt. Die Bürgerinitiative (BI) »Kein Atommüll in Ahaus«, die Unabhängige Wählergemeinschaft (UWG) und die SPD lehnten eine weitere Teilnahme ab, solange die Polizei mit am Tisch sitze. CDU, Grüne, Wirtschaftsverbände und Kirchen wollen den Runden Tisch dagegen am Leben erhalten.
Das Gremium hatte seit Mai sechsmal getagt, um zu eruieren, wie eine Eskalation der Auseinandersetzungen beim kommenden Castor-Transport ins Atommüllzwischenlager Ahaus verhindert werden kann. Den Kommunalpolitikern ging es dabei vorrangig um die Vermeidung imageschädigender Schlagzeilen.
Vermutlich im Frühjahr sollen abgebrannte Brennstäbe vom AKW Neckarwestheim nach Ahaus transportiert werden. Beim letzten Transport 1998 hatte es massive Proteste und Übergriffe der Polizei gegeben. Die Beamten nahmen damals mehr als 600 Demonstranten fest.
Die BI habe sich ihre Entscheidung, den Runden Tisch zu verlassen, »lange und intensiv« überlegt, sagte der Sprecher der Initiative, Hartmut Liebermann. Nach acht Monaten habe man jedoch die Erfahrung machen müssen, »daß uns die Polizei für dumm verkaufen will«. Die Polizei habe 1998 Grundrechte verletzt, sei zu keiner Selbstkritik bereit und mache auch keine glaubwürdigen Zusagen zum nächsten Castor-Transport.
Der Ahauser UWG-Fraktionsvorsitzende Dieter Homann erklärte kurz und knapp: »Wir werden nicht weiter teilnehmen, wenn die Vertreter des Polizeipräsidiums mit am Tisch sitzen. Die Passierscheinregelung kann die Polizei alleine klären«. Ähnlich begründete die örtliche SPD ihren Rückzug.
Da die Polizei nicht bereit sei, ihre Einsatzplanung auf Vorschläge des Runden Tisches auszurichten, seien weitere Treffen »schiere Zeitverschwendung«, sagte der Vorsitzende der Ahauser SPD-Ratsfraktion, Andreas Dönnebrink.
CDU und Grüne halten am Runden Tisch mit Polizeibeteiligung fest. »Die Polizei soll bleiben, ohne sie läuft hier nichts«, meint der stellvertretende Bürgermeister Rudolf Enning-Haarmann (CDU). Und Dietmar Eisele (Bündnis 90/Grüne) sekundiert: »Der Runde Tisch soll fortgesetzt werden. Es ist unsere Aufgabe, die Polizei in die Pflicht zu nehmen, um Verbesserungen für die Ahauser zu erreichen«.
Auch von der Polizei kam eine Stellungnahme. Beim bevorstehenden Einsatz werde erst jetzt ein Planungsstadium erreicht, das verbindliche Absprachen zulasse. »An unserem Auftrag beißt die Maus keinen Faden ab«, so Polizeidirektor Wilfried Kampmann. An die Aussteiger appellierte Kampmann: »Sie werden keine andere Polizei als uns finden können, um über diese Dinge zu sprechen«.
Reimar Paul
WDR-Radio-Meldungen
Nachrichten aus dem Münsterland vom 7.12.2000
Spaltung am Atom-Tisch (06:46)
Die Ahauser Bürgerinitiative gegen das Brennelemente-Zwischenlager sowie SPD
und UWG haben weitere Gespräche mit der Polizeiführung über die geplanten
Castor-Transporte am sogenannten runden Tisch abgelehnt. Zur Begründung
verwiesen sie darauf, dass die Polizei noch immer konkrete Aussagen zu den
Transporten im Frühjahr verweigere. Auch zu den Gewahrsamnahmen hunderter
Demonstranten beim letzten Castor-Einsatz habe es keine befriedigende
Stellungnahme gegeben.
Chronik zum "Runden Tisch" in Ahaus
sonstige
Nachrichten aus dem Münsterland vom 9.12.2000
Atomabfälle nach Ahaus (12:26)
Bis zum Jahr 2022 könnte auch schwach- und mittelradioaktiver Atommüll aus
der Wiederaufbereitungsanlage La Hague ins Brennelementzwischenlager
transportiert werden. Nach einem vorläufigen Plan der Betreiberfirma sind dafür
52 Transporte vorgesehen, wenn die Abfälle nicht ins geplante Endlager
Salzgitter gebracht werden können.