Presseauswahl ab September2008

Presseauswahl der BI bis August 2008

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 ddp, 29.9.08

Atomkraftgegner kündigen Straßenblockaden gegen Castor-Transport an

Gorleben (ddp-nrd). Mit Straßenblockaden wollen Atomkraftgegner den nächsten Castor-Transport nach Gorleben stoppen. «Wir planen am 9. und 10. November eine große Blockadeaktion auf der Transportstrecke», sagte der Sprecher der wendländischen Initiative «X-tausendmal quer», Jochen Stay, am Montag. Die Gruppe «Widersetzen» aus dem Kreis Lüchow-Dannenberg kündigte ebenfalls Sitzblockaden an. Für den 8. November haben Bürgerinitiativen zu einer bundesweiten Demonstration in Gorleben aufgerufen.

Nach Angaben der Atomkraftgegner soll der Transport mit elf Castor-Behältern am 7. November an der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague starten. Bis Dannenberg werden die Behälter mit dem Zug gebracht und dort auf Spezial-Lkw umgeladen. Von dort aus geht es auf der Straße in das 20 Kilometer entfernte Zwischenlager in Gorleben. Das Innenministerium in Hannover und die Polizei machen grundsätzlich keine Angaben zu den Transportterminen.

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Der Westen, 29.9.08

Castor rollt wieder - Gegner kündigen Straßenblockaden an

Gorleben. Mit Straßenblockaden wollen Atomkraftgegner den nächsten Castor-Transport stoppen. Nach Angaben der Atomkraftgegner soll der Transport mit elf Castor-Behältern am 7. November an der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague starten. Das Ziel: Gorleben.

Atomkraftgegner rüsten sich für den nächsten Transport in das Atommüll-Zwischenlager im niedersächsischen Gorleben. Mit Straßenblockaden wollen sie den Anfang November erwarteten Transport stoppen.

«Wir planen am 9. und 10. November eine große Blockadeaktion auf der Transportstrecke», sagte der Sprecher der wendländischen Initiative «X-tausendmal quer», Jochen Stay, am Montag. Die Gruppe «Widersetzen» aus dem Kreis Lüchow-Dannenberg kündigte ebenfalls Sitzblockaden an. Für den 8. November haben Bürgerinitiativen zu einer bundesweiten Demonstration in Gorleben aufgerufen.

Nach Angaben der Atomkraftgegner soll der Transport mit elf Castor-Behältern am 7. November an der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague starten. Bis Dannenberg werden die Behälter mit dem Zug gebracht und dort auf Spezial-Lkw umgeladen. Von dort aus geht es auf der Straße in das 20 Kilometer entfernte Zwischenlager in Gorleben. Das Innenministerium in Hannover und die Polizei machen grundsätzlich keine Angaben zu den Transportterminen.

Noch drei Atommülltransporte nach Gorleben stehen an

Die zweitägige Sitzblockade werde im Dorf Gorleben selbst stattfinden, sagte Stay. Die Blockade sei «natürlich nicht erlaubt, aber trotzdem legitim». Man werde der Polizei nicht freiwillig weichen, wolle aber keine Eskalation. In den Tagen zuvor könnten sich Teilnehmer vor Ort in Camps oder bei einem «gewaltfreien Aktionstraining» auf die Blockade vorbereiten.

Die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg kündigte ein Kulturprogramm «zur Einstimmung auf den Castortransport» an. Ab Anfang Oktober werde es an der Transportstrecke und im gesamten Landkreis Lüchow-Dannenberg Lesungen, Konzerte und Theateraufführungen geben. Atomkraftgegner aus Lüneburg haben für den 5. Oktober zu einer Fahrraddemonstration an der Castorstrecke aufgerufen.

Die Abfälle aus La Hague werden in diesem Jahr erstmals in Castorbehältern französischer Bauart nach Gorleben gebracht.

Der Einsatz neuer Container war nötig geworden, weil der noch zu transportierende Restmüll wegen des stärkeren Abbrands der AKW-Brennstäbe heißer ist und stärker strahlt, als die bisher angelieferten Abfälle. Im kommenden Jahr soll kein Castortransport rollen, weil es Verzögerungen bei der Prüfung der deutschen Behälter vom Typ HAW 28 M gab.

Insgesamt stehen aus La Hague noch drei Atommülltransporte nach Gorleben mit jeweils elf Castorbehältern an. Anschließend sollen noch 21 Behälter aus der britischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield in den Kreis Lüchow-Dannenberg gebracht werden. Bislang stehen im Gorlebener Zwischenlager 80 Castoren mit hochradioaktivem Atommüll. (ddp)

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Gesellschaft für Strahlenschutz 29.09.08

Mitteilung an die Presse

Kinderkrebs um Kernkraftwerke ist Tatsache – Vorsorgeprinzip erzwingt Handeln

Am 28.9.2008 trafen sich Epidemiologen, Statistiker, Physiker, Biologen und Ärzte mit Journalisten, Behördenvertretern und Politikern in der Berliner Charite zu einem Symposion, um mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen Schwachstellen der „Epidemiologischen Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken (KiKK) des Mainzer Kinderkrebsregisters“ nachzubessern. Unter den Teilnehmern waren sieben Wissenschaftler, die als Externe (nicht als Autoren) an der Entwicklung der Methode und der Begleitung der KiKK-Studie beteiligt waren.

Die Bewertung der Autoren der KiKK-Studie, daß das erhöhte Krebs- und Leukämierisiko bei Kindern unter 5 Jahren in der Nähe der deutschen Kernkraftwerke grundsätzlich nicht auf die radioaktiven Emissionen der KKW zurückgeführt werden können, stellte sich als ebenso unhaltbar heraus wie die These, daß die errechnete Strahlenbelastung um viele Größenordnungen zu gering sei, um Krebs oder Leukämie verursachen zu können.

Es wurde belegt, daß solche täuschenden Aussagen in der Geschichte des Strahlenschutzes immer wieder vorgetragen wurden, um ungestört weitermachen zu können wie bisher. Aus verschiedenen Blickwinkeln wurde exemplarisch aufgezeigt, daß in der KiKK-Studie nicht berücksichtige Fakten sehr wohl ausreichen, die tragischen Erkrankungen der Kinder als strahleninduziert zu erklären.

Der Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz, Dr. Sebastian Pflugbeil, fordert mit Nachdruck, die erschreckenden Befunde der KiKK-Studie ernstzunehmen. Sie verpflichten die politischen Entscheidungsträger, das seit Jahrzehnten anerkannte Prinzip der Vorsorge endlich praktisch umzusetzen.

Pflugbeil appelliert an Wissenschaftler, Medienvertreter und Politiker, nicht zu Lasten der Gesundheit unserer Kinder mit halbrichtigen Darstellungen ganz falsche Schlussfolgerungen zu suggerieren.

Wenn am Ende einer epidemiologischen Untersuchung ein signifikanter Zusammenhang herauskommt und die Autoren dann vorgeben, daß das aber auch Zufall sein könnte, dann wird Epidemiologie zur Demagogie. Pflugbeil appelliert auch an den gesunden Menschenverstand: Wer nachweist, daß Kinder umso häufiger erkranken, je näher sie an dem nächsten KKW-Schornstein wohnen und Radioaktivität als mögliche Ursache grundsätzlich ausschließt, macht sich nicht nur lächerlich. Er wirft die Frage auf, was denn dann aus solch einem Schornstein die Kinder krank macht. Ist es wirklich beruhigend, daß man das bisher nicht herausgefunden hat?

Das Symposion hat zahlreiche Ansatzpunkte für eine weitere intensive Diskussion ergeben, die innerhalb der verschiedenen Disziplinen, vor allem aber auch untereinander fortgeführt werden soll. Mit Bedauern wurde zur Kenntnis genommen, daß das Mainzer Kinderkrebsregister die Einladung zu dieser offenen Diskussion ausgeschlagen hat. Ansonsten jedoch hat die interdisziplinäre freie Diskussion über ein brisantes Thema einen Sprung nach vorne gemacht.

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ddp, 17.9.08

Landtag in Hannover stimmt gegen Asse-Untersuchungsausschuss

Hannover (ddp-nrd). In Niedersachsen wird es keinen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum umstrittenen Atommülllager Asse geben. Der Landtag wies in seiner Sitzung am Mittwoch entsprechende Anträge von Grünen und Linken zurück, wie eine Landtagssprecherin sagte. Die schwarz-gelbe Koalition und die SPD hatten sich bereits zuvor gegen einen Untersuchungsausschuss ausgesprochen.

Im Landtag sagte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel, die Asse stehe «für das Versagen der deutschen Endlagerpolitik» und drohe «zum Debakel der deutschen Atomindustrie» zu werden. «Wenn die Asse kippt, dann kippt Gorleben. Deshalb soll ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss verhindert werden.» Die Vorgänge in der Schachtanlage Asse offenbarten auch «das totale Versagen der niedersächsischen Atomaufsicht».

In der Sitzung votierten 23 von 147 anwesenden Abgeordneten gegen einen Untersuchungsausschuss. Für die Einsetzung eines solchen Gremiums wären 31 Stimmen notwendig gewesen.

In Berlin ging indes die Diskussion über mögliche Auswirkungen der Asse-Pannen auf den Endlagerstandort Gorleben weiter. Aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion ist das Lager Asse «ein Beleg dafür, dass Sorgfalt und Sicherheit in der Endlagerfrage absolute Priorität haben müssen». Deshalb lehne seine Fraktion die von der Union geforderte «vorschnelle und einseitige» Festlegung auf Gorleben ab, sagte der umweltpolitische Sprecher Marco Bülow.

Unterdessen bekräftigte der Göttinger Chemie-Professor Rolf Bertram seine Aussage, dass in der Asse auch hoch radioaktiver Müll lagert. Den Inventarlisten zufolge gebe es eine Reihe von Radionukliden, beispielsweise Plutonium-241 und Americium-241, die nur bei Bestrahlung von Kernbrennstoffen aufträten. «Bestrahlter Brennstoff ist hoch radioaktiv», sagte Bertram. Der Wissenschaftler ist Mitglied der Arbeitsgruppe Optionenvergleich, die Vorschläge zur sicheren Schließung des Bergwerks machen soll.

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FOCUS 02.09.2008

Niedersachsen

Ministerium übersah Asse-Warnung

Patzer im niedersächsischen Umweltministerium: Die Behörden hätten offenbar schon vor zweieinhalb Jahren über die Mängel im Atommülllager Asse informiert sein können.

Die gesperrte Schachtanlage Asse

Sie übersahen aber Presseangaben zufolge Hinweise über die radioaktiv verseuchte Lauge im Atommülllager in einer Dokumentation. Wie die „Neue Osnabrücker Zeitung“ am Freitag berichtet, geht das aus dem jetzt vorgelegten Statusbericht der Behörde hervor.

Danach erhielt das Ministerium 2006 von der damaligen Betreibergesellschaft GSF als Vorgängerin des Helmholtz-Zentrums München einen Bericht für das erste Quartal 2006, in dem die „Einleitung von kontaminierten betrieblichen Lösungen“ aus der 750-Meter-Sohle in den Tiefenaufschluss des Bergwerks geschildert wird. Mit Vorlage dieses Berichts, so heißt es weiter, „hatte das NMU (Niedersächsisches Ministerium für Umwelt) erstmals die Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Vorhandensein kontaminierter Betriebslösungen und deren Einleitung in den Tiefenausschluss. Dieser Sachverhalt blieb im NMU jedoch unbemerkt“.

Gutachten bis Oktober

Das Bundesumweltministerium wird vorrausichtlich bis Ende des Jahres eine Grundsatzentscheidung über die Zukunft des niedersächsischen Atommüll-Lagers treffen. Ein Gutachten über die Sicherheit des Lagers werde im Oktober vorliegen, erklärte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) auf NDR Info.

„Die zentrale Frage ist hierbei: Gelingt es, den Bergwerksstollen mit Hilfe technischer Baumaßnahmen über das Jahr 2015 hinaus abzusichern?“, sagte der SPD-Politiker. „Dies ist die Voraussetzung dafür, dass der Atommüll aus dem Schacht geborgen werden kann.“

Möglicherweise würden die rund 126 000 Fässer aber auch in dem ehemaligen Salzbergwerk bleiben. Gabriel nahm die Mitarbeiter des Atommüll-Lagers in der Nähe von Wolfenbüttel in Schutz: „Sie trifft keine Schuld am Zustand des Schachts.“ Die Fehler seien vielmehr in der Vergangenheit gemacht worden, als der Stollen fälschlich als sicher eingestuft worden sei, sagte Gabriel. ast/AP/AFP

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Heidelberger Zeitung 02.09.2008

Heidelberg (ots) - Die Atomlobby ist ziemlich erfolgreich im Bemühen, Atomkraft in Deutschland wieder salonfähig zu machen. Hier ein wenig Hoffnung auf günstige Stromtarife gesäht, dort die Angst vor einer vermeintlichen Stromlücke genährt. Und jetzt kommt wieder Umweltminister Sigmar Gabriel und nervt mit einem Bericht, der deutlich am Lack der "sicheren" Atomtechnik kratzt.

Doch selbst wenn der Zustandsbericht zur Atommüllhalde Asse ressortbedingt etwas zu negativ gezeichnet sein sollte, so lenkt er den Blick auf das Westenliche: auf die noch immer ungeklärte Frage der Endlagerung jener 450 Tonnen radioaktiven Abfalls, die deutsche Kraftwerke jährlich produzieren. Denn auch wenn diese auf dem neustem Stand der Technik betrieben würden - was angesichts regelmäßiger Störfälle niemand garantieren kann -, wird der anfallende Müll noch hundert Generationen lang strahlen. Das Versprechen, radioaktiver Müll könne in einem Endlager Jahrtausende problemlos untergebracht werden, ist angesichts der Ergebnisse aus Asse ein Hohn. Auch wenn dies den AKW-Betreibern, die mit ihren Anlagen heute gutes Geld verdienen, natürlich nicht recht ist: Ein Umstieg auf nachhaltige Energieerzeugung ist der richtige Weg.

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ap, 2.9.08

Umweltminister prangert Zustände in Atomversuchsendlager an - Kritik am Betreiber - Kernbrennstoffe eingelagert

Gabriel: Sicherheit in Asse nirgends nachgewiesen - Erste Zusammenfassung

Berlin (AP) Ernste Gefahren durch den Atommüll im maroden Versuchsendlager Asse II sind aus Sicht von Umweltminister Sigmar Gabriel nicht auszuschließen. «Sie können sagen, dass die Sicherheit nirgends nachgewiesen ist», sagte der SPD-Politiker am Dienstag in Berlin. Asse sei «die problematischste kerntechnische Anlage, die wir in Europa finden».

Gabriel bestätigte, dass sich in dem einsturzgefährdeten ehemaligen Salzbergwerk bei Wolfenbüttel in Niedersachsen neben rund 126.000 Fässern mit schwach- und mittelradioaktivem Abfall auch Plutonium befindet sowie Material, das offiziell als «Kernbrennstoff» klassifiziert ist. Einige der Fässer seien bereits bei der Einlagerung in den 60er- und 70er Jahren beschädigt worden und durchgerostet. Gabriel bezog sich auf einen neuen «Statusbericht» zum Zustand der Asse. Dort waren zwischen 1967 und 1978 zu Forschungszwecken Atomabfälle eingelagert worden. Laut Statusbericht war allerdings nie geplant, die Fässer wieder herauszuholen.

Seit Jahrzehnten strömt Wasser in das Bergwerk, wo sich inzwischen auch verstrahlte Laugen sammeln. Zwtl: «Befürchtungen bestätigt Der Bericht habe die Befürchtungen über den Zustand der Asse bestätigt, sagte Gabriel. Er habe schwerwiegende Mängel beim Betreiber und bei der Aufsicht, dem Landesamt für Bergbau in Niedersachsen, aufgedeckt. Unter anderem habe man erstmals herausgefunden, dass die Undichtigkeit des Bergwerks schon vor 1967 bekannt war und nicht erst seit 1988. Das sei ein «unglaublicher Vorgang», sagte Gabriel. Der Betreiber sei «seit langer Zeit» ungenehmigt mit radioaktiven Stoffen umgegangen, und zwar «nicht sachgemäß»; Dokumentationsstandards seien nicht eingehalten worden.

Offenbar weiß auch niemand genau, was alles in der Asse abgelagert wurde: «Es ist nicht gänzlich auszuschließen, dass weitere Abfälle auftauchen, die bisher nicht bekannt waren», erklärte Gabriel. Der Betreiber, das Helmholtz-Zentrum München, habe «keine ausreichende Fachkunde im Atom- und Strahlenrecht», beklagte der Minister. Er forderte einen grundlegend anderen «Umgang» mit dem Bergwerk und eine Änderung bei der «Beaufsichtigung durch die zuständigen Behörden».

Auch das Umweltministerium in Niedersachsen hat ernsthafte Zweifel an der Zuverlässigkeit und Fachkunde des Betreibers, wie Staatssekretär Stefan Birkner im niedersächsischen Landtag deutlich machte. Gabriel sagte, im Kern gehe es nun darum, ob das Bundesamt für Strahlenschutz, das dem Umweltminister unterstellt ist, die Anlage als Betreiber übernimmt. Dies wolle er am Donnerstag mit Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) besprechen, die derzeit für das Forschungsbergwerk zuständig ist.

Zwtl: «Für die Endlagerdebatte der GAU

Gabriel sagte, die Zustände in der Asse seien «für die weitere Endlagerdebatte der GAU». Angesichts solcher Missstände werde die Bevölkerung nicht glauben, dass bei einem offiziellen Endlager alles ordentlich und sicher ablaufe. Allerdings betonte der SPD-Politiker erneut, dass das ehemalige Salzbergwerk Asse nicht mit dem Salzstock Gorleben, der als Endlager im Gespräch ist, vergleichbar sei. Das Bergwerk sei durch den Salzabbau «löchrig wie ein Schweizer Käse», Gorleben hingegen ein intakter Salzstock. Gleichzeitig betonte Gabriel, dass er «bekanntermaßen kein Befürworter von Gorleben» sei.

Die Grünen zeigten sich bestürzt über die «erschreckenden Fehler und Unregelmäßigkeiten beim Betrieb des Atommülllagers Asse» und forderten Gabriel und Schavan auf, dem Betreiber sofort die Verantwortung zu entziehen. www.bmu.bund.de

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ZDF.de 02.09.08 21:04

Gabriel: Atommülllager Asse "GAU für die Endlager-Debatte"

Eintretendes Wasser und durchgerostete Fässer - Minister kritisiert Betreiber Unglaublich, grob fahrlässig,

GAU! Umweltminister Gabriel spart nicht mit Kritik am Atommülllager Asse. Ein Bericht ergab: Die Zustände dort sind die problematischsten in ganz Europa. In Asse lägen durchgerostete Fässer mit radioaktiven Abfällen.

Es gab eine Zeit, da galt das Versuchsendlager Asse II bei Wolfenbüttel in Niedersachsen als eine Art Pilotprojekt für ein mögliches Endlager Gorleben. Wie Atommüll in einem Salzstock gelagert werden kann, wurde in der Asse seit Mitte der 60er Jahre erforscht. Und ein Jahrzehnt später wurde dann tatsächlich ebenfalls ein Salzstock, nämlich Gorleben, als Standort für das nationale Endlager bestimmt.

Die Befürworter von Gorleben beißen sich allerdings inzwischen wohl lieber auf die Zunge, als noch einmal den Vergleich mit der Asse zu wagen. Denn dort, so lässt sich aus einem am Dienstag veröffentlichten Statusbericht herauslesen, herrschen haarsträubende Zustände. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) spricht von einem GAU in der Debatte über die Suche eines echten, auf Dauer angelegten Endlagers. "Sicherheit nirgends nachgewiesen"

Unter anderem ermittelten die Verfasser des 162 Seiten starken Statusberichts, schon vor der Einlagerung des ersten Atommülls in der Asse sei bekannt gewesen, dass das ehemalige Bergwerk undicht ist. Trotzdem wurden zwischen 1967 und 1978 126.000 Fässer mit schwach und mittelradioaktivem Müll unter Tage gebracht. Einige davon wurden bereits beim Verladen beschädigt, wie Gabriel berichtete, andere sind durchgerostet.

Mindestens seit 1988 strömt kubikmeterweise Wasser in die Schachtanlage. Seit etwa 1994 sammeln sich dort radioaktive Laugen, die schließlich vom Betreiber auch noch ohne Genehmigung unterirdisch umgepumpt wurden. Ob irgendwann, irgendwo etwas nach draußen gelangen könnte, weiß derzeit offenbar niemand. "Sie können sagen, dass die Sicherheit nirgends nachgewiesen ist", sagte Gabriel.

Unklarheit über Abfälle

Darüber hinaus ist auch nicht völlig klar, was alles in der Asse abgekippt wurde. Die Inventarlisten aus der Zeit vor 1970/71 geben darüber offenbar keine klare Auskunft. "Es ist nicht gänzlich auszuschließen, dass weitere Abfälle auftauchen, die bisher nicht bekannt waren", meinte jedenfalls Gabriel.

Sicher scheint, dass verteilt auf die Gebinde mindestens neun Kilogramm hochgiftiges Plutonium im Berg sind - ein Gift, das bereits in minimalen Mengen tödlich sein kann. Ungenehmigter Umgang mit radioaktiven Stoffen, unsachgemäßer Betrieb, fehlende Standards - insgesamt stellt der Umweltminister dem Betreiber, dem Helmholtz-Zentrum München, und der zuständigen Aufsicht, dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Niedersachsen, ein vernichtendes Zeugnis aus. Eine Lösung für den Schlamassel unter Tage dürfte Jahre in Anspruch nehmen - falls das marode Bergwerk so lange stabilisiert werden kann - und könnte den Steuerzahler Milliardenbeträge kosten.

"Löchrig wie ein Schweizer Käse"

Für den sozialdemokratischen Umweltminister, der sich im Sinne seiner Partei für den Atomausstieg stark macht, scheint die ganze Affäre eine Steilvorlage. Belegen die Versäumnisse in der Asse doch scheinbar den naiven Umgang der Atomgläubigen mit gefährlichem Strahlenmüll.

Gleichwohl mühte sich Gabriel am Dienstag angestrengt, nicht zu sehr aufzutrumpfen. Die Asse sei die Asse und habe mit Gorleben nichts zu tun. Für das Versuchsendlager sei ein ehemaliges Bergwerk genutzt worden, das "löchrig wie ein Schweizer Käse" sei. In Gorleben dagegen gehe es um einen intakten Salzstock, der ausschließlich für ein mögliches Endlager genutzt würde. Dass man beides nicht in einen Topf werfe, gebiete schon die intellektuelle Redlichkeit, warf sich der Minister in die Bresche.

Kein Triumphgeheul

Denn Gabriel - erklärter Gegner von Gorleben - ist in der Endlagerdebatte in einer kniffligen Lage. Sein Ziel ist es, die Suche nach einem Standort noch einmal aufzurollen, obwohl Gorleben bereits Ende der 70er Jahre festgelegt wurde. Gabriels Argument: Andere Standorte seien damals nicht ausreichend geprüft worden. Nebenbei liegt Gorleben in Gabriels niedersächsischer Heimat.

Die Union, die sich im Koalitionsvertrag mit der SPD auf eine Lösung bis 2009 verständigte und diese auch periodisch anmahnt, stellt sich in dem Punkt jedoch stur. Sie verweist gerne darauf, dass in Gorleben bereits Milliardenbeträge investiert worden und bislang keine ernsthaften Sicherheitsbedenken aufgetaucht seien. Denkbar ist nun, dass die Union wegen der Debatte um Asse in Bewegung oder unter öffentlichen Druck gerät.

Da empfiehlt es sich für den Umweltminister offenbar nicht, in Triumphgeheul auszubrechen.

Mit Material von ap © ZDF 2008

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