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fr-online.de 30.06.2008

Streit um Atomstrom

Die Koalition ist spaltbar

VON PITT VON BEBENBURG

Die Auseinandersetzung um den Atomausstieg belastet die Bundesregierung schwer. Wie blank die Nerven bei SPD und Union liegen zeigt ein Streit vom Wochenende. Der Spiegel hatte gemeldet, Bundesumweltminister Siegmar Gabriel (SPD) plädiere für eine "Brennelemente-Steuer" in Höhe von einem Cent pro Kilowattstunde. Ein promptes Dementi seines Ministeriums half nichts: Die Forderung sei "reine Ideologie", wetterte der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger. Der wirtschaftspolitische Sprecher der CSU, Alexander Dobrindt, nannte Gabriel einen "Ökostalinisten".

Der Umweltminister betonte, er halte am Atomausstieg fest. Die Kernkraft sei nicht klimaneutral, weil bei der Brennelemente-Herstellung größere Mengen CO2 entstünden. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) warben dagegen für eine Abkehr vom Atomausstieg, um die explodierenden Energiepreise in den Griff zu bekommen.

In Hessen muss die Landesregierung notgedrungen aus der atomkraftfreundlichen "Internationalen Länderkommission Kerntechnik" (ILK) ausstiegen. Damit steht die ILK vor dem Aus. Hessen ist eines von drei Bundesländern, das die Kommission bezahlt. Dass Baden-Württemberg und Bayern alleine an ihr festhalten, gilt als äußerst unwahrscheinlich.

Der hessische Rückzug ist ein Ergebnis der neuen Landtagsmehrheit. Hessens Parlament hatte im Mai mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken die geschäftsführende Regierung von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zum Ausstieg aus der Kommission aufgefordert. "Wir werden dem Landtagsbeschluss folgen", sagte der Sprecher von Umweltminister Wilhelm Dietzel (CDU) der FR. Ein Sprecher der Stuttgarter Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) sagte, dass die Arbeit der Kommission, die Atomaufsicht zu verbessern, "eigentlich erledigt" sei.

Die Kommission sollte ""unabhängig und objektiv" beraten - so heißt es beim Umweltministerium in Wiesbaden. Doch die Einsetzung der derzeit neunköpfigen Kommission war von Anfang an eine politische Demonstration. Im Jahr 1999, Rot-Grün hatte gerade eine atomkritische Reaktorsicherheitskommission berufen, machten die Unions-Ministerpräsidenten Erwin Teufel, Edmund Stoiber und Roland Koch ihr eigenes Gremium auf - und besetzten es mit Atombefürwortern.

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Newsclick, 19.6.08

KOMMENTAR:

Gau der Glaubwürdigkeit

Von Michael Ahlers

Atomkraftgegner und -skeptiker müssen dem Asse-II-Betreiber sowie den verantwortlichen Behörden eigentlich dankbar sein.

Wieder einmal wird deutlich, dass beim Umgang mit Atommüll im Zweifel genauso geschlampt wird wie sonst auch. Nur vertuscht und verharmlost wird bei Bedarf noch ein bisschen hartnäckiger. Schließlich ist es ja doch etwas peinlich, wenn ein angeblich stabiles Endlager sich als löchrig wie ein Schweizer Käse erweist und cäsiumhaltige Lauge um marode Fässer herumschwappt. Eine Gefährdung für die Anwohner des Jahres 2008 bedeuten die gemessenen Werte zwar nicht. Für die Glaubwürdigkeit von Betreiber und Behörden jedoch sind sie ein Gau: Jede Auskunft steht nun noch mehr unter Generalverdacht. Würde morgen in einer Rumpelkammer unter Tage ein Haufen Brennelemente gefunden - es würde niemanden wundern.

Das Landesumweltministerium will die Schuld für die Pannen am liebsten beim Landesbergamt abladen. Doch als Aufsichtsbehörde ist es Sanders Haus selbst, das schlecht aussieht. Dazu kommt, dass der Minister das Vorgehen in der Asse lange verteidigt hat. Da haben die Bürgerinitiativen und Anwohner dann doch eine bessere Nase bewiesen. Sie wussten immer , dass Beschwichtigungen und Versprechungen nicht zu trauen ist. Die Asse muss endlich als das behandelt werden, was sie ist: ein atomares Endlager. Augen zu und weg? Damit ist es vorbei.-----------

Heise-Online.de 18.06.2008

Pannenserie rettet wahrscheinlich alle deutschen AKWs in die nächste Legislaturperiode

Die Ausfälle der deutschen Atomkraftwerke des letzten Jahres waren für die Anlagenbetreiber zwar imageschädigend - und Vattenfall bezahlte für seine nicht vorhandene Informationspolitik mit dem Verlust vieler Stromkunden. Aber letztendlich könnten die Betreiber von den Abschaltungen profitieren.

Denn der Atomausstieg in Deutschland verbietet zwar den Bau neuer Kernkraftwerke, Bestandskraftwerke werden jedoch nicht zu einem fixen Stichtag außer Betrieb gehen sondern dürfen noch eine vereinbarte Reststrommenge produzieren. Das Gesetz legt fest, dass sie ab dem 01.01.2000 noch höchstens 2.620.000 Gigawattstunden (GWh) Strom erzeugen dürfen. Nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz, waren Ende 2007 von diesem Kontingent noch 1.382.343,64 GWh übrig.

Wie die TAZ berichtet sind es nach der Pannenserie des letzten Jahres so gerade die wegen Defekten stillstehenden Reaktoren, die den Betreibern eine längere Laufzeit bescheren und ihnen berechtigte Hoffnung machen, alle bisher noch laufenden Atomkraftwerke in politisch für sie günstigeres Fahrwasser zu retten. Um dann nach der nächsten Bundestagswahl, mit dann wahrscheinlich kernkraftfreundlicheren politischen Konstellationen, den Atomausstieg noch einmal aufzurollen.

Das Bundesumweltministerium ging noch 2006 davon aus, dass bis Ende 2009 vier weitere Atomkraftwerke vom Netz gehen würden (Biblis A, Neckerwestheim I, Biblis B und Brunsbüttel). Noch letzte Woche lehnte das BMU einen Antrag auf Mengenübertragung - und damit eine Laufzeitverlängerung - auf Neckarwestheim I ab - damit wäre dieses Kraftwerk das Nächste das planmäßig Ende 2009 endgültig vom Netz gehen müßte - wenn, ja wenn es nicht vorher zu technischen Problemen und einer zeitweisen Abschaltung kommt...

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adhoc-news 19.06.2008

Angst vor dem Atommüll

Kleine Straßen schlängeln sich durch die hügelige Landschaft, Rapsfelder und grüne Wiesen leuchten in der Sonne. Doch der schöne Schein in Remlingen, zehn Kilometer südöstlich der niedersächsischen Kreisstadt Wolfenbüttel, trügt. Viele Menschen in der Region sind verärgert und verängstigt. Remlingen/Wolfenbüttel (ddp-nrd). Kleine Straßen schlängeln sich durch die hügelige Landschaft, Rapsfelder und grüne Wiesen leuchten in der Sonne. Doch der schöne Schein in Remlingen, zehn Kilometer südöstlich der niedersächsischen Kreisstadt Wolfenbüttel, trügt. Viele Menschen in der Region sind verärgert und verängstigt. Denn im ehemaligen Salzbergwerk Asse II, dem ältesten Atommüll-Endlager der Republik, wurde offenbar schon vor Jahren radioaktiv verseuchte

Salzlauge gefunden - doch davon wusste die Bevölkerung nichts. Auch deshalb wächst die Wut.

In regelmäßigen Abständen stehen mannshohe gelbe Holzbuchstaben am Straßenrand oder in den Vorgärten. Es ist immer derselbe - A für Asse. «Aufp-Asse-n» steht darauf. «Es ist ein erstes vorsichtiges Auflehnen», sagt Udo Dettmann vom «Asse-II-Koordinationskreis» in Wolfenbüttel. Jahrelang hätten Anwohner das Thema ebenso verdrängt wie die Landespolitik. Niemand habe das heikle Thema anrühren wollen, der Atommüll in der Tiefe war schließlich unsichtbar, sagt Dettmann.

In dem als Forschungsbergwerk deklarierten Endlager lagern seit Jahrzehnten mehr als 125 000 Fässer mit schwach- oder mittelradioaktivem Müll. Damals galt Asse als sicher, der Müll lagert zum Teil seit 40 Jahren dort, doch noch nie war die Stimmung so Asse-kritisch wie derzeit.

Dass sich die Stimmung gedreht hat, liegt laut Dettmann vor allen Dingen am Helmholtz Zentrum München (HZM), der Betreibergesellschaft des Bergwerks. Die GmbH im Besitz von Bund und Freistaat Bayern habe in den vergangenen Tagen mit einer beispiellosen Salamitaktik Informationen zu Grenzwertüberschreitungen immer nur scheibchenweise herausgegeben, lautet der Vorwurf. Abseits der Parteipolitik waren sich in dieser Woche alle fünf Fraktionen des niedersächsischen

Landtages einig, dass das HZM in der Vergangenheit falsch über die tatsächliche Lage in Asse informiert hat. Seit Jahren schon dringt in die Stollen Salzlauge ein.

Dass in dieser Lauge nun Cäsium und Plutonium gefunden wurden, könnte bedeuten, dass die dort gelagerten Atommüll-Fässer bereits undicht sind.

Langsam wächst der Ärger in den Gemeinden rund um das frühere Bergwerk. «Der Unmut über den Betreiber ist da», sagt Landrat Jörg Röhmann (SPD). Erst als der Kreis nachgefragt habe, was eigentlich in dieser Lauge drin sei, habe man von der Kontaminierung erfahren. Die Kreisverwaltung sei immer davon ausgegangen, «dass man uns bei Gefahr informiert», sagt Röhmann. Trotz des Unmuts haben die Gegner von Asse seit jeher ein Mobilisierungsproblem: Die

Leute seien «sehr viel leichter gegen Windkraftwerke auf die Straßen zu kriegen als gegen Atommüll - denn Strahlung sieht man nicht», sagt Dettmann.

Das ist allerdings nicht der einzige Grund. Die ganze Region habe viele Jahre gut vom Bergbau und von der Atommüll-Einlagerung gelebt, sagt Dettmann.

Beinahe jeder habe Freunde, die für das HZM arbeiten oder gearbeitet haben; fast jeder hatte früher einen Kumpel in der Familie: «Mit dem Bergwerk zu brechen ist für viele nicht leicht.»

Auch Dettmann stammt aus der Region Wolfenbüttel. Er ist dort geboren, hat dort studiert und arbeitet an der Fachhochschule als Informatiker. Mit Asse setzt er sich schon seit Jahren auseinander. Er will die geplante Flutung zur Schließung des Bergwerkes mit einer Magnesium-Chlorid-Lösung verhindern. Die HZM ist überzeugt, damit den Zusammenbruch des Grubengebäudes verhindern zu können. Dettmann hingegen glaubt, dass die Flutung die Metall- und Blechcontainer, in denen der Atommüll aufbewahrt wird, in wenigen Jahren korrodieren lässt und sich der strahlende Müll in dem Magnesium-Chlorid-Gemisch auflöst. «Das wäre das größte anzunehmende Unglück», sagt er.

Dieser Darstellung widerspricht HZM-Sprecher Heinz-Jörg Haury. Zwar gehen auch die Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München davon aus, dass die Behälter korrodieren. Dass das Endlager Asse II dadurch unsicher würde, weist er aber zurück. «Das hat nichts miteinander zu tun.» Auch die Anschuldigungen seitens der Politik, das HZM habe Informationen über die radioaktive Belastung zurückgehalten, seien unberechtigt. Man habe ab 1998, als erstmals die Grenzwerte überschritten wurden, sofort das Landesbergamt informiert. Von einem Vertuschungsversuch könne also keine Rede sein: «Wir haben aus dem Sturm der Entrüstung aber gelernt», sagt Haury. Man werde solche Erkenntnisse künftig umgehend öffentlich machen.

An diesem Freitag (20. Juni) hat das HZM erstmals Gelegenheit dazu. Wegen der aktuellen Ereignisse stehen HZM-Experten erneut dem Umweltausschuss des niedersächsischen Landtages Rede und Antwort. (ddp)

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umwelthilfe.de europaticker 19.06.2008

Öffentlichkeit über Jahre nicht oder falsch informiert

Asse-Unterrichtung im Umweltausschuss offenbart katastrophale Lage

Nach der heutigen (Montag) Unterrichtung im Umweltausschuss des Landtages über die Laugeneinbrüche in der Schachtanlage Asse II hat der Grünen-Fraktionsvorsitzende Stefan Wenzel von "einem GAU der Entsorgungs- und der Informationspolitik der Landesregierung, der zuständigen Behörde und der Betreiber" gesprochen. "Die Öffentlichkeit wurde von der Betreibergesellschaft und dem Niedersächsischen Umweltministerium über Jahre hinweg falsch und unvollständig informiert", sagte der Grünen-Politiker in Hannover.

Nach Angaben des Umweltministeriums läge die Belastung mit Cäsium 137 durch die Laugenzuflüsse an einer Stelle um das 8-fache, an anderer Stelle um das 3-fache über den Grenzwerten. Noch am 30. April 2008 sei der Landkreis Wolfenbüttel von der Betreiberfirma Helmholtz-Gesellschaft über die Belastung der Laugen mit Radioaktivität wahrheitswidrig informiert worden, sagte Wenzel. In einer schriftlichen Stellungnahme der Helmholtz-Gesellschaft habe es geheißen, dass die Belastung lediglich "im Bereich der Umweltradioaktivität" liege.Der Staatssekretär Birkner musste eingestehen, dass der Landtag bei vorhergehenden Unterrichtungen keinerlei Informationen über die Belastung mit dem Radionuklid Cäsium 137 bzw. Tritium erhalten habe.

Im Verlauf der Unterrichtung habe sich gezeigt, dass die radioaktive Lauge offenbar mit Genehmigung des Umweltministeriums auf der tiefsten Ebene des Bergwerks und damit nicht rückholbar eingelagert worden sei. Die letzte strahlenschutzrechtliche Genehmigung sei 2007 im Rahmen eines Sonderbetriebsplans nach Bergrecht erteilt worden. Unklar geblieben sei, ob der Betreiber auch stark belastete Lauge mit schwach belasteter Lauge gemischt habe, um die Grenzwerte zu unterschreiten.

Wenzel, der auch Vorsitzender des Umweltausschusses ist, informierte, dass der Ausschuss sich auf eine Fortsetzung der Unterrichtung verständigt hat, um Licht in die Vorgänge zu bekommen. Dazu müsse das Umweltministerium die bislang genehmigten Sonderbetriebspläne vorlegen. Der Betreiber müsse eine Aufstellung über sämtliche Laugen mit Kontaminationsgrad und Verbleib liefern.

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Süddeutsche Zeitung -wissen-05.06.2008

Panne im AKW Krsko

Drei Fehler und ein Rückzug

Weil sie fast alles falsch machte, was sie falsch machen konnte, versetzte Sloweniens Atomaufsicht Europa in Alarm. Immerhin scheint die Lage mittlerweile tatsächlich unter Kontrolle.

Von Michael Bauchmüller und Enver Robelli

Nicht einmal vier Zeilen brauchte Andrej Stritar, um die Ereignisse darzustellen. Erstens, so schrieb der Chef der slowenischen Atomaufsicht, habe es ein Leck im Kühlkreislauf des Reaktors von Krsko gegeben. Zweitens sei der Reaktor sicher runtergefahren. Und drittens: "Die Situation ist unter Kontrolle."

Doch da hatte Europa schon einen anderen Eindruck. Den österreichischen Behörden war das Leck am Mittwochabend zunächst als eine Übung der Strahlenschutzbehörde gemeldet worden. Aus Versehen, so erklärte Stritar gestern in Ljubljana, sei da wohl ein falsches Formular verwendet worden.

Gleich anschließend habe man den Fehler korrigiert - und stattdessen die Europäische Union per Frühwarnsystem Ecurie benachrichtigt. Das wiederum war ein zweiter schwerer Fehler, denn das Warnsystem ist eigentlich für die gefährlichen Fälle gedacht, in denen Radioaktivität in die Umgebung des Reaktors gelangen und auch Nachbarländer gefährden könnte. Ergo zogen die Slowenen den europaweiten Alarm nach wenigen Stunden wieder zurück.

Am Donnerstagmorgen legten die Verantwortlichen dann der Internationalen Energieagentur erste Details des Vorfalls vor.

Demnach war das Leck nachmittags um 15.07 Uhr entdeckt worden. Abends um 20.10 Uhr war der Reaktor dann runtergefahren. Dummerweise verwechselten die Slowenen aber das Datum: Sie datierten den Zwischenfall versehentlich nicht auf Mittwoch, sondern auf diesen Freitag. Ein weiterer Fehler, aber die Verwirrung war da ohnehin längst perfekt.

Das Leck betrifft den sensibelsten Bereich des Kernkraftwerks, den Druckbehälter. Dort findet die eigentliche Reaktion statt, die Brennstäbe werden von Kühlwasser umspült, das sich aufheizt und seine Hitze über Wärmetauscher an einen zweiten Kühlkreislauf abgibt. Erst aus dessen Dampf wird anschließend der Strom erzeugt.

Ersten Informationen zufolge trat über mehrere Stunden Wasser aus dem ersten Kühlkreislauf aus. Weil das Wasser in Kontakt mit den Brennstäben kommt, ist es radioaktiv kontaminiert. Zwischen 10.000 und 15.000 Liter seien so in das Reaktorgebäude gelangt. Dort allerdings wird das Wasser aufgefangen.

Die Nachbarn reagieren sensibel

Der 700-Megawatt-Reaktor ist für einen solchen Fall ausgelegt, kann also den Verlust solcher Mengen verkraften. Den Informationen zufolge war das Leck in einer Messleitung nahe der Kühlwasserpumpe entstanden, zeitweise traten dort 3000 Liter Wasser pro Stunde aus.

"Normalerweise betreibt man einen ziemlichen Aufwand, um solche Lecks zu vermeiden", sagt Stephan Kurth, Kernkraftexperte beim Öko-Institut in Darmstadt. Denn das Kühlwasser ist die Versicherung gegen die Kernschmelze.

Entsprechend sensibel reagierten die Nachbarn. Österreichs Umweltminister Josef Pröll sagte, das Vertrauen in das Alarmsystem Sloweniens sei massiv in Frage gestellt worden. Auch Kroatien erhob schwere Vorwürfe. Der Chef des Krisenstabs in Zagreb, Pavle Kalinic, sagte, er habe von "österreichischen Freunden" von dem Zwischenfall erfahren. "Der Reaktor in Krsko ist eine ständige Bedrohung und Gefahr für die Einwohner unserer Hauptstadt", sagte Kalinic.

Das Kraftwerk liegt an der Grenze zu Kroatien. Großstädte wie Zagreb und Ljubljana befinden sich im engen Umkreis des Atommeilers.

Immerhin scheint die Lage mittlerweile tatsächlich unter Kontrolle. Es wird einige Tage dauern, bis der Reaktor ausreichend abgekühlt ist. Dann sollen Experten das Leck im Kühlsystem ausfindig machen und abdichten.

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ddp 05.06.08 18:39

Experten kritisieren frühzeitige Entwarnung

Berlin (ddp). Nach dem Zwischenfall im slowenischen Atomkraftwerk Krsko haben Experten die frühzeitige Entwarnung durch die EU- Kommission und Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) kritisiert.

Die Umweltorganisation Greenpeace warf Gabriel vor, den Zwischenfall in seinen ersten Stellungnahmen heruntergespielt zu haben. Greenpeace-Atomexperte Thomas Breuer sagte am Donnerstag, die Entwarnung deutscher Behörden finde er erstaunlich, «weil erst eine sehr kurze Zeit seit dem Störfall vergangen ist». Man dürfe nicht vergessen, «dass immerhin ein Alarm ausgelöst wurde, den es so in Europa noch nie gegeben hat.»

Am Mittwoch wurde das Ecurie-Notfallsystem zum Informationsaustausch bei radioaktiven Vorfällen aller 27 Mitgliedstaaten eingeschaltet, nachdem im Hauptkühlsystem des Kraftwerks in Krsko Kühlflüssigkeit ausgetreten war. Der Betreiber des Atomkraftwerks fuhr das Kraftwerk daraufhin herunter. Eine radioaktive Verseuchung der Umwelt ist den Angaben zufolge nicht aufgetreten. In der Zwischenzeit wurde der Vorfall auf der INES-Skala mit der Stufe 0 (Ereignisse ohne sicherheitstechnische Bedeutung) eingestuft.

Gabriel hatte am Mittwochabend erklärt, von dem Zwischenfall gehe für Deutschland keine Gefahr aus. Der Minister sagte, die deutschen Behörden hätten beim Wetterdienst angefragt, ob eventuell austretende Radioaktivität vom Wind nach Deutschland getragen werden könne. Auch das Lagezentrum des Bundesinnenministeriums sei informiert gewesen. Zugleich kritisierte er Medienberichte, nach denen es einen «europaweiten Atomalarm» gegeben habe. Es gebe ein Informationssystem für solche Fälle, mit dem alle zuständigen Behörden unterrichtet würden. Dies als Atomalarm zu bezeichnen, halte er für «ein bisschen überzogen». Immerhin habe man feststellen können, dass das System funktioniere. Breuer hob dagegen hervor, dass es in Krsko zu einem Kühlmittelverlust gekommen sei, was einer der schlimmsten Unfälle sei, die in einem Atomkraftwerk passieren könnten. «Denn der Reaktor muss sowohl im laufenden Betrieb als auch im abgeschalteten Zustand gekühlt werden. Wenn das nicht erfolgt, wird es unweigerlich zu einer Kernschmelze kommen.» Der ausgelöste Atomalarm sei deshalb gerechtfertigt gewesen.

Der energiepolitische Sprecher der Grünen, Hans-Josef Fell, sagte, der Zwischenfall zeige, wie «unkalkulierbar diese Risikotechnologie selbst in einem Land sei, das gegenwärtig die europäische Ratspräsidentschaft innehat.« Für eine Entwarnung sei es zu früh.

Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad (SPD) forderte Aufklärung darüber, wie ernst der Vorfall war und in welchem Zustand sich der Reaktor nach dem Kühlmittelverlust im Primärkühlkreislauf befindet. Unbefriedigend sei es, dass die obersten Behörden für Katastrophen- und Strahlenschutz in Slowenien offenbar zuerst über die Medien von dem Störfall erfahren hätten.

Der Leiter des Instituts für Risikoforschung an der Universität Wien, Wolfgang Kromp, sagte, es gebe sehr viele Störfälle in Kernkraftwerken, »die sozusagen zum ganz normalen Wahnsinn gehören.« Etwa einmal im Jahr rage dann ein Störfall heraus, »wo man knapp an der Katastrophe vorbeigeschrammt ist«. Ohnehin stehe das Atomkraftwerk Krsko an einer erdbebengefährdeten Stelle und gebe damit »immer Anlass zur Sorge».

(ddp)

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Münstersche Zeitung 5.6.08:

Aktivistin stoppt Atommüll-Transport

Von Dieter Huge sive Huwe und Detlef Held am 4.06.2008 20:57 Uhr

STEINFURT Ein mit Atommüll-Behältern beladener Güterzug musste auf der Strecke Gronau-Münster Mittwoch gegen 20 Uhr unfreiwillig stoppen. Eine Aktivistin gegen den Transport radioaktiven Materials auf der Schiene hat sich auf freier Strecke zwischen den Orten Borghorst und Nordwalde über die Gleise an ein Seil gehängt. Ihr Name ist Cécile le Comp.

Der Zug konnte nicht weiter. Einsatzkräfte der Bundespolizei eilten zum Ort des Geschenehns in der Bauerschaft Wilmsberg.

Es war nicht das erste Mal, dass ein Atommüll-Zug auf der Strecke stoppen muss. Schon am 16. Januar sich dieselbe Atomkraft-Gegnerin an dem Abend, als der Atommüll-Zug rollte, an einem über der Strecke gespannten Seil mit einem Karabiner aufgehängt.

Zug mit 20 Wagen muss stoppen

Auch dieses Mal gelang ihr der Coup. Der Zug mit ca. 20 Wagen und zwei Lokomotiven musste stoppen. Ein Bahnübergang in der Nähe des Wilmsberger Weges in Borghorst wurde durch den stoppenden Zug unpassierpar. Die Schranke war geschlossen, die Ampel zeigte rot.

„Die Bundespolizei war dieses Mal gut vorbereitet“, sagte der Pressesprecher. Man hatte das Höhenrettungsteam der Bundespolizei aus St. Augustin – die waren auch im Januar zu dem Einsatz gekommen – vorsorglich in Münster stationiert. Die Experten waren damit schnell vor Ort, genauso wie die etwa 50 Polizisten, die das Gelände absperrten.

Gegen 21.30 Uhr war die Aktion zu Ende: Das Höhenrettungsteam der Bundespolizei holte die 26-jährige Französin aus den Bäumen. Die hatte während der ganzen Prozedur beste Laune, trällerte ein Lied vor sich hin. Die Bundespolizei nahm sie in Gewahrsam und überprüfte noch vor Ort ihre Identität, stellte ihre Sachen sicher. Anschließend durfte sie wieder gehen. Nun droht der Aktivistin eine Anzeige wegen Nötigung und gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr.

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Westfälische Nachrichten 5.6.08:

Französin stoppt Urantransport

Borghorst. Cécile le Comp lacht und singt. Die 26-jährige Französin hat es gerade geschafft, einen Urantransport mit 20 Wagen, der von Gronau nach Russland unterwegs war, anzuhalten. Allerdings nur für etwas mehr als eine Stunde. Dann war das Höhenrettungsteam aus St. Augustin vor Ort, um die Atomkraftgegnerin herunterzuholen. Und der Zug konnte sich um kurz nach 21 Uhr langsam wieder in Bewegung setzen.

„Sie hat sich sehr kooperativ gezeigt“, erklärte Werner Jacobs, Einsatzleiter der Bundespolizei, gestern Abend nach der Festnahme von Cécile le Comp. Von Anspannung war auch zu diesem Zeitpunkt im Gesicht der jungen Frau keine Spur. Nicht einmal, als Beamte der Bundespolizei sie für die weitere Vernehmung zum Auto brachten. Allerdings rief sie beim Vorbeigehen in gebrochenem Deutsch: „Das macht mir jetzt wenig Spaß.“

Gegen 20 Uhr entdeckte der Lokführer des Urantransportes ungefähr auf Höhe des Hofes Schulze König die Französin, kopfüber am Seil hängend, genau über den Bahnschienen. Sofort forderten die Kräfte der Bundespolizei Verstärkung an. „Wir hatten uns natürlich entlang der Zugstrecke postiert. Für den Fall der Fälle“, berichtete Werner Jacobs. Und auch ein Hubschrauber der Bundespolizei flog seit Stunden zwischen Gronau und Münster. Gesehen haben sie Cécile le Comp allerdings bei den Vorbereitungen ihrer Aktion alle nicht. Zwischen den dichten Waldgebieten sei das um diese Jahreszeit nur schwer möglich, so Jacobs weiter. Zumal sich die Aktivistin dunkel gekleidet hatte. In Gefahr, und das ist dem Einsatzleiter wichtig, war die Französin zu keinem Zeitpunkt: „Dafür hat der Lokführer sie rechtzeitig gesehen.“

Für den Urantransport wurden gestern Abend alle Personenzüge auf der Bahnstrecke Gronau – Steinfurt – Münster vorübergehend angehalten. Die Bundespolizei war mit einem Großaufgebot am Bahnübergang Schulze König, der für die Zeit gesperrt war, im Einsatz. Unterstützt wurde sie dabei von Beamten der Steinfurter Kreispolizeibehörde.

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ZDF 04.06.2008

Atom-Zwischenfall in Slowenien

Kühlflüssigkeit ausgetreten - AKW in Krsko wird abgeschaltet

Nach einem Zwischenfall in einem slowenischen Atomkraftwerk hat die EU-Kommission Alarm gegeben. Im Kühlsystem des AKW sei Flüssigkeit ausgetreten, hieß es in Brüssel. Es bestehe aber keine Gefahr für Menschen oder die Umwelt, sagte der EU-Sprecher Johannes Laitenberger dem ZDF.

Es sei Wasser entwichen, jedoch "kein radioaktives Material". Auch im benachbarten Österreich sei bislang keine Radioaktivität gemessen worden, zitiert ZDF-Korrespondent Klaus Prömpers den österreichischen Umweltminister.

Die Informationen aus Slowenien, dass keine Gefahr bestehe, nennt Prömpers glaubwürdig. Nach seiner Einschätzung hat die Regierung kein Interesse daran, die Sache herunterzuspielen. Aus zwei Gründen: Erstens, weil das Land die EU-Ratspräsidentschaft inne habe und zweitens, weil am Montag US-Präsident Bush zu Besuch käme. Allerdings sei der Störfall nach bisherigen Stand nicht so gravierend, dass er eine europaweite Warnung rechtfertige.

"Keine Auswirkungen auf Umwelt"

Slowenien hat die Angaben der EU-Kommission bestätigt. Der Reaktor werde in den kommenden Stunden heruntergefahren, um die Ursache für das Problem untersuchen zu können, sagte eine Sprecherin des slowenischen Umweltministeriums am Mittwochabend. "Es gibt keine Auswirkungen auf die Umwelt und wir erwarten auch keine", teilte der Leiter der Atomaufsichtbehörde des Landes, Andrej Stritar, mit.

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ddp 02.06.2008

Kernkraftwerk in Lingen geht für Revision vom Netz

Lingen (ddp). Das Kernkraftwerk Emsland in Lingen wird am Samstag (31. Mai) zum jährlich notwendigen Wechsel der Brennelemente vom Netz genommen. 48 der 193 Brennelemente im Reaktorkern sollen gegen neue ausgetauscht werden, wie das Umweltministerium in Hannover am Freitag mitteilte. Damit verbunden sei eine Kraftwerks-Revision, bei der routinemäßige Prüfungen und Instandhaltungsarbeiten vorgenommen werden.

ddp/pnw/kos

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