Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e. V.

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Pressemitteilung 31.03.08

Atomreaktoren: Fünf Jahre Haft für Gutachten - Veröffentlichung?

Bürgerinitiative solidarisch mit kriminalisiertem französischen Atomkraftgegner

Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg (BI) ist empört über die Androhung von hohen Strafen gegen den französischen Atomkraftgegner Stephane Lhomme wegen Verbreitung eines kritischen Gutachtens zu Flugzeugabstürzen auf Atomkraftwerke.

Hintergrund: Der Sprecher des französischen Antiatom-Netzwerks „Reseau Sortir du Nucleaire“ (Ausstieg aus der Atomenergie) hatte ein geheimes Gutachten veröffentlicht. Im Gegensatz zu Aussagen der französischen Behörden bestätigt dies, dass Atomreaktoren vom Typ EPR dem Absturz eines Linienflugzeugs nicht standhalten. Dieser von Siemens mitentwickelte neue Reaktortyp ist im finnischen Olkiluoto bereits im Bau und in Frankreich unweit der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague geplant. Nach zehn Stunden Ingewahrsamnahme und Verhör durch den

Geheimdienst DST wurde Lhomme letzte Woche mit der Androhung von fünf Jahren Gefängnis und Zahlung von 75.000 Euro wieder auf freien Fuß gesetzt.

Die BI ist seit Jahren Mitglied im französischen Netzwerk mit über 650 Umweltinitiativen und entsendet Delegierte zu den Jahreshauptversammlungen. Die Mitgliederversammlung der BI, die am 29. März im wendländischen Trebel tagte, erklärt sich solidarisch mit Stephane Lhomme und kündigt an, das Gutachten auch in Deutschland der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

„Die Affäre um die Geheimhaltung brisanter öffentlicher Sicherheitsbelange zeigt beschämend die Gradwanderung zwischen Atomkraftnutzung und demokratischer Rechte mündiger Bürger“, fasst der BI-Sprecher zusammen. „Statt unseren Freund und Mitstreiter Stephane Lhomme zu kriminalisieren, sollte die öffentlich nachvollziehbare kritische Auseinandersetzung mit den riskanten Fakten der

Atomenergienutzung betrieben werden.“ Die BI-Mitgliederversammlung fordert die französische Regierung auf Sorge zu tragen, dass die Ermittlungen gegen Lhomme eingestellt werden.

Franzis Althoff

 

Anhang:

Berliner Umschau 01.04.08

Umwelt

Fünf Jahre Haft wegen Anti-Atomkraft-Haltung

Französischer Umweltschützer soll Geheimnisse verraten haben

Von Karin Burghofer

Das AKW vom neuen Typ Europäischer Druckwasser-Reaktor (EPR), das eigentlich gegen alle Risiken gefeit sein sollte, scheint gefährliche Schwachstellen aufzuweisen. Weil der Sprecher des französischen Antiatom-Netzwerks Reseau Sortir du Nucleaire, Stephane Lhomme, ein entsprechendes Geheimgutachten zu Flugzeugabstürzen auf Atomkraftwerke veröffentlicht hat, droht ihm nun eine empfindliche Freiheitsstrafe.

Der französische Inlands-Geheimdienst DST hatte erst vor einer Woche Lhomme nach zehn Stunden Haft wieder auf freien Fuß gesetzt. Es sei möglich, daß er demnächst wegen Geheimnisverrats vor Gericht gestellt werde, hieß es jedoch. Lhomme war durch die für Spionageabwehr zuständige DST am letzten Dienstag einbestellt worden, weil bei ihm vor einem Jahr ein als "vertrauliche Verteidigungssache" eingestuftes Dokument gefunden worden war. In dem Papier wird festgestellt, daß auch die neuen französischen EPR-Atomkraftwerke einem Absturz eines Linienflugzeuges nicht standhalten würden. Auch John H. Large, ein britischer Experten für Nuklearsicherheit, kritisierte, daß man bei den Sicherheitsfragen von falschen Annahmen ausgeht.

Der EPR zeichnet sich offiziell gegenüber früheren Reaktortypen vor allem durch ein verändertes Sicherheitskonzept aus. Nach Ansicht der Hersteller Siemens und Areva führt dieses Konzept zu einer etwa 10 mal geringeren Eintrittswahrscheinlichkeit für Unfälle sowie einem besseren Störfallmanagement gegenüber heutigen Druckwasserreaktoren. Eine 100-prozentige Sicherheit kann es jedoch für technische Systeme nie geben. Der erste EPR im finnischen Olkiluoto war ursprünglich für 2009 geplant, jedoch verzögert sich die Inbetriebnahme aufgrund von Auslegungsänderungen ständig, so daß die Inbetriebnahme derzeit frühestens 2011 stattfinden wird. Zudem sind die Baukosten bereits jetzt um 700 Millionen Euro höher als ursprünglich geplant.

Da die Atomlobby in der EU sehr mächtig ist, wird eine offene Diskussion der Sicherheitsprobleme offensichtlich nicht gewünscht. Fünf Jahre Gefängnis und Geldstrafe von 75.000 Euro drohen daher eventuell Lhomme. Denn bei der französischen Justiz ist vieles möglich. Der neue Reaktortyp ist neben Olkiluoto auch in Frankreich unweit der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague geplant. "Die Affäre um die Geheimhaltung brisanter öffentlicher Sicherheitsbelange zeigt beschämend die Gradwanderung zwischen Atomkraftnutzung und demokratischer Rechte mündiger Bürger.", faßte ein Sprecher der atomkritischen Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg (BI) zusammen. "Statt unseren Freund und Mitstreiter Stephane Lhomme zu kriminalisieren, sollte die öffentlich nachvollziehbare kritische Auseinandersetzung mit den riskanten Fakten der Atomenergienutzung betrieben werden.", so der Sprecher. Im Bereich der BI liegt das umstrittene atomare Zwischen- und Endlager Gorleben.

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