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Zeit online, 23.3.08

Angebliche Nuklearallianz: Atomgegner kritisieren britisch-französische Pläne

Einem britischen Zeitungsbericht zufolge schmieden London und Paris ehrgeizige Pläne für den Bau neuer Kernkraftwerke. Umweltschützer laufen Sturm.

Atomkraftgegner haben angebliche Pläne der französischen und britischen Regierung kritisiert, gemeinsam Atomkraftwerke einer neuen Generation zu entwickeln. Die Idee, Atomtechnik weltweit zu verkaufen, um das Klima zu schützen, sei "vollkommener Unsinn", sagte Neil Crumpton von der britischen Umweltorganisation Friends of the Earth am Samstag in London. "Kernenergie ist gefährlich und benötigt für die Müllentsorgung großes High-Tech-Wissen." Wichtiger sei es, erneuerbare Energien zu fördern.

Die Zeitung "Guardian" hatte zuvor berichtet, dass Frankreich und Großbritannien gemeinsam neue Atomtechnik entwickeln und diese in den kommenden 15 Jahren weltweit verkaufen wollten. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy werde diese Atomallianz kommenden Donnerstag bei seinem Treffen mit dem britischen Premier Gordon Brown in London verkünden, hieß es in dem Bericht. Downing Street, der Regierungssitz Browns, wollte den Bericht nicht kommentieren.

Frankreich bezieht rund 80 Prozent seines Stroms aus Atomenergie, Großbritannien 20 Prozent. Vergangenen Winter hatte Brown angekündigt, in den kommenden Jahren neue Atomkraftwerke im großen Stil zu bauen, um die zum großen Teil veralteten britischen Reaktoren zu ersetzen. (jam/dpa)

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taz 20.03.2008

Energiestudie schürt Versorgungsängste

Stromlücke oder Stromlüge?

Die Energie-Agentur Dena warnt in ihrer Studie vor drohendem Strommangel ab 2012. Kritiker sprechen von einer unseriösen politischen Kampagne im Namen der Stromkonzerne.

VON PAUL WRUSCH

BERLIN taz Nach dem Stromriesen RWE packt nun auch die bundeseigene Deutsche Energie-Agentur (Dena) die "Stromlücken"-Keule aus: Ohne den Neubau von Kraftwerken könne ab 2012 nicht mehr ausreichend Strom produziert werden, erklärt die Dena in einer aktuellen Studie. Bis 2020 würde sich "die Lage so drastisch verschärfen, dass dann etwa 11.700 Megawatt - die Leistung von 15 Kraftwerken - fehlt", heißt es in dem bisher unveröffentlichten Papier. Daher fordern die Autoren, die Laufzeiten der bestehenden Kraftwerke zu verlängern und raten gleichzeitig zum Neubau von Kohle- und Erdgaskraftwerken. Hierfür sei ein "gesellschaftlicher Konsens" notwendig, sagte Dena-Chef Stephan Kohler der Nachrichtenagentur AFP.

Vertreter aus der Branche der erneuerbaren Energien halten diese Darstellung für absurd und kritisieren eine Verdrehung der Fakten. "Das ist pures Wunschdenken der Dena, die den Ausbau alternativer Energien wohl nicht anstrebt", sagte Jörg Mühlenhoff von der Infokampagne Erneuerbare Energien der taz. Die Untersuchung gehe davon aus, dass die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien von 2010 bis 2030 stagniert. Das sei angesichts des derzeit massiven Ausbaus von Solar-, Wind- und Biogasanlagen unrealistisch. Prognosen des Bundesverbandes Erneuerbare Energie rechnen damit, dass 2020 etwa 40 Prozent des Stroms in Deutschland aus Wind, Wasser und Sonne produziert werden kann. Die Dena-Studie hält selbst das 30-Prozent-Ziel der Bundesregierung für "ambitioniert" und sieht dies als gefährdet an.

Unterstützung findet die Studie in der Union. CDU-Energiekoordinator Joachim Pfeiffer sieht sich durch die Zahlen in seiner Ansicht bestärkt. "Ein Ausstieg aus Kohle und Kernenergie bis 2020 ist nicht leistbar", so Pfeiffer. Die Atomkraft könne zur Minderung des CO2-Ausstoßes einen großen Anteil beitragen. Eine "politisch willkürliche Laufzeitverkürzung" führe in naher Zukunft dazu, dass sich Deutschland vom Energieimport abhängig mache.

Vorgelegt hatte die Dena ihre Untersuchung Anfang der Woche bei einem Arbeitsgespräch mit Kanzleramtsminister Thomas de Maiziére (CDU) und den Chefs der vier großen deutschen Stromkonzerne. Die Annahmen basieren auf "optimistischen Regierungsplanungen", so die Verfasser. De Maiziére wollte am Donnerstag keine Stellung nehmen und verwies auf den internen Charakter des Gesprächs. Auch Dena-Chef Kohler war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Der energiepolitische Sprecher der Grünen, Hans-Josef Fell, zeigte sich empört und verärgert über den Vorgang. "Dass die Herren und Damen aus einer Studie zitieren, die für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, ist ein unglaublicher Vorgang", so Fell. Kritiker könnten die angeführten Zahlen so nicht überprüfen. Etwa die Hälfte des laufenden Mittel der Dena stammen von den Energiekonzernen RWE, Eon, Vattenfall und EnBW (taz berichtete). "Da werden ohne Skrupel die Interessen der Stromkonzerne vertreten", erklärte Fell gegenüber der taz. Seriöse Studien belegten, dass in die Versorungssicherheit in Deutschland auch nach dem Abschalten der Atommeiler gesichert sei. Von einer Stromlücke könne gar keine Rede sein, eher von einer Stromlüge.

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Linkszeitung, 18.3.2008

Weltwassertag: BBU fordert Stopp des Uranabaus

Uranminen vergiften Trinkwasser-Brunnen

Bonn (LiZ). Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) mit Sitz in Bonn fordert anlässlich des diesjährigen Weltwassertages am 22. März, dass die Versorgung mit sauberem Trinkwasser Vorrang haben müsse vor dem Uranabbau, der zur internationalen Wasserverseuchung beitrage. "Die Lebensgrundlage - das saubere Wasser - der Aborigines in Australien, der Dene und Cree in Kanada und der Tuareg in Afrika wird durch den Abbau des radioaktiven Schwermetalls Uran verschmutzt", so der BBU.

Es hätten jedoch alle Menschen dieser Erde einen Anspruch auf sauberes Trinkwasser. Deshalb fordert der BBU die weltweite Einstellung des wasserverschmutzenden Uranabbaus. "Es kann nicht sein, dass die Menschen in den Abbauregionen ihre Gesundheit opfern müssen, damit unsere Atomkraftwerke weiter Strom produzieren", kritisiert der BBU.

Deutschland verfügt immer noch über Uranreserven, die aber nicht mehr gefördert werden. Der Uranbergbau in Sachsen und Thüringen durch die Firma Wismut wurde bereits 1990 eingestellt, um die hiesige Bevölkerung zu schützen. Die Uran-Bergbaugesellschaft Wismut, die über 40 Jahre intensiv Uran gefördert hat, war einer der größten Uranbergbaubetriebe der Welt.

Heute müssen Milliardenbeträge investiert werden, um die Umweltschäden des Uranbergbaus zu beseitigen, unter anderem über 300 Millionen Kubikmeter Abraumhalden, 160 Millionen Kubikmeter giftiger und radioaktiver Schlammseen und kontaminierte Aufbereitungsanlagen. Dadurch, dass etwa 15 bis 20 Prozent dieser Sanierungskosten für die Behandlung des anfallenden, mit Uran und anderen Schwermetallen verschmutzten Wassers, eingesetzt wird, kann eine weitere Vergiftung des Trinkwassers verhindert werden.

Finanzmittel, die ein Industrieland wie die Bundesrepublik Deutschland für den Schutz der Lebensgrundlage der Bevölkerung noch aufbringen kann, werden weder von den Firmen noch von den Ländern in den aktuellen großen Uranabbaugebieten zur Verfügung gestellt.

Um Atomkraftwerke zu betreiben, werden indes große Mengen angereichertes Uran benötigt. Dieses wird in Urananreicherungsanlagen wie die der URENCO in Gronau im Norden Nordrhein-Westfalens produziert.

Hierzu wird Uran eingekauft und in technischen Anlagen behandelt, damit man das für die Atomkraftwerke nötige Uran U235 in höherer Konzentration erhält. Uran besitzt neben seinem radiotoxischen auch ein hohes chemisch-toxisches Potenzial, das unter anderem eine starke Schädigung der Nieren hervorrufen kann. Schon 1998 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Uran zu einer Gefahr fürs Trinkwasser erklärt.

Die drei gebräuchlichsten Techniken, Uran zu fördern, ist der Tagebau, der unterirdische Tiefbau und der Abbau mittels einer chemischen Lösung, bei dem Uran im Untergrund gelöst und an die Oberfläche gepumpt wird. Besonders billig kann das Uran in Gegenden, wo die Einwohner kaum Möglichkeiten haben, sich gegen den Uranabbau zu wehren, gefördert werden.

Drei Viertel des Uranerzes wird heutzutage in Regionen der Welt abgebaut, in denen indigene Völker (Ureinwohner) leben, für die eine intakte Umwelt absolut lebensnotwendig ist. Sie profitieren in der Regel nicht am großen Geschäft mit dem Uran, sondern sind die ersten, die unter den fatalen Folgen des Uranabbaus zu leiden haben. Ihr Trinkwasser wird verseucht, das Fleisch der Tiere ist mit Schwermetallen belastet. Krebs und andere strahlenbedingte Krankheiten, Fehl- und Totgeburten sowie Behinderungen nehmen dort zu.

Einer der wichtigsten Uranlieferanten für deutsche Atomkraftwerke ist das Unternehmen „Energy Resources of Australia“. Es betreibt unter anderen die Uranmine „Ranger Mine“. In der Regenzeit laufen die Absetzbecken dieser Uranmine immer wieder über und von den Abraumhalden fließen giftige und strahlende Rückstände in die Umgebung. Mediziner sehen einen Zusammenhang zwischen der Uran-Mine und den hohen Krebsraten bei den Ureinwohnern, die dort leben – sie ist fast doppelt so hoch wie anderswo.

Nach Angaben der Umweltbehörde Nord-Australien gibt es über 200 gut dokumentierte Fälle, wo aus Lecks Abwässer in die Landschaft geschwemmt wurden. Doch die Minenbetreiber bestreiten die Gefährdungen der Bevölkerung. Stattdessen behaupten sie, der schlechte Lebensstil der Ureinwohner sei schuld am Krebs, nicht etwa das verseuchte Wasser.

Der COGEMA-Konzern, zu dem auch die französische Wiederaufbereitungsanlage La Hague gehört, betreibt in Nordsaskatchewan in Kanada Uranminen. Durch ihren Betrieb sind in der Vergangenheit großflächige Umweltzerstörungen entstanden; unter anderem ist 1984 an der Key Lake-Mine ein Damm gebrochen, und radioaktiv belastetes Wasser in den gleichnamigen See gelangt. Schon die Rückstände der bereits in Betrieb befindlichen Uranminen vergiften das Wasser der seenreichen Landschaft und damit die Nahrungsgrundlagen für die dort lebenden Menschen. Nun soll noch mehr abgebaut werden.

In der Region lebt eine von der kanadischen Regierung wenig berücksichtigte indigene Bevölkerung, wie die Dene und Cree, die als erste unter den Folgen der Wasser- und Bodenverseuchungen leiden muss. Schon seit über 15 Jahren sind bei ihnen besonders hohe Krebsraten bekannt, sowie eine Vielzahl von Fehlgeburten. Ein weiteres Abbaugebiet liegt im Norden von Niger am Rande der Sahara. Es ist der Lebensraum der Tuareg. Auch hier sollen weitere Minen entstehen, obwohl Niger schon heute der der drittgrößte Produzent von Uran ist.

Schon heute beträgt die radioaktive Belastung des Trinkwassers aus bestimmten Brunnen schon den sieben- bis 110-fachen Wert dessen, was die WHO als Grenzwert für zulässig erachtet. Im Januar war Almoustapha Alhacen aus dem Niger zu Besuch in Deutschland um auf das Umweltproblem seiner Heimat aufmerksam zu machen. Jede weitere Uranmine kann die durch den Abbau dieses radioaktiven Schwermetalls verursachten Probleme nur verschlimmern. Denn die zusätzliche Wasservergiftung und die Vergiftung von Nahrung entzieht den Menschen weitere natürliche Lebensgrundlagen.

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) will sich weiterhin mit Bürgerinitiativen, Menschenrechts- organisationen und Umweltverbänden im In- und Ausland gegen die Wasserverseuchung durch den Uranabbau und insgesamt für die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen einsetzen. Uran, das nicht abgebaut wird, verseucht kein Trinkwasser und gefährdet die Bevölkerung weder beim Transport, noch beim Einsatz in Atomanlagen und auch nicht bei der unsicheren Lagerung.

Info

Am 6. April finden vor verschiedenen bundesdeutschen Atomkraftwerken Protestaktionen gegen deren Betrieb statt. Der BBU ruft ebenfalls zur Teilnahme an den Protesten auf. Eine Übersicht der konkreten Aktionsorte ist nach Ostern in der BBU-Geschäftsstelle erhältlich (Tel. 0228-214032).

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 Frankfurter Rundschau 17.03.2008

Verbrauch gleich Null

Strom kommt aus der Steckdose, aber wie kommt er dahin?

Alle reden über Energie. Jeder verbraucht sie, manche gehen sparsam mit ihr um, andere verschwenden sie. Was aber ist Energie genau, kann man sie überhaupt verbrauchen. Man kann sie weder sehen und anfassen noch riechen oder schmecken. Physikalisch gesehen ist Energie das Potential, Arbeit zu verrichten. Das klingt etwas fremd und nicht einleuchtend. Was hat denn eine Glühbirne mit Arbeit zu tun? Auf den ersten Blick erst mal wenig. Energie gibt es nämlich in den vielfältigsten Formen. Für uns Menschen im Alltag sind die thermische Energie und die elektrische Energie am wichtigsten. Die eine sorgt dafür, dass wir es auch im Winter in den Wohnungen angenehm warm haben und die andere bringt unsere Lampen zum Leuchten und die Computer zum Laufen.

Doch diese beiden Energieformen finden sich in der Natur fast nicht. Hier dominieren die Strahlungsenergie und die chemische Energie. Die erste kommt – vereinfacht gesprochen – von der Sonne und die zweite aus der Umwelt, wenn das Sonnenlicht durch Photosynthese in den Pflanzen eingespeichert wird. Chemische Energie ist in fast alles, was man verbrennen kann: Kohle, Holz, Öl oder Gas. Durch das Verbrennen von Rohstoffen, entsteht Wärme, mit der man Wohnungen heizen kann, oder es werden damit Generatoren betrieben, die elektrische Energie erzeugen. Die chemische Energie wird in für den Menschen brauchbare Formen umgewandelt. Das ist wichtig, denn Energie kann im strengen Sinne nicht verbraucht werden. Die Energiemenge auf der Erde bleibt – ebenfalls einfach gesprochen – immer gleich. 4,3*1015 kWh empfangen wir täglich durch die Sonne. Das ist eine Zahl mit 15 Nullen. Etwa die gleiche Menge geben wir in der verschiedensten Art und Weise wieder in den Weltraum ab. Nur einmal in thermische Energie verwandelt, ist sie für den Menschen nicht mehr so einfach nutzbar. Umgangssprachlich heißt es dann, sie ist verbraucht.

Mechanische Energie: wird unterschieden in kinetische Energie (Bewegung) und potentielle Energie, zum Beipiel dem Wasser im Oberbecken eines Pumpspeicherwerks.

Chemische Energie: ist in der chemischen Bindung von Molekülen und Atomen enthalten und wird beim Verbrennen freigesetzt.

Thermische Energie Wärmemenge): die ungeordneten Bewegung von Atomen oder Molekülen eines Stoffes.Der Verbraucher ist auf hochwertige und teure End-Energieträger angewiesen. Das sind Dinge wie Heizöl, Benzin oder elektrischer Strom aus der Steckdose. Diese Endenergieträger werden aus den Primärenergieträgern gewonnen. Viele dieser Primärenergieträger sind nicht unbegrenzt verfügbar und ihre Umwandlung in Nutzenergie belastet die Umwelt, weil der Wirkungsgrad der Energiewandler manchmal recht niedrig ist. Ein älteres Kohlekraftwerk hat einen Wirkungsgrad von 0,35. Das heißt nur 35 Prozent der Primärenergie wird in hochwertige elektrische Energie umgewandelt. Der Rest geht verloren, zum größten Teil als Kühlwasser. Das warme Kühlwasser belastet dann die Flüsse.

Folgt man der Kette bis zum letzten Glied, sieht man, dass eine Glühbirne nur fünf Prozent der elektrischen Energie in Licht umwandelt und den Rest als Wärme. Kommt der Strom aus einem Kohlekraftwerk, werden so nur 1,7 Prozent der Primärenergie zu Licht. In letzter Zeit wird weniger über die direkte Klimabeeinflussung diskutiert als über die mittelbare. Die Verstromung fossiler Brennstoffe setzt Kohlenstoffdioxid frei, das eine große Rolle bei der Klimaerwärmung spielt. Da die Nachfrage nach Nutzenergie auf der Welt immer weiter ansteigt, ist man gezwungen, auf alternative Energiequellen umzusteigen. Theoretisch ist das kein Problem, denn allein die Windenergie auf der Erde ist nach menschlichen Maßstäben unerschöpflich.

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Juge Welt 13.03.2008

Atomkraftwerke: Nicht totzukriegen

Je häufiger Atomkraftwerke kaputt sind, desto länger bleiben sie in Betrieb. Spätestens im Bundestagswahlkampf 2009 dürfte die Atomkraft erneut als Retterin des Klimas angepriesen werden.

Kurioserweise liegt es an der Störanfälligkeit der Atomkraftwerke, dass kein einziger Reaktor in dieser Legislaturperiode vom Netz gehen wird. Nach Plan hätten vier AKW abgeschaltet werden sollen: Biblis A und B in Hessen, Neckarwest-heim 1 bei Stuttgart und Brunsbüttel an der Unterelbe. Die im Herbst 2006 von den Stromkonzernen eingereichten Anträge auf Verlängerung der Laufzeiten änderten daran nichts, wurden sie doch vom Bundesumweltminister abgelehnt. Inzwischen ist die Entscheidung Sigmar Gabriels (SPD) auch gerichtlich bestätigt.

Doch wurden im so genannten Atomkonsens nicht etwa Fristen bis zum Abschalten der Meiler festgelegt, sondern Strommengen, die pro Kraftwerk noch produziert werden dürfen. Wenn ein Reaktor stillsteht, dann produziert er keinen Strom, und sein Restkontingent bleibt erhalten.

In den beiden Bibliser Blöcken mussten etwa 15?000 falsch montierte Dübel erneuert werden, was mehr als ein Jahr in Anspruch nahm. In Bruns=büttel brannte es im vorigen Sommer, und seit Monaten wird eine ellenlange Mängelliste zumindest teilweise abgearbeitet. Wenn ein kaputtes AKW irgendwann wieder ans Netz geht, wie in Biblis inzwischen geschehen, dann reicht die Reststrommenge plötzlich über den Wahltermin 2009 hinaus. Und wenn ein Reaktor ausnahmsweise mal funktioniert, wie derzeit Neckar=west=heim 1, dann wird er monatelang nur noch mit halber Leistung gefahren, um den Betriebszeitraum zu strecken.

Fast zehn Jahre sind vergangen, seit die Schröder-Regierung 1998 antrat, angeblich um den Atomausstieg zu organisieren. Zehn Jahre, in denen mit Obrigheim und Stade lediglich die beiden kleinsten Reaktoren abgeschaltet wurden. Die 17 Großanlagen strahlen weiter. Seit einem Jahrzehnt gibt es in diesem Land offiziell eine Ausstiegspolitik, nur ausgestiegen wurde bisher nicht. Für die AKW-Betreiber ist das eine relativ komfortable Situation, haben sie sich doch ihre Zustimmung zum angeblichen Ausstieg mit einer Menge Zugeständnisse der damaligen Bundesregierung abkaufen lassen.

Die Stromkonzerne hoffen darauf, dass es nach der Bundestagswahl 2009 eine Mehrheit dafür geben wird, die Laufzeiten für die immer älter wer=denden Reaktoren wieder frei zu geben. Pläne, wie man im Hinblick darauf die künftige Bundesregierung unter Druck setzen kann, werden bereits geschmiedet. Es geht um viel. Denn nach den vereinbarten Reststrommengen würden in der nächsten Legislaturperiode gleich sieben Reaktoren vom Netz gehen: Philippsburg 1 bei Karlsruhe, Ohu 1 in Bayern, Esensham an der Unterweser sowie die bereits genannten.

Es ist also davon auszugehen, dass im Bundestagswahlkampf 2009 erneut um die Laufzeiten gekämpft werden wird. Bei einer schwarz-gelben Regierung wäre relativ sicher mit dem Versuch zu rechnen, die Laufzeiten zu verlängern. Und bei anderen Wahlausgängen? Zwar spricht Umweltminister Sigmar Gabriel ab und zu davon, dass es im Bundestag keine Mehrheit für die Verlängerung der Laufzeiten gibt, und die SPD, die Grünen und die Linkspartei betonen ihren Willen zum Ausstieg. Ob die Sozialdemokraten dabei bleiben, sollte es zum Beispiel wieder zu einer Großen Koalition kommen, ist fraglich. Sicher ist, dass die Atomlobby nichts unversucht lassen wird, um die Sozialdemokraten umzustimmen.

Eine entscheidende Rolle fällt dabei der IG Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) mit ihrem Vorsitzenden Hubertus Schmoldt zu. Der Atomkraft-Befürworter wirbt einerseits im DGB für ein mehr »Atomfreundlichkeit«, versucht aber auch, im Interesse der Stromkonzerne Einfluss auf die Sozialdemokraten nehmen. Als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Eon dürfte der Gewerkschafter ähnlich interessegeleitet handeln wie der ehemalige Wirtschaftsminister und RWE-Aufsichtsrat Wolfgang Clement (SPD), der sich wegen seiner Kritik am energiepolitischen Konzept von Andrea Ypsilanti (SPD) kurz vor der Landtagswahl in Hessen bei seiner Partei unbeliebt machte. Allerdings stellt sich Schmoldt geschickter an als Clement. Seine Lobbyarbeit findet hinter verschlossenen Türen statt.

Die vier großen Stromkonzerne sind derzeit sehr darum bemüht, ihr schlechtes Image loszuwerden. Investitionen in erneuerbare Energien, die Ankündigung von Eon, das Stromnetz zu verkaufen, Sozialtarife und der vorläufige Verzicht auf weitere Preiserhöhungen sollen dafür sorgen, dass ihr Ansehen nicht noch weiter leidet und ihr Einfluss auf energiepolitische Entscheidungen wächst. Die neue Riege der Vorstandsvorsitzenden - Jürgen Großmann bei RWE, Hans-Peter Villis bei EnBW und Tuomo Hatakka bei Vattenfall - ist um ein gutes Verhältnis zur Politik bemüht. Statt medienwirksamer, aber wenig effektiver »Energiegipfel« setzt man auf stille Diplomatie unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Gleichzeitig wird die öffentliche Debatte weiter angeheizt. Großmann von RWE warnte vor einer »Stromlücke« und »Blackouts«, falls in den nächsten Jahren Atomkraftwerke stillgelegt werden und die geplanten Kohlekraftwerke wegen des wachsenden Widerstands dagegen nicht fertig gestellt würden. Tatsächlich ist die Bundesrepublik einer der größten Stromexporteure Europas. Selbst als im vorigen Sommer zeitweise sieben deutsche AKW vom Netz waren - ein Ausfall von insgesamt 27 Terawattstunden - wurde immer noch ein Überschuss von 14 Terawattstunden produziert.

Die wachsende, berechtigte Kritik der Bevölkerung an den Neubauplänen für gigantische kohlebetriebene CO2-Schleudern wird vereinnahmt und dient als zusätzliches Argument für die Laufzeitverlängerung der AKW. Man tut so, als gäbe es nur die Wahl zwischen Kohlekraft oder Atomkraft. Dabei liegen längst Konzepte vor, wie sich trotz des Atomausstiegs - sollte es irgendwann soweit sein - auf neue Kohlekraftwerke verzichten lässt.

»Es wird keine Probleme geben, wenn sich alle an das Klima- und Energieprogramm der Bundes=regierung halten, das eine starke Steigerung der Energieeffizienz vorsieht«, sagte Andreas Troge (CDU), der Präsident des Umweltbundesamts, der Financial Times Deutschland. »Falls allerdings die Erzeuger die Verbesserung der Effizienz und den Transport des Stroms aus erneuerbaren Energien bewusst verzögern, können sie Probleme provozieren.«

In der absehbaren Auseinandersetzung dürfte es vor allem um das Klima gehen. »Ohne Laufzeitverlängerung werden wir das Klimaschutzziel weit verfehlen«, sagte Walter Hohlefelder, der Präsident des Deutschen Atomforums. Die geplante Stilllegung von sieben AKW fällt in jenen Zeitraum, in dem sich vermutlich herausstellen wird, dass die in Kyoto vereinbarten Ziele nicht erreicht werden. Da würde es sich doch gut machen, wenn die AKW noch ein paar Jahre länger laufen dürfen. Unterschlagen wird in der Diskussion um Atomkraft und Kohlekraft stets, dass sich mit Atomkraft keine Häuser heizen lassen und alle, die C02-armen Atomstrom beziehen, trotzdem Gas oder Öl verfeuern müssen, um ihre Bude warm zu bekommen. Würde man mit dem Gas Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen betreiben, könnten AKW ersetzt werden, Strom und Wärme wären trotzdem da - und das ohne zusätzliche Klimabelastung.

Doch scheinbar verlockende Angebote liegen bereits vor, die den Atomausstieg weiter verzögern könnten. EnBW etwa will die Verlängerung der Laufzeiten seiner AKW daran knüpfen, einen Teil der so entstehenden zusätzlichen Gewinne in die Erforschung erneuerbarer Energien zu investieren. Ein leicht durchschaubarer PR-Trick, investieren die Konkurrenten von RWE und Eon unterdessen doch ganz ohne Laufzeitverlängerung Milliarden Euro in diesen Bereich. Denn das Geschäft mit Sonne, Wind, Wasser und Biomasse lohnt sich inzwischen auch für die Großen.

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Die Presse, 12.3.08

EU-Atomlobby strahlt heller denn je

DORIS KRAUS (Die Presse)

AKW sind keine erneuerbaren Energieträger. Aber Nuklearenergie ist in der EU eine Realität, ohne die kein Klimaziel erreicht werden wird.

Paradox, aber wahr: Ausgerechnet die vollmundigen Klimaziele der EU zur Senkung der CO2-Emissionen um 20 Prozent bis 2020 bei gleichzeitiger Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien um 20 Prozent haben der Atomkraft zur Renaissance verholfen.

Diesen Trend will Frankreich, nukleares Aushängeschild der EU, beim Gipfeltreffen am Donnerstag und Freitag nutzen, um diese Energieform zu forcieren und unter dem Titel "erneuerbar" verbuchen zu lassen. An Helferlein mangelt es Paris dabei nicht. Es gibt eine lange Liste neuer EU-Mitglieder, die bereuen, sich beim Beitritt auf die Schließung alter AKW festgelegt zu haben (Bulgarien, Litauen, Slowakei), oder sich sorgen, wie sie selbst die ehrgeizigen Klimaziele ohne nukleare Hilfe erreichen können. Die Atomlobby in der EU strahlt heller denn je.

Nur Österreich will sich von diesem Glanz nicht blenden lassen und gegen jede Gleichstellung der Atomkraft mit erneuerbarer Energie kämpfen. Damit hat Wien einerseits Recht. Atomkraft ist nur insofern "saubere Energie" als oben Wasserdampf rauskommt. Es muss aber auch das schwierige Problem der Endlagerung berücksichtigt werden.

Andererseits aber ist Österreich auf dem Holzweg. Ohne Atomkraft wird die EU ihre Klimaziele nicht erreichen können. Akzeptiert man diese Prämisse, muss man aber auch anerkennen, dass dafür möglichst sichere und möglichst saubere AKW nötig sind. Das zu verhindern tut auch Atomgegnern keinen Gefallen. (Bericht: Seite 7)

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BBU 06.03.2008

Scharfe Kritik an erneutem Uranmülltransport von Deutschland nach Russland!

Nach Angaben des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) e. V. konnten gestern Abend erneut Anti-Atomkraft-Initiativen im Münsterland die Geheimhaltung der Urananreicherungsfirma Urenco durchkreuzen und an mehreren Bahnhöfen gegen einen strahlenden Uranmülltransport protestieren.

Um 19.15 Uhr verließ der ca. 300 Meter lange Sonderzug mit etwa 1000 Tonnen abgereichertem Uranhexafluorid (UF6) die einzige deutsche Urananreicherungsanlage (UAA) im westfälischen Gronau, um über Münster, Rheine und Bad Bentheim nach Rotterdam zu fahren. In Rotterdam wird das Uran auf ein Schiff verladen. Ziel ist die russische Stadt Novouralsk, wo nach Auffassung der Anti-Atomkraft-Bewegung das radiaktive Material als Abfall unter freiem Himmel in Containern gelagert wird. Das Jahr 2008 scheint das intensivste Jahr des Atommüllexports von Gronau nach Russland werden. Rund 7500 Tonnen UF6 will Urenco in diesem Jahr nach Russland bringen - 22000 Tonnen lagern dort bereits. Für den Global Player Urenco faktisch eine billige Entsorgung, für die einheimische russische Bevölkerung eine ständige Bedrohung für die Umwelt.

Nach einer spektakulären Protestaktion in etwa 7 Metern Höhe über dem Bahngleis bei einem Urantransport im Januar wurde der Transport diesesmal von gleich 2 Polizeihubschraubern begleitet. Trotz der offiziellen Geheimniskrämerei um den Urantransport konnten Anti-Atomkraft-Initiativen im Münsterland und in den Niederlanden spontane Protestaktionen durchführen. Dem BBU wurden Aktionen in Burgsteinfurt, Münster, Emsdetten und Rheine mitgeteilt. Auch im niederländischen Almelo (Standort der niederländischen UAA des Urenco-Konzerns) fand in der Nacht zum Donnerstag eine spontane Protestaktion gegen die Durchfahrt des Urantransportes statt.

Der BBU kritisiert, dass die Gronauer Uranfabrik derzeit massiv ausgebaut wird – trotz beschlossenem Atomausstieg in Deutschland. Verantwortlich für den Betrieb und Ausbau der Anlage sind die Düsseldorfer Landesregierung und die Bundesregierung. Sie sorgen dafür, dass die deutschen Urenco-Anteilseigner EON und RWE weiter massiv am Atomgeschäft in Gronau, und international, verdienen, während den Menschen in Russland die strahlende Fracht vor die Tür gekippt wird und die Gronauer Bevölkerung einem dauerhaften Strahlungspotential ausgesetzt ist.

Die Gronauer Urananreicherungsanlage und die Urantransporte werden auch in Zukunft auf Widerstand bei Anti-Atomkraft-Initiativen im Münsterland, beim BBU und auch bei anderen Verbänden und Initiativen stoßen. Weitere Proteste gegen den aktuellen deutsch-russischen Urantransport erwartet der BBU auch in Rußland. Dort engagiert sich z. B. der Umweltverband Ecodefense, in Zusammenarbeit mit deutschen Initiativen, gegen die Urantransporte nach Russland.

Der BBU fordert die sofortige Stilllegung der Gronauer Uranfabrik, damit nicht ständig weiterer Atommüll produziert wird, für den es weltweit kein sicheres Endlager gibt.

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ap, 4.3.08

Merkel plant im März Treffen mit Energieversorgern

Stuttgart (AP) Bundeskanzlerin Angela Merkel plant noch im März einen Energiegipfel. Diesen Termin nannte der Vorstandschef der Energie Baden-Württemberg, Hans-Peter Villis, am Dienstag in Stuttgart vor Journalisten. Er warb erneut für eine Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke.

Der baden-württembergische Regierungschef Günther Oettinger erneuerte die Forderung, dass eine Laufzeitverlängerung mit der Bedingung verknüpft werden sollte, mindestens die Hälfte des daraus resultierenden Gewinns in erneuerbare Energien zu investieren. Die Regierung gehe davon aus, dass durch eine Laufzeitverlängerung von mindestens zehn Jahren zusätzliche Mittel für Energieeffizienz und erneuerbare Energien im Umfang von mindestens einer Milliarde Euro für Baden-Württemberg zur Verfügung stünden.

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dpa, 01.03.08

Hintergrund: Atomausstieg und Restlaufzeiten

Kassel/Berlin (dpa) - Den Fahrplan für den Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland haben die damalige rot-grüne Bundesregierung und die Stromindustrie im Juni des Jahres 2000 beschlossen. Demnach sollen alle Kernkraftwerke schrittweise bis 2021 abgeschaltet werden, und neue Reaktoren dürfen nicht gebaut werden. Mit der Novelle des Atomgesetzes (AtG) ist der Ausstieg seit 2002 festgeschrieben und auch von der aktuellen Großen Koalition unangetastet geblieben. In einem Anhang des Gesetzes ist die noch zu produzierende Strommenge für jede Anlage festgehalten, aus der man mit einigen Unsicherheiten die jeweilige Restlaufzeit errechnen kann.

Ein Spezialfall ist der 1988 nach 100 Tagen Regelbetrieb stillgelegte Reaktor im rheinland-pfälzischen Mülheim-Kärlich, der einer Tochtergesellschaft des Energiekonzerns RWE gehört. Dessen Reststrommenge von 107,25 Terawatt-Stunden (TWh) darf dem Gesetzestext nach nur auf bestimmte neuere Atomkraftwerke übertragen werden. Der älteste laufende Reaktor in Deutschland, Biblis A, steht nicht auf dieser Liste, gleichwohl will RWE 30 TWh auf ihn verlagern. Die Übertragung von Produktionskapazitäten aus Mülheim-Kärlich auf Biblis B ist im Gesetz auf 21,45 TWh beschränkt. Mit der gesamten Reststrommenge aus Mülheim-Kärlich könnte der Bedarf der Stadt Berlin für mehr als sechs Jahre gedeckt werden.

Mit einem Antrag auf eine Mengenübertragung zum Kernkraftwerk Brunsbüttel ist bereits der Stromkonzern Vattenfall vor Gericht in erster Instanz gescheitert.

Derzeit sind in Deutschland noch 17 Atomkraftwerke am Netz. Die Anlagen in Stade und Obrigheim wurden als Folge des Atomkonsenses bereits abgeschaltet. Als letzte sollen 2020 Isar 2 bei Essenbach und Emsland bei Lingen sowie 2021 schließlich Neckarwestheim 2 stillgelegt werden. Die Jahreszahlen sind allerdings nicht genau, da es in der Produktion von Atomstrom immer wieder größere Unregelmäßigkeiten und Pausen gibt. Zuletzt stand Biblis A wegen fehlerhafter Dübel rund 17 Monate still. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat bereits eingeräumt, dass möglicherweise in dieser Legislaturperiode kein einziges Atomkraftwerk mehr vom Netz geht. Die Betreiber hoffen auf eine Wende in der Energiepolitik nach der Bundestagswahl im Herbst 2009.

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