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 ddp, 27.12.07

Atomausstieg sorgt für Zündstoff - Gabriel weist Unions-Forderung nach Korrekturen zurück - BUND: Laufzeiten noch verkürzen

--Von Jörg Säuberlich--

Berlin (ddp). Der geplante Atomausstieg wird auch im neuen Jahr für politischen Zündstoff sorgen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kündigte am Donnerstag einen verstärkten Einsatz gegen die Kernenergie an.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) wies derweil Forderungen aus der Union nach einer längeren Laufzeit von Atomkraftwerken zurück.

Gabriel betonte in einem ddp-Interview, der Atomausstieg sei mit einem ambitionierten Klimaschutz sehr gut vereinbar. Außerdem sei die Endlagerfrage «international nach wie vor ungelöst».

Der Minister fügte hinzu: «Das mit der Atomenergie verbundene Sicherheitsrisiko ist beträchtlich. Und es wäre auch sicherheitspolitisch unverantwortlich, energiehungrigen aber politisch nicht immer stabilen Entwicklungs- und Schwellenländern ausgerechnet die Atomtechnik als Königsweg beim Klimaschutz vorzuführen.»

Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger kündigte an: «Wir werden uns dafür einsetzen, dass der jetzige Ausstiegsbeschluss nicht nur bestehen bleibt, sondern sogar beschleunigt wird.» Schließlich steige mit jedem Jahr, in dem die Kraftwerke weiterlaufen, das «Gefährdungsrisiko» für die Bevölkerung.

CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer hatte am Mittwoch betont, eine Verlängerung der Laufzeit der vorhandenen Kernkraftwerke um acht Jahre «könnte eine Milliarde Tonnen CO2 einsparen». Sie mahnte: «Auch diese Zahl sollte der Bundesumweltminister im Blick haben.»

Weiger zog eine «gemischte» Bilanz der Bemühungen um den Klimaschutz im Jahr 2007. Er sehe eine «wachsende Diskrepanz» zwischen durchaus ambitionierten Zielen und dem tatsächlichen Handeln der Bundesregierung. So habe sich Deutschland in der Frage von Klimaschutzauflagen für Autos als «europäische Bremser-Nation Nummer eins» erwiesen.

Gabriel sagte, es habe 2007 wichtige Fortschritte beim Klimaschutz gegeben. International werde der Klimawandel sehr viel ernster als noch vor einem Jahr genommen. Dies komme auch in den Beschlüssen der Weltklimakonferenz auf Bali zum Ausdruck.

Gabriel fügte hinzu: «Die Staaten der Welt werden jetzt endlich über ein Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll verhandeln.» Nicht nur die Industrieländer, sondern auch die Entwicklungs- und Schwellenländerländer wollten ihre Anstrengungen für den Klimaschutz verstärken. Gemessen daran, wie festgefahren die Situation noch vor einem Jahr auf der Klimakonferenz 2006 in Nairobi war, sei das «ein Riesenschritt».

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pressetext 21.12.2007

Worst-EU-Lobbying-Preise für Auto- und Atomindustrie

Brüssel (pte/21.12.2007/13:50) - Mehr als 6.600 Menschen aus ganz Europa haben an der Internet-Abstimmung zum "Worst-EU-Lobbying-Award 2007" http://www.worstlobby.eu/2007/ mitgemacht und dabei zwei unrühmliche Sieger ermittelt: Der Gewinner des Awards sind die Automobilkonzerne BMW, Daimler und Porsche, der Gewinner des "Worst Greenwash-Awards" ist das Deutsche Atomforum. Der Preis wurde von den Non-profit-Organisationen Corporate Europe Observatory , Friends of the Earth Europe http://www.foeeurope.org , Lobby Control und Spinwatch http://www.spinwatch.org.uk ins Leben gerufen.

Der Hauptpreis wird an Lobbyisten, Unternehmen oder Interessenverbände vergeben, die 2007 manipulative, irreführende oder andere problematische Lobbytaktiken verwendeten, um Entscheidungen der EU zu beeinflussen. "Die Wähler aus ganz Europa stuften ihre gemeinsame Kampagne für die Verwässerung und Verzögerung von verpflichtenden CO2-Reduktionszielen als schlimmste und am meisten irreführende ein. Die EU-Kommission hatte die Reduktionsziele vorgeschlagen, nachdem freiwillige Zielvereinbarungen von der Autoindustrie nicht eingehalten wurden", so die Organisation. Die Mehrzahl der Wähler haben sich für die drei Automobilhersteller entschieden. "Als die EU-Kommission verpflichtende CO2-Ziele vorschlug, reagierten die Autohersteller sofort mit einer schmutzigen Lobbykampagne, die im großen Umfang Panikmache und stark übertriebene Drohungen mit Fabrikschließungen und Jobverlusten beinhaltete. Das Ergebnis der Abstimmung zeigt, dass die europäischen Bürger diese Art von irreführendem und manipulativem Lobbying ablehnen", erklärt Erik Wesselius von Corporate Europe Observatory http://www.corporateeurope.org

Der Greenwash-Sonderpreis für den unverfrorensten Versuch, sich ein ungerechtfertigtes grünes Image zu verschaffen, wurde dem Deutschen Atomforum verliehen. 34 Prozent der Stimmen ging an dieses Forum, das sich mit der Kampagne "Deutschlands ungeliebte Klimaschützer" das Image der Atomenergie aufpolieren sollte und dafür in Anzeigen und Plakaten mit Bildern von alten Atomkraftwerken in schöner und unzerstörter Natur warb. "Das Deutsche Atomforum versuchte, die öffentliche Besorgnis über den Klimawandel zu instrumentalisieren, um für die Atomenergie zu werben", so Ulrich Müller von LobbyControl http://www.lobbycontrol.de . "Die einseitigen Anzeigen nutzen idyllische Naturbilder und blenden die Risiken der Atomenergie aus, um öffentliche Akzeptanz für längere Laufzeiten für die alten Atommeiler zu schaffen." Der "Sieg" des Deutschen Atomforums in der Kategorie Worst EU Greenwash zeige, dass die Öffentlichkeit sich von diesen Grünfärbe-Versuchen nicht täuschen lasse.

Mit dem Slogan "Deutschlands ungeliebte Klimaschützer", der sich wie ein Aufruf für mehr Sympathie gibt, startete das Atomforum die Greenwash-Kampagne im Frühjahr 2007. Die Kampagne enthielt Anzeigen in wichtigen Leitmedien, Poster, Broschüren in verschiedenen Zeitschriften und eine Webseite mit der schamlosen Adresse http://www.klimaschuetzer.de . Die Botschaft wird unterstützt durch schöne Naturbilder, unverschmutzt und unverdorben, mit zufriedenen Menschen oder Schafen vor dem Hintergrund eines scheinbar gutartigen alten Atomkraftwerks. Damit wird der Eindruck einer wunderbaren Harmonie erweckt. Die Kampagne ist ein herausragendes Beispiel für europaweite Bemühungen der Atomlobby, den Klimawandel für die Imagewerbung der Atomenergie zu instrumentalisieren. (Ende)

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Focus, 19.12.07

Atomkraftwerke

Das vertuschte Risiko

Experten erheben schwere Vorwürfe gegen die Autoren der jüngsten Kinderkrebs-Studie: Haben sie das Ergebnis verharmlost?

Von FOCUS-Online-Redakteurin Julia Bidder

Vor knapp zwei Wochen machte eine Studie im Auftrag des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) erstmals Schlagzeilen. Forscher um Maria Blettner vom Mainzer Institut für Epidemiologie (Imbei) hatten die Daten des deutschen Kinderkrebsregisters in Mainz ausgewertet. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass das Risiko, an Leukämie oder einer anderen Krebsart zu erkranken, im Umkreis von fünf Kilometern um ein Atomkraftwerk erhöht sei. Hochrechnungen ergaben ein erhöhtes Kinderkrebsrisiko von 66 Prozent, für Leukämie 120 Prozent. Experten sind sich einig, dass die Studie, für die laut Medienberichten Kosten im "mittleren sechsstelligen Bereich" anfielen, methodisch unanfechtbar ist.

Doch das ist offenbar noch nicht alles: Eberhard Greiser, Epidemiologe und bis 2005 Leiter des Bremer Instituts für Prävention und Sozialmedizin (BIPS), wandte sich jetzt in Berlin an die Öffentlichkeit. Er hat die Daten der BfS-Studie analysiert und kommt zu dem Schluss, dass das Krebs- und Leukämierisiko auch im Umkreis von mehr als fünf Kilometern um ein Atomkraftwerk deutlich erhöht ist. "Auch 30 bis 40 Kilometer entfernt treten noch gehäuft Leukämie- und Krebserkrankungen auf", sagte Edmund Lengfelder im Gespräch mit FOCUS Online. Edmund Lengfelder ist Mediziner und Strahlenbiologe amStrahlenbiologischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München. Eberhard Greiser und ein weiterer Epidemiologe in einem zwölfköpfigen Beirat sollten den Studienverlauf für das BfS begutachten. Doch das ist nicht geschehen, sagt Lengfelder. "Meinen Kollegen wurde der Zutritt zum Mainzer Institut sogar verwehrt."

Sein Kollege Eberhard Greiser spricht jetzt gegenüber der "Tageszeitung" von einer "grandiosen Täuschung": "In der Studie sind die Daten korrekt ausgewertet. Aber das, was Frau Professor Blettner als Ergebnis in die Öffentlichkeit kommuniziert, ist schlicht falsch", sagte Greiser dem Blatt. Das gehe so weit, dass "man sich fragen müsse, ob hier nicht die Grenze zwischen Täuschung und Fälschung überschritten werde."

Studienautorin Maria Blettner sieht die Vorwürfe gelassen. "Das ist meines Erachtens nicht haltbar", sagte sie im Gespräch mit FOCUS Online. "Wer meine Presseerklärungen, Studien und Zusammenfassungen gelesen hat, der weiß, dass ich alles gesagt habe." Ihrer Ansicht nach handle es sich um ein"schwieriges methodisches Problem"- unterschiedliche Auswertungsmethoden ein und derselben Daten.

Ihr Team habe die Daten mit zwei Methoden ausgewertet- einmal stetig, ob und wie stark das Risiko mit zunehmendem Abstand vom Atomkraftwerk abnimmt, und einmal in Gruppen, zum Beispiel eben null bis fünf Kilometer. Letztere Methode habe sie jedoch erst auf Verlangen der Fachkollegen durchgeführt, die ihre Studie- wie in Fachmagazinen üblich- gegengelesen hatten."Unsere Studie zeigt ganz klar, dass es bei der Gruppenauswertung im Fünf-Kilometer-Radius eine Erhöhung gibt."

Ihre Studie sei zudem von mehreren nationalen und internationalen Fachkollegen gegengelesen worden. Außerdem habe es ein Audit vom Robert-Koch-Institut gegeben und alle Analysen wurden von einem unahängigen Statistiker des Koordinationszentrum für Klinische Studien in Mainz nachgerechnet worden, so Maria Blettner.

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RWE Power, 2007-12-17

AKW Emsland: Nicht bestimmungsgemäße Dübelverbindungen gefunden

Auch im Atomkraftwerk Emsland wurden jetzt nicht bestimmungsgemäße Dübelverbindungen gefunden.

Laut des Betreibers RWE Power wurden im Rahmen von Übertragbarkeitsprüfungen aufgrund von Befunden in anderen deutschen Atomkraftwerken wie Biblis, Krümmel oder Brunsbüttelnicht bestimmungsgemäße Dübelverbindungen gefunden.

Es sollen sich vereinzelt geringe Montageabweichungen vom Sollzustand an Halterungen, die jedoch laut Betreiber keinen Einfluss auf die Tragfunktion der jeweiligen Verbindung haben, vorgefunden. Betroffen sind Halterungen von Batteriekabeln und Lampen, die während der Errichtungsphase des Kraftwerkes montiert wurden.

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SPIEGEL ONLINE 17. Dezember 2007, 10:01 Uh

ATOM-TALK BEI ANNE WILL

Kernspalter im Klimawahn

Von Reinhard Mohr

Ein Märchenonkel aus China, des Ex-Kanzlers Ex, der Umweltminister und ein Pro-Atom-Strahlemann: Bei Anne Will stritten die Diskutanten über die unsinnige Frage, ob deutsche Atomkraft das Klima retten kann. Da blieb selbst der Moderatorin nur noch ein mildes Lächeln.

Manchmal ist es ja doch schön, Geschichte zu machen. Als wir vor dreißig Jahren am Bauzaun von Brokdorf standen, über Siele und Priele sprangen und bei fiesen Minustemperaturen mit diversem Werkzeug hantierten, konnten wir nicht ahnen, dass sich das Ergebnis Ende 2007 noch im Gesicht eines führenden Atomlobbyisten während einer Talkshow namens "Anne Will" widerspiegeln würde. Aber so war es gestern Abend.

Walter Hohlefelder, Vorstand beim Energiekonzern E.on und seitdem Chef des Deutschen Atomforums, sagte gegen Ende der Diskussion recht kleinlaut, es gehe doch gar nicht um neue Atomkraftwerke, sondern nur um längere Laufzeiten der schon bestehenden Meiler. Damit war endgültig die Luft raus aus dem Thema des Abends mit der genreüblichen Zuspitzung "Atomkraftwerke für den Klimaschutz – Traum oder Alptraum?" Auch für energie- und klimapolitische Laien war unschwer zu erkennen, dass schon die Frage absurd war: Mit deutscher Kernkraft das Weltklima retten? Der theoretisch denkbare Einspareffekt am weltweiten CO2-Ausstoß wäre lächerlich gering.

Dafür handelte man sich das potenzierte Risiko der Atomenergie ein, über das seit mehr als dreißig Jahren in Deutschland gestritten wird. Mit Erfolg. Ein Blick nach Frankreich genügt. Dort liegt der Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung bei 70 Prozent – die Anstrengungen bei der Reduzierung von CO2 sind aber deutlich erfolgloser als in Deutschland. Schon mit Hohlefelders Forderung nach längeren Laufzeiten würde der politisch beschlossene Ausstieg aus der Atomenergie unterlaufen, dem er als E.on-Chef selbst zugestimmt hatte. Mehr noch: Die Anti-Atomkraft-Bewegung in Deutschland hat dafür gesorgt, dass es hierzulande undenkbar scheint, ein neues Atomkraftwerk zu bauen. "No Atomstrom in my Wohnhome!" – das gilt für viele immer noch. Auch wenn es schwer zu kontrollieren ist.

Nun geht es vor allem um ein Problem: Wie überbrückt man die kommenden dreißig Jahre, bis erneuerbare, womöglich unbegrenzte Energieerzeugung aus Sonne, Wind und Wasserstoff die alten Energieträger komplett ersetzen kann. Damit Walter Hohlefelder nicht ganz allein sei mit seiner Liebe zur Atomkraft, setzte man Laurenz Meyer dazu, CDU-Wirtschaftssprecher im Bundestag, der 2004 wegen seiner angeblich ruhenden Tätigkeit für den Energiekonzern RWE in Turbulenzen geraten war. Sprachgewandt wie immer warf er sich sogar für den Klimaschutz ins Zeug, kritisierte die US-Regierung und warb im Übrigen für "Risikostreuung und Energiemix".

"Energiemix" klingt besser als "mehr Atomenergie". Diskutanten bei Will: Mit deutscher Kernkraft das Weltklima retten?Da niemand von den Grünen und auch kein Kritiker der Atomkraft eingeladen worden war, musste Bundesumweltminister Gabriel, frisch von der Weltklimakonferenz auf Bali zurückgekehrt, das Rollenfach der ökologischen Vernunft übernehmen. Er tat das mit Verve, Kompetenz und einer rhetorischen Eleganz, die in der politischen Klasse ziemlich selten geworden ist. Ein paar diskursive Bühnentricks hatte er auch zu bieten - ohne dramaturgische Zuspitzung geht eben nichts mehr in der Fernsehöffentlichkeit.

"Es geht doch um die Menschen, nicht ums Geschäft" Gabriel wies noch einmal nüchtern darauf hin, dass der Anteil der Atomenergie am CO2-relevanten Energieverbrauch der Welt bei zwei bis drei Prozent liege, Tendenz sinkend. Unzählige Meiler müssten in den nächsten Jahren aus Altersgründen abgeschaltet werden, während der Bau neuer AKW ins Stocken geraten sei. Eine "Irrsinnsdebatte" nannte er die Pseudodiskussion über die Frage, ob mehr Kernspaltung das Klima retten könne.

Das aber focht Ulf Merbold, seines Zeichens Wissenschaftler und emeritierter deutscher Astronaut, keineswegs an. Wie in alten Zeiten plädierte er für die "saubere" Atomenergie. Dreißig Tonnen radioaktive Abfälle pro Jahr und Meiler seien doch besser als mehrere Millionen Tonnen CO2 eines konventionellen Kraftwerks. Das wiederum brachte Hiltrud Hensen, besser bekannt als "Hillu" Schröder, des Ex-Kanzlers Ex, auf die Yucca-Palme. "Es geht doch um die Menschen, nicht ums Geschäft", sagte sie. Seit Jahren hilft sie krebskranken Kindern aus Tschernobyl. Etwas verloren wirkte der Abenteurer und Polarforscher Arved Fuchs. In der Arktis verfolgt er den Klimawandel aus nächster Nähe und weigert sich dennoch, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben und durch mehr Kernkraft die ökologischen Risiken noch zu vergrößern. Zum Märchenerzähler des Abends avancierte der deutsch-chinesische Reiseunternehmer Mang Chen, der sich kaum halten konnte vor Lob für den Umwelt- und Klimaschutz in China, wo man gleich dreißig neue Atomkraftwerke plant. Wenn es überhaupt Umweltverschmutzung in China gebe, stamme sie aus alten deutschen Industrieanlagen, die man in der Not importiert habe.

Wo so viel Wahrheitsliebe herrscht, hilft nur noch das weise Lächeln des Abendlands. Sehr viel mehr tat Moderatorin Anne Will gestern auch gar nicht, und mit Verlaub: Man merkte ihr trotz aller redaktionellen Vorbereitung an, dass dies alles nicht gerade ihr Lieblingsthema war. Trotzdem schön, dass wir wieder mal drüber gesprochen haben.

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Welt am Sonntag, 16.11.07

Sorge um die Kinder in der Elbmarsch

von Freia Peters

Eine Studie bestätigte das, was die Anwohner der Unterelbe seit Langem glauben. Mit zunehmender Nähe zu Kernkraftwerken erhöht sich das Krebsrisiko für Kinder. Rund um das KKW Krümmel gibt es eine weltweit einzigartige Häufung von Leukämiefällen bei Kindern

Es ist kein guter Tag für Familie Brosowski. "Rambo hatte Pflanzen, so Gewächse im Bauch, und jetzt ist er tot!", sagt die sechsjährige Johanna. Am Mittag wurde ihr Kater eingeschläfert, weil er mehrere Tumore hatte. Die Brosowskis leben in Marschacht, eine halbe Stunde östlich von Hamburg, direkt an der Elbe. Eigentlich ist das eine herrliche Wohngegend. Wären da nicht das Forschungszentrum Geesthacht, das einen atomaren Forschungsreaktor betreibt, und das Kernkraftwerk Krümmel, die direkt nebeneinander auf der anderen Seite des Flusses liegen.

Der graue Kasten mit dem langen Schlot steht etwa 1500 Meter Luftlinie vom Haus der Brosowskis entfernt. Johanna erzählt, er werde nachts angestrahlt und sehe schön aus, weil sich das Licht im Wasser spiegele. Es gibt nicht viele Bewohner der Gegend, die das Kernkraftwerk mögen. Einige sind weggezogen. Die, die geblieben sind, sind sich einig in ihrer Forderung, das KKW schnellstmöglich abzuschalten. Eine Studie des Deutschen Kinderkrebsregisters Mainz bestätigte nun das, was die Bewohner der Elbmarsch seit Langem glauben. Mit zunehmender Nähe zu Kernkraftwerken erhöht sich das Risiko für Kleinkinder, an Krebs und Leukämie zu erkranken. "Man hofft natürlich immer, dass es bei den eigenen Kindern nicht passiert", sagt Johannas Mutter Sabine Brosowski. "Aber es bleibt ein Unbehagen." Wegzuziehen käme für die Familie trotzdem nicht infrage. "Wir waren zuerst da, fortzulaufen ist nicht unser Ding."

1983 ging das Kernkraftwerk Krümmel ans Netz. Seit 1990 sind in der Elbmarsch 18 Kinder an Leukämie erkrankt, dreimal so viele, wie statistisch zu erwarten gewesen wären. In der Gegend rund um Krümmel gibt es das, was Mediziner ein "Leukämie-Cluster" nennen. Nirgendwo auf der Welt gibt es eine solche Häufung von Blutkrebserkrankungen wie in der Samtgemeinde im Urstromtal der Elbe, in einem nur wenige Quadratkilometer großen Gebiet zwischen Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Vier der erkrankten Kinder sind mittlerweile gestorben.

Die jüngste Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) rief Erstaunen hervor. Noch vor wenigen Jahren hatte das Amt einen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen von Kindern und der Nähe zu Kernkraftwerken "definitiv ausgeschlossen". Auf Betreiben der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges hatte das BfS im folgenden Jahr erneut eine Studie in Auftrag gegeben. Diesmal wurde eine präzisere Methode zugrunde gelegt. Die neuen Ergebnisse belegen nun die Zusammenhänge. Ursachen zeigen sie aber nicht auf. Was die Erkrankung letztlich auslöst, bleibt offen.

Heftig wird die Studie seitdem unter Politikern diskutiert, und die Debatte über die Stilllegung von Kernkraftwerken ist von Neuem entfacht. Umweltminister Sigmar Gabriel wiegelt ab: "Die Strahlenbelastung der Bevölkerung müsste um mindestens das Tausendfache höher sein, um den beobachteten Anstieg des Krebsrisikos erklären zu können." Und das BfS, im Auftrag des Bundes für die Zulassung der deutschen Kernkraftwerke verantwortlich, stellte klar, dass die Studie keinen Beweis für einen Zusammenhang zwischen dem Betrieb einer Kernanlage und den erhöhten Leukämiefällen darstellt. "Es gibt Hinweise auf Zusammenhänge, aber keine Beweise", sagt Präsident Wolfram König.

"Lächerlich" nennt Eberhard Forkel das. "Wer will denn den Zusammenhang zwischen den erkrankten Kindern und dem Atomkraftwerk jetzt noch ernsthaft in Zweifel ziehen?" Zehn Jahre lang hatte der Allgemeinmediziner aus der Elbmarsch keinen einzigen Fall von Kinderleukämie in seiner Praxis. 1990 hatte er plötzlich fünf Kinder in Behandlung, die an Blutkrebs erkrankt waren. Die dreijährige Janne hatte stecknadelkopfgroße blaue Flecken auf dem Rücken. Eine Blutuntersuchung brachte dieselbe Diagnose wie bei Jens, 3 Jahre, Monika, 7 Jahre, Nicole, ein Jahr, und Leon, 9 Jahre, der drei Monate später starb: Leukämie.

Forkel meldete die seltsame Häufung der Fälle der Gesundheitsbehörde. "Ich schlug Alarm, aber es passierte nichts", sagt Forkel. Nur zögerlich wurde eine Untersuchungskommission eingerichtet. In den darauffolgenden Jahren stritten sich Mediziner, Wissenschaftler und Politiker um Gutachten und Gegengutachten. Nach vergeblicher Ursachenforschung löste sich 2004 die Leukämie-Kommission auf. Sechs der acht Wissenschaftler legten ihre Ämter unter Protest nieder. "Es wurde alles getan, um unsere Arbeit zu behindern", sagte der Vorsitzende Professor Ottmar Wassermann. Insbesondere bei der Kieler Landesregierung sei die Kommission über Jahre auf eine Mauer des Schweigens und der Ablehnung gestoßen.

Die Bürgerinitiative gegen "Leukämie in der Elbmarsch" engagierte den Experten für Plutonium-Bestimmung Wladislaw Mironow von der Universität Minsk. In den Bodenproben rund um Krümmel fand er winzige Kügelchen, die eine tödliche Wirkung haben können: Sie enthalten Uran aus Wiederaufbereitungsanlagen. Auf die Frage, wie eine solche Verseuchung zustande kommen kann, antwortete Mironow: "Das sollten sie versuchen in Deutschland zu klären."

Eine Hypothese ist, dass es am 12. September 1986 im Kernforschungszentrum Geesthacht einen Störfall gab. Bei einem geheimen Versuch mit nuklearem Sprengstoff seien die urangetränkten Kügelchen freigesetzt worden. Es gibt Augenzeugen, die von Feuerschein und blau-gelbem Rauch berichten, der aus dem Forschungszentrum Geesthacht quoll. Die Landesregierung dementierte den Verdacht umgehend als "absurd und abwegig". Die Mitglieder der Bürgerinitiative jedoch glauben, dass ein deutscher Atomunfall kurz nach dem GAU in Tschernobyl vertuscht werden sollte. "Die zivile Nutzung von Atomkraft wäre am Ende gewesen", sagt Uwe Harden, Bürgermeister von Drage in der Elbmarsch. "Der ganze Bereich ist im Griff der Lobby. Alle wichtigen Positionen sind von Atomkraftbefürwortern besetzt."

Tatsächlich wurde in den 80er-Jahren in Geesthacht Atomforschung betrieben, während die Wissenschaftler dort heute an Unterwasserforschung arbeiten. Die verstrahlten Kügelchen sind noch immer im Boden auf beiden Seite der Elbe zu finden. Und die Serie der Erkrankungen reißt nicht ab.

Die jüngste Diagnose traf die 13-jährige Anna-Lena. "Jetzt hat's Anna erwischt", schrieb die "Bild" am 10. Oktober 2006. Zu Beginn des vergangenen Jahres hatte es auch Onne und Nils getroffen, beide 16 Jahre alt. "Die neuen Erkrankungen können nicht auf ein Ereignis vor 20 Jahren zurückgeführt werden", sagt Mediziner Forkel. Das bedeute, das Kernkraftwerk verursache auch im Normalbetrieb ein erhöhtes Krankheitsrisiko.

"Wir sind die Bevölkerung hier, wir sind die Menschen, die hier in diesem Land leben, und wir haben ein Recht auf Aufklärung und Ehrlichkeit", sagte Nils' Mutter Susanne Gelpke noch vor wenigen Monaten. "Man bricht innerlich zusammen, wenn das Kind, das man gesund geboren hat, so todkrank ist." Nils hat in der vergangenen Woche eine Knochenmarktransplantation bekommen. Es geht ihm gut. Aber noch ist nicht klar, ob sein Körper das neue Knochenmark annimmt.

Die Bundesregierung kündigte am Donnerstag eine sorgfältige Prüfung der jüngsten Krebsstudie an. Das macht den Kindern und Eltern in der Elbmarsch neue Hoffnung. Doch die Juristin Sabine Brosowski ist skeptisch. Sie weiß, dass nur Beweise überzeugen werden. "Wie aber sollen diese Beweise aussehen? Es steht an den Krebszellen nun mal nicht dran: ,Ich komme aus dem Atomkraftwerk.'" Deshalb plädiert die Regierungsrätin dafür, Indizien sprechen zu lassen. "Es sind auch schon Mörder verurteilt worden, obwohl es keine Leiche gab", sagt sie. "Reichen kranke Kinder nicht aus?"

Die Bürgerinitiative fordert die Beweislast umzukehren, sodass die Betreiber der Kernkraftanlagen darlegen müssen, dass ihr Betrieb keine Schädigung von Menschen verursacht. Christa Rehr unterstützt die Forderung und hofft, dass die Studie nun zu einer lückenlosen Aufklärung führt. "Ich habe meinem Sohn auf dem Sterbebett versprochen, nicht aufzuhören, und ich bin froh, dass es jetzt weitergeht", sagt Rehr, deren Sohn mit 21 Jahren an Leukämie starb.

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Sonnenseite.de 15.12.2007

Energiewende: 100 % erneuerbare Energie für Deutschland

Verschiedene Studien für deutsche Bundesländer, für ganz Deutschland und für Europa haben aufgezeigt, dass spätestens bis zum Jahr 2050 eine 100-Prozent-Versorgung mit erneuerbaren Energien in den Bereichen Strom, Wärme und Verkehr problemlos möglich ist.

In Deutschland geht der dezentrale Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor zügig voran. 2007 lag er schon bei fast 15 Prozent. Sofern die gegenwärtigen politischen Rahmenbedingungen von der Bundesregierung nicht verschlechtert werden, dürfte bei annähernd gleichbleibendem Ausbautempo schon im Jahr 2012 ein 20-Prozent-Anteil erreicht sein. Im Jahr 2025 wäre mit 35 Prozent zu rechnen.

Das Ausbautempo könnte genauso gut aber auch beschleunigt werden. Schon bis 2020 könnte allein über die Windenergie ein 33-Prozent-Anteil an der Stromerzeugung auf heutigem Niveau realisiert werden. Dies kann gelingen, wenn bundesweit 20.000 neue 4,5 Megawatt-Windkraftanlagen errichtet werden. Diese könnten 200 Milliarden Kilowattstunden Strom liefern, was 33 Prozent der derzeitigen Bruttostromerzeugung von etwa 605 Milliarden Kilowattstunden entspricht.

Atomkraftwerke sind ersetzbar

Die gesamte derzeitige Erzeugung von 167 Milliarden Kilowattstunden aus deutschen Atomkraftwerken könnte also schon bald allein durch Windenergie ersetzt werden.

Die 20.000 Windkraftanlagen könnten großteils an Bundesfernstraße und ICETrassen errichtet werden. Zum Vergleich: In Deutschland stehen über 200.000 Hochspannungsmasten, von denen ein Großteil abgebaut werden kann, wenn atomare und fossile Großkraftwerke durch Windkraftanlagen und andere Anlagen erneuerbarer Energien ersetzt werden. Die ambitionierte Windkraftnutzung führt also zu Landschaftsgewinnen.

In Deutschland gibt es gegenwärtig etwa 6000 Kleinwasserkraftanlagen. Im Jahr 1900 gab es jedoch noch über 60.000 Wasserkraftnutzungsrechte. Mit einer Vergabe von 30.000 neuen Wassernutzungsrechten auf der Basis leistungsfähigerer Technik ergibt sich hieraus eine installier bare Zusatzkapazität an Wasserkraft von etwa 10.000 Megawatt, womit der Wasserkraftanteil in Deutschland auf etwa 50 Milliarden Kilowattstunden verdoppelt werden kann.

Noch viel Platz für Photovoltaik

Bei unveränderter Einführungsdynamik der photovoltaischen Stromerzeugung ist bis 2020 in Deutschland eine Gesamtkapazität von 20.000 Megawatt möglich. Dies entspricht einer Kraftwerksersatzleistung gegenüber konventionellen Kraftwerken von etwa 5000 Megawatt und einer Jahresproduktion von 20 Milliarden Kilowattstunden. Das Potenzial der Photovoltaik ist jedoch wesentlich größer: Neuere Studien gehen in Deutschland von 2,3 Milliarden Quadratmetern nutzbarer Flächen allein auf Dächern und Gebäuden aus, welche bei einer theoretischen vollständigen Belegung bis zu 40.000 Megawatt Kraftwerksleistung ersetzen könnten, also den halben deutschen Kraftwerkspark. Solaranlagen auf Freiflächen sind hierbei noch nicht berücksichtigt.

Der Einsatz von Bioenergie in der Kraft- Wärme-Kopplung könnte bis zum Jahr 2020 weitere 60 Milliarden Kilowattstunden Strom liefern.

Das zeigt, dass Wind, Wasser, Sonne und Biomasse im Jahr 2020 mindestens 330 Milliarden Kilowattstunden Strom und somit 55 Prozent der heutigen Stromerzeugung liefern können. Der Anteil bis 2020 kann noch deutlich höher liegen, wenn die Photovoltaik schneller ausgebaut wird und wenn der Stromverbrauch reduziert wird. Würde der Strombedarf bis 2020 beispielsweise auf 520 Milliarden Kilowattstunden sinken, dann entsprächen die 330 Kilowattstunden bereits 63 Prozent. Würde die Photovoltaik im Jahr 2020 nicht nur 20 Milliarden Kilowattstunden, sondern 100.000 Milliarden beisteuern, dann läge der Anteil der erneuerbaren Energien schon bei fast 80 Prozent der Stromerzeugung.

Die Abschätzungen zeigen, dass eine 100-Prozent-Versorgung schon bald nach dem Jahr 2020 erreichbar ist, vorausgesetzt, die politischen Weichen werden entsprechend gestellt.

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PM ,15.12.2007

AKW Gundremmingen: Krebserkrankungen - Fakten im Auge behalten

Je näher Kinder an Atomkraftwerken wohnen, desto höher ist ihr Risiko, an Krebs zu erkranken. Im Umkreis bis 5 km Entfernung um die deutschen Atomkraftwerke war im Untersuchungszeitraum von 1980 bis 2003 das Risiko für unter 5-jährige Kinder an Krebs zu erkranken 60 % und an Leukämie ('Blutkrebs') zu erkranken gar 120 % höher als im Landesdurchschnitt.

Gott sei Dank erkranken insgesamt relativ wenige Kinder an Krebs. Aber nach Aussagen des externen Expertengremiums muß man im Umkreis bis 50 km Entfernung um die deutschen AKW von 1980 bis 2003 von mindestens 121 bis 275 durch die Atomkraftwerke verursachte zusätzliche Krebserkrankungen ausgehen.

Hinter diesen Feststellungen der Experten steht großes persönliches Leid der Betroffenen. Bei der notwendigen politischen Diskussion sind vier Punkte bemerkenswert:

1. Jahrzehntelang wurde in der Region um das AKW Gundremmingen debattiert, ob dort mehr Menschen an Krebs erkranken. In Gundremmingen läuft Deutschlands größtes Atomkraftwerk und dieses besteht aus den zwei Siedewasserreaktoren B und C, die bauartbedingt zu hohen radioaktiven Emissionen über den Kamin führen. In manchen Jahren steht so das AKW Gundremmingen an der Spitze der Radioaktivitätsemittenten Deutschlands. Und die Gegend ist vorbelastet durch den im Januar 1977 durch einen Unfall mit Totalschaden still gelegten Block A. Die Studie wurde nach langem Druck speziell der Ulmer Ärzteinitiative und deren Dachorganisation IPPNW im Jahr 2001 durch das Bundesamt für Strahlenschutz in Auftrag gegeben. Pikanterweise wurde mit der Durchführung das Deutsche Kinderkrebsregister (DKKR) bei der Universität Mainz beauftragt. Die dortigen Wissenschaftler hatten in den 1990er Jahren in zwei Studien festgestellt, dass es keinen epidemiologischen, also statistischen Zusammenhang zwischen der Zahl der Kinderkrebserkrankungen und den deutschen AKW-Standorten gebe. Mit der jetzt unter Beobachtung externer Experten angefertigten Studie müssen die Mainzer sich korrigieren. Entsprechend gewunden klingen manche Äußerungen der verantwortlichen Professorin Maria Blettner.

2. Im Umfeld mancher Atomkraftwerke wird die Untersuchung der Kinderkrebserkrankungen behindert. Frühere finanzielle Zuwendungen und mentale Blockaden behindern die medizinische Aufklärung. Sogar die Wissenschaftler des Kinderkrebsregisters schreiben: "dass sich Gemeinden in der Nähe von Kernkraftwerken bei der Bereitstellung von Kontrolladressen weniger kooperativ zeigten als weiter entfernt gelegene". Und: "In der inneren 5km-Zone war die Teilnahmebereitschaft deutlich niedriger, . . Wir interpretieren das dahingehend, dass den Familien, die in unmittelbarer Umgebung eines Kernkraftwerks wohnen, dieser Umstand sehr wohl bewusst ist, und sie daher bei Befragungen eher zurückhaltend sind." (aus der Zusammenfassung des DKKR, Seiten I und III). Man muss daran erinnern, dass wie wohl alle deutschen Atomkraftwerke auch das AKW Gundremmingen systematisch Vereine, Schulen, Kirchen, Kindergärten usw. mit Spenden um 1.000 Euro bedenkt, und "düngt". Dies ist angesichts steuerfrei angesammelter Milliarden (RWE als Haupteigentümer des AKW Gundremmingen macht täglich über 13 Millionen Euro Gewinn!) nicht einmal großzügig, sondern nur berechnend. Besonders schamlos, dass das AKW Gundremmingen sogar versucht hat, das Wohlverhalten der Elternvereinigung krebskranker Kinder mit solch einer Tausend Euro Spende zu gewinnen. Aus dem 1991-Geschäftsbericht des Deutschen Atomforums e.V., der Propagandaorganisation der Atomindustrie, geht übrigens hervor, dass damals dort sogar der Landkreis Günzburg Mitglied war. Ob heute noch, wissen wir nicht.

3. Die jetzt vorgestellte Studie hat mit dem größten bisher weltweit betriebenen wissenschaftlichen Aufwand die gesundheitlichen Gefahren im Umkreis bis 50 km Entfernung untersucht. Ihr Ergebnis weist zudem in die gleiche Richtung wie die im Sommer 07 im "European Journal of Cancer Care" veröffentlichte Metaanalyse von Professor Peter Baker et al von der Medizinischen Fakultät der Universität South Carolina. Diese Wissenschaftler haben "die Ergebnisse von 17 internationalen Studien aus den Jahren 1984 bis 1999 ausgewertet. Dabei wurde die Umgebung von 136 Kernkraftwerken in Deutschland, den USA, Kanada, Großbritannien, Japan, Frankreich und Spanien untersucht. Ihr Fazit: Je nach Entfernung vom Atommeiler ist das Risiko für Leukämieerkrankungen in der Altersgruppe bis neun Jahre um bis zu 21 Prozent gegenüber der Normalbevölkerung erhöht; je näher am AKW, desto größer die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung. Auch die Sterberate ist nach dieser Untersuchung signifikant höher." (Rheinischer Merkur 2.8.07)

4. Radioaktive Strahlung die Ursache? All diese Studien zeigen, dass die Atomkraftwerke die Ursache der überdurchschnittlich vielen Krebserkrankungen sind! Sie zeigen nicht, dass es die radioaktive Strahlung ist. Theoretisch könnte auch noch etwas anderes Krankmachendes von den AKW abgegeben werden. Am Tag genau 45 Jahre nach Genehmigung von Deutschlands erstem Atomkraftwerk (der Gundremminger Block A wurde am 14. Dezember 1962 genehmigt) fordern wir, dass die AKW-Betreiber endlich erklären, wie sie die steigenden Zahlen von Krebserkrankungen verursachen. Warum schweigt sich das AKW Gundremmingen über den Kamin des AKWs aus und behauptet faktenwidrig, das AKW sei ein geschlossenes System? Tut die Aufsichtsbehörde, das Bayerische Umweltministerium alles, um die Abgabe der radioaktiven Emissionen korrekt zu kontrollieren oder verlässt man sich in manchen Bereichen einfach auf die Angaben der Verursacher?

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WDR 14.12.2007

Gefährliche Atomanlagen auch in NRW?

Umweltschützer fordern Untersuchungen

Von Nina Magoley

In der Umgebung von Atomkraftwerken erkranken Kinder häufiger an Blutkrebs - das belegt eine neue Studie eindeutig. Geht von Atomanlagen wie in Ahaus oder Gronau auch Gefahr aus? Umweltschützer fordern Untersuchungen auch für NRW.

Die Studie, die das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) vergangene Woche vorlegte, scheint die Befürchtungen der Gegner von Atomkraft zu bestätigen: Kleinkinder, die im Umkreis von fünf Kilometern um ein Atomkraftwerk leben, haben ein erhöhtes Risiko, an Leukämie zu erkranken. Die Untersuchung, die vom Kinderkrebsregister in Mainz durchgeführt wurde, gilt als die bisher umfassendste und aussagekräftigste: An 16 Standorten mit insgesamt 22 Atomkraftwerken wurden die Krebsfälle bei Kindern gezählt und ausgewertet. Eine unabhängige Expertenkommission bestätigte die Studie als fehlerfrei durchgeführt und "belastbar". Unklar ist allerdings noch die genaue Ursache, die zu den gehäuften Erkrankungen geführt hat.

Warum wurde NRW nicht mit untersucht?

Umweltbündnisse in NRW fordern nun auch die Untersuchung der Atomanlagen in NRW. Zwar ist hierzulande kein Atomkraftwerk mehr in Betrieb, im Fokus der Kritiker stehen dennoch das Atommüll-Zwischenlager im münsterländischen Ahaus und die Urananreicherungsanlage in Gronau. Auch die Umgebung des ehemaligen Atomkraftwerks Hamm-Uentrop, das 1988 nach Störfällen stillgelegt wurde, müsse dringend untersucht werden, sagt Matthias Eickhoff, Sprecher des "Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen". Es sei unverständlich, dass Ahaus, Gronau und Hamm nicht in die Studie mit einbezogen wurden. "Unseren Recherchen nach stellen Kinderärzte in Ahaus seit Jahren erhöhte Krebsanfälligkeit bei den Kindern der Umgebung fest. Diese Zahlen werden dem Kinderkrebsregister in Mainz regelmäßig gemeldet." Eickhoff fordert eine Auswertung auch dieser Daten.

Ursache für Krebserkrankungen noch unklar

Dass die NRW-Standorte nicht in die Studie mit einbezogen wurden, hat einen statistischen Grund, sagt Florian Emrich vom Bundesamt für Strahlenschutz: "Um die Ergebnisse absolut vergleichbar zu machen, mussten die Eckdaten der untersuchten Orte übereinstimmen." So waren an allen ausgewerteten 16 Standorten Atomanlagen im selben Zeitraum, von 1980 bis 2003, in Betrieb. Das Zwischenlager Ahaus aber ging erst 1997 in Betrieb, die Urananreicherungsanlage Gronau läuft seit 1985. Außerdem gehe man davon aus, dass die Strahlenemission bei Atomkraftwerken am größten ist. Dass es notwendig ist, die NRW-Standorte ebenfalls zu untersuchen, schließt der BfS-Experte dennoch nicht aus. Allerdings sollten die vorliegenden Ergebnisse zunächst weiter ausgewertet werden, denn: "Bisher wissen wir nur, dass es einen Zusammenhang zwischen Atomkraftwerken und Krebserkrankungen gibt. Wir wissen aber nicht, ob die Strahlung oder etwas anderes die Ursache dafür ist."

"Kommt nur das raus, was rauskommen darf?"

Unterstützung bekommen die Atomkraftgegner auch von ärztlicher Seite: Seit Jahren schon würden Ärzte, die in der Nähe von Atomanlagen praktizieren, einen Anstieg der Krebsfälle bei Kindern feststellen, sagt Angelika Claußen, Vorsitzende der Organisation "Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges". Auch Kollegen in Ahaus hätten das immer wieder vermeldet. Auf Druck der Ärzteorganisation gab das Bundesamt für Strahlenschutz schließlich die jetzt vorliegende Studie in Auftrag. "Jetzt muss unbedingt weiter nach den Ursachen für die Krebsentstehung geforscht werden, auch in NRW", sagt Claußen: "Kommt aus diesen Anlagen wirklich nur das heraus, was herauskommen darf?"

"In Hamm gibt's nichts zu messen"

Bei der NRW-Landesregierung wird erst einmal abgewartet. Im zuständigen Energieministerium gibt man die Verantwortung weiter: "Wir wollen zunächst eine einheitliche Stellungnahme der Bundesregierung abwarten", sagt Ministeriumssprecher Joachim Neuser. Dann erst soll entschieden werden, ob auch in Ahaus oder Gronau Untersuchungen notwendig sind. "Vorher können wir nicht tätig werden." Im Bundestag sorgte die Studie am Donnerstag (13.12.07) für eine hitzige Debatte. Während die Opposition das Ergebnis als Bestätigung einer Absage an Atomkraft wertete, kritisierte die Unionsfraktion, dass die Studie "nur" statistische Zusammenhänge und keine Ursachen aufzeige. Aus dem Bundesumweltministerium hieß es, man müsse die Ursachen nun erforschen.

Dass um das damals störanfällige, stillgelegte Atomkraftwerk Hamm-Uentrop Untersuchungen notwendig sein könnten, kann Neuser für das NRW-Energieministerium jetzt schon verneinen. "Die Studie hat ja auch nur in Betrieb befindliche Atomanlagen einbezogen." Das Werk in Hamm wurde dagegen 1988 abgeschaltet und einbetoniert. "Da gibt's also nichts mehr zu messen", stellt Neuser klar.

Gefahr auch an den Landesgrenzen?

"Völliger Quatsch", empört sich dagegen Atomkraftgegner Matthias Eickhoff. "Radioaktivität verschwindet nicht über Nacht." 1986 war es in Hamm zu einem Störfall gekommen, bei dem radioaktive Elemente in die Umgebung ausgetreten waren. Das Aktionsbündnis weist die Landesregierung noch auf weitere mögliche Gefahren hin: "Mit den Atomkraftwerken in Lingen und Grohnde an der Weser liegen zwei Anlagen dicht an den Landesgrenzen NRWs", erklärt Eickhoff. Nach den Erkenntnissen der neuen Studie steigt die Krebshäufigkeit bei Kindern wahrscheinlich nicht nur im Umkreis der untersuchten fünf Kilometer um ein Atomkraftwerk, sondern bis zu 50 Kilometer erkennbar an. "Das kann niemandem behagen, egal ob Gegner oder Befürworter der Atomkraft."

Für Sonntag (16.12.07) lädt das Aktionsbündnis zu einem "Spaziergang" am Zwischenlager Ahaus.

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WDR 13.12.07 und die Lokalsender im Münsterland sendeten heute Interview mit Bürgermeister Büter (Ahaus)

Krebsgefahr in Ahaus?

Die Stadt Ahaus lässt jetzt untersuchen, ob es auch rund um das Brennelementezwischenlager vermehrt zu Krebserkrankungen kommt. Dazu wurde eine entsprechende Anfrage an das Krebsregister NRW in Münster gestellt. Ergebnisse sollen voraussichtlich in einer Woche vorliegen. Eine Studie des Bundesamts für Strahlenschutz hatte ergeben, dass das Risiko für Krebserkrankungen bei Kindern ansteigt, je näher ihr Wohnort an einem Kernkraftwerk liegt.

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WDR Nachrichten aus dem Münsterland vom 11.12.2007

Atominitiativen fordern Krebsstudie

 

Nach der Studie über Krebserkrankungen in der Umgebung von Kernkraftwerken fordern die münsterländischen Anti-Atom-Initiativen eine ähnliche Studie für Ahaus und Gronau. Es müsse festgestellt werden, ob es auch um das Brennelementezwischenlager und um die Urananreicherungsanlage eine Häufung der Krebsrate bei Kindern gebe. Auch die Umgebung des ehemaligen Reaktors in Hamm müsse untersucht werden.

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dpa 11. Dezember 2007

Atomkraftgegner wollen Krebsstudien an NRW-Atomstandorten

Ahaus (wl) - Nach Bekanntwerden einer Studie über die Häufung von Blutkrebsfällen bei Kindern in der Nähe von Atommeilern haben Umweltschützer auch Untersuchungen in NRW gefordert.

Die Umgebung des Brennelemente-Zwischenlagers in Ahaus, der Urananreicherungsanlage in Gronau sowie des 1989 nach technischen Problemen stillgelegten Hochtemperatur-Reaktors in Hamm-Uentrop müsse auf eine Häufung von Krebsfällen untersucht werden, verlangte das Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen am Dienstag. Die Umweltschützer sähen sich in ihrer Sorge bestätigt, dass auch Niedrigstrahlung unterhalb geltender Grenzwerte zu Schädigungen führen könne.

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Lippe Welle 11.1207:

Erhöhen Kernkraftwerke das Krebsrisiko?

Die Studie, wonach es in der Umgebung von Kernkraftwerken erhöhte Krebsraten bei Kindern gibt, hat die Atomkraftgegner auf den Plan gerufen: Sie fordern die Landesregierung auf, auch die Anlagen in Gronau und Ahaus zu untersuchen sowie die Umgebung des THTR in Hamm. Bis zu seiner Stillegung im Jahre 1989 habe es hier schwere Pannen gegeben. Durch die Studie sehen sich die Anti-AKW-Initiativen bestätigt. Denn sie zeige, daß auch die sogenannte Niedrigstrahlung unterhalb der zulässigen Grenzwerte gesundheitlliche Schäden verursachen könne.

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Münstersche Zeitung 12.12.07:

Was ist mit Ahaus?

Von Manfred Elfering

AHAUS „Wir wollen endlich wissen, wie es um die Gefährdung der Menschen rund um das Zwischenlager in Ahaus und die Urananreicherungsanlage Gronau steht", fordert Felix Ruwe, Sprecher der Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus".

Der Widerstand geht weiter: Felix Ruwe und Burkhard Helling von der Ahauser Bürgerinitiative vor dem Zwischenlager.

Er ist besonders erbost darüber, dass die jüngst veröffentlichte Kinderkrebsstudie an Atomkraftwerken nicht auf Standorte wie Ahaus, Gronau oder auch Gorleben ausgedehnt worden ist. „Wir fragen uns, ob auch hier eine ähnliche Häufung der Krebsraten bei Kindrn oder Erwachsenen zu beobachten ist."

Strahlenschutz-Studie

Fakt ist: Die vom Bundesamt für Strahlenschutz in Auftrag gegebene Studie hat einen deutlichen Anstieg an Leukämieerkrankungen im Umfeld von Kernkraftwerken ergeben. Damit sehen die Atomkraftgegner ihre ständigen Warnungen bestätigt: Auch die so genannte „Niedrigstrahlung" unterhalb gültiger Grenzwerte könne gesundheitliche Schäden wie Krebserkrankungen verursachen. Das scheinen auch Gespräche zu bestätigen, die BI-Vorsitzender Burkhard Helling gestern mit verschiedenen Ärzten aus Ahaus und Umgebung geführt hat: „Sie haben übereinstimmend festgestellt, dass die Zahl der Krebsfälle vor Ort signifikant ansteigt, vor allem beim Brustkrebs."

Skandalöser Zustand

Als skandalös bezeichnet es Helling, dass auf der anderen Seite die meldepflichtigen Mediziner selbst keinen Zugriff auf das Krebsregister NRW haben. „Wir fragen uns, warum diese Daten unter Verschluss gehalten werden, und fordern eine Offenlegung." Bis dies geklärt sei, wollen sie einen vollständigen Transport- und Einlagerungsstopp für das Ahauser Zwischenlager erreichen und dafür alle politischen Hebel in Bewegung setzen: vom Stadtrat über den Kreistag bis zum Landtag, Anfragen sind bereits in Vorbereitung.

Appell an die Vernunft

Die erfahrenen Atom-Widerständler beide sind seit etwa 20 Jahren in der BI aktiv appellieren dabei auch immer wieder an die Vernunft: „Wenn nachweislich Kinder im Umfeld gefährdet sind, kann man doch nicht so brutal sein, die Kernkraftwerke weiter zu betreiben…"

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Westfälische Nachrichten 12.12.07:

Kritiker fordern Studie für Gronau und Ahaus

Das Zwischenlager in Ahaus soll nach dem Willen der Atomkraftgegner ebenfalls auf seine Gefährlichkeit für Kinder untersucht werden.

Münsterland. Atomkraftgegner aus Westfalen fordern von der Landesregierung NRW und dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) zu prüfen, ob „rund um das Zwischenlager Ahaus und die Urananreicherungsanlage Gronau eine ähnliche Häufung der Krebsraten bei Kindern oder Erwachsenen zu beobachten ist" wie bei Atomkraftwerken. Das geht aus einer Pressemitteilung von fünf Initiativen hervor.

Die Initiativen sehen ihre wiederholten Warnungen bestätigt: „Auch die sogenannte Niedrigstrahlung unterhalb bisher gültiger Grenzwerte kann gesundheitliche Schäden verursachen, bis hin zu schweren Krebserkrankungen", bewertete Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen die Studie des BfS.

Die Langzeituntersuchung hat ergeben, dass Kleinkinder, die im Fünf-Kilometer-Umkreis von Atommeilern aufwachsen, anscheinend ein deutlich höheres Risiko haben, an Blutkrebs zu erkranken, als weiter entfernt wohnende Altersgenossen.

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TAZ 12.12.07:

Nach Äußerung von RWE-Chef

Konzertierte Aktion gegen Biblis

Umweltschützer wollen vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof gegen den Betrieb des "Schrottreaktors" klagen und fordern die Abschaltung des Meilers. VON KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

IPPNW und BUND warnen: Die Sicherheitsstandards von Biblis Block B seien unzulässig.

"Wir können den Reaktor so fahren, dass wir mit den Restlaufzeiten über die nächste Bundestagswahl kommen." Dann habe vielleicht ein Umdenken in der Bevölkerung und bei der Regierung eingesetzt. Darauf jedenfalls setzt RWE-Chef Jürgen Großmann, der sich zur Feier der Wiederinbetriebnahme des AKW Biblis Block B zu dieser Äußerung hinreißen ließ - die Grüne und Umweltschützer prompt zu einer konzertierten Aktion gegen Biblis Block B und zu massiven Protestaktionen provozierte.

Die Grünen im Hessischen Landtag jedenfalls sprachen von einer "unverantwortlichen Haltung" und zogen schon letzte Woche mit gelben Atommüllfässern vor das Umweltministerium in Wiesbaden, dessen Hausherr Wilhelm Dietzel (CDU) sich zur Freude der Betreibergesellschaft RWE Power AG nachdrücklich für eine Verlängerung der Laufzeiten der beiden "Schrottreaktoren" (Grüne) ausgesprochen hatte. Das Landesministerium fungiert als Atomaufsichts- und Atomkontrollbehörde. Dazu starteten BUND und IPPNW, die internationale Organisation der Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, ihre Kampagne "Biblis angeklagt!". Überall in Südhessen und auf der Biblis gegenüberliegenden Rheinseite in Rheinland-Pfalz stecken Atomkraftgegner in diesen Tagen eine Zeitung in Briefkästen: Berichtet wird in dem Blatt mit einer Auflage von 300.000 Exemplaren von den mehr als 150 Sicherheitsdefiziten alleine in Block B und der "mangelhaften Zuverlässigkeit von RWE". Zuletzt mussten dort beide Reaktorblöcke wegen falsch eingebauter Dübel stillgelegt werden, Block B für ein Jahr. Und Block A ist wegen andauernder Reparaturarbeiten noch immer vom Netz.

Dazu kündigten IPPNW und BUND eine Klage gegen Biblis Block B vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof an. Nach dem Atomgesetz nämlich habe der Sicherheitsstandard in einem AKW dem "aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik" zu entsprechen. Der aber sei in Biblis nicht zu konstatieren. Deshalb müsse der Reaktor umgehend abgeschaltet werden.

Die Studie der Universität Mainz über ein erhöhtes Krebsrisiko vor allem von Kindern in einem Radius von 50 Kilometern um ein AKW hat die Atomkraftgegner zusätzlich motiviert. Ursula Hammann von den Grünen im Landtag forderte Umweltminister Dietzel auf, Biblis Block A so lange nicht wieder ans Netz gehen zu lassen, bis die Ursachen für die Leukämiehäufung auch dort genau erforscht seien.

Bürgerinitiativen in Ahaus, Gronau, Hamm, Münster und Waltrop forderten gestern die Landesregierung in NRW und das Bundesamt für Strahlenschutz auf, auch Atombetriebe wie Zwischenlager für Atommüll, Urananreicherungsanlagen und ehemalige Atomkraftwerke in ihre Untersuchungen einzubeziehen. Der Vorsitzende der Strahlenschutzkommission des Bundes, Wolfgang-Ulrich Müller, sagte, ein Zusammenhang zwischen dem Betrieb von AKWs und dem Auftreten von Leukämie sei "kaum belegbar".

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Soester Anzeiger 12.12.07:

THTR nicht untersucht

Bürgerinitiative: "Ausgerechnet der Störfall-Reaktor fehlt in KIKK-Studie"

11.12.2007 • LIPPETALDramatische Schlagzeilen aufgrund der KIKK-Studie (Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken) haben jetzt alte Befürchtungen bestätigt. Auch wenn man noch nicht weiß, warum - es steht wohl fest: In der Umgebung von Kernkraftwerken ist das Krebs-Risiko insbesondere für Kinder-Leukämie offenbar erheblich höher als anderswo. Dass ausgerechnet der Thorium-Hochtemperatur-Reaktor (THTR) in Hamm-Uentrop westlich unmittelbar in Windrichtung an der Gemeinde Lippetal gelegen, nicht untersucht worden ist, das beklagt jetzt die Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm. "Typisch - ausgerechnet der THTR-Störfall-Reaktor wird nicht untersucht!", schreibt Horst Blume von der Bürgerinitiative in einer Stellungnahme.

Und auch Lippetals SPD-Fraktionschef Herbert Schenk schließt sich an. Er kennt selbst aus dem eigenen Umfeld Fälle von Leukämie in der Gemeinde Lippetal. "Das Unbehagen ist auch 18 Jahre nach Abschalten des Reaktors groß", meint Schenk. Hätte die Studie auch den abgeschalteten THTR 300 in Uentrop erfasst, wäre das sicher für viele Bürger und besonders von Krebskrankheiten betroffene sehr beruhigend, so der SPD-Fraktionsvorsitzende. Gerade auch im Hinblick darauf, dass an der Hochtemperatur-Technik weiter geforscht wurde und diese in Südafrika und China und anderen Teilen der Welt wieder eingesetzt werden soll, wären die Ergebnisse einer solchen Studie sehr hilfreich.

Ausgerechnet der Thorium Hochtemperatur-Reaktor in Hamm-Uentrop, der nicht nur durch eine ganze Serie von Pannen von sich Reden gemacht habe, sondern deren Betreiber zeitgleich während der Katastrophe in Tschernobyl im Mai des Jahres 1986 einen gravierenden Störfall massivst zu vertuschen suchten - ausgerechnet dieser Reaktor werde in dieser Studie nicht untersucht. BI-Sprecher Horst Blume: "Es ist unfassbar!"

Die Begründung, von den rund 17 Atomkraftwerken ganz speziell diesen Reaktor auszuschließen, sei fadenscheinig: Forschungsreaktoren und Anlagen mit kurzer Betriebsdauer seien nicht unter die Lupe genommen worden. Blume: "Als ob nicht gerade bei diesen Anlagen mit höchsten Sicherheitsproblemen zu rechnen wäre!"

Von der ersten nuklearen Kettenreaktion im Jahre 1983 bis zu dem Stilllegungsbeschluss im Jahre 1989 sei der der THTR insgesamt 16410 Betriebsstunden gelaufen. Könne das als kurze Betriebsdauer gewertet werden?, fragt sich Blume.

Und weiter: "Im Gegensatz zu dem 15 Megawatt-THTR der Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor (AVR) in Jülich betrug die Leistung des THTR Hamm das Zwanzigfache. Er war nach Angaben der Betreiber (VEW-Chef Knizia) ein Prototyp; stellte also die erste betriebsfähige Ausfertigung einer speziellen Atomanlage dar."

Die Tatsache, dass Filteranlagen und Messgeräte ausgerechnet während des Störfalls 1986 abgeschaltet gewesen seien, veranlasste Tausende von Menschen Zufahrtsblockaden an der Anlage durchzuführen. Der Tritiumstörfall im Jahre 1992, bei dem radioaktives Wasser über lange Zeit in das Erdreich versickerte, zeige, dass auch nach der offiziellen Stilllegung eines Reaktors noch jede Menge passieren kann.

Ein Grund, warum die KIKK-Studie (Untersucht wurden jeweils fünf Kilometer im Umkreis der Kernkraftwerke d. Red.) im Auftrag des Familienministeriums und des Bundesamtes für Strahlenschutz erstellt wurde, ist die mit 17 erkrankten Kindern weltweit höchste Leukämierate in der Elbmarsch in der Nähe des Atomkraftwerkes Krümmel und der Forschungsanlage Gesellschaft zur Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schifffahrt (GKSS). Und dieser Umstand habe, so Blume, eben sehr viel mit Hamm und Umgebung und dem THTR zu tun: Während eines kerntechnischen Experimentes in der GKSS sei es im September 1986 zu einer Explosion gekommen, in deren Verlauf es vermutlich zu einer Freisetzung von radioaktiven Kleinstkügelchen gekommen sei, die Uran, Thorium und Plutonium enthalten. Sie haben einen Durchmesser von weniger als einen halben Millimeter. Genau diese mit dem Auge kaum noch sichtbaren Kleinstkügelchen sind ebenfalls Bestandteil der Brennelementekugeln des THTR Hamm. Mehrere Zehntausend dieser Kügelchen befinden sich in einer großen THTR-Kugel.

Bekanntlich sind während der THTR-Betriebsdauer aufgrund technischer Probleme insgesamt 8000 dieser großen Brennelemente zerstört worden. Da Filter gewechselt und Messgeräte während des Betriebes schon mal abgestellt wurden, könnten diese radioaktiven Kleinstkügelchen unbemerkt durch den Wind weitergetragen worden sein und immer noch irgendwo herumliegen.

In Niedersachsen und Schleswig-Holstein hätten diese freigesetzten Kleinstkügelchen zu etlichen Landtags-Untersuchungskommissionen, heftigen Gutachterstreitereien und 15-jährigen Protesten gegen die Verschleierung eines skandalösen Zustandes geführt.

Es sei naheliegend, dass weder das BfS noch die Bundesregierung ein Interesse daran haben, dass in NRW den radioaktiven Kügelchen des THTR eine ähnliche Aufmerksamkeit zuteil werde, wie in Norddeutschland. Deswegen, so die Vermutung der Hammer Bürgerinitiative, solle wohl der THTR aus der Untersuchung ganz herausgehalten werden. Auf der Strecke, so Horst Blume, blieben das Leben und die Gesundheit der Bürger in der Umgebung von Hamm und Lippetal, das aufgrund der häufigen Westwinde besonders betroffen sein könne.dümi

Weitere Informationen auf der Homepage der Bürger-Initiative www.reaktorpleite.de oder bei Horst Blume, Schleusenweg 10, 59071 Hamm, E-Mail:

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WN 12.12.07:

Krebsdaten aus NRW weltweit verfügbar

Münster. Zahlen zu Krebserkrankungen aus NRW können ab sofort weltweit genutzt werden. Das Krebsregister NRW ist erstmals mit aktuellen Daten aus dem Regierungsbezirk Münster in einem internationalen Bericht der Weltgesundheitsorganisation vertreten. Das teilte das Register am Dienstag mit. Die Daten sind in der neuesten Veröffentlichung des internationalen Krebsforschungszentrum IARC enthalten. Die IARC ist Teil der Weltgesundheitsorganisation und gibt alle fünf Jahre umfangreiche Datenberichte zu Krebsneuerkrankungen auf allen Kontinenten der Erde heraus. Mit den Daten aus dem Regierungsbezirk Münster, in dem etwa 2,7 Millionen Menschen leben, ist nun erstmals auch NRW in diesem Bericht vertreten.

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Junge Welt 12.12.07:

Weitere Studien in AKW-Nähe gefordert

NRW: Antiatombewegung will Untersuchungen über Kinderkrebsfälle in Ahaus, Gronau und Hamm

Von Reimar Paul

Nach Bekanntwerden der Studie über mehr Kinderkrebsfälle in der Umgebung von Atomkraftwerken bleibt der große Aufschrei in der Gesellschaft aus. Auch die Anti-atombewegung hält sich mit Reaktionen bemerkenswert zurück. Eine Ausnahme ist Nordrhein-Westfalen. Hier fordern mehrere Bürgerinitiativen, die Untersuchungen nicht auf Leichtwasserreaktoren zu beschränken. Auch in der Umgebung des Zwischenlagers Ahaus, der Urananreicherungsanlage Gronau und des stillgelegten Thorium-Hochtemperatur-Reaktors (THTR) in Hamm müßten ähnliche Krebsstudien anlaufen.

»Wir wollen wissen, ob auch rund um das Zwischenlager Ahaus und die Urananreicherungsanlage Gronau eine ähnliche Häufung der Krebsraten bei Kindern oder Erwachsenen zu beobachten ist«, sagt etwa Felix Ruwe von der Bürgerinitiative (BI) »Kein Atommüll in Ahaus«. Horst Blume von der BI Umweltschutz Hamm hält es für »besonders skandalös«, daß die Umgebung des ehemaligen Atomkraftwerks in Hamm bislang nicht untersucht wurde. Dabei galt die Anlage bis zu ihrer Stillegung im Jahr 1989 als einer der gefährlichsten Reaktoren.

Der THTR spielt auch bei den offiziell ungeklärten Vorfällen rund um das AKW Krümmel und das Forschungszentrum Geesthacht eine Rolle, in deren Umgebung bekanntlich die weltweit größte Häufung von Leukämie bei Kindern und Jugendlichen festgestellt wurde. Kritische Wissenschaftler vermuten schon lange, daß eine Explosion bei kerntechnischen Versuchen am 12. September 1986 für die Blutkrebsfälle verantwortlich ist. Die Forscher hatten dort radioaktive Kügelchen gefunden, die Uran, Thorium und Plutonium enthalten. »Genau diese für das Auge kaum noch sichtbaren Kleinstkügelchen sind Bestandteil der Brennelemente des THTR Hamm«, sagt Blume.

Für das Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen ist klar, daß auch die sogenannte Niedrigstrahlung unterhalb bisher gültiger Grenzwerte gesundheitliche Schäden bis hin zu schweren Krebserkrankungen verursachen kann. An diesem Sonntag wollen Antiatominitiativen in Ahaus (14 Uhr, BI-Wiese) dafür demonstrieren, daß alle Atomanlagen stillgelegt werden.

Während SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel einen Zusammenhang zwischen Krebsfällen und radioaktiver Strahlung aus den Atomkraftwerken leugnet, versuchen sich Sozialdemokraten in der Opposition als Kernkraft-kritiker. In Niedersachsen fordert Spitzenkandidat Wolfgang Jüttner wahlkampfbedingt sogar einen schnelleren Atomausstieg als bislang geplant. Der Konsens mit den AKW-Betreibern müsse aufgekündigt werden. Voraussetzung für das Abkommen sei nämlich gewesen, daß von den AKW keine Gefahren ausgingen. Diese Bedingung treffe jetzt nicht mehr zu, so Jüttner.

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Deutschland, 2007-12-08

Umweltministerium schließt verzögerten Atomausstieg nicht aus

Wegen Stillstands der Kraftwerke Biblis A und Brunsbüttel: Das Bundesumweltministerium glaubt offenbar nicht mehr daran, noch in dieser Legislaturperiode mit der Umsetzung des Atomausstiegs voranzukommen.

«Dass in dieser Legislaturperiode kein Kernkraftwerk abgeschaltet wird, ist nicht ausgeschlossen», sagte der parlamentarische Staatssekretär Michael Müller (SPD) der Online-Ausgabe des Magazins «Stern». Über diese Entwicklung sei er enttäuscht: «Es wäre ein wichtiges Signal gewesen», sagte Müller. «Aber letztlich geht Sicherheit vor Betrieb.

Da die beiden Kernkraftwerke Brunsbüttel und Biblis A aufgrund technischer Pannen seit Monaten stillstehen und die Restlaufzeit unangetastet bleibt, verschiebt sich die Abschaltung in die kommende Wahlperiode.

Müller warnte die Union vor einer erneuten Debatte über den Ausstieg: «Dann haben wir wieder innenpolitischen Krieg, die alten Fronten werden wieder aufgemacht», sagte er stern.de. Er kritisierte auch die Energiekonzerne, die auf andere Mehrheiten im Bundestag warten: Sie hätten den Atomkonsens nicht aus Überzeugung unterzeichnet, sondern allein aufgrund von politischem Druck. «Sie stehen nicht dazu», sagte Müller. «Das zeigt, dass man mit den Unternehmen nur begrenzt Verträge abschließen kann.

Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Dietrich Austermann (CDU) kündigte an, bei anderen Mehrheiten im Bundestag den Atomkonsens wieder in Frage zu stellen. Sollte es 2009 zu einem Regierungswechsel kommen, werde über die Anträge zur Verlängerung der Laufzeiten «komplett neu entschieden», sagte Austermann stern.de. «Ich bin klar dafür, sie zu verlängern.» Er kündigte an, dass die Betriebserlaubnis für Brunsbüttel in den kommenden Wochen erteilt werde. Es könne nicht sein, dass «funktionierende Kernkraftwerke abgeschaltet werden».

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Frankfurter Rundschau 10.12.2007

Leukämie

Kinder, Krebs und Kernkraft

Berlin. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) lässt eine Studie prüfen, derzufolge Kleinkinder in der Umgebung von Atomkraftwerken mit einem erhöhten Krebsrisiko aufwachsen. Nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand lasse sich dies nicht durch die Strahlenbelastung aus den Atommeilern erklären, sagte Gabriel am Wochenende in Berlin. "Die Strahlenbelastung der Bevölkerung müsste durch den Betrieb der Atomkraftwerke in Deutschland um mindestens das 1000-fache höher sein, um den beobachteten Anstieg des Krebsrisikos erklären zu können." Die Strahlenschutzkommission solle die Studie nun bewerten.

Die im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz erstellte "Epidemiologische Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken" kommz zu dem Ergebnis, dass die Häufigkeit insbesondere von Leukämieerkrankungen bei Kindern unter fünf Jahren mit der Nähe zu einem der 16 Reaktorstandorte zunehme. Die Forscher unter der Leitung der Mainzer Epidemiologin Maria Blettner stellten fest, dass zwischen 1980 und 2003 im Umkreis von fünf Kilometern um die Reaktoren 77 Kinder an Krebs, davon 37 an Leukämie, erkrankt waren. Im statistischen Durchschnitt seien 48 Krebs- beziehungsweise 17 Leukämiefälle zu erwarten gewesen. Etwa 20 Neuerkrankungen seien also allein auf das Wohnen in diesem Umkreis zurückzuführen.

Dritte Untersuchung

Die Studie ist nach Angaben der Autoren die dritte in einer Reihe entsprechender Untersuchungen. Sie hebe sich aber von den beiden Vorläufern in der Aussagequalität entscheidend ab. So seien erstmals exakte Angaben zur Entfernung eines Wohnortes von einem Reaktor, und zwar sowohl für erkrankte als auch für nicht erkrankte, Kinder, in einer "Fall-Kontroll-Studie" berücksichtigt worden.

Das Ergebnis der Untersuchung ist nach Ansicht des Bundesamtes für Strahlenschutz nicht erstaunlich. Es passe zu ähnlichen weltweit durchgeführten Studien. "Überraschend ist jedoch, dass nachweislich das Risiko für Kinder, an Leukämie zu erkranken, umso größer ist, je näher sie am Reaktor wohnen", so die Behörde.

Die Grünen mahnten, die Ergebnisse der Studie ernst zu nehmen. Die Atomenergie erweise sich damit einmal mehr als unbeherrschbare Risikotechnologie. "Die vom Bundesamt für Strahlenschutz in Auftrag gegebene epidemiologische Studie ist die wissenschaftlich genaueste, die zu diesem Thema in Deutschland bisher erstellt wurde", sagte Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. Sie dürfe nicht wie ihre Vorgängerstudien zur Seite gewischt werden.

Union spricht von Angstmache

Die stellvertretende Unionsfraktionschefin Katherina Reiche beklagte, dass, außer Angst zu machen, eine Zielrichtung der Studie nicht erkennbar sei. Die Untersuchung besage zwar, dass es mehr Krebsfälle in der Nähe von Atomkraftwerken gebe, nenne aber die Gründe dafür nicht, sagte die CDU-Politikerin der ARD. Für die FDP erklärte Umweltpolitikerin Angelika Brunkhorst, Zahlen allein seien nicht ausreichend.

Nach Einschätzung des Greenpeace-Atomexperten Heinz Smital kann nun niemand Entwarnung zu den Risiken von Atomkraftwerken geben. Ähnlich sieht es auch die Links-Fraktion im Bundestag. Ihr Vize-Chef Werner Dreibus verlangte zu prüfen, ob der Atomausstieg noch schneller als bislang geplant möglich wäre.

Das deutsche Atomforum wandte sich gegen die Einwände und wies darauf hin, dass die Studie keine neuen Erkenntnisse zur Verursachung von Krebserkrankungen bei Kindern biete. Ähnliche Studien hätten eine Häufung von Krankheitsfällen auch an Standorten ohne Atomtechnik gezeigt. Die atomkritische Ärztevereinigung IPPNW appellierte an Bundesumweltminister Gabriel, die Strahlenschutz-Grenzwerte überprüfen zu lassen. Die jetzt bekannt gewordenen Forschungsergebnisse bestätigten nur, was Ärztinnen und Ärzte vor Ort immer wieder festgestellt hätten. rtr/ap

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Wiesbadener Kurier, 10.12.07

Zum Tode verurteilt

Von Matthias Friedrich

Und nun? Nachdem eine Studie die Verdoppelung des Krebsrisikos für Kinder im nahen Umkreis von Kernkraftwerken festgestellt hat, sollen die Ursachen erforscht werden, von sofortigen Konsequenzen indes ist keine Rede. Dabei lässt sich, nachdem alle 16 deutschen Reaktorstandorte die gleichen beängstigenden statistischen Befunde zeigen, eine hohe Plausibilität für den kausalen Zusammenhang zwischen Atombetrieb und Erkrankungshäufigkeit vermuten, selbst wenn es bislang keine wissenschaftliche Erklärung dafür gibt.

Anders gesagt: wer einen Reaktor auch nur einen Tag weiter betreibt, verurteilt Kinder zum Tode. Die nächstliegende statistische Forschung sollte sich auf die Umgebung stillgelegter Reaktoren beziehen. Falls sich dort ein (wieder) normales Krebsrisiko zeigt, lässt sich der lebensrettende Effekt eines schnellen Atomausstiegs kaum noch leugnen. Ob die Bundesregierung an dieser Art von Klärung Interesse hat, ist freilich zu bezweifeln. Die Strahlenschutzkommission, die Minister Gabriel mit der weiteren Untersuchung betraut hat, ist jedenfalls von Vertretern der Kernkraft-Lobby durchsetzt, die schon jetzt reflexhaft nach der Devise, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, auf die viel höhere natürliche Strahlung im Vergleich zur Reaktor-Radioaktivität verweist.

Aber die lebensbedrohlichen Fakten zählen, nicht die (fehlenden) Erklärungen. Es ist gut, dass in einer Zeit, in der die Kernkraft als zukünftiger Rettungsanker gegen die Klimakatastrophe propagiert wird, auch ihre ganz gegenwärtigen Risiken wieder in den Blick geraten. Mit der Vertröstung auf irgendwann sichere wissenschaftliche Erkenntnisse kann sich nach der aktuellen Studie niemand zufrieden geben, der in der Nähe von Atommeilern lebt, zumal nicht wenn er Kinder hat.

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Frankfurter Rundschau 10.12.2007

 

Leitartikel

Gefährliche Energie

Joachim Wille

Atomkraft und Krebs. Die aktuelle Neuauflage des angstbesetzten Themas hat leider nur die erwarteten Reaktionen ausgelöst. Atomgegner von Grünen bis Greenpeace fühlen sich durch die neue Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) bestätigt, die eine um 60 Prozent erhöhte Leukämiehäufung in der Umgebung von AKW feststellt. Am Ausstieg festhalten, schneller abschalten, fordern sie. Atombefürworter von Atomforum bis CDU sehen keine neue Lage. Krebshäufungen gebe es eben auch anderswo. Also: nicht aussteigen, wegen des Weltklimas und überhaupt. So ihre Durchhalte-Parole.

Man hätte es gehofft, aber leider beendet auch die neue Untersuchung den alten Konflikt nicht. Die Furcht, AKW ließen die Krebshäufigkeit bei den Menschen in ihrer Umgebung ansteigen, begleitet die sogenannte friedliche Nutzung der Nuklearenergie seit Beginn. Die Atommeiler geben potenziell tumorerzeugende radioaktive Stoffe wie Krypton und Tritium per Schornstein und Kühlwasser ab, das ist in jeder Reaktor-Genehmigung nachzulesen. Der Streit aber schwelt nun weiter, ob die Mengen ausreichen, die beim Normalbetrieb oder kleineren Störungen austreten, um Krebs auszulösen. Die Statistik ist eindeutig, die Kausalität nicht.

Immerhin bietet die Studie erstmals eine solide Basis. Anders als bei früheren Untersuchungen stellt niemand mehr die Datengrundlage in Frage. Auch die notorischen AKW-Fans negieren nicht, dass es die erhöhte Krebshäufigkeit gibt. Insofern hat das BfS einen guten Job gemacht. An der wissenschaftlichen Untersuchung waren sowohl Befürworter wie Gegner der Atomkraft beteiligt. Das entzieht Vorwürfen den Boden, Vorurteile hätten das Ergebnis beeinflusst. Die Kritik von CDU-Umweltpolitikerin Katharina Reiche, das BfS wolle mit der Studie "Antipathien gegen die Kernkraft schüren", ist daher reichlich perfide. Tatsächlich wäre es doch unverantwortlich gewesen, die Daten nicht ordentlich auszuwerten.

Hinter Reiches Befürchtung dürfte die Sorge stecken, das im Zuge der Klimadebatte von ihren Anhängern mühsam aufpolierte Image der Atomkraft könne wieder Kratzer bekommen. Tatsächlich aber werden die neuen Krebsdaten die Debatte über das Für und Wider der Atomkraft nach einer Phase der öffentlichen Erregung kaum verändern. Zwar sind die erhöhten Krebszahlen Fakt. Der Verdacht besteht also weiter. Doch medizinisch ist der Beweis eines Zusammenhangs von AKW und Krebs nach jetzigem Wissen nicht plausibel zu führen; die Strahlendosen sind offenbar zu gering, als dass sie die zusätzlichen Leukämien auslösen könnten.

Auch AKW-Gegner, die genügend gute Gründe für ihre Haltung haben, sollten deswegen mit der neuen Studie zurückhaltend operieren. Zwanzig zusätzliche Leukämiefälle bei Kindern unter fünf in 23 Jahren in der Umgebung von rund 20 Atommeilern, das macht rund einen zusätzlichen Blutkrebs pro Jahr - während bundesweit jährlich Hunderte erkranken. Dieser Wert kann, so zynisch das für die betroffenen Familien klingt, nicht als schlagender Beweis für die Ge fährlichkeit der Anlagen genommen werden. Unzweifelhaft allerdings, dass der Zusammenhang weiter ergründet werden muss.

Als Argument für den Atomausstieg nützt die BFS-Studie also kaum. Trotzdem bleibt der von Rot-Grün eingeschlagene und von Umweltminister Sigmar Gabriel administrierte Kurs richtig. Das Gefahrenpotenzial der deutschen AKW ist nämlich unabhängig von der BfS-Untersuchung so riesig, dass sie Zug um Zug, die ältesten zuerst, vom Netz müssen. Die offiziellen Risikostudien sagen bei einem Super-Gau bis zu 14 000 Soforttote und mehr als 100 000 spätere Opfer voraus. Zudem müssen in eine Opferbilanz diejenigen Erkrankungen eingerechnet werden, die durch radioaktive Belastung beim Uran-Abbau ausgelöst werden.

Wer seriös bilanziert, erkennt: Keine der Energieformen ist für Mensch und Natur wirklich ungefährlich. Die Atomkraft nicht (siehe oben). Die Kohle nicht, weil sie (Bergwerks-)Unfälle, Schadstoffe und Klimaschäden verursacht. Und nicht einmal die Energie aus Sonne, Wind und Biomasse ist völlig unbedenklich, wenngleich ihr Schadenspotenzial um Größenordnungen niedriger liegt. Deswegen lautet die richtige Strategie: Energiesparen und Umstieg auf die Erneuerbaren. Es ist unter dem Strich einfach gesünder.

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Süddeutsche Zeitung, 8.12.07

Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz

Das unfassbare Risiko

Kleinkinder, die in der Nähe von Kernkraftwerken leben, erkranken offenbar häufiger an Krebs: Das zeigt eine neue Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz. Die möglichen Gesundheitsgefahren sollten Anlass sein, nicht weiter auf die Kernkraft zu setzen.

Ein Kommentar von Werner Bartens

Es gibt eine gefürchtete Kombination von drei Ks - Kinder, Krebs und Kernkraft. Anwohner, Atomkraftbefürworter und Politiker beunruhigt es gleichermaßen, wenn sich hier ein Zusammenhang herstellen lässt. Dies ist nun zum wiederholten Male geschehen.

Eine aktuelle Studie im Auftrag des Bundesamts für Strahlenschutz bestätigt demnach, was frühere, methodisch schwächere Untersuchungen bereits andeuteten: In unmittelbarer Nähe zu Kernkraftwerken steigt das Risiko für Kleinkinder, an Krebs, insbesondere an Leukämie, zu erkranken.

Jede Studie hat Schwächen, das gilt natürlich auch für diese. Nach allem, was man über Planung und Auswertung der Untersuchung weiß, sind ihr aber kaum Mängel vorzuwerfen. Das liegt auch daran, dass der Auftraggeber - das Bundesamt für Strahlenschutz - Kritiker wie Befürworter der Kernkraft von Anfang an in die Konzeption und Bewertung der Untersuchung einbezogen hat. Dass die Ergebnisse mit ziemlicher Sicherheit zuverlässig sind, macht die Studie allerdings erst zum Problem.

Denn verstehen, warum mehr Kleinkinder in der Nähe von Kernkraftwerken an Krebs erkranken, kann niemand. Wissenschaftlich ist es nach bisherigem Kenntnisstand schlicht nicht plausibel, dass eine Strahlendosis, die um mehr als das Tausendfache unter dem Grenzwert liegt - und weit unter dem, was Flugreisen, Röntgenuntersuchungen und die natürliche Strahlung der Erde an Belastung mit sich bringen -, zu bösartigen Tumoren führen soll. Als irritierende Schlussfolgerung bleibt, dass sich der Befund schwerlich wegdiskutieren, aber ebenso schwer erklären lässt.

Die Mitteilung des erhöhten Krebsrisikos ist dazu geeignet, Alarm auszulösen und der Kernkraft, die sich in Zeiten des Klimawandels vermehrten Zuspruchs erfreute, einen Rückschlag zu versetzen. Man kann die Studie dazu nutzen. Sie wird aber auch, so viel lässt sich prognostizieren, weitere Ängste vor einer vagen Bedrohung durch die Technik schüren.

Es geht um 20 zusätzliche Fälle kindlicher Leukämie in 23 Jahren, die bundesweit auf die Nähe zu Kraftwerken zurückgeführt werden. Das ist jedes Jahr etwa ein Fall von Blutkrebs bei einem Kleinkind. Jede vermeidbare Krankheit ist eine zu viel. Doch verglichen mit anderen Gefahren für die Gesundheit sind diese Risiken gering. Das ist nicht zynisch, sondern eine statistische Tatsache.

Strahlung kann man nicht sehen, hören oder riechen

Trotzdem ist es falsch, Todeszahlen und Krankheitshäufigkeiten gegeneinander aufzurechnen. Natürlich bedrohen andere Gefahren den Alltag der Menschen weitaus mehr - auch den von Kindern. Der Straßenverkehr fordert jedes Jahr in Deutschland mehr als 5000 Tote und mindestens so viele Verletzte. Die Zahl der Toten durch Tabakrauch geht in die Hunderttausende, Tausende Passivraucher werden zudem jährlich geschädigt oder kommen ums Leben.

Nur: Gefahren im Straßenverkehr oder durch Nikotin glaubt der Einzelne begegnen zu können. Strahlung kann man hingegen nicht sehen, hören oder riechen - das unterscheidet sie von offensichtlicheren Risiken. Zudem lässt sich die Bedrohung nicht steuern. Wer in der Nähe von Kernkraftwerken erkrankt, ist passives Opfer. Raucher und Autofahrer unterliegen hingegen der Illusion, mögliche Gefahren verhindern zu können.

Die Reaktion auf die Studie wird wohl größer sein als die Gefahr, die sie beschwört. Das mag Rationalisten stören. Doch offenbar weiß die Wissenschaft längst nicht alles über Risiken der Kernkraft. Unbedenklichkeit lässt sich nie beweisen. Die spätere Nobelpreisträgerin Marie Curie schaufelte radioaktive Pechblende mit ihren bloßen Händen. Obwohl sie führend auf dem Gebiet der Radioaktivität war, unterschätzte sie die Bedrohung.

Die Hybris, bisher unbekannte Gefahren der Kernkraft ausschließen zu wollen, kann sich nach dieser Studie niemand mehr leisten. Weiter auf Atomenergie zu setzen, wäre das falsche Signal.

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Süddeutsche Zeitung, 8.12.07

Der lange Streit um Krümmel

"Wenn man nichts finden will"

Bürger aus der Umgebung des Kernkraftwerks Krümmel suchen seit den neunziger Jahren nach einer Erklärung für eine weltweit einzigartige Häufung von Leukämiefällen bei Kindern.

Von Christopher Schrader

Auf der Website der "Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch"steht ein Satz, der nach Meinung der Kernkraftgegner alles zum Thema sagt.

Er lautet: "Wenn man nichts finden will, kann man auch nichts finden." In der Initiative haben sich Bürger aus Gemeinden in der Umgebung des Kernkraftwerks Krümmel und des Atomforschungszentrums in Geesthacht bei Hamburg zusammengeschlossen.

Seit den neunziger Jahren suchen sie nach einer Erklärung für eine weltweit einzigartige Häufung von Leukämiefällen bei Kindern.

Im Februar 2006 hatte das Kinderkrebsregister an der Universität Mainz den 15. Fall vermeldet, der in der Region zwischen 1990 und 2005 diagnostiziert wurde. Nur fünf Fälle wären in diesem Zeitraum nach den Gesetzen der Statistik zu erwarten gewesen. "Eine solche Leukämie-Häufung bei Kindern ist in der Umgebung anderer deutscher Kernkraftwerke nicht zu sehen", hieß es damals in einer Erklärung der Mainzer Forscher. Vier der erkrankten Kinder sind mittlerweile verstorben.

Gutachten und Gegengutachten

Seither sind Gutachten und Gegengutachten verfasst worden. Doch keines, das in der Wissenschaft als methodisch sauber anerkannt worden ist, konnte die Ursache der erhöhten Krebsrate benennen.

So veröffentlichte der Bremer Mediziner Eberhard Greiser 2003 die Schlussfolgerung, es gebe "keinen verwertbaren Hinweis auf ionisierende Strahlen als Ursache" für die Erkrankungen, also auf Radioaktivität.

Greiser leitete damals das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin und war von den Landesregierungen Schleswig-Holstein und Niedersachsen beauftragt worden; er gilt als ein Kernkraft-Kritiker.

Zwei Wissenschaftler sind der Bürgerinitiative beigesprungen. Die erste war die Bremer Physikerin Inge Schmitz-Feuerhake. Sie hatte 1998 behauptet, im Staub auf den Dachböden von Häusern der Elbmarsch erhöhte Menge von Americium gefunden zu haben.

Das radioaktive Element entsteht aus Plutonium, das aus dem Kernkraftwerk Krümmel entwichen sein müsse. Eine große Zahl von Kollegen, darunter ihr eigener Laborleiter, widersprachen ihr umgehend öffentlich.

Im Jahr 2004 schwenkten Bürgerinitiative und befreundete Wissenschaftler um; federführend war der Münchner Strahlenbiologe Edmund Lengfelder. Nun machten sie millimetergroße Kügelchen für die Leukämie-Häufung verantwortlich. Sie seien im September 1986 bei einem geheimen Versuch mit nuklearem Sprengstoff im Geesthachter Forschungszentrum freigesetzt worden.

Das Labor, Landesregierung und Staatsanwaltschaft dementierten; kein anderer Wissenschaftler fand Beweise für die These. Die Mitglieder der Bürgerinitiative sehen sich seitdem als Opfer einer Verschwörung: Ein deutscher Atomunfall sollte kurz nach Tschernobyl vertuscht werden.

Ein Indiz dafür erkennen die Kernkraftgegner in der Tatsache, dass Akten der Feuerwehr aus dem Jahr 1986 bei einem Brand vernichtet wurden.

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Netzeitung, 08.12.2007, 17:34 Uhr

Tausende Klima-Demonstranten in Berlin

Nichts ging mehr in Berlin Mitte: Tausende Menschen haben am Samstag in Berlin für den Klima-Aktionstag demonstriert. Und am Abend soll das Licht ausgehen.

Mehrere tausend Menschen haben am Samstag in Berlin für einen wirksamen Klimaschutz demonstriert. Auf ihrem Marsch durch die Bundeshauptstadt forderten sie auf Transparenten und in Sprechchören zu einer effektiven Klimapolitik auf. «Wir müssen Druck machen, damit die Politik jetzt konsequent handelt», hieß es. Die Veranstalter bezifferten Zahl der Teilnehmer auf gut 5000. In Nordrhein-Westfalen versammelten sich aus Anlass des Klima-Aktionstags rund 3000 Demonstranten vor dem im Bau befindlichen Braunkohlekraftwerk in Grevenbroich.

Zu den Demonstrationen hatte die im April gegründete Klima-Allianz aufgerufen, der mehr als 80 Umwelt- und Entwicklungsorganisationen wie etwa Greenpeace, Bund, Diakonie Katastrophenhilfe, Caritas International sowie fünf evangelische Landeskirchen angehören. Sprecher äußerten scharfe Kritik am Klimapaket, das die Bundesregierung in der vergangenen Woche beschlossen hatte. Es werde zu Makulatur, wenn nicht sofort der geplante Bau von 24 neuen Kohlekraftwerken sowie der weitere Ausbau des Straßennetzes und die Subventionierung des Flugverkehrs gestoppt würden.

Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann rief dazu auf, Abschied von der Ideologie des Wachstums zu nehmen. Es gebe auf der Erde genügend Ressourcen für die elementaren Bedürfnisse aller Menschen. Die Ressourcen reichten aber nicht, «um Gier, Macht, Bereicherung und Egomanie zu befriedigen», betonte sie. Das Schmelzen der Pole, das Steigen des Meeresspiegels und die sich ausbreitende Dürre seien unübersehbare Zeichen, dass etwas geschehen müsse, so die Bischöfin. Nur ein nachhaltiger Lebensstil könne den knapp acht Milliarden Menschen auf der Welt das Überleben sichern.

Gut für alle

Auch die indische Umweltschützerin und Trägerin des Alternativen Nobelpreises, Vandana Shiva, rief die reichen Industriestaaten zu einem einfacheren Lebensstil auf. «Was gut ist für die Armen ist gut für alle», sagte sie. Die Menschheit habe nur die eine Erde und die eine Atmosphäre. Die Klimakatastrophen vor allem in Südostasien hätten gezeigt, dass die Welt nicht warten könne. Das sei auch die Botschaft an die Klimakonferenz in Bali, fügte sie hinzu.

Der Aktionstag begann mit einem Protestzug vom Berliner Dom zum Brandenburger Tor, wo am späten Nachmittag im Anschluss an die Kundgebung ein Lampionzug zum Bundeskanzleramt vorgesehen war. Der 8. Dezember wurde 2005 weltweit von Umweltverbänden und sozialen Bewegungen zum globalen Klima-Aktionstag ausgerufen. Auf Bali in Indonesien tagt seit 3. Dezember der noch bis zum 14. Dezember angesetzte Weltklimagipfel.

Auf der Großkundgebung vor dem im Bau befindlichen größten Braunkohlekraftwerk Europas in Grevenbroich bei Düsseldorf forderte der westfälische Präses Alfred Buß einen grundlegenden Wandel in der Energiepolitik. Nötig seien dezentrale Kraftwerke, die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien und konsequente Energieeinsparung, so der oberste Repräsentant der Evangelische Kirche von Westfalen. Im Namen «Klima-Allianz» forderte er die Landes- und Bundesregierung auf, ein Moratorium beim Bau von Kohlekraftwerken durchzusetzen.

Mehrere Mitgliedsverbände der Klima-Allianz hatten zudem für den Abend des Aktionstages die Bundesbürger aufgerufen, um acht Uhr für fünf Minuten alle elektrischen Lichter zu löschen. Bei der Kampagne «Licht aus» wurden die Umweltverbände Greenpeace, WWF und Bund publizistisch von Medien wie der «Bild»-Zeitung, ProSieben und Google unterstützt.

Blick nach Bali

Auf der indonesischen Insel Bali demonstrierten mehr als tausend Menschen für einen besseren Klimaschutz. An dem Protestzug in Balis Hauptstadt Denpasar beteiligten sich zahlreiche balinesische Bauern und Fischer. «Der Norden muss Treibhausgase reduzieren - punkt» und «Klimawandel führt zu globaler Armut», hieß es auf Transparenten.

Besonders kritisiert wurden hier die USA, die nach dem Beitritt Australiens der letzte Industriestaat sind, der das Kyoto-Abkommen zur Reduktion von Treibhausgasen nicht unterzeichnet hat. Die balinesischen Demonstranten forderten auch einen besseren Schutz der Wälder, der auf der Klimakonferenz diskutiert wird, und einen Schuldenerlass für Entwicklungsländer. (epd)

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