Presseauswahl ab Juli 2007

Presseauswahl der BI bis Juni 2007

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dpa 22.07.2007

Nach Kraftwerkspannen mehr Atomskeptiker in Deutschland

Nach der Pannenserie in den Kernkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel wächst die Zahl der Atomskeptiker in Deutschland. Nach Umfragewerten des ZDF-Politbarometers von dieser Woche lehnen 54 Prozent der Bundesbürger eine über das Jahr 2021 hinausgehende Nutzung der Atomanlagen ab. Im März waren es noch 49 Prozent.

Nur noch 39 Prozent der fast 1200 Befragten (März: 44 Prozent) wollen die Kernkraft länger nutzen als gesetzlich geregelt. In der Vergangenheit waren die Einstellungen zur Nutzungsdauer deutscher Atomkraftwerke recht stabil. Derweil deuten sich auch Diskussionen um den bayrischen Meiler Gundremmingen nahe Günzburg an. Naturschützer listeten Probleme in dem AKW auf, das baugleich mit Krümmel ist.

"Die Methode des Tricksens und Vertuschens ist auch in Bayern üblich", sagte der Vorsitzende des Bundes Naturschutz in Bayern, Hubert Weiger, am Freitag in München. Erst im Mai dieses Jahres sei ein undichtes Brennelement entdeckt worden, das erst elf Tage später gemeldet und zwei Monate später ausgetauscht worden sei. Bis zum Brennelementewechsel im Juli seien dann - ohne weitere eigene Meldung - zwei weitere undichte Elemente hinzugekommen, so Weiger. Ende Juni waren die AKWs Brunsbüttel und Krümmel nach Pannen vom Netz gegangen.

Der zurückgetretene Vorstandschef des Energiekonzerns Vattenfall Europe, Klaus Rauscher (58), erhält einem Pressebericht zufolge nach seinem Ausscheiden noch einen Millionenbetrag. Dies ergebe sich aus den Ansprüchen seines Vertrages, berichtete die "Berliner Zeitung" (Freitag). Ein Sprecher von Vattenfall Europe lehnte am Freitag dazu einen Kommentar ab. Das Unternehmen ist die deutsche Tochter des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall. Als Konsequenz aus der heftig kritisierten Informationspolitik nach den Pannen in den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel am 28. Juni hatte Rauscher am Mittwoch seinen Posten zur Verfügung gestellt. Der Aufsichtsrat bestätigte am Donnerstagabend formal den Rücktritt.

Der Vorstoß der schleswig-holsteinischen Reaktoraufsicht für eine Verschärfung des Atomgesetzes stößt im Bundesumweltministerium derweil auf ein verhaltenes Echo. "Ich habe diesen Vorschlag, der jetzt von Frau Trauernicht kommt, auch schon mal bei der Debatte über das Atomaufsichtsgesetz, also 1999, ins Gespräch gebracht", sagte Staatssekretär Michael Müller (SPD) dem Sender WDR 5. "Das konnte sich damals bei der juristischen Prüfung nicht halten." Die für Atomaufsicht zuständige Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) hatte vorgeschlagen, dass Atombetreiber künftig ihre Zuverlässigkeit nachweisen müssten.

 

Zu den Atom-Umfragewerten des Politbarometers sagte der energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, Hans- Kurt Hill: "Wenn über die Hälfte der deutschen Bevölkerung eine über 2021 hinausgehende Nutzung der Atommeiler ablehnt, ist die Botschaft klar: Das von uns unterstützte Abschalten alter Atomkraftwerke darf keine Laufzeitübertragung auf jüngere Atommeiler nach sich ziehen. Ansonsten geht das letzte AKW erst weit nach 2020 vom Netz."

 

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Thema: Politik/Diskussion - Rubrik: Atomausstieg/Stilllegung/Abschaltung

Quelle:

 

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dpa 23.07.2007

Carstensen: Zug für AKW-Laufzeitverlängerung ist abgefahren

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) sieht keine Chance mehr, das Atomkraftwerk Brunsbüttel über das Jahr 2009 hinaus in Betrieb zu halten.

«Nach den jüngsten Ereignissen gehe ich nicht mehr davon aus, dass eine Verlängerung der Laufzeiten politisch noch durchsetzbar ist», sagte Carstensen den «Lübecker Nachrichten» (Dienstag). «Ich bedauere das, aber das ist meine Einschätzung der Situation, die ich nicht zu entscheiden habe. Der Zug ist abgefahren.»

Nach den Pannen der vergangenen Wochen müsse jetzt alles genauestens überprüft werden. «Ich verlasse mich da auf unsere Atomaufsicht, weil ich davon überzeugt bin, dass dort gute Arbeit geleistet wird», sagte Carstensen und stellte sich damit hinter seine für die Atomaufsicht zuständige Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD). Vom Betreiber Vattenfall verlangte Carstensen «absolute Offenheit, um den Menschen die Ängste zu nehmen und das Vertrauen wieder herzustellen».

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Berliner Zeitung, 23.07.2007

Umweltaktivist in Russland getötet

Von Skinheads angegriffen

MOSKAU. Bei einem Angriff mutmaßlicher Rechtsextremer auf ein Camp von Atomkraftgegnern in Sibirien ist ein Umweltaktivist getötet worden. Bei dem Vorfall in der Nacht zum Sonnabend vor der Atomanlage im sibirischen Angarsk seien ein Mensch getötet und sieben weitere verletzt worden, sagte ein Polizeibeamter. Russische Nachrichtenagenturen berichteten unter Berufung auf Vertreter des Innenministeriums, etwa 15 Angreifer seien mit Schlagstöcken bewaffnet in das Zeltlager eingedrungen. Sechs Verdächtige wurden demnach festgenommen. Laut einem Augenzeugen handelte es sich bei den Angreifern um vermummte Skinheads. In Angarsk soll eine neue Urananreicherungsanlage entstehen. Umweltschützer warnen vor dem dadurch entstehenden radioaktiven Müll.

Die Angreifer seien kahlköpfig gewesen, hätten Tarnkleidung und Gesichtsmasken getragen, sagten Augenzeugen. Sie seien mit Baseballschlägern, Eisenstangen, Hämmern und einer Axt bewaffnet gewesen. Die Schläger hätten Parolen wie "Gegen Anti-Faschisten" gerufen und den Atomkraftgegnern gedroht: "Das nächste Mal töten wir Euch." Das Protest-Camp war von der russischen Gruppe Autonome Aktion veranstaltet worden. Die Gruppe hatte vor dem Zwischenfall auf ihrer Website berichtet, das Lager sei von der Polizei angegriffen worden. Die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti berichtete unter Berufung auf einen Ministeriumsmitarbeiter, sechs Verdächtige seien bislang festgenommen und befragt worden. Sie hätten keine Verbindungen zu extremistischen Organisationen. (AFP)

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taz 22.07.2007

Russland

Skinheads ermorden AKW-Gegner

Überfall auf ein Protestcamp gegen ein Zentrum für Urananreicherung am Baikalsee. BBU unterstützt Kampf gegen deutsche Atommülltransporte aus Gronau nach Russland. VON BERNHARD CLASEN

MÖNCHENGLADBACH taz Russische Skinheads haben am Samstag ein Zeltlager von Atomkraftgegnern in Angarsk am Baikalsee überfallen und einen Mann ermordet. Die 20 Mitglieder der "Autonomen Aktion" wurden von 15 Skinheads im Schlaf überrascht. Der 26-jährige Ilia Borodaenko aus dem fernöstlichen Nachodka bei Wladiwostok, der am Lagerfeuer Nachtwache hielt, wurde mit Schlagstöcken zu Tode geprügelt. Sieben weitere Teilnehmer mussten mit Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden. Nach Behördenangaben wurden sechs Verdächtige festgenommen.

Die "Autonome Aktion" kämpft gegen die Verarbeitung radioaktiver Abfälle im Chemiekombinat Angarsk, gegen den Import deutschen Atommülls und gegen Pläne, in Angarsk ein Zentrum für Urananreicherung zu bauen. Die russische Regierung will anderen Staaten anbieten, die Anlage mitzubenutzen.

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) und der Arbeitskreis Umwelt Gronau forderten von den russischen Behörden die Aufklärung der Hintergründe des Überfalls und die Bestrafung der Täter. Die beiden Organisationen unterstützen seit Jahren den Widerstand gegen Atommülltransporte von der Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau in russische Atomzentren.

Die russische Umweltbewegung ist jedoch nicht nur klein, sie ist auch in sich gespalten. So ist die grüne Partei inzwischen in der Partei Jabloko aufgegangen. Umweltgruppen am Ural, wie die "Bewegung für atomare Sicherheit", kämpfen mit juristischen Mitteln für einen Ausstieg aus der Atomtechnik. Die Vorsitzende der Organisation, Natalia Mironowa, hatte vor russischen Gerichten erfolglos versucht, den Weiterbetrieb der berüchtigten Plutoniumfabrik Majak zu verhindern. Nun will sie Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einlegen. Dort liegt eine andere Klage vor, die ein Importverbot für ausländischen Atommüll fordert.

Die auch in Deutschland bekannte Organisation Ecodefense kämpft mit Greenpeace-ähnlichen Aktionen für den Ausstieg aus der Atomenergie. Im November vergangenen Jahres erstattete Ecodefense gemeinsam mit dem BBU und dem Arbeitskreis Umwelt Gronau bei der Staatsanwaltschaft Münster Anzeige gegen die Urenco Deutschland. Die in Gronau ansässige Firma hatte in der Vergangenheit mehrere tausend Tonnen von radioaktivem Uranhexafluorid in verschiedene Städte Russlands, darunter Angarsk, exportiert.

Die Militanz von radikalen Gruppen wie der jetzt angegriffenen Autonomen Aktion bereitet vielen russischen Umweltschützern Unbehagen. Diese linksradikalen Gruppen seien zu keiner Zusammenarbeit mit anderen Umweltgruppen bereit und hielten sich nicht an das Prinzip der Gewaltfreiheit, so die Kritik. "Die Aktivisten der Autonomen Aktion waren ausnahmslos von auswärts an den Baikalsee angereist", kritisiert Marina Richwanowa, Sprecherin der Umweltorganisation Baikal-Welle. "Niemand von ihnen hatte es für notwendig erachtet, mit den vor Ort tätigen Umweltschützern die Aktion abzusprechen." Hätte man dieses Zeltlager besser vorbereitet und im Vorfeld mit den örtlichen Umweltschützern Kontakt aufgenommen, hätte die Gewalt verhindert werden können, ist sich Richwanowa sicher. Die russlandweit bekannte Umweltschützerin befürchtet nun, dass die Umweltbewegung mit den russischen Autonomen gleichgesetzt werde. Ein für den 26. Juli geplantes Zeltlager mehrerer Umweltgruppen am Baikalsee werde man nun wohl leider absagen müssen, so Richwanowa.

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SPIEGEL ONLINE - 21. Juli 2007, 23:52

URL: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,495836,00.html

RUSSLAND

Atomkraftgegner in Protestcamp getötet

Beim Angriff auf ein Camp von Atomkraftgegnern im russischen Sibirien ist ein Umweltaktivist getötet worden. Sieben weitere wurden verletzt. Augenzeugen vermuten, dass die Täter rechtsextreme Skinheads waren.

Moskau- Russische Nachrichtenagenturen berichteten unter Berufung auf Vertreter des Innenministeriums, etwa 15 Angreifer seien mit Schlagstöcken bewaffnet in das Zeltlager vor der Atomanlage in Angarsk eingedrungen. Laut einem Augenzeugen handelte es sich bei den Angreifern um vermummte rechtsextreme Skinheads.

"Sie sind gegen 5 Uhr morgens gekommen. Sie haben angefangen, die Schlafenden zu schlagen", sagte ein Umweltaktivist des Camps . Die Angreifer seien kahlrasiert gewesen, hätten Tarnkleidung getragen und ihre Gesichter vermummt. Dem Augenzeugen zufolge waren sie mit Baseballschlägern, Eisenstangen, Hämmern und einer Axt bewaffnet. Die Schläger hätten Parolen wie "Gegen Anti-Faschisten" gerufen und den Atomkraftgegnern gedroht: "Das nächste Mal töten wir Euch."

Das Protest-Camp war von der russischen Gruppe Autonome Aktion veranstaltet worden. Die Gruppe hatte vor dem Zwischenfall auf ihrer Website berichtet, das Lager sei von der Polizei angegriffen worden.

Ein Sprecher des Innenministeriums sagte dem Radiosender Moskauer Echo, 13 Verdächtige seien identifiziert worden. Die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti berichtete unter Berufung auf einen Ministeriumsmitarbeiter, sechs Verdächtige seien bislang festgenommen und befragt worden. Weder die Festgenommenen, noch die weiterhin gesuchten Verdächtigen hatten demnach Verbindungen zu extremistischen Organisationen.

In Angarsk soll eine neue Urananreicherungsanlage entstehen. Russland will Staaten, die Atomkraft entwickeln wollen, die Nutzung der Anlage anbieten. Umweltschützer warnen vor dem dadurch entstehenden radioaktiven Müll.

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taz 18.07.07

Anti-AKW-Bewegung

"Zeit der Konsens-Politik ist vorbei"

Nach dem Unfall im AKW-Krümmel hat die Anti-AKW-Bewegung Auftrieb. Sogar die FDP will das AKW abschalten. Dies zeigt, so Aktivist JOCHEN STAY, wie wirksam öffentlicher Druck sein kann.

taz: Herr Stay, die Parteien überbieten sich derzeit mit Atom-Kritik. Selbst die FDP will das AKW Krümmel vom Netz nehmen. Ist die Anti-Atom-Bewegung jetzt überflüssig?

Jochen Stay: Es ist schon amüsant, dass die FDP jetzt plötzlich Grüne und SPD überholt. Denn die beiden Parteien, die uns den Atomkonsens beschert haben, halten ja weiter daran fest. Dann würde Krümmel nicht vor 2017 stillgelegt. Das zeigt auch, warum es eine Bewegung mit radikaleren Positionen weiter braucht.

Die derzeitige Kampagne der Umweltverbände unter dem Motto "Atomausstieg selber machen" wirkt nicht sonderlich radikal. Wie geht es weiter mit dem Ziel "Atomausstieg politisch durchsetzen"?

Das ist kein Widerspruch. Auch die laufende Kampagne dient als politisches Druckmittel und stößt die gesellschaftliche Debatte wieder an. Da gibt es auch ein psychologisches Moment: Wer selbst keinen Atomstrom mehr kauft, ist plötzlich viel freier, politisch gegen Atomkonzerne zu agieren. Auch dadurch trauen sich jetzt in den Parteien manche wieder, über den Atomkonsens hinauszudenken.

Halten Sie es für realistisch, dass er aufgekündigt wird?

Eins ist beim Blick in die Medien offensichtlich: Das durch den Atomkonsens verursachte Stillhalteabkommen wurde auf breiter Front aufgekündigt. Viele Menschen sind genervt, dass die Konzerne sich an den Konsens längst nicht mehr gebunden fühlten. Da war das Verhalten von Vattenfall der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Und wird dieser Stimmungswandel politische Konsequenzen haben?

Wenn Sigmar Gabriel sagt, dass es im Bundestag keine Mehrheit für die atompolitischen Forderungen der Union gibt, arbeitet er ja rhetorisch mit einer rot-rot-grünen Verhinderungsmehrheit. Aber dass diese drei Parteien gemeinsam die AKW-Laufzeiten verkürzen, ist derzeit schwer vorstellbar. Das würde die große Koalition sprengen. Entscheidungen dieser Tragweite werden erst nach 2009 fallen. Die Atomlobby wird sich nicht so schnell geschlagen geben.

Früher galten die Grünen als natürliche Verbündete der Bewegung. Das war durch den Konsens vorbei. Gibt es jetzt wieder eine Annäherung?

Dazu muss auf grüner Seite noch eine Menge passieren. Sie dürfen es sich jetzt nicht so einfach machen und nur einen Deal fordern, dass ältere AKWs schneller vom Netz gehen und neuere dafür länger laufen dürfen. Das würde das Atomzeitalter hierzulande bis 2035 verlängern.

Sondern?

Nötig ist eine klare Abkehr von der Logik des Atomkonsenses. Dieser Vertrag ist einfach denkbar ungeeignet, um der Atomkraft in diesem Land wirklich zu Leibe zu rücken. Die Grünen müssen mit radikalen Forderungen in den Wahlkampf gehen. Auch in der SPD gäbe es dafür viel Unterstützung. Die Zeit der Konsenspolitik ist vorbei.

Welche Möglichkeiten sehen Sie außer der Laufzeitbegrenzung, den Betreibern ihre Atomkraftwerke zu verleiden?

Es gibt viele Hebel: Die Politik kann ökonomischen Druck aufbauen, indem sie die Steuerfreiheit von Uran aufhebt oder die

Entsorgungs-Rückstellungen der Konzerne in einen öffentlich-rechtlichen Fonds überführt. Sehr schnell wäre ein Ende der Atomstromproduktion erreichbar, indem eine Pflicht zur vollen Haftpflichtversicherung für die AKW eingeführt würde. Oder durch geänderte Entsorgungsregeln nach dem Motto: Nur wer ein sicheres Endlager vorweisen kann, darf strahlende Abfälle produzieren. Wichtig ist auch die öffentliche Debatte: Wenn die Atomenergie das Image der Stromkonzerne so ruiniert wie bei Vattenfall geschehen, werden diese sich schneller zurückziehen, als sich das heute viele vorstellen können.

Wagen Sie eine Prognose: Wie viele AKWs werden bis zur Bundestagswahl stillgelegt?

Nach den Reststrommengen, die im Atomkonsens festgelegt sind, sollten es vier sein: Biblis A und B, Neckarwestheim 1 und Brunsbüttel. Die Konzerne wollen das verhindern, indem sie Laufzeiten von neuen auf alte Kraftwerke übertragen, was Gabriel bisher ablehnt. Allerdings besteht die Gefahr, dass die derzeitgen pannenbedingten Stillstände in Biblis und immer wieder auch in Brunsbüttel dafür genutzt werden, die Reaktoren auch ohne genehmigte Laufzeitverlängerung über die nächste Wahl zu retten. Schlimmstenfalls geht bis dahin also gar kein AKW vom Netz. Bestenfalls eine Menge. Es steht und fällt damit, wie sich die öffentliche Meinung weiterentwickelt und wie stark der Druck auf Konzerne und Politik sein wird. -----------------crailsheim

 

Jochen Stay, 41, ist atomkritischer Aktivist und Publizist aus dem Wendland. Er ist seit 1981 aktiv in sozialen Bewegungen. Der Verfassungsschutz bezeichnet ihn als "zentrale Person des Anti-AKW-Widerstandes, der eine koordinierende Funktion wahrnimmt." Er ist Sprecher der Anti-Atom-Organisationen X-tausendmal quer und www.ausgestrahlt.de und unterstützt die Kampagne "Atomausstieg selber machen"

INTERVIEW: MALTE KREUTZFELDT

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spiegel-online 14. Juli 2007

KRÜMMEL-PANNE

Vattenfall verhandelt über Ausstieg aus der Atomkraft

Der Energiekonzern Vattenfall plant in Deutschland einen vorzeitigen Ausstieg aus der Kernkraft. Nach einer Serie von Pannen überlegt das Unternehmen, die Lizenz für die Kraftwerke Krümmel und Brunsbüttel abzugeben. Nach Informationen des SPIEGEL gab es bereits Verhandlungen.

Hamburg - Nach dem Brand im Kernkraftwerk Krümmel gibt es beim Energieunternehmen Vattenfall Überlegungen, die Betreiberlizenz für die Reaktoren in Krümmel und Brunsbüttel abzugeben. Nach SPIEGEL-Informationen gab es bereits erste Gespräche, die Lizenz auf den Konkurrenten E.on zu übertragen.

Vattenfall-Schild am Kernkraftwerk Krümmel: Erster Energiekonzern ohne eigene Atommeiler?

Der Düsseldorfer Energiekonzern E.on, der ohnehin mit 50 beziehungsweise 33 Prozent an den Problemreaktoren beteiligt ist, genießt nach der Pannenserie eine höhere Reputation beim Betreiben von Kernreaktoren als Vattenfall. Er könnte - so die Hoffnung der Branche - die Kraftwerke wieder aus der Kritik nehmen. Bei E.on will man aber vor einer Entscheidung die Aufarbeitung der Vorgänge abwarten.

Vattenfall war in den vergangenen Tagen wegen Pannen in Krümmel und Brunsbüttel massiv in die Kritik geraten. Vor allem die zögerliche Informationspolitik des Unternehmens sorgte für Unmut. Zuletzt hatte sogar die FDP ein Abschalten des Problemreaktors in Krümmel gefordert (mehr...). Andere Energiekonzerne fürchten derweil, dass Vattenfall die Kernkraft insgesamt in Verruf bringen könnte (mehr...). Dadurch wäre die von der Branche angestrebte Verlängerung der Atomlaufzeiten in Gefahr.

Sollte sich Vattenfall tatsächlich von Krümmel und Brunsbüttel trennen, wäre das Unternehmen der erste Stromkonzern in Deutschland, der keine Kernkraftwerke betreibt. Die drei großen Mitbewerber E.on , RWE und EnBW haben allesamt eigene Atommeiler.

Nach dem unter Rot-Grün vereinbarten Atomausstieg müsste das letzte deutsche Kernkraftwerk voraussichtlich im Jahr 2021 vom Netz gehen. Die Energiekonzerne hoffen aber bei der nächsten Bundestagswahl auf einen Sieg der Union, und damit auf einen Ausstieg aus dem Ausstieg.

wal

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fr-online 14.07.2007

Razzia im Reaktor

Ermittler durchsuchen Pannen-AKW

VON JOACHIM WILLE

Der Stromkonzern Vattenfall ist am Freitag wegen der Pannenserie in seinen Atomkraftwerken noch stärker unter Druck geraten. Polizisten durchsuchten den Leitstand und die Büroräume im AKW Krümmel, das seit einem Transformatoren-Brand abgeschaltet ist. Der schleswig-holsteinische Landtag drohte Vattenfall derweil mit einem Entzug der AKW-Betriebserlaubnis.

Die Staatsanwaltschaft Lüneburg begründete die Polizeiaktion so: Vattenfall habe sich zuerst geweigert, die Personalien eines womöglich durch den Brand gesundheitlich gefährdeten Reaktorfahrers zu nennen. Der Mann hatte nach dem Störfall die Schnellabschaltung des Kraftwerks vorgenommen und wegen Rauchgas, das in die Leitwarte eingeströmt war, mit Atemschutzgerät arbeiten müssen. Dies könne den Tatbestand der "fahrlässigen Körperverletzung" durch den Betreiber erfüllen, so der Staatsanwalt.

Vattenfall stimmte am Freitag dann einer Vernehmung zu. Der für den Atombereich zuständige Geschäftsführer Bruno Thomauske sagte, er habe vorher "aus Fürsorgepflicht für meine Mitarbeiter" entschieden, den Namen des Reaktorfahrers nicht zu nennen. Der Mann sei bei dem Störfall nicht verletzt worden.

Der Kieler Landtag beschloss einen Antrag der Regierungsparteien CDU und SPD, wonach Vattenfall im Extremfall mit dem Entzug der Lizenz zum AKW-Betrieb rechnen muss. Auf einer Sondersitzung des zuständigen Fachausschusses soll die für Atomaufsicht zuständige Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) nächste Woche detailliert über die Vorfälle und ihre Maßnahmen berichten. Hierzu ist auch Vattenfall eingeladen.

Trauernicht attackierte Vattenfall erneut heftig. Das "Vertrauen der Bevölkerung in die Zuverlässigkeit der Kraftwerke und des Betreibers" sei schwer beschädigt. Sie warf dem Konzern "Fehlverhalten und Sorglosigkeit" vor. "Ich schöpfe die mir durch das Atomgesetz gegebenen Handlungsspielräume voll aus", so die Politikerin.

Strafanzeige gegen Vattenfall

Trauernicht sah sich allerdings selbst mit Rücktrittsforderungen von Grünen und FDP im Landtag konfrontiert. Grünen-Fraktionschef Karl-Martin Hentschel sagte, sein Vertrauen in die Atomaufsicht sei zerstört. Die Ministerin habe es versäumt, Vattenfall konkrete Auflagen zu machen. Der FDP-Abgeordnete Heiner Garg kritisierte, auch Trauernicht habe bei der Information der Öffentlichkeit versagt. Wenn sie seit Tagen "durch das Land" laufe und Vattenfall die Zuverlässigkeit abspreche, müsse sie dem Konzern auch die Betriebserlaubnis entziehen.

Einen Entzug der AKW-Lizenz forderte am Freitag auch der Umweltverband BUND. Er stellte zudem Strafanzeige gegen Vattenfall. Es bestehe der Verdacht, dass Krümmel nicht ordnungsgemäß betrieben werde. Der Verband sprach von einem "unverantwortlichen Umgang" mit Sicherheitsvorschriften. Es sei nicht akzeptabel, dass die mangelhafte Sicherheitskultur des Unternehmens eine Gefahr für Millionen Menschen heraufbeschwöre.

AKW Krümmel: Die Zuverlässigkeit geht in Rauch auf

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Berliner Kurier 14.07.2007

MENSCH MEYER

Warum uns Dübel eine strahlende Zukunft bescheren

Kabarettist Chin Meyer schreibt jeden Mittwoch und Sonnabend im KURIER

Wer kennt sie nicht, diese Probleme mit Dübeln? Obwohl man nur einen Dübel braucht, muss man im Baumarkt die 200er-Packung kaufen. Weil's die kleinste ist! Mit viel Mühe bohrt man dann das Loch einen Tick zu groß. Der Dübel hält exakt 12 Sekunden. Dann fällt er runter und der teure Kronleuchter auch!

Das ist im Haushalt ärgerlich und im Atomkraftwerk allemal. Grade hatten wir vorsichtig überlegt, ob man die Dinger nicht ein wenig länger laufen lässt, weil ja bisher nix Großes passiert ist, und wir doch etwas Strom brauchen, und der Wind schließlich nicht immer bläst. Aber dann das: Krümmel hat keine Atomkraft-Dübel! Schockschwerenot. Natürlich fordert die Kanzlerin da Aufklärung, und zwar "striktissimi"! Allerdings sollen es keine "sicherheitsrelevanten Vorgänge" gewesen sein. Aber wenn falsch gedübelt ist, Feuer ausbricht und die Arbeiter Gasmasken tragen, dann wird sich irgendjemand doch ein bisschen Sorgen um die Sicherheit gemacht haben, oder?

Die Vattenfall-Leute sprechen von einem "Störfall konventioneller Art"! Das klingt süß, so als ob jemand mit einer Clownsnase zum Sommerfest des Bundespräsidenten erscheint. Man wagt nicht, daran zu denken, was ein "Störfall unkonventioneller Art" wäre. Vielleicht besoffene Sicherheitsleute in Schweden, die nicht nur Putzfrauen anmachen, sondern nur mal sehen wollen, was für irre Formen entstehen, wenn so ein Urankern schmilzt!

Das macht Sorgen, zumal das erfahrene Personal auch hierzulande in Rente geht. Und wer von den nachwachsenden Komasäufern weiß schon noch, wie man einen Dübel richtig in die Wand haut?

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Financial Times 13.07.2007

Krümmel meldet weiteren Vorfall

Kurz vor einem Treffen mit Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat der Betreiber Vattenfall einen weiteren Vorfall am Atomkraftwerk Krümmel gemeldet. Gabriel wollte nicht ausschließen, dass Vattenfall die Betreiberlizenz verliert.

Mitarbeiter des Atommeilers in Krümmel stellten ein Leck an einem Entlüftungsstutzen im Turbinenbereich fest. Das etwa zwei Millimeter große Loch sei an einem Stutzen der Vorwärmanlage entdeckt worden, teilte Vattenfall am Donnerstag mit. Erhöhte Radioaktivität sei nicht gemessen worden. Vattenfall meldete den Schaden der Atomaufsicht als "Meldepflichtiges Ereignis der Kategorie N" (Normal). Die Vorwärmanlage ist Teil des Wasser-Dampf-Kreislaufs in dem Kraftwerk. Das schadhafte Stück soll ausgetauscht und alle vergleichbaren Stutzen untersucht werden.

Zudem stimmte Vattenfall nach tagelanger Weigerung der Befragung des Personals zum Brand in Krümmel am 28. Juni zu. Voraussichtlich am kommenden Montag würden Vertreter der Atomaufsicht des Bundes und des für die Genehmigung zuständigen Landes Schleswig-Holstein Schichtführer und Reaktorfahrer befragen, die während des Zwischenfalls in der vorvergangenen Woche im Leitstand des Meilers gearbeitet hatten. Es gehe bei dem Gespräch nicht darum, das Personal zum Schuldigen zu stempeln, sagte Gabriel am Donnerstag in Berlin. Nötig sei aber eine lückenlose Aufklärung der Kommunikationspannen, die es offenkundig gegeben habe.

Ob es zum Entzug der Betriebsgenehmigung für Vattenfall kommen werde, könne er nicht sagen, sagte Gabriel. Das zuständige Kieler Sozialministerium prüfe vorerst technisches und menschliches Versagen. "Das muss man sehr präzise aufklären", sagte Gabriel. Es sei aber unverantwortlich, was da an Pannen zusammenkomme. Dies spreche eindeutig gegen die von den großen Stromkonzernen verfolgte Verlängerung der Laufzeiten älterer Atommeiler.

Vattenfall legt Zwischenbericht vor

"Wenn 25 Leute zeitweise auf der Warte waren, spricht das nicht für das Einhalten der Verfahren, sondern für Kommunikationsprobleme", sagte Gabriel. "Uns geht es um reine Sachverhaltsaufklärung." Vattenfall hatte bislang eine Befragung der Beschäftigten abgelehnt und argumentiert, die Ergebnisse interner Befragungen der Mitarbeiter würden in einen Untersuchungsbericht einfließen.

Soll Vattenfall die Lizenz entzogen werden?

Vattenfall wird voraussichtlich am Freitag der Aufsichtsbehörde in Kiel einen Zwischenbericht zu den Pannen in Krümmel vorlegen, teilte ein Sprecher des schleswig-holsteinischen Sozialministeriums mit. In dem Bericht sollen alle bisher bekannten Vorfälle in der Anlage zusammengefasst werden.

Die schleswig-holsteinische Ministerin für Reaktorsicherheit, Gitta Trauernicht (SPD), will nach eigenen Worten die Betriebserlaubnis für Krümmel kritisch prüfen. In Krümmel brannte am 28. Juni ein Transformator. Am selben Tag fiel auch das Vattenfall-AKW Brunsbüttel nach einem Kurzschluss aus. Anschließend wurden in beiden Fällen nach und nach mehrere Pannen und Ungereimtheiten bekannt.

Peinlicher Vorfall an schwedischem Vattenfall-AKW

Im ebenfalls von Vattenfall betriebenen schwedischen Atomkraftwerk Ringhals werden nach einem Zwischenfall mit betrunkenen Bauarbeitern, der sich außerhalb des Werksgeländes ereignet hatte, die Alkoholkontrollen verstärkt. Ein Konzernsprecher sagte, die Bauarbeiter seien nach Ende ihrer Arbeitszeit außerhalb des Kraftwerks in einem Hotel aufgefallen, wo sie mehrere Frauen sexuell belästigt haben sollen. Die Deutsche Presse-Agentur hatte zunächst berichtet, Arbeiter seien im Kraftwerk selbst betrunken erwischt worden.

Der Ringhals-Sprecher sagte, das Unternehmen prüfe nun die Möglichkeit, spezielle Türen an den Eingängen anzubringen, die sich nicht öffnen, wenn ein Mitarbeiter nach Alkohol riecht. Zunächst würden jedoch die Kontrollen und Stichprobenüberprüfungen des Personals verstärkt. Nach Angaben von Vattenfall herrscht in seinen Atomkraftwerken in Bezug auf Alkohol eine strikte "Null-Toleranz-Politik".

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"die tageszeitung", 13.7.2007

Leck im AKW Krümmel

Die Pannenserie im Atomkraftwerk Krümmel in Schleswig-Holstein geht weiter. Es gebe ein zwei Millimeter großes Leck an einem Entlüftungsstutzen der so genannten Vorwärmanlage, teilte der Betreiber Vattenfall gestern mit. Der Austritt radioaktiver Strahlung sei aber nicht feststellbar gewesen: "Radiologische Auswirkungen lagen unterhalb der Messgrenze." Der Schaden sei der Kieler Atomaufsicht als "meldepflichtiges Ereignis" der Kategorie "N" (Normal) mitgeteilt worden, hieß es. Auch alle anderen vergleichbaren Stutzen würden nun untersucht.

Die Vorwärmanlage ist Teil des Wasser-Dampf-Kreislaufs in Siedewasserreaktoren wie jenem in Krümmel. Durch die bei der Kernspaltung entstehende Hitze wird Wasser zum Sieden gebracht und verdampft. Der Dampf wird zu einer Turbine geleitet, die einen Generator antreibt. Anschließend wird der Dampf in einem Kondensator wieder verflüssigt und durch die Vorwärmanlage auf eine Temperatur gebracht, in der das Wasser dann erneut in das Reaktordruckgefäß geleitet wird, um die Brennstäbe zu kühlen.

Das Sozialministerium in Kiel erklärte, der Fehler sei auf vergleichbare Komponenten übertragbar. Daher sei sofort eine Inspektion vorzusehen, die von der Reaktorsicherheitsbehörde überwacht werde. Erst am Mittwoch waren im Atomkraftwerk Krümmel mehrere falsch befestigte Dübel entdeckt worden. Der Meiler liegt seit einem Trafo-Brand Ende Juni still. AFP

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Berliner Morgenpost 13.07.2007

130 Atom-Pannen im Jahr 2006

Umweltminister legt Strahlenschutzbericht vor und will neues Atommüllendlager

Berlin - Im vergangenen Jahr sind aus deutschen Atomkraftwerken 130 meldepflichtige Ereignisse bekannt worden. Sie hätten keine oder sehr geringe unmittelbare sicherheitstechnische Bedeutung gehabt, heißt es im Jahresbericht des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), den Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und BfS-Präsident Wolfram König am Donnerstag in Berlin vorlegten. 2005 waren 126 Zwischenfälle aus deutschen Atomkraftwerken gemeldet worden.

Der Energiekonzern Vattenfall änderte am Donnerstag angesichts der nicht nachlassenden Kritik an den Pannen im schleswig-holsteinischen Atomkraftwerk Krümmel seine Haltung. Demnach darf die Atomaufsicht am kommenden Montag nun doch die bei dem Zwischenfall beteiligten Mitarbeiter befragen. Es gehe nicht darum, die Mitarbeiter zu Schuldigen abzustempeln, sagte Gabriel. "Uns interessiert die Struktur der Abläufe."

Zeitweilig seien in der Warte des Kraftwerks 25 Mitarbeiter anwesend gewesen, berichtete der Bundesumweltminister. Das lasse nicht auf ein "ordentliches Verfahren" schließen. Außerdem sei Rauch in die Warte eingedrungen, was auch nicht sein dürfe. Und es habe Kommunikationsprobleme gegeben. Nötig sei eine "sehr präzise Aufklärung", sagte Gabriel. Die Atomaufsicht des Landes - und notfalls der Bund per Weisung - könnte ein Wiederanfahren des Reaktors durchaus verhindern, warnte der Minister. Zuvor hatte Vattenfall erklärt, Krümmel solle bis mindestens Ende August vom Netz bleiben.

Gabriel für neue Suche nach Endlager

Bei der Vorstellung des neuen Strahlenschutzberichts appellierte Gabriel zudem an die Union, einer neuen Endlagersuche für hoch radioaktiven Atommüll zuzustimmen. Bereits seit rund einem Jahr liege ein Vorschlag seines Ministeriums beim Kanzleramt und bei den Koalitionsfraktionen. Aber es sei "sehr schwierig mit der Union". Bislang wurde nur der Salzstock Gorleben als mögliches Endlager intensiv erkundet.

Dem Strahlenschutzbericht zufolge gehörten im vergangenen Jahr 126 der meldepflichtigen Ereignisse zur Kategorie N der Ereignisse von untergeordneter sicherheitstechnischer Bedeutung. Die übrigen Vorfälle fielen in die Kategorie E. Diese Vorfälle verlangen zwar keine Sofortmaßnahmen der Aufsichtsbehörde. Allerdings müssten deren Ursachen aus Sicherheitsgründen genau geklärt und in "angemessener Frist" behoben werden.

So wurde im stillgelegten Atomkraftwerk Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern im Mai 2006 kontaminiertes Wasser im Überwachungsbereich festgestellt. Im bayerischen AKW Gundremmingen habe es im Juni eine Funktionsstörung einer Gebäudeabschlussklappe am Sicherheitsbehälter gegeben, heißt es in dem Bericht. Am schleswig-holsteinischen Kraftwerk Brokdorf wurde im September 2006 irrtümlich unter Volllastbetrieb ein Druckhalter-Abblaseventil geöffnet, im niedersächsischen Atommeiler Emsland standen im November kurzzeitig zwei Sicherheitsteileinrichtungen nicht zur Verfügung. dpa/AP

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Spiegel-online 12.07.2007

CHRONIK

Die Pannenserie des AKW-Betreibers Vattenfall

Ärger beim Atomkraftwerk-Betreiber Vattenfall: Fast täglich werden neue Details der Zwischenfälle in Brunsbüttel und Krümmel sowie neue Störungen bekannt. Der Konzern wird für seine Informationspolitik undSicherheitskultur gerügt. Nun droht der Entzug der Betreiberlizenz.

Eine Chronik.

25.07.2006: Im schwedischen AKW-Block Forsmark-1 gibt es einen Kurzschluss, der zur Trennung des Reaktors vom Stromnetz führt. Dann versagt die Notstromversorgung (mehr...). Spätere Untersuchungen zeigen, dass die Anlage nur Minuten von einem GAU entfernt war. Vier Meiler werden vom Netz genommen. Experten sprechen vom schwersten Zwischenfall seit Tschernobyl und Harrisburg (mehr...).

16.08.2006: Die Sicherheitsmängel im deutschen Atomkraftwerk Brunsbüttel seien gravierender als die im schwedischen Pannen-Reaktor Forsmark, erklärt die Deutsche Umwelthilfe (mehr...).

13.11.2006: Das größte schwedische Atomkraftwerk, Ringhals, wird nach einem "explosionsartigen" Brand an einem der beiden Haupttransformatoren abgeschaltet (mehr...). Das AKW wird gemeinsam von den Energiekonzernen Vattenfall und E.on betrieben.

30.01.2007: Erstmals nach dem schweren Störfall im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark räumt der Vattenfall-Konzern Sicherheitsmängel in der Anlage ein (mehr...). Sicherheitsfragen seien nicht immer so behandelt worden, "wie es sein sollte".

28.06.2007: In Schleswig-Holstein müssen gleich zwei Atomkraftwerke nach Störfällen heruntergefahren werden (mehr...): Um 13.10 Uhr kommt es laut AKW-Betreiber Vattenfall in Brunsbüttel zu einem Kurzschluss am Umspannwerk, wo der Strom aus dem Kraftwerk in das Netz übergeben wird. Daraufhin wird die Schnellabschaltung eingeleitet. Keine zwei Stunden später fängt ein Transformator auf dem Gelände des AKW Krümmel Feuer. Nach Angaben der Behörden ist keine Radioaktivität ausgetreten (mehr...).

29.06.2007: Spannungsschwankungen gelten zunächst als möglicher Auslöser des Brandes im AKW Krümmel (mehr...). Das erklärte zumindest am Vormittag ein Vattenfall-Sprecher (mehr...). Am Nachmittag meldet sich ein zweiter Unternehmenssprecher und erklärt die Spannungsschwankungshypthese für falsch. In einer Vattenfall-Mitteilung heißt es: "Die Sicherheitssysteme haben wie vorgesehen funktioniert." Der Konzern hat zu dem Zeitpunkt bereits die Kieler Atomaufsicht informiert, dass die Schnellabschaltung nach dem Brand auch auf den Reaktorbereich Krümmels Auswirkungen hatte. Diese Information wird jedoch nicht an die Öffentlichkeit gegeben, weder von Vattenfall, noch von der Aufsichtsbehörde. Die Zwischenfälle in den beiden Kernkraftwerken entfachen erneut die Sicherheitsdebatte um die Kernenergie (mehr...).

30.06.2007:Die Kieler Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) versichert in einer Pressemitteilung: "Die Schnellabschaltungen der Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel haben ordnungsgemäß funktioniert." Vattenfall betont in einer Presseinformation: "Die Störungen in Krümmel und Brunsbüttel waren konventioneller Art und standen nicht mit dem Nuklearbereich der Anlagen in Verbindung." Derweil wird das AKW Brunsbüttel wieder hochgefahren, das Kernkraftwerk Krümmel bleibt vorerst außer Betrieb (mehr...).

02.07.2007: Heute, erst vier Tage nach der Schnellabschaltung im Atomkraftwerk Krümmel, können Gutachter beginnen, den Brand in dem Transformatorgebäude neben dem Meiler zu untersuchen (mehr...).

03.07.2007: Das Kieler Sozialministerium spricht erstmals von "Auffälligkeiten" - mittlerweile steht fest: Im Krümmel-Reaktor selbst haben sich mehrere Ventile unplanmäßig geöffnet, außerdem fielen mehrere Wasserpumpen aus (mehr...).

04.07.2007: AKW-Betreiber Vattenfall und die Kieler Landesregierung geraten zunehmend in die Kritik. Greenpeace wirft Firma und Ministerium vor, wichtige Details über die Auswirkungen des Brands auf den Reaktor zurückgehalten zu haben - um den Energiegipfel nicht zu stören (mehr...).

05.07.2007: Eine Woche nach den Zwischenfällen in den Kernkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel werfen sich Aufsichtsbehörde und Vattenfall gegenseitig mangelhafte Informationspolitik vor. Greenpeace behauptet, es gebe Hinweise auf Bedienfehler des Krümmel-Personals (mehr...).

06.07.2007: Neue Details über den Unfall im AKW Krümmel werden bekannt: Bei dem Trafo-Brand ist gefährliches Rauchgas in die Leitwarte des Kernkraftwerks eingedrungen. Ein Mitarbeiter musste eine Gasmaske aufsetzen (mehr...).

08.07.2007: Erst jetzt wird publik: Auch beim Wiederanfahren des abgeschalteten AKW Brunsbüttel vor einer Woche kam es zu zwei Störungen (mehr...). Das teilt das in Schleswig-Holstein für Reaktorsicherheit zuständige Landessozialministerium mit. Betreiber Vattenfall habe das meldepflichtige Ereignis trotz expliziter Nachfrage zunächst verschwiegen und erst zwei Tage zuvor das Ministerium unterrichtet.

09.07.2007: Krisensitzung des immer stärker kritisierten AKW-Betreibers Vattenfall mit den Aufsichtsbehörden. Das Kernkraftwerk Krümmel geht bis auf weiteres nicht ans Netz; das Bundesumweltministerium zieht die Entscheidung darüber an sich. Kiels Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) droht Vattenfall mit einem Entzug der Betriebserlaubnis (mehr...). Derweil die nächste Problemmeldung aus dem AKW Brunsbüttel: In Rohren entstehe zunehmend Wasserstoff - im Jahr 2001 hatte eine Wasserstoffexplosion in einem Rohr in Brunsbüttel schwere Schäden verursacht (mehr...).

10.07.2007: Erklärungsversuche, Beschwichtungen, neue Panne - und ein Machtwort der Kanzlerin: Europa-Chef Klaus Rauscher räumt Probleme mit "nicht spezifikationsgerecht" angebrachten Dübeln im Kernkraftwerk Krümmel ein. Angela Merkel schaltet sich ein und erklärt: "Das muss aufgeklärt werden. Und zwar striktissimi (mehr...)". Das Bundesumweltministerium wirft dem Krümmel-Personal Fehler vor (mehr...). Experten warnen: In Deutschland fehlt Atom-Know-how.

12.07.2007: Noch eine Störung: Im Turbinenbereich des AKW Krümmel entdecken Mitarbeiter ein etwa zwei Millimeter großes Loch an einem Entlüftungsstutzen der Vorwärmanlage. Nach Vattenfall-Angaben lagen die "radiologischen Auswirkungen unterhalb der Messgrenze".

fba

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Märkische Allgemeine, 11.7.07

Atommeiler bleibt abgeschaltet

Weitere Mängel in Krümmel festgestellt / Vattenfall droht Lizenzentzug

MARTIN USBECK

BERLIN Das nach einem Brand in einem Transformatoren-Gebäude am 28. Juni abgeschaltete Kernkraftwerk in Krümmel (Schleswig-Holstein) geht vorläufig nicht wieder ans Netz. Krümmel bleibe "bis zur Klärung aller offenen Fragen" abgeschaltet, kündigte der Vorstandschef der Betreibergesellschaft Vattenfall Europe, Klaus Rauscher, gestern in Berlin an. Bei einer Routinekontrolle an Wartungs- und Montagebühnen im Kraftwerk seien zwei Dübel entdeckt worden, die nicht den technischen Anforderungen entsprächen, so Rauscher. Die eigentlich erst für August geplante technische Überprüfung der gesamten Anlage werde nun vorgezogen. Ursprünglich wollte Vattenfall Krümmel dieser Tage zumindest wieder auf halbe Leistung hochfahren.

Das Bundesumweltministerium hat nach eigenen Angaben "deutliche Anhaltspunkte" dafür, dass das Personal in Krümmel bei der Abschaltung des Meilers nicht nach Vorschrift gehandelt hat. Die Schnellabschaltung des Reaktors sei unangemessen gewesen und habe zu nicht vorgesehenen Veränderungen bei Druck und Kühlwasserfüllstand geführt, teilte das Ministerium gestern mit. Dies habe im konkreten Fall zwar keine negativen Folgen gehabt, könne aber "Vorläufer von schweren Störfällen oder Unfällen" sein.

Vor allem durch seine Informationspolitik hatte Vattenfall in den vergangenen Tagen für Unmut gesorgt. So hat das Unternehmen Probleme bei der Abschaltung in Krümmel zwar eingeräumt - aber erst mit mehreren Tagen Verspätung. Auch Komplikationen beim Wiederanfahren des wegen eines Kurzschlusses abgeschalteten Kernkraftwerks in Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) meldete Vattenfall "erst auf den letzten Drücker" bei den Behörden, wie es im Gesundheitsministerium in Kiel heißt. Die Anlage in Brunsbüttel wird derzeit wieder auf ein Viertel ihrer Leistung gedrosselt, weil der Verdacht besteht, dass sich in einigen Leitungen Wasserstoff gebildet hat. 2001 hatte es schon einmal eine Wasserstoffexplosion in Brunsbüttel gegeben.

Die für die Betriebsgenehmigung der Kraftwerke zuständige Gesundheitsministerin von Schleswig-Holstein, Gitta Trauernicht (SPD), ist über Vattenfall nachhaltig verärgert. Bei einem Krisengespräch über die Abschaltung von Krümmel am vergangenen Montag brachte Vattenfall weder den zuständigen Schichtleiter noch den so genannten Reaktorfahrer mit. Trauernicht will nun überprüfen lassen, ob Vattenfall überhaupt zuverlässig genug ist, um Kernkraftwerke zu betreiben. Damit steht sogar ein Lizenzentzug für Krümmel, Brunsbüttel und das dritte Vattenfall-Kernkraftwerk in Brokdorf im Raum. Während die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Renate Künast, gestern vehement eine solche Konsequenz forderte, bezeichnete der energiepolitische Sprecher der CDU in Schleswig-Holstein, Manfred Ritzek, einen Lizenzentzug als "unrealistisch". Die rechtlichen Hürden dafür seien sehr hoch.

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Hamburger Abendblatt, 7.7.07

Landrat: Wütend auf Vattenfall

Der Kreis wurde vom Energieversorger nur beschwichtigt. Der Kreistag fordert jetzt: Krümmel abschalten, bis die Ursachen ermittelt sind.

Von Rachel Wahba

Hittfeld - "Empörend und nicht mehr nachvollziehbar!" Landrat Joachim Bordt machte vor dem Harburger Kreistag keinen Hehl aus seiner Wut über die "Informationspolitik" von Vattenfall. Es ging um den Brand am vergangenen Donnerstag im Atomkraftwerk Krümmel. Der Kreistag hatte am Donnerstagabend in der Burg Seevetal diese Vorgänge auf der Tagesordnung.

Bordt: "Alles, was wir über das Feuer am Transformator in Krümmel erfahren haben, war rein zufällig aus der Presse, dem Rundfunk oder dem Fernsehen. Einen offiziellen Meldeweg hat es nicht gegeben." Im Gegenteil, als die Kreisverwaltung bei der Atomaufsichtsbehörde in Kiel um Informationen gebeten habe, sei man an die "Pressestelle von Vattenfall verwiesen worden. Dort hieß es lediglich, dass es keine Gefahr für die Bevölkerung gebe", beschwerte sich Bordt. Wie berichtet, hatte die SPD-Fraktion in einem Eilantrag um Bordts Stellungnahme zur Informationspolitik nach dem Feuer gebeten.

"Wenn ich jetzt so höre, was alles hätte passieren können, wird mir nachträglich noch ganz anders", so der Landrat, nach dessen Ansicht "man auf dieser Basis nicht vernünftig zusammenarbeiten kann." Im Kieler Sozialministerium wurde nach Meldung des Feuers der Krisenstab zusammengerufen. Der sei, so Bordt, aber gleich wieder aufgelöst worden, "weil man davon ausging, dass eine Schnellabschaltung des Reaktors nicht notwendig werden würde und dass die Reaktorsicherheit in keiner Weise beeinträchtigt sei. Heute wissen wir, dass dem nicht so war. Am 3. Juli musste Kiel einräumen, dass es bei der Schnellabschaltung Unregelmäßigkeiten gegeben habe", so Bordt.

Mehrheitlich verabschiedete der Kreistag eine von der Verwaltung vorbereitete Resolution an die Kieler Landesregierung. In dieser Resolution fordert der Landkreis die Einhaltung der offiziellen Meldewege bei derartigen Störfällen. Unter anderem heißt es: "Die Bevölkerung sieht die Vorfälle nicht als einmaliges Ereignis, sondern stellt die Sicherheit des Kernkraftwerkes gänzlich in Frage. Zu dieser Einschätzung hat nicht zuletzt die völlig unzulängliche Informationspolitik insbesondere des Betreibers beigetragen." Krümmel dürfe erst wieder eingeschaltet werden, "wenn die Ursachen der aufgetretenen Störungen ermittelt worden sind und eine Wiederholung zuverlässig ausgeschlossen werden kann".

Beim Thema Leukämie - Bordt berichtete aus der nicht öffentlichen Sitzung des Sozialausschusses des Landtages in Hannover - sei man nicht viel weiter gekommen. Es gebe zwei nach weltweit anerkannten Methoden erstellte Gutachten. Das eine mache einen Störfall im Geesthachter Atom-Forschungszentrum GKSS für die Erkrankungen verantwortlich. Das andere sage das Gegenteil. Jetzt werde man beide Gutachten untersuchen lassen, hieß es aus Hannover.

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landeszeitung 05.07.2007

Notfallplan nach dem Atom-GAU: Evakuierungen und Jodtabletten

An einen GAU in Krümmel mag Hans-Heinrich Sühl, stellvertretender Leiter des Katastrophenschutzstabs beim Landkreis Lüneburg nicht denken. Wenn sich die Katastrophe von Tschernobyl an der Elbe wiederholt, sind alle fein ausgeklügelten Katastrophenschutz- und Evakuierungspläne des Kreises Makulatur.

Dennoch versuchen sich die Verantwortlichen für den Fall der Fälle zu wappnen, erstellen Notfallpläne, üben grenzübergreifend mit den Nachbarn.

Dass aus einer Übung schnell bitterer Ernst werden kann, zeigte sich erst in der vergangenen Woche. Ein Feuer zerstörte ein Trafohaus am Atomkraftwerk Krümmel. Radioaktivität trat zwar nicht aus, doch der Schaden war größer, als zunächst vom Betreiber mitgeteilt. Betroffen war nach einem Bericht des für Reaktorsicherheit zuständigen Sozialministeriums in Kiel auch das Reaktorgebäude selbst (LZ berichtete).

Was also passiert, wenn tatsächlich die Alarmmeldung aufläuft: "In Krümmel hat es einen Störfall gegeben"? "Dann laufen auch im Landkreis Lüneburg die Katastrophenschutz-Maßnahmen an", erklärt Sühl.

Ganz wichtig ist die Beurteilung der radioaktiven Lage. Deshalb gibt es nicht nur rund um das Kernkraftwerk stationäre Messtellen, sondern auch in Echem, Brietlingen und Wittorf. Die Stationen dienen der so genannten Kernkraftwerksfernüberwachung, die ein unabhängiges Institut betreibt. Alle zehn Minuten senden die Kontrollstellen rund um die Uhr Daten, die in einer Datenbank gesammelt und ausgewertet werden. Zudem gibt es 25 definierte Messpunkte im Kreis, wo die Messtrupps des ABC-Zuges der Kreisfeuerwehr im Ernstfall Proben nehmen.

Die Probensammel- und Notfallstelle des Kreises befindet sich im Schulzentrum Embsen. Dieser Standort liegt außerhalb des 25-Kilometer-Radius des Kernkraftwerkes Krümmel (siehe Grafik). Das Gebiet rund um das Atomkraftwerk ist in drei Zonen eingeteilt: In eine Zwei-Kilometer-Zone - die so genannte "innere Zone", die mittlere Zone (bis zu zehn Kilometer) und die Außenzone (bis zu 25 Kilometer). In letzterer liegen noch die Stadt Lüneburg und Teile der Samtgemeinde Ilmenau.

Sollte es tatsächlich zu einem schweren Störfall im Kraftwerk kommen, sehen die Rahmenempfehlungen des Bundes die Evakuierung der Bevölkerung im Zehn-Kilometer-Radius rund um Krümmel vor. "Außerdem wurden in dieser Zone alle Haushalte angeschrieben, damit sich die Bewohner kostenfrei in den Apotheken Jodtabletten abholen konnten", berichtet Sühl. Die Jodtabletten für die Bewohner der Gemeinden im 25-Kilometer-Radius seien dagegen bei den jeweiligen Kommunen eingelagert - für den Fall, von dem jeder hofft, dass er niemals eintritt. Denn das weiß auch Sühl nur zu gut: Der psychologische Druck, der auf den Bürgern lastet und die Panik, die bei einem GAU entsteht, kann man in keiner Übung einspielen -"das muss man dann auf sich zukommen lassen", sagt der Katastrophenschutzexperte.

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Hamburger Abendblatt 05.07.2007

BÜRGERSCHAFT GAL UND SPD ATTACKIEREN SENAT - ULDALL VERWEIST AUF KIELER LANDESREGIERUNG

Störfall in Krümmel lässt Senat "nicht unbeeindruckt"

Beim Thema Atomkraft geht es immer um das große Ganze - auch in der Bürgerschaft. Dafür oder dagegen, das ist auch eine Glaubens- und Vertrauenssache. "Der Senat spielt russisches Roulette mit der Sicherheit der Menschen. Atomkraftwerke bleiben lebensbedrohlich und unkontrollierbar", empörte sich GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch in der aktuellen Stunde. Die beiden fast zeitgleichen Störfälle in den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel in der vergangenen Woche hatten die Debatte ausgelöst.

Die Vorfälle hätten gezeigt, so Goetsch, dass die Sicherheitssysteme nicht funktionierten. "Die beiden AKW gehören zu den traurigen Spitzenreitern in der deutschen Pannenstatistik", sagte die GAL-Politikerin. "Wie Bürgermeister Ole von Beust in so einer Situation über die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke nachdenken kann, ist mir unbegreiflich", sagte Goetsch. "Ich freue mich über jeden Tag, an dem nichts passiert."

Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) antwortete für den Senat. "Die Vorfälle haben den Senat nicht unbeeindruckt gelassen. Es gibt aber keinen Grund für polemische Ausfälle", sagte Uldall an die Adresse der Opposition. "Wir verfolgen mit großer Aufmerksamkeit und Wachsamkeit die Vorgänge vor den Toren der Stadt", sagte der Senator.

Brand in Krümmel

Allerdings sei für die Reaktorsicherheit die Kieler Landesregierung verantwortlich. "Die Störungen waren konventioneller Art und standen nicht direkt im Zusammenhang mit dem Nuklearbetrieb", zitierte Uldall die zuständige Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD). Kernkraft sei eine "Übergangstechnologie". Wer jetzt darauf und auf Kohlekraftwerke verzichten wolle, müsse sagen, woher er die Energie stattdessen nehmen wolle.

Die SPD-Abgeordnete Monika Schaal warf von Beust und der CDU vor, eine "üble Doppelstrategie" zu betreiben. Die Verlängerung der AKW-Laufzeiten sei ein "Zuckerle" für die Atomwirtschaft, obwohl sie für den Klimaschutz nichts bringe. Mit dem versprochenen Klimaschutzkonzept für Hamburg sei der Senat schon jetzt im Verzug.

"Die Menschen haben allen Grund, beunruhigt zu sein. Die Informationspolitik des Betreibers Vattenfall ist wie immer: Tarnen, Tricksen, Täuschen", sagte GAL-Fraktionsvize Christian Maaß. Damit, dass es eine Kettenreaktion zwischen zwei Kraftwerken geben könne, habe vorher niemand gerechnet. Die Stadt müsse sich jetzt von Vattenfall als Energieversorger trennen und ganz auf Ökostrom setzen.

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Focus 05.07.07

Atom-Panne

Bedienungsfehler vermutet

Bei dem Brand im Atomkraftwerk Krümmel hat es nach Angaben der Umweltorganisation Greenpeace Bedienungsfehler des Betriebspersonals gegeben.

Darauf habe die Gesellschaft für Reaktorsicherheit hingewiesen, sagte die Physikerin Oda Becker am Donnerstag. „Das lässt Rückschlüsse auf die Sicherheitskultur bei Vattenfall zu." Laut Berechnungen im Auftrag von Greenpeace habe der Stromkonzern das Personal in Krümmel von 1996 bis 2005 um rund zwölf Prozent verringert. Darüber hinaus sei die Leistung des Kraftwerks 2006 um sieben Prozent erhöht worden, schilderten die Umweltschützer.

Nach den Zwischenfällen wies Schleswig-Holsteins Sozialministerin Gitta Trauernicht Vertuschungsvorwürfe zurück. Die für Reaktorsicherheit zuständige SPD-Politikerin kritisierte am Donnerstag massiv den Betreiber Vattenfall für dessen Informationspolitik. So habe der Konzern keine Pressemitteilung über die Folgen der Reaktorschnellabschaltungen am Donnerstag voriger Woche in Krümmel und Brunsbüttel herausgegeben. „Ich bin nicht das Öffentlichkeitsreferat dieses Weltkonzerns", betonte Trauernicht.

Vattenfall: „Nur geringe Bedeutung"

Eine Woche nach dem Trafo-Brand gab Vattenfall dem zuständigen Kieler Sozialministerium seine offizielle Meldung des Störfalls ab. Nach vorläufiger Einschätzung der Vattenfall-Experten hatte der Störfall die geringste Sicherheitsstufe auf der internationalen Ines-Skala, also keine oder nur geringe sicherheitstechnische Bedeutung, wie die „Süddeutsche Zeitung" am Freitag berichtet. Allerdings hätten offenbar nicht alle Sicherheitsvorkehrungen automatisch ihren Betrieb aufgenommen. So sei offenbar der Druck im Reaktorbehälter erst von Hand gesenkt worden &endash; durch das Öffnen zweier Entlastungsventile. Dies gehe aus der Meldung hervor, die der Zeitung vorliegt.

Zuvor hatte der Brand zunächst einen der beiden Transformatoren lahmgelegt, eine automatische Abschaltung dann den zweiten. Dadurch konnte der Reaktor keinen Strom mehr ins Netz einspeisen, wurde aber auch selbst für zwei Sekunden nicht mit Strom versorgt.

In der Folge habe sich der Reaktor abgeschaltet, um dann über ein externes Stromnetz versorgt zu werden. Damit allerdings begannen die Probleme, wie die Zeitung weiter berichtet. Die Pumpe, die das Reaktorinnere mit weiterem Wasser versorgen sollte, fiel nach vier Sekunden aus. Sicherheits- und Entlastungsventile, die den Druck im Reaktor verringern sollten, wurden der Meldung zufolge „von Hand für vier Minuten" geöffnet. Normalerweise sollen Reaktoren bei Störfällen ohne menschliche Eingriffe in einen sicheren Status zurückfinden. Warum dies in diesem Fall nicht funktionierte, bleibe in der Meldung offen. Erst anschließend habe sich der Reaktor wieder automatisch mit Speisewasser gefüllt.

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6.07.07 Brand im AKW Krümmel

Gegenüberstellung der Videotexte von

ARD, ZDF, NDR, WDR, N24, NTV,RTL,VOX, BR

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ntv 3. Juli 2007

Brand am AKW Krümmel

Reaktor doch betroffen

Nach dem Brand im Atomkraftwerk Krümmel ist es zu wesentlich weitgehenderen Störungen gekommen als bisher bekannt. Die Kieler Aufsichtsbehörde berichtete über drei Störungen, die der Betreiber Vattenfall bisher nicht veröffentlich hatte.

Demnach kam es durch "unplanmäßiges Öffnen von zwei Sicherheits- und Entlastungsventilen" und den "unplanmäßigen Ausfall einer von mehreren Reaktorspeisewasserpumpen" zu einem schnellen Druck- und Füllstandsabfall im Reaktordruckbehälter, wie ein Sprecher das für Reaktorsicherheit zuständige Sozialministeriums mitteilte. Vattenfall hatte bisher erklärt, der Atomreaktor selbst sei von dem Brand am Donnerstag letzter Woche nicht betroffen gewesen. 

Ein weiteres Problem betraf die Transformatoren, von denen einer Feuer gefangen hatte: Laut Ministerium wurde auch ein zweiter nicht betroffener Transformator abgeschaltet. Das wäre aber laut Sprecher nicht notwendig gewesen, der Reaktor hätte mit abgesenkter Leistung weiterlaufen können. "Die Schnellabschaltung hätte nicht sein müssen", sagte Sprecher Oliver Breuer. 

Gutachter hätten bei einer Begehung des Brandortes schwere Brandschäden an dem betroffenen Transformator festgestellt, erklärte Breuer. Eine Brandursache sei noch nicht gefunden. Vattenfall hatte bisher einen Kurzschluss und entzündete Kühlflüssigkeit als Brandursache genannt. Am Montag hatte das Unternehmen erklärt, der Reaktor bleibe vorerst abgeschaltet.

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3.7.07

Ärzteverband widerspricht Niebel: AKW haben viele Sicherheitsmängel

Nach Angaben der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW gibt es in deutschen Atomkraftwerken mehrere Hundert «schwerwiegende Sicherheitsdefizite». Die Organisation widersprach am Dienstag FDP-Generalsekretär Dirk Niebel, der am Vortag in einem Pressegespräch erklärt hatte, wenn der frühere Bundesumweltminister, Jürgen Trittin (Grüne), auch nur ein einziges unsicheres Atomkraftwerk entdeckt hätte, wäre es mit Sicherheit in seiner Amtszeit abgeschaltet worden. Niebel äußerte im Umkehrschluss die Vermutung, dass es gegen die zurzeit in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke «offenbar keine ernsthaften Sicherheitsbedenken» gebe.

Berlin (ddp). Nach Angaben der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW gibt es in deutschen Atomkraftwerken mehrere Hundert «schwerwiegende Sicherheitsdefizite». Die Organisation widersprach am Dienstag FDP-Generalsekretär Dirk Niebel, der am Vortag in einem Pressegespräch erklärt hatte, wenn der frühere Bundesumweltminister, Jürgen Trittin (Grüne), auch nur ein einziges unsicheres Atomkraftwerk entdeckt hätte, wäre es mit Sicherheit in seiner Amtszeit abgeschaltet worden. Niebel äußerte im Umkehrschluss die Vermutung, dass es gegen die zurzeit in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke «offenbar keine ernsthaften Sicherheitsbedenken» gebe. Diese Schlussfolgerung Niebels sei «schlichtweg falsch», sagte der Atomexperte der IPPNW, Henrik Paulitz. «Wir wissen das sehr genau, weil wir seit Jahren sicherheitstechnische Gutachten zum Atomkraftwerk Biblis B auswerten, um die Stilllegung durch eine Klage vor Gericht zu erreichen.» Für Biblis B könne die Ärzteorganisation bereits mehr als 150 schwerwiegende Sicherheitslücken nachweisen. Die IPPNW beruft sich hierbei auf offizielle Bewertungen unter anderem der Gesellschaft für Reaktorsicherheit, der Reaktorsicherheitskommission des Bundes, des TÜV Süd und des Atomkraftwerksherstellers Siemens. «Dabei haben wir noch nicht einmal alle uns verfügbaren Unterlagen ausgewertet», so Paulitz. Vermutlich gebe es sogar mehrere hundert gefährliche Sicherheitslücken in Biblis B. Paulitz warf den zuständigen Behörden vor, die Bevölkerung nur unzureichend über die Sicherheitsdefizite der Atomkraftwerke zu informieren, obwohl diese Informationen in den Ministerien großteils verfügbar seien. «Wir haben den Eindruck, dass sich die Politiker nicht wirklich für die Sicherheitsdefizite interessieren», betonte Paulitz und fügte hinzu: «Das mag daran liegen, dass sie die Atomkraftwerke stilllegen müssten, wenn sie die große Zahl von Sicherheitslücken offen eingestehen würden." ddp/ma

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ngo-online, 3.7.07

"Mehr als 150 Sicherheitsdefizite"

Niebel diskutiert mit Ärzteverband über Sicherheit von Atomkraftwerken

[ngo] Nach Angaben der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW gibt es in deutschen Atomkraftwerken mehrere Hundert "schwerwiegende Sicherheitsdefizite". Die Organisation widersprach am 3. Juli FDP-Generalsekretär Dirk Niebel, der am Vortag in einem Pressegespräch gesagt hatte, wenn der frühere Bundesumweltminister, Jürgen Trittin, auch nur ein einziges unsicheres Atomkraftwerk entdeckt hätte, wäre es mit Sicherheit in seiner Amtszeit abgeschaltet worden. Niebel äußerte im Umkehrschluss die Vermutung, dass es gegen die zurzeit in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke "offenbar keine ernsthaften Sicherheitsbedenken" gebe. Diese Schlussfolgerung des Generalsekretärs ist nach Darstellung der IPPNW "schlichtweg falsch". Man wisse das "sehr genau, weil wir seit Jahren sicherheitstechnische Gutachten zum Atomkraftwerk Biblis B auswerten, um die Stilllegung durch eine Klage vor Gericht zu erreichen. Wir können für Biblis B schon jetzt mehr als 150 schwerwiegende Sicherheitslücken zweifelsfrei nachweisen", so ein Sprecher der Organisation. Niebel reagierte postwendend mit der grundsätzlichen Aussage: "Im Betrieb unsichere Kernkraftwerke gehören abgeschaltet".

Laut IPPNW beruhen die behaupteten mehr als 150 Sicherheitsdefizite von Biblis B nicht auf eigenen Einschätzungen, sondern auf offizielle Bewertungen unter anderem der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS), der Reaktorsicherheitskommission des Bundes (RSK), des TÜV Süd und des Atomkraftwerksherstellers Siemens.

Dabei habe man noch nicht einmal alle verfügbaren Unterlagen ausgewertet. Hinzu komme, dass die Hessische Atomaufsicht seit Juni der IPPNW den Zugang zu weiteren Sicherheitsgutachten im Umfang von mehreren Tausend Seiten verweigert habe. Man könne aufgrund der Erfahrungen mit den verfügbaren Unterlagen davon ausgehen, dass es in Biblis B mehrere hundert gefährliche Sicherheitslücken gibt.

Seriöse Sicherheitsdebatte oder billige Stimmungsmache?

Ein anderer Kritikpunkt des FDP-Generalsekretärs ist nach Auffassung der IPPNW allerdings zutreffend. Niebel hat den Grünen vorgeworfen, es gehe ihnen längst nicht mehr um eine "seriöse Sicherheitsdebatte", sondern um "billige Stimmungsmache".

Die Ärztorganisation kritisiert, dass auch Umweltminister der Grünen und der SPD die Bevölkerung "nur sehr unzureichend über die Sicherheitsdefizite der deutschen Atomkraftwerke informieren", obwohl diese Informationen in den Ministerien großteils verfügbar seien. Die Bevölkerung habe aber ein Recht darauf, konkret über die sicherheitstechnischen Schwachstellen der deutschen Atomkraftwerke in Kenntnis gesetzt zu werden.

Die IPPNW kritisiert, dass sich die Politiker "nicht wirklich für die Sicherheitsdefizite interessieren. Das mag daran liegen, dass sie die Atomkraftwerke stilllegen müssten, wenn sie die große Zahl von Sicherheitslücken offen eingestehen würden." Denn das Atomgesetz sehe den Widerruf der Betriebsgenehmigungen vor, wenn der Sicherheitsstandard nicht mehr dem "aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik" genüge. "Der Sofortausstieg aus der Atomenergie ist insofern nicht nur eine berechtigte Forderung der Anti-Atom-Bewegung, sondern darüber hinaus auch atomrechtlich zwingend geboten", meint die Organisation.

Die IPPNW bot Niebel und Politikern anderer Parteien Gespräche an, damit sich die Politiker am Beispiel der Sicherheitslücken von Biblis B einen "realen Eindruck" von den Gefahren der Atomenergie verschaffen und eine "seriöse Sicherheitsdebatte" führen könnten.

Niebel: IPPNW soll sich an die Atomaufsicht der Länder wenden

Der FDP-Generalsekretär reagierte noch am 3. Juli mit einem offenen Brief an die IPPNW-Vorsitzende Angelika Claußen. Er habe zur Kenntnis genommen, dass die Ärzteorganisation über Informationen über mehrere Hundert "schwerwiegende Sicherheitsdefizite" in deutschen Kernkraftwerken verfüge.

"Ich bitte Sie, sich mit Hinweisen auf gravierende Sicherheitsmängel im Betrieb deutscher Kernkraftwerke an die zuständigen Behörden in den Ländern zu wenden", so Niebel. "Meine Haltung ist ganz unzweideutig: Im Betrieb unsichere Kernkraftwerke gehören abgeschaltet, sichere sind für die voraussehbare Zukunft ein notwendiger Bestandteil von jenem Energiemix, der allein Klimaschutz und Energiesicherheit ermöglicht."

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n-tv, 3.7.07

Kernenergie weltweit

Abschied hier, Ausbau dort

Steigende Strom- und Energiepreise, Diskussionen über eine sichere Energieversorgung und die Abhängigkeit von Öl- und Erdgaslieferungen entfachen die Debatte über die Atomenergie immer wieder aufs Neue. Kernkraft ist die umstrittenste Energieform in Deutschland.

Physikalische Grundlage eines Kernkraftwerkes ist der Energiegewinn bei der Spaltung von Atomkernen. Als Kernbrennstoff wird in den meisten heute betriebenen Kernkraftwerken angereichertes Uran eingesetzt. Die aus den Spaltprodukten resultierende starke Radioaktivität stellt eine hohe Gefahr für die Umwelt dar. Unfälle in einem Atomkraftwerk können von geringfügigen internen Betriebsstörungen bis zu einer Katastrophe mit internationalen Auswirkungen reichen.

Im Einsatz: weltweit mehr als 400 Reaktoren

Derzeit hält Kernenergie noch einen Anteil von rund 29 Prozent an der deutschen Stromproduktion. Weltweit wird die Kernkraft zur Stromerzeugung genutzt. Global sind mehr als 400 Reaktoren im Einsatz. Zahlreiche neue Anlagen, vor allem in Osteuropa und Asien, sind im Bau oder in der Planung. Schnell wachsende Volkswirtschaften wie China setzen auf nukleare Stromproduktion, um den rapide steigenden Energiebedarf zu decken. Auch in den meisten europäischen Ländern hat Uran einen festen Platz im Energiemix.

Neben der Kohleverstromung gilt Kernenergie als eine der kostengünstigsten Formen der Stromerzeugung. Nach Angaben des Energieversorgungsunternehmens EnBW Energie Baden-Württemberg steckt in einer Tonne Uran-235 mehr Energie als in 2 Millionen Tonnen Steinkohle.

Dennoch wäre Strom aus neuen Atomkraftwerken nach Angaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) nur noch mit hohen staatlichen Subventionen rentabel. Je Kilowatt installierter Leistung kostet ein Atomkraftwerk demnach etwa fünfmal so viel wie ein modernes, effizientes Gaskraftwerk.

Klimabilanz: viele Faktoren zu berücksichtigen

Bei der Stromerzeugung aus Uran entstehen keine Emissionen von Treibhausgasen oder anderen Schadstoffen. Das BMU weist jedoch darauf hin, dass Atomenergie gegenüber anderen Formen der Energieerzeugung beim Klimaschutz oft schlechter abschneidet, wenn auch die Förderung der Rohstoffe, der Transport, Bau und Unterhalt eines Atomkraftwerks, die Verteilung des Stroms, vor allem aber die erforderliche zusätzliche Wärmeerzeugung berücksichtigt werden. "Moderne Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung, in denen Strom und Wärme gleichzeitig produziert werden, können günstiger für das Klima sein", so das BMU. "Besser noch liegen in der Klimabilanz erneuerbare Energien".

Unabhängigkeit von Energieimporten ist durch Atomstrom nicht gewährleistet. Für Uran ist Deutschland zu 100 Prozent auf Importe angewiesen. Auch ist Uran nicht unerschöpflich. Nach Angaben der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) gibt es weltweit etwa 4,7 Millionen Tonnen wirtschaftlich abbaubare Vorkommen von Uran. Diese Vorräte reichen beim gegenwärtigen Jahresverbrauch noch etwa 65 Jahre. Angesichts aktueller Nutzungspläne, so das BMU, ist eher von 30 bis 40 Jahren auszugehen. Uran wäre dann schon früher erschöpft als Erdöl und Erdgas. Wie die EnBW betont, sei die Versorgungssicherheit bei Uran jedoch eher gegeben als bei Öl und Gas, da Uran vorwiegend in politisch stabilen Regionen gefördert werde, wie z.B. Kanada und Australien.

Ungelöst: Frage der Entsorgung

Das schwerwiegendste Problem der Atomkraft sind die damit verbundenen Sicherheitsrisiken. Der Reaktorunfall in Tschernobyl im Jahr 1986 hat dies deutlich gemacht. Deutschland verfügt zwar über höchste Sicherheitsstandards, ein Unfall mit schwersten Folgen kann aber nirgendwo ausgeschlossen werden. Nach wie vor ungelöst ist außerdem die Frage der Atommüll-Entsorgung. Radioaktiver Abfall von Atomkraftwerken ist noch Millionen Jahre strahlungsaktiv. Die Atomenergienutzung ist auch deswegen als nicht nachhaltig anzusehen, zumal es ressourcenschonende und umweltverträgliche Energiealternativen gibt. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund den vollständigen Ausstieg aus der Atomstromproduktion beschlossen. Nach derzeitigem Stand geht das letzte Kernkraftwerk in Deutschland um das Jahr 2020 vom Netz.

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Deutsche Umwelthilfe e.V 02.07.2007

Wackeln beim Atomausstieg beenden

Berlin (ots) - Aus Mangel an Ergebnissen flüchtet sich die Bundesregierung nach dem Energiegipfel in Ankündigungen - Unklarheit über Atomausstieg bremst Investitionen in Klimaschutztechnologien - Merkel muss neue Energiepolitik gegen den Widerstand der traditionellen Energiewirtschaft durchsetzen

03. Juli 2007: Die Bundesregierung muss in Deutschland die Energie- und Klimapolitik durchsetzen, die Angela Merkel in Brüssel und Heiligendamm verabredet hat. Das kann nicht in Harmonie mit der traditionellen Energiewirtschaft gelingen, solange dort die Kräfte dominieren, die glauben, man könne Strom im Jahr 2050 noch so erzeugen wie 1970 - nämlich vor allem aus Kohle und Atomenergie. Dieses Fazit zieht die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH), nachdem die Bundesregierung nach dem dritten Energiegipfel im Bundeskanzleramt Ankündigungen, aber keine Ergebnisse präsentiert hat.

"Die großen Stromkonzerne kämpfen weiter verbissen um ihre Investitionen in Kohle- und Atomkraft und für einen steigenden Stromabsatz. Das ist das genaue Gegenteil einer sicheren und klimaverträglichen Zukunftsstrategie", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake im Anschluss an den Energiegipfel. Zu begrüßen sei die Versicherung der Bundeskanzlerin, dass sie an den international vereinbarten Klimazielen in jedem Fall festhalten werde und dies ein 'Weiter so' in Deutschland definitiv ausschließe. "Angela Merkels fortgesetztes Wackeln beim Atomausstieg" stehe dagegen im eklatanten Gegensatz zur von der Kanzlerin gleichzeitig beschworenen Planungssicherheit für die Wirtschaft. Baake: "Solange potenzielle Investoren in eine umweltverträgliche und moderne Energiewirtschaft damit rechnen müssen, dass die verbliebenen 17 alten Atomkraftwerke doch noch am Netz bleiben, solange werden sie sich mit ihren Investitionen zurückhalten."

Nach Überzeugung der DUH war es von Anfang an unrealistisch zu glauben, die traditionellen Energiekonzerne durch die Kraft der Argumente von der Notwendigkeit einer Neuausrichtung ihrer Geschäfte überzeugen zu können. Die unter den Bedingungen des Klimawandels notwendigen politischen Rahmenbedingungen würden zwangsläufig den rückwärtsgewandten Strategien der Konzerne entgegen laufen: Der Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten entwerte die Braunkohletagebaue, der Atomausstieg verkürze das goldene Ende abgeschriebener Atomkraftwerke und eine ernsthafte Effizienzstrategie und der Ausbau der Erneuerbaren Energien laufe auf einen kräftig abgeschmolzenen Stromabsatz hinaus. Diese Zukunftsaussichten hätten die Konzernchefs viel zu lange nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Baake: "Solange die Stromunternehmen die Neuausrichtung ihrer Geschäfte verweigern, sind Konsensrunden wie die im Kanzleramt letztendlich verlorene Liebesmüh: Angela Merkel muss jetzt das tun, wofür sie vom Bundestag gewählt wurde - nämlich regieren und den energiepolitischen Rahmen so setzen, dass auch die Interessen künftige Generationen gewahrt bleiben".

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ddp 02. Juli 2007

Vattenfall will Atomkraftwerk Krümmel mit nur einem Transformator betreiben

[ngo/ddp] Der am 28. Juni im schleswig-holsteinischen Atomkraftwerk Krümmel in Brand geratene Transformator konnte erst drei Tage später am 1. Juli weitgehend gelöscht werden. Nach offiziellen Angaben gelang es den Feuerwehrmännern am 1. Juli, das Gebäude sowie den Transformator nachmittags auf 30 Grad herunterzukühlen. Jetzt haben Experten mit der Ursachenforschung begonnen. Am 2. Juli nahmen Sachverständige im Auftrag der Lübecker Staatsanwaltschaft den ausgebrannten Transformator "in Augenschein". Parallel dazu ließ das Kieler Sozialministerium als Aufsichtsbehörde den zweiten Transformator am Atommeiler prüfen, weil der Atomkraftwerksbetreiber Vattenfall das Kraftwerk schnellstmöglich wieder ans Netz bringen möchte. Die Gutachter sollen prüfen, wie belastbar der baugleiche zweite Transformator in Krümmel ist, wie Ministeriumssprecher Oliver Breuer sagte. Betreiber Vattenfall Europe wolle den Reaktor zunächst nur mit einem Transformator wieder anfahren.

Dann könnte Krümmel höchstens 60 Prozent der möglichen Leistung liefern. Zum Brandzeitpunkt am Donnerstag waren beide 380-Kilovolt-Transformatoren in Betrieb gewesen.

Den Brandort hatte die Staatsanwaltschaft zur routinemäßigen Untersuchung abgesperrt. Erst nach Beendigung dieser Ermittlungen soll der ausgebrannte Transformator für die Prüfungen durch Sachverständige der Aufsichtsbehörde und der Versicherungen freigegeben werden.

Kieler Sozialministerium: Genehmigung zum Wiederanfahren von Brunsbüttel erteilt

Unterdessen ging der am 28. Juni nach einem Kurzschluss ebenfalls abgeschaltete Reaktor Brunsbüttel am 1. Juli wieder ans Netz. Zuvor hatte das Kieler Sozialministerium als Aufsichtsbehörde die Genehmigung zum Wiederanfahren des Atommeilers gegeben.

Die beiden Kernkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel waren abgeschaltet worden, nachdem es zunächst in Brunsbüttel zu einem Kurzschluss gekommen war. Dabei kam es - wie erst Tage später öffentlich gemacht wurde - zu einem Schwelbrand an der Turbine. Knapp zwei Stunden später brach auf dem Gelände des Atomkraftwerks Krümmel in einem Transformatorgebäude ein Feuer aus.

Nach Angaben des Kraftwerksbetreibers Vattenfall hatte ein Kurzschluss im Transformator dort Öl entzündet.

BBU kritisiert Wiederinbetriebnahme des Atomkraftwerks Brunsbüttel

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) kritisierte die Wiederinbetriebnahme des Atomkraftwerks Brunsbüttel. Nach Auffassung des Umweltverbandes geht damit der "nukleare Blindflug ohne Rücksicht auf Verluste" weiter. BBU-Vorstandsmitglied Udo Buchholz sagte, die Bevölkerung rund um das Atomkraftwerk Krümmel, aber auch bei allen anderen Atomanlagen werde einem enormen Unfallrisiko und einem weiter wachsendem Atommüllberg ausgesetzt.

Der BBU bezeichnete diese Situation als unverantwortlich und forderte den Sofortausstieg aus der Atomenergie. Zugleich rief der Verband zu weiteren Protesten gegen alle Atomanlagen und Atomtransporte auf.

Das Atomkraftwerk Krümmel bleibt bis auf weiteres vom Netz getrennt

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net tribune, 2.7.07

Kernenergie: Klimaschützer oder Entwicklungshemmer?

Hamburg - Für die einen sind Atomkraftwerke unverzichtbare Klimaschützer. Für die anderen eine Bedrohung und Lähmung alternativer Energien. Über die Frage, ob die von Deutschland angestrebte Reduzierung der CO2-Emission auch ohne Kernenergie erreicht werden kann, streiten Energieunternehmen und Umweltorganisationen, Wirtschaft und Politik. Alle Seiten werfen mit Zahlen um sich und führen Studien ins Feld, die die jeweilige Position untermauern. Fakt ist: Der Bundestag hat das Ziel ausgegeben, bis 2020 den deutschen Ausstoß von Klimagasen um 40 Prozent unter den Wert von 1990 zu bringen. Doch ist das ohne Atomstrom möglich?

Das Deutsche Atomforum bezeichnet Kernkraftwerke als Klimaschützer. Sie liefern mehr als ein Viertel des deutschen Stroms und stoßen im Unterschied zu fossil befeuerten Kraftwerken beim Betrieb kein CO2 oder Gase aus, erklärt der Lobbyverband. In Deutschland würden dadurch jährlich bis zu 150 Millionen Tonnen vermieden - so viel wie der gesamte Straßenverkehr freisetze. Ohne den Beitrag der Kernenergie werde Deutschland seine Klimaziele nicht erreichen, heißt es.

Im Fall des Atomausstiegs müsste Kernenergie durch Gas und Kohle ersetzt werden, sagt der Sprecher des Atomforums, Bernd Arts. «Das bedeutet zwischen 65 und 185 Millionen Tonnen mehr CO2 pro Jahr.» Wasserkraft könne nicht mehr signifikant gesteigert werden. Und die Erneuerbaren Energien lieferten noch nicht ausreichend und zuverlässig genug Energie.

Ausstieg sogar bis 2015 möglich

Die alternativen Energieanbieter geben sich zur Zeit selbstbewusst: Rund 40 Prozent des deutschen Strommarkts wollen sie nach internen Analysen bis 2020 erobern. Der Bundesverband Windenergie verkündete gerade, mit Windrädern könnte bis 2020 ein Viertel des deutschen Stroms produziert werden.

Umweltschützer rechnen vor, dass der Atomausstieg kein Hindernis für das 40-Prozent-Ziel sei. Eine von Greenpeace eigens in Auftrag gegebene Studie zeigt: Das Klimaschutzziel kann sogar schon bei einem vorgezogenen Ausstieg bis 2015 erreicht werden. «Wird weiter in Atomstrom investiert, werden die Erneuerbaren gelähmt und die Energiewende verhindert», sagt Greenpeace-Atomexperte Thomas Breuer. Atomkraftwerke als Klimaschützer zu bezeichnen, nennt er eine PR-Maßnahme: «Natürlich produzieren sie weniger CO2 als ein Kohlekraftwerk, aber es kann in jedem AKW zum Gau kommen, und es gibt immer noch keine endgültige Lösung für den Atommüll.»

Das Wuppertalinstitut für Klima, Umwelt und Energie betont, das Klimaziel könne ohne Atomenergie mit einer Kombination aus erneuerbaren Energien und gesteigerter Energieeffizienz erreicht werden. «Es gibt ein riesiges Einsparpotenzial, wenn man bei neuen Geräten die jeweils effizienteste am Markt verfügbare Alternative wählt», sagt der Vize-Präsident Manfred Fischedick und nennt als Beispiele Glühbirnen, Heizungen und Wärmedämmung. So könnten 16 bis 17 Prozent des jährlichen Gesamtstromverbrauchs eingespart werden.

Auch eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie des Prognos-Instituts und des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln (EWI) rechnet vor: Bei einem Ausstieg aus der Atomenergie wären die Klimaziele zu schaffen. Gleichwohl wäre ein forcierter Ausbau der Erneuerbaren viereinhalb Milliarden Euro teurer und weniger klimafreundlich als die weitere Nutzung der Atomkraft. Bei einem Weiterbetrieb der 17 verbliebenen Atomkraftwerke könnten - verglichen mit dem Atomausstieg - zusätzliche 6,2 Prozent beim Treibhausgas eingespart werden, heißt es in der Studie.

Vorgaben bestimmen Zahlen

Die Studie ist seit ihrer Veröffentlichung im Mai umstritten, da sie zu Grunde legt, dass Deutschland seine Energieproduktivität von 1990 bis 2020 verdoppeln kann. Jedoch ist diese laut Umweltbundesamt seit 1990 nur um insgesamt 28 Prozent gestiegen und seit 2000 nur noch um 0,9 Prozent pro Jahr. Das gesteckte Ziel kann demnach nur noch mit jährlichen Steigerungen von drei Prozent in den kommenden 13 Jahren erreicht werden. Wirtschaftsvertreter bezeichnen dies als völlig unrealistisch.

Für den Verband der Elektrizitätswirtschaft stellten die Wissenschaftler von EWI Prognos nach Informationen der Tageszeitung «Die Welt» hingegen die Nachteile eines Atomausstiegs heraus. Die unterschiedlichen Ergebnisse der Studien von Atombefürwortern und - gegnern kommen laut Fischedick vom Wuppertalinstitut vor allem durch unterschiedliche Vorgaben zu Stande. Beispielsweise wenn die Energieindustrie vorgebe, wie Atomstrom ersetzt werden solle. «Man muss schon den Schritt weiter gehen und für alle Optionen offen sein», sagt Fischedick.

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Neue Osnabrücker Zeitung, 2.7.07

Töpfer: Erneuerbare Energien statt Atomkraft

Von Klaus Jongebloed

Osnabrück.

Einen Tag vor dem Energiegipfel der Bundesregierung warnt der frühere CDU-Bundesumweltminister Klaus Töpfer davor, die Frage der Energie- und Klimadiskussion auf die Atomkraft einzuengen.

In einem Gespräch mit unserer Zeitung sagte Töpfer, "die Kernenergie wird diese Probleme nicht bewältigen können". Es gebe eine politische Entscheidung für den Atomausstieg. "Das steht auch durch die aktuellen Geschehnisse bei den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel nicht in einer anderen Situation da." Zum Bestreben der Industrie, die Laufzeiten trotz des von der großen Koalition vereinbarten Atomausstiegs zu verlängern, meinte der einstige Direktor des UNO-Umweltprogramms UNEP: "Wir brauchen eine Zukunft ohne Kernenergie. Und wir müssen alles daran setzen - etwa in der Entwicklung erneuerbarer Energien und durch die Erhöhung der Energieeffizienz -, diese Zukunft so schnell wie möglich zu erreichen."

Töpfer sagte, "ganz ohne jeden Zweifel" könnten die erneuerbaren Energien die Kernenergie ersetzen. "Es geht immer nur um die Zeitpläne." Zwar sei Zeit verloren worden durch einen verspäteten Einstieg in solche Technologien. "Aber es macht doch keinen Sinn, rückblickend zu lamentieren. Man muss jetzt agieren. Dass die Summe der erneuerbaren Energien im Konzert mit höherer Energieeffizienz auch den Versorgungsbeitrag, den jetzt die Kernenergie leistet, übernehmen kann, wird kaum bestritten." Es gehe nun allein um die Frage, "bis wann man soweit ist".

Nach Töpfers Worten muss in Zukunft "Energie sinnvoller eingesetzt werden", wenn das Ziel erreicht werden solle, bis 2020 die Energieproduktivität zu erhöhen. Die von der Regierung angestrebte Steigerungsrate der Energieeffizienz von drei Prozent pro Jahr "ist zwar ein ambitioniertes, aber durchaus nicht unrealistisches Ziel".

Dafür böten etwa die Bereiche Mobilität und Gebäude, Industrie und Privathaushalte viel Potenzial. Als Beispiel nannte Töpfer unter anderem "die konzentrierte Sanierung von Gebäude. Es ist zu klären, ob entsprechende Regelungen auch in das Mietrecht hineingebracht werden müssen."

Denkbar sei auch, per Ordnungsrecht eine Mietminderung bei fehlender Sanierung von Gebäuden zu verfügen. "Ein solches Instrument kann man nicht von vornherein ausschließen. Beim Katalysator haben wir das Ordnungsrecht auch eingesetzt." Laut Töpfer sollten aber "Anreize und bessere Information" im Vordergrund stehen, um die Verbraucher zu einem sparsamen Umgang mit Energie zu bewegen.

Am mittlerweile dritten Energiegipfel unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel nehmen morgen im Kanzleramt Vertreter von Regierung, Energiewirtschaft und Verbraucherschützer teil. Mit dabei ist Klaus Töpfer, der dem Rat für Nachhaltige Entwicklung angehört, der die Bundesregierung unter anderem in Energie- und Umweltfragen berät.

Der Gipfel steht allerdings unter keinem guten Stern. Ein Scheitern wird nicht ausgeschlossen. Die Konflikte zwischen Politik und Wirtschaft traten zuletzt offen zutage. Stromversorger beklagen, dass die Energiedebatte zu sehr im Zeichen von Klima- und Umweltschutz statt von Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit steht. Den Atomausstieg halten sie für verfehlt. Umgekehrt fuhr Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) zuletzt scharfes Geschütz auf, als er den BASF-Chef Jürgen Hambrecht in die Nähe eines "Wirtschaftsstalinisten" rückte.

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indymedia 02.07.2007

Gronauer Uranmüllexport vor dem Aus?

SOFA Münster 02.07.2007 11:45 Themen: Atom

Ende Juni berichteten mehrere russische Medien, dass der Chef der russischen Atomenergiebehörde Rosatom, Kirienko, das Auslaufen der Verträge zum Import von abgereichertem Uran aus Westeuropa angekündigt habe. Das würde auch für die Urenco in Gronau und Almelo/NL das Ende der superbilligen Entsorgung des Uranmülls bedeuten. Angeblich habe Rosatom die Entscheidung schon letztes Jahr gefällt, damals waren aber nur anonyme Rosatom-Mitarbeiter zitiert worden. Jetzt tritt der Chef also selbst vor die Mikrofone. Doch noch ist nicht alles in Butter.

Zunächst mal ist allein die Ankündigung Kirienkos ein großer Erfolg für die internationale Zusammenarbeit zwischen russischen, deutschen und niederländischen Anti-Atom-Initiativen. Auch in Frankreich und Finnland hatte es Proteste gegeben. Die russischen Medien bezogen sich ausdrücklich auf "lokale Proteste", die letztes Jahr gegen die Urantransporte veranstaltet worden seien. Bis 2004 waren die Urantransporte nach Russland ohne jeden Widerstand gelaufen. Bisher hat allein die Urenco 80 000 t abgereichertes Uran nach Russland geschickt, davon 21 000 t aus Gronau. Es zeigt sich, auch die Urenco ist nicht unangreifbar, denn für Urenco ist die Ankündigung ein schwerer (finanzieller) Schlag. Ohne "Entsorgung" in Russland muss der tri-nationale Konzern wesentlich mehr Geld für die Langzeitlagerung des Uranmülls in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien ausgeben.

Doch Vorsicht: Noch ist nicht alles in trockenen Tüchern. Kirienko und Rosatom wollen bestehende Verträge auslaufen lassen. Das bedeutet ein Ende der Uranmüllexporte aus Westeuropa erst im Jahre 2010. Für Gronau könnte das Ende "schon" 2009 kommen. Bis dahin will Urenco aber noch weitere 20 000 t abgereichertes Uran in Russland auf die offene Wiese kippen.

Und: Kirienko kündigte an, die Kapazität der UAA im sibirischen Angarsk am Baikalsee (bei Irkutsk) zu vervierfachen, um mit Kasachstan so richtig ins Urangeschäft einzusteigen. Für die Menschen an den russischen Uranstandorten gibt es also gar keine Entwarnung. Und bis 2010 ist noch viel Zeit.

Wir müssen deshalb dafür sorgen, dass die Auflösung der Verträge mit Urenco tatsächlich auch passiert. Deshalb sollte auch in Zukunft kein Urantransport von Gronau/Almelo ohne Protest fahren. Nur wenn der Widerstand anhält und sich sogar noch verstärkt, können wir dem Export des Uranmülls endgültig ein Ende bereiten.

Ein weiterer Schritt war Mitte Juni ein TV-Bericht des ZDF-Magazins Frontal 21. Darin wurde das hochbrisante Urananreicherungsgeschäft unter die Lupe genommen. Als erstes überregionales Medium im TV-Bereich griff Frontal 21 die katastrophale Gesundheitslage an den russischen Atomstandorten auf. Auch die Urenco in Gronau bekam kräftig ihr Fett mit. So wurde erstmals bekannt, dass bei Unfällen in russischen UAAs drei Menschen getötet wurden - ähnliches kann jederzeit auch in Gronau passieren! Den ganzen Film könnt ihr auf unserer Webseite www.sofa-ms.de angucken - es lohnt sich!

Gestern fand in Gronau ein Urantreffen statt, denn am 22. September soll ein überregionales Urantransportetreffen stattfinden, um den Widerstand voranzubringen. Infos dazu beim Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen: atomstopp@citykom.net.

Apropos: Bis Anfang August ist die Bahnstrecke Gronau-Münster wegen Bauarbeiten gesperrt - bis dahin fallen also auch die Uranmülltransporte ins Wasser. Danach rechnen wir bis Oktober allerdings noch mit zwei neuen Monsterzügen!!

Denkt euch über den Sommer schon mal ein paar nette Überraschungen aus!

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Die Welt, 2.7.07

Atomkraftwerk Krümmel

Landeskriminalamt sucht nach Ursache für Feuer

Die Ursache für den Brand eines Transformators im Atomkraftwerk Krümmel östlich von Hamburg bleibt unklar. Vier Tage nach dem Feuer in einem Nebengebäude des 1400-Megawatt-Reaktors in Geesthacht konnten sich am Montag erstmals Brandexperten des Landeskriminalamts Schleswig-Holstein ein Bild von der Lage machen.

Bislang war es wegen der großen Hitze unmöglich, zu dem verbrannten Transformator vorzudringen. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Lübeck, Klaus-Dieter Schultz, sagte, die Brandursache sei noch unklar, es gebe aber keinerlei Hinweise auf "vorsätzliches Handeln".

Nach bisherigen Erkenntnissen hatte sich am Donnerstag in einem Nebengebäude des 1983 in Betrieb gegangenen Atomkraftwerks das zur Kühlung genutzte Öl entzündet. Der 1400-Megawatt-Reaktor war daraufhin heruntergefahren worden. Wann er wieder ans Netz geht, ist bislang völlig unklar. Das ebenfalls wegen einer Panne abgeschaltete Atomkraftwerk Brunsbüttel ist hingegen bereits wieder in Betrieb. Dort war ebenfalls am vergangenen Donnerstag nach einem Kurzschluss ein Schwelbrand entstanden, der wiederum eine Schnellabschaltung des 1976 in Betrieb gegangenen Reaktors ausgelöst hatte.

Die Sachverständigen des LKA untersuchten den zerstörten 490-Tonnen-Transformator weiter

Krümmel bleibt bis auf Weiteres abgeschaltet. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Schultz, sagte: "Wir haben die Anlage freigegeben zum Zwecke weiterer Untersuchungen auch durch Fachleute des Betreibers und des Technischen Überwachungsvereins." Die Sachverständigen des LKA untersuchten den zerstörten 490-Tonnen-Transformator ebenfalls weiter. Nach Angaben des Kieler Sozialministeriums als zuständiger Atomaufsicht muss vor einem Wiederanfahren des Kraftwerks auch der zweite, baugleiche Transformator gründlich untersucht werden. "Er ist genauso alt, er stammt auch aus dem Jahr 1983", sagte ein Sprecher in Kiel. Vor dem Brand seien beide 380-Kilovolt-Trafos in Betrieb gewesen.

Ein Sprecher des Betreibers Vattenfall erklärte am Montag, der Termin für das Wiederanfahren sei offen. Demnach könnte das Kraftwerk mit dem zweiten Gerät mit verminderter Leistung betrieben werden. Vorher müssten laut Sprecher Kabel geprüft und möglicherweise repariert werden.

Es sei geplant, das Kraftwerk mit nur einem Trafo wieder anzufahren und so zumindest etwa die Hälfte der Kraftwerkskapazität nutzen zu können, hieß es auch aus dem Sozialministerium. Vattenfall erklärte, nachdem die Lösch- und Abkühlarbeiten am Transformator und dem Gebäude am Wochenende abgeschlossen worden seien, werde die Brandstelle von Sachverständigen im Auftrag des Kieler Sozialministeriums untersucht.

Die Grünen wollen die Vorfälle im Parlament diskutieren

Die Pannen in den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel werden auch ein Nachspiel in der Hamburger Bürgerschaft haben. Die Grünen wollen die Vorfälle am Mittwoch im Parlament in einer Aktuellen Stunde diskutieren.

Thematisiert werden soll dabei auch die Forderung von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) nach Laufzeitverlängerungen bei den Kernkraftwerken. Der Siedewasserreaktor Krümmel soll nach dem von der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000 mit der Energiewirtschaft beschlossenen Atomausstieg 2016 endgültig abgeschaltet werden, Brunsbüttel 2009.

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