Presseauswahl ab März 2007

Presseauswahl der BI bis Februar 2007

weitere Artikel zum Thema bei Google-News - Yahoo-Schlagzeilen - RRS

 

dpa, 26.3.07

CDU will längere Atom-Laufzeiten im Grundsatzprogramm festschreiben

Berlin - Die CDU will in ihrem neuen Grundsatzprogramm die Forderung nach längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke festschreiben. "Sonst kann das Zeil der Reduzierung klimaschädlicher Gase nicht erreicht werden", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla am Montag nach einer Sitzung der Parteispitze in Berlin. Die Atomkraft werde auf absehbare Zeit noch als Brückentechnologie benötigt. Deshalb sollten die Laufzeiten sicherer Atommeiler verlängert werden. Nach dem Atomausstieg, an dem auch die große Koalition festhält, soll das letzte deutsche Atomkraftwerk zwischen 2020 und 2023 vom Netz gehen.

Die CDU will in ihrem neuen Programm den Anteil alternativer Energien aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse am gesamten Energieverbrauch bis 2020 auf mindestens 20 Prozent festschreiben. Die Umwelt-Arbeitsgruppe für das Parteiprogramm hatte allerdings nahezu 25 Prozent angepeilt. Der Ausstoß an Treibhausgasen soll nach dem Willen der CDU bis 2020 um mindestens 30 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken.

-----------------------

TAZ NRW 27.3.2007

Protest gegen Eon

Russische Umweltschützer machen Druck auf den Energieriesen: Ende der Atommülltransporte gefordert

DÜSSELDORF/GRONAU taz Vor der Düsseldorfer Zentrale des Atomstromkonzerns Eon haben Umweltschützer aus Deutschland und Russland gestern den Ausstieg aus der Urananreicherung gefordert. Noch immer exportiere die Eon-Tochter Urenco, Betreiber der einzigen Urananreicherungsanlage Deutschlands im münsterländischen Gronau, illegal Atommüll nach Russland, so die Atomkraftgegner. "Deutscher Atommüll wird in russischen Atomstädten unter freiem Himmel gelagert", sagte der Sprecher der russischen Umweltschutzorganisation Ecodefense, Vladimir Sliviak. "Sicherheitsvorkehrungen fehlen, in Teilen Sibiriens sind Missbildungen bei Tieren zu beobachten."

Ecodefense hatte deshalb bereits im vergangenen Jahr bei der Staatsanwaltschaft Münster Strafanzeige gegen Urenco gestellt - die Ermittlungen laufen weiter. "Wir warten noch auf eine Stellungnahme des Bundesamts für Strahlenschutz in Berlin", so Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer zur taz. Der Urananreicherer Urenco weist den Vorwurf des illegalen Atommüllexports dagegen zurück: Geliefert werde Material zur Wiederanreicherung, das danach in Gronau wieder verwendet werde.

Genau das aber bezweifeln die Anti-Atom-Aktivisten. "Zurücktransportiert wird immer weniger", sagt Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen. "Durch die illegale Entsorgung hat Urenco allein 2004 über 200 Millionen Euro gespart." Möglich sei dies durch die besonderen Verbindungen des Konzerns. So ist der Vorstandsvorsitzende der Eon-Ruhrgas AG, Burckhardt Bergmann, gleichzeitig Honorarkonsul der Russischen Föderation. Die Adresse des Konsulats: Düsseldorf, Eon-Platz 1.

ANDREAS WYPUTTA

Ecodefense Tour, heute, 19:30 Uhr, im zakk in Düsseldorf, Fichtenstr. 40

------------------

TAZ 27.3.07:

Atommülltransporte nach Russland

Kommentar

Gute Beziehungen

Zur Politik pflegt der Eon-Konzern ganz besondere Verbindungen. Egal ob in der Bundesrepublik oder in Russland - die Vorstände des Energieriesen setzen auf den kurzen Draht, auf persönliche Bekanntschaften. So amtiert nicht nur der Vorstandschef der Eon-Ruhrgas AG, Burckhardt Bergmann, vom Düsseldorfer Eon-Platz aus als Honorarkonsul der Russischen Föderation. Beste Beziehungen hat auch Eon-Vorstand Walter Hohlefelder: Von 1986 bis 1994 war der Jurist Abteilungsleiter im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit der Regierung Helmut Kohl. Sein Fachgebiet: Reaktorsicherheit, Strahlenschutz und "nukleare Entsorgung".

KOMMENTAR VON ANDREAS WYPUTTA

"Nukleare Entsorgung": In diesem Bereich ist auch der Atomstromkonzern, in dessen Diensten Hohlefelder heute steht, sehr kreativ. Über Dritte hält Eon ein Sechstel des Urananreicherers Urenco. Die Urenco wiederum betreibt im münsterländischen Gronau Deutschlands einzige Urananreicherungsanlage. Regelmäßig verlassen Atomtransporte das Gelände, beladen mit radioaktivem und hochgiftigem Uranhexafluorid. Das Ziel der Transporte: ehemalige Atomkombinate bei Jekaterinburg am Ural oder Tomsk in Sibirien.

Diese Atomfabriken gleichen noch heute geschlossenen Städten, beteuern russische Umweltschützer. Nur mit Stacheldraht gesichert rosteten Fässer mit Gronauer Atommüll unter freiem Himmel vor sich hin - und gefährdeten die Gesundheit der Menschen vor Ort. Wer das in Russland kritisiert, mache schnell Bekanntschaft mit dem Inlandsgeheimdienst FSB, sagen die russischen Anti-Atom-Aktivisten. Deutsche Behörden setzen da lieber auf den Faktor Zeit: Seit Monaten wartet die Staatsanwaltschaft Münster, die wegen des Exports von Atommüll ermittelt, auf eine Stellungnahme des Bundesamts für Strahlenschutz - vielleicht wegen der guten Beziehungen des Eon-Konzerns.

---------------

Kategorie: BUND Bonn 27.3.07

Russische und deutsche Atomkraftgegner fordern: Urantransporte müssen gestoppt werden

Die strahlenden Urantransporte durch Bonn und die illegale "Entsorgung" von Uranmüll in Russland sind zwei Seiten derselben Medaille.

Der Bonner Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und die Anti-Atom-Gruppe Bonn waren sich mit ihren Gästen von der russischen Umweltorganisation Ecodefense einig: Die Anreicherung von Uran als Brennstoff für Atomkraftwerke ist der Beginn des Übels, dass mit radioaktiv verseuchten Gebieten am Ural und in Sibirien. Dies wurde gestern bei einem gut besuchten Vortragsabend im Kulturzentrum Kult41 deutlich.

Die Betreiber der einzigen deutschen Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau, die Urenco-Gruppe, schicken nicht nur im monatlichen Abstand Urantransporte zur Versorgung ihrer Anlage durch Bonn, sondern exportieren ihre Abfälle auch nach Russland. Bei der Produktion von nur einer Tonne angereichertem Uran fallen rund sieben Tonnen radioaktiver Abfall an. Vladimir Slivyak, Vorsitzender von Ecodefense, machte deutlich: "Urenco produziert mehr Müll als Brennstoff. Wenn die RWE-Tochter Urenco ihren Atommüll nicht nach Russland bringen könnte, würde der Preis für ihren Brennstoff um ein Vielfaches höher liegen."

Andrey Ozharovsky, Kernphysiker und 1989 Mitgründer der unabhängigen russischen NGO, zeigte anhand der Stoffströme des Urans auf, dass mitnichten von einem Kreislauf des Brennstoffs die Rede sein könnte. Nur ein Bruchteil des aus Deutschland kommenden Abfalls wird theoretisch in Russland wiederaufbereitet. Tatsächlich verbleibt der im deutschen Gronau anfallende Atommüll vollständig in Fasslagern unter freiem Himmel.

Mit aufrüttelnden Fotos dokumentierten die beiden Umweltaktivisten die oft katastrophale Lage um die russischen Nuklearstandorte. "Wer Atomenergie als sauber und kostengünstig präsentiert, sollte sich die gesamte Produktionskette anschauen", so Bonner Atomkraftgegner.

Ozharovsky wies auch auf die radiologischen wie chemischen Risiken bei Transportunfällen hin: "Ob in Deutschland oder Russland: Bei Austritt von Uranhexafluorid ist mit schweren Verätzungen und radioaktiver Verseuchung zu rechnen." Die meist völlig unbewachten Transporte stellten außerdem ein perfektes Ziel für Terroristen dar.

Der BUND Bonn hatte bereits 2006 in einem Brief an Oberbürgermeisterin Dieckmann Sicherheitsvorkehrungen für die Transporte durch Bonner Stadtgebiet gefordert und die Stadt gebeten, sich für ein Ende der Transporte einzusetzen. Im Gegensatz zu anderen Kommunen entlang der Transportstrecke wie z.B. die Stadt Lünen, wo die Verwaltung sich regelmäßig über Urantransporte informieren lasse, sehe man in Bonn jedoch keinen Handlungsbedarf.

Vladimir Slivyak und Andrey Ozharovsky haben mittlerweile bei der Staatsanwaltschaft Münster Anzeige wegen illegalen Atommüllexports gegen die Urenco-Gruppe eingereicht und bei der deutschen Botschaft in Moskau protestiert. BUND Bonn und Anti-Atom-Gruppe Bonn wollen die Zusammenarbeit mit Ecodefense verstärken und sicherten ihren russischen Mitstreitern Unterstützung zu.

von Stephan Günthner 

------------------

Münsterland Zeitung 26. 03. 2007 

Aus der Region

Abfälle aus Atomkraftwerken - Lager soll Lage entspannen

Stefan Werding 

Ausrangierte und radioaktive Bauteile nehmen in den Kernkraftwerken viel Platz weg. Darum wollen die Energieversorger sie gerne in Folien verpackt in Ahaus lagern.

Ahaus (wl) - Die Kernkraftwerke in Deutschland haben bald keinen Platz mehr, um ihre Abfälle zu entsorgen. Einige Kraftwerke sind an ihren Kapazitätsgrenzen angelangt, sagte Michael Ziegler, Sprecher des Brennelement-Zwischenlagers (BZA).

Damit meint er nicht die hoch radioaktiven Brennstäbe, sondern die Abfälle, die während des Betriebs und durch den Abbau von Atomkraftwerken entstehen. Den will das BZA bei sich aufnehmen und hat zwei entsprechende Anträge gestellt. Die Lage ist laut Ziegler aber nicht so angespannt, dass die Kernkraftwerke ihren Betrieb einstellen müssten.

Den Ahausern stünden dann zwei neue Müllsorten ins Haus. Zum einen Abfälle, die beim Betrieb und Abriss von Atomkraftwerken entstehen. Das können Rohre sein, in denen Brennelemente gesteckt haben und die nicht direkt mit den Brennstäben in Kontakt waren. Es können aber auch Putzlappen oder radioaktive Bauteile sein, sogenannte Großkomponenten. Sie gelten als schwach- und mittelradioaktiv. Zurzeit sieht es so aus, als ob solche Bauteile in Folien eingepackt werden. Bei uns gibt es keinen nackten Atommüll, sagt Ziegler.

Felix Ruwe stellen sich bei dieser Vorstellung die Nackenhaare hoch: Dabei handelt es sich viel um Stahl, dessen Radioaktivität noch über den Grenzwerten liegt. Die Radioaktivität soll bewusst nach außen ins Münsterland abgegeben werden, sagt der Sprecher der Bürgerinitiative Kein Atommüll in Ahaus. Darum hält er diese Abklinglagerung für rechtswidrig. Er meint, dass die Energieversorger den teuren Stahl nicht entsorgen, weil sie ihn lieber wiederverwerten würden etwa für neue Castorbehälter.

BZA-Sprecher Ziegler widerspricht dem. Es handele sich lediglich um schwach radioaktive Abfälle, die abgeschirmt würden: Abklingen spielt bei uns überhaupt keine Rolle, meint er. Das Zwischenlager würde zudem gewährleisten, dass die Menschen in Ahaus keine Aktivität abbekommen. Ob es zu einer Lagerung kommt, entscheidet die Bezirksregierung Münster.

Bei dem zweiten Antrag geht es um Hülsen von zerschnittenen Brennelementen oder auch aus Technologieabfällen aus der Wiederaufarbeitung in La Hague. Die werden gepresst und sollen in speziell entwickelten Transport- und Lagerbehältern aus Schmiedestahl nach Ahaus kommen. Wir rechnen mit einer Rückführung ab 2011, sagt Ziegler. Ab dann sollen bis zu 150 Behälter ins BZA kommen. Die Behälter vom Typ TGC36, die dafür infrage kommen, sind nach seinen Worten in der Erprobungsphase. Über den Antrag entscheidet das Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter (BfS). Wann, ist völlig offen. Bei uns geht Qualität vor Geschwindigkeit, erklärte dessen Sprecher.

Platz genug wäre im BZA. Von den 420 Lagerplätzen sind gerade mal 50 besetzt. Da die deutschen Kernkraftwerke ihre ausrangierten Brennstäbe mittlerweile in eigenen Lagern vor Ort deponieren müssen, wird der Platz im BZA wohl auf lange Sicht frei bleiben wenn seine Betreiber nicht neue Möglichkeiten finden, um den leeren Platz in Ahaus zu füllen.

--------------------

WDR Düsseldorf 26.3.07:

Anti-Atom-Demo vor E.ON

Mitglieder verschiedener Umweltorganisationen haben am Mittag vor der E.ON-Hauptverwaltung in Düsseldorf demonstriert. Die Aktivisten protestierten gegen den Atommüllexport aus der Gronauer Urananreicherungsanlage nach Russland.

In Gronau fällt Uran als Abfallprodukt an. Das Unternehmen URENCO, an dem EON beteiligt ist, soll das radioaktive Material zur Endlagerung illegal nach Russland exportiert haben. Die Energiekonzerne sparten dadurch jährlich 200 Millionen Euro.

-------------------------------

Anti Atom Heidelberg 26.03.2007

Protest vor E.on - Zentrale

Heute vormittag haben deutsche und russische Atomkraftgegner vor der E.On-Zentrale in Düsseldorf gegen die Verstrickung des Stromkonzerns in die Uran-Verschiebung nach Russland protestiert.

Auf Einladung des Öko - Referats der Düsseldorfer FH haben heute vormittag rund 25 Atomkraftgegner aus Nordrhein - Westfalen, Süddeutschland und Russland gegen den Export von Abfällen aus der deutschen Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau protestiert. Von dort wird mehrmals jährlich tonnenweise Uranmüll nach Russland geschickt - offiziell als "Wertstoff" deklariert. E.On ist auf verschiedene Weise in das schmutzige Geschäft mit dem Uran verstrickt: So teilt sich der Düsseldorfer Konzern mit der RWE das deutsche Drittel an der deutsch-britisch-niederländischen Urenco, der Betreiberfirma der Anlage in Gronau. Aber nicht nur das: Wie auf der Demonstration verkündet wurde, ist auch der Vorstandvorsitzende der Urenco Deutschland ein ehemaliges Mitglied des E.On - Vorstandes. Und pikant ist auch die Verflechtung von E.On mit russischen Behörden - hat doch die Vorbereitung der Kundgebung ergeben, dass das russische Generalkonsulat in Düsseldorf nicht nur in der Nähe der E.On - Zentrale liegt, wie zuerst vermutet; vielmehr ist der Konsul selbst ebenfalls Mitglied des Konzernvorstandes. Die Vermutung liegt also nahe, das notwendige Absprachen bezüglich der Uran - Verschiebung nach Russland auf sehr unkompliziertem Wege direkt vor Ort bei E.On besprochen werden. Zusammen mit den russischen Aktivisten Vladimir Slivyak und Andrej Ojarovsky von der Organisation Ecodefense wurde diese Praxis von den Demonstranten angeprangert. Ecodefense hat bereits vor einigen Monaten gegen die Uran - Transporte nach Russland geklagt. Derzeit ermittelt die Staatsanwlatschaft Münster gegen die Urenco.

-------------------

duesseldorf-stadtnachrichten/

Konzern hat sich noch nicht geäußert

Atomkraftgegner protestieren gegen Eon

(RPO) Atomkraftgegner aus Deutschland und Russland demonstrieren seit Montagmittag vor der Zentrale des Düsseldorfer Energiekonzerns Eon. Sie fordern die Stilllegung der Urananreicherungsanlage Gronau und ein Verbot des Atommüllexports nach Russland.

Eon trage als Anteilseigner Verantwortung für Müllexporte. Von Gronau seien rund 20 Tonnen Uranmüll in den Ural, nach Tomsk und Sibirien transportiert worden. Dort würden sie in "nach außen abgeschirmten Atomstädten unkontrolliert auf offener Wiese gelagert". 

Mit dem Protest wollen die Atomkraftgegner auf die Verantwortung deutscher Firmen hinweisen. Der Konzern hat sich zu dem Protest bisher noch nicht geäußert. 

--------------------------------------------------------------------

Berliner Umschau 26. März 2007

„EURATOM" kein Grund zum Feiern!

Atomkraftgegner protestierten zum Jahrestag der Römischen Verträge

"STOPP EURATOM!" forderten Atomkraftgegner anlässlich von 50 Jahre EURATOM-Vertrag bei einer Protestaktion vor dem symbolträchtigen Atomium in Brüssel Kurz vor den offiziellen Feierlichkeiten am 25.3.2007 anlässlich 50 Jahre Römischer Verträge inklusive EURATOM-Vertrag protestierte am 23.3. ein Bündnis von Anti-Atomkraft-Initiativen aus Deutschland, Niederlande und Russland vor dem Atomium in Brüssel für ein Ende des EURATOM-Vertrages.

Die Europäische Atomgemeinschaft EURATOM ist unbefristet und einer der EU-Gründungsverträge. Zweck ist die Förderung, Koordinierung und Kontrolle der nuklearen Forschung und Atomenergieindustrie der Mitgliedsstaaten. "Wir fordern das Ende des anachronistischen EURATOM- Vertrages! Keine weiteren EU-Gelder für die Atomenergie!" so Markus Pflüger von den südwestdeutschen Antiatominitiativen, einer der Initiatoren des Protestes in Brüssel. Gerade jetzt, wo Deutschland den EU-Ratsvorsitz hat und Gastgeber des G-8 Gipfel ist, gelte es für eine wirkliche ökologische Energiewende einzutreten und gegen Ressourcenkriege zur Energieversorgungssicherheit. "Nach der Aktion vorm Atomium unterstuetzten die AktivistInnen die Uebergabe von 663.000 Unterschriften von EuropaerInnen und mehr als 750 Organisationen an die EU-Kommission fuer den Ausstieg aus der Atomenergie

Im Europaparlament in Brüssel hatten sich die Atomkraftgegner am 22.3.07 zuvor bei einem Hearing zu EURATOM informiert: „Die Pro-Atomkraft-Ausgaben sind immens: Im 7. Rahmenforschungsprogramm erhält die Fusionsenergieforschung 1.947 Millionen Euro, Kernspaltung und Strahlenschutz 287 Millionen Euro. Der Nuklearbereich der Gemeinsamen Forschungsstelle wird mit 517 Millionen ausgestattet, das sind insgesamt 2.751 Millionen Euro, also eine Verdoppelung der aktuellem EURATOM-Gelder im Vergleich zu 1.352 im 6. Rahmenprogramm" erläuterte Ursula Schoenberger von der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad hat ihre wissenschaftliche Studie mit grundsätzlichen Kritikpunkten an EURATOM „Es muss endlich öffentlich skandalisiert werden, dass durch EURATOM Milliarden Steuergelder undemokratisch am Europaparlament vorbei und gegen den erklärten Willen der Mehrheit der EuropäerInnen für die Förderung der Atomtechnik ausgegeben werden. Alle Länder, die den Atomausstieg wollen, allen voran Deutschland, müssen endlich aus dem Vertrag aussteigen! Stattdessen könnten Milliarden für den Klimaschutz, Energiespar?programme und erneuerbare Energien investiert werden!"

Der linke Europaparlamentarier Tobias Pflüger (Fraktion GUE/NGL), der die Studie in Auftrag gegeben hat, zeigte den Zu?sammen?hang zwischen dem neoliberalen EU-Verfassungsvertrag inklusive Militarisierung und dem EURATOM-Vertrag auf. Im Protokoll 36 des Verfassungsvertrages erklärt heisst es: "dass die Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atom?gemeinschaft weiterhin volle rechtliche Wirkung entfalten müssen." "Dies ist ein Skandal, denn damit würde bei Annahme des Verfassungsvertrages der EURATOM-Vertrag doppelt abgesichert, einmal im Original als eigenständiger Vertrag und einmal im Verfassungsvertrag. Ein weiterer Grund gegen diesen EU-Verfassungsvertrag zu sein," so der Europaabgeordnete.

Francis Althoff von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow- Dannen?berg kritisierte die zentrale "europäischen" Endlagerung: "Es gibt keine sichere Endlagerung. Statt Millionen in erwiesenermaßen ungeeignete Standorte wie Gorleben in Deutschland oder Bure in Frankreich zu pumpen, ist der Ausstieg überfällig!" Vladimir Slivyak von Ecodefense Moskau forderte einen Stopp der Atommüll?verschiebung von Gronau nach Russland: "Dies ist ein unverantwortlicher Problem- und Risikoexport!" so Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen. Er kritisiert die Urananreicherung und nannte die Urantranporte den Anfang der Atomspirale in Europa: "Deshalb konzentrieren wir unseren Widerstand auf Urantransporte." Dazu würde am 12. Mai am deutsch-französischen Grenzbahnhof Perl-Apach protestiert.

Bei der Protestaktion am 23. Maerz vor dem symbolträchtigen Atomium machten die AtomkraftgegnerInnen ihre Kritik sichtbar, so waren Aktivisten als Atomtod verkleidet und wiesen auf die Atomopfer von Hiroshima über Tschernobyl bis zu Uranabbaugebieten und die weltweite schleichende Verstrahlung hin. „50 Jahre Atomenergieförderung, Milliardensubventionen für Forschung und Ausbau einer unbeherrschbaren Risikotechnologie sind genug! Uran ist endlich, der Abbau für Mensch und Umwelt schädlich, der Transport gefährlich und schließlich gibt es keine Lösung für den Atommüll - plus tägliches Restrisiko und Atomwaffengefahr!" ergänzt Dietmar Siefert von der Celler Antiatominitiative die Ablehnung von EURATOM.

-------------

AFP 23.03.2007

Greenpeace setzt auf massive CO2-Reduzierung ohne Atom

©DDP/AFP - Timm Schamberger

Berlin (AFP) - Deutschland kann nach einer Greenpeace-Studie ehrgeizige Klimaschutzziele sogar bei einem beschleunigten Ausstieg aus der Atomkraft erreichen. Selbst wenn schon bis 2015 alle Akw abgeschaltet würden, könne der CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent verringert werden, heißt es in der Untersuchung des Aachener Instituts EUtech. Voraussetzung dafür sei, das Potenzial erneuerbarer Energien stärker auszuschöpfen.

"Es gibt keine Ausreden mehr, minus 40 Prozent bis 2020 sind machbar", erklärte dazu Greenpeace-Energieexperte Andree Böhling. Nach seiner Ansicht würde ein schnellerer Atomausstieg den Klimaschutz sogar fördern, da dies einen Innovationsschub im Energiesektor auslösen würde.

Erneuerbare Energien könnten der Studie mit dem Titel "Klimaschutz: Plan B" zufolge bis 2020 ein Fünftel des Wärmebedarfs decken und ein Drittel der Strommenge liefern. Um dies zu erreichen, müsse der Staat Offshore-Windparks stärker fördern und Probebohrungen für die ersten 100 Erdwärmeanlagen über Bürgschaften absichern. Kraft-Wärme-Kopplung soll stärker gefördert werden. Weiter fordert die Studie, den Neubau von Braunkohlekraftwerken finanziell nicht länger zu privilegieren.

Die EUtech-Experten berücksichtigten bei ihren Berechnungen die Annahmen der Bundesregierung zur Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung sowie zum Energiebedarf. Für die Verbraucher und die nichtindustrielle Wirtschaft sieht die Studie Einsparungen besonders durch eine effizientere Energienutzung vor. "'Plan A' der Bundesregierung ist gescheitert", kritisierte Böhling mit Blick auf den seit 2006 wieder leicht gestiegenen CO2-Ausstoß in Deutschland. "Deswegen geben wir der Regierung unseren 'Plan B' an die Hand, damit sie beim Energiegipfel im Sommer gegen die Interessen der Energiekonzerne gerüstet ist."

Die Umweltminister von Bund und Ländern wollen heute auf einer Sonderkonferenz in Düsseldorf die Konsequenzen des Klimawandels erörtern. Geplant ist die Verabschiedung einer "Düsseldorfer Erklärung", mit der die Umweltminister einen Impuls für den Klimaschutz in Europa geben wollen.

---------------------

wdr 2 Nachrichten 22.03.2007

Proteste gegen Atommülltransport

In Münster haben gestern Abend russische Umweltschützer ein Ende der Atommüll-Transporte von Gronau nach Rußland gefordert. Nach ihren Angaben sollen dort mindestens 20.000 Tonnen Atommüll aus Gronau lagern. Die Umweltschützer vermuten, dass der Transport der radioaktiven Abfälle illegal ist. Sie haben deswegen bei der Staatsanwaltschaft Münster Strafanzeige gegen die Urananreicherungsanlage in Gronau gestellt.

---------------------

NGO-online, 22.3.07

Siemensianer sprachlos

Ex-Umweltminister Töpfer gegen 3000 neue Atomkraftwerke

[ngo] Der ehemalige deutsche Umweltminister und frühere Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms Professor Klaus Töpfer (CDU) hat auf einer Veranstaltung des Siemens-Konzerns der Atomenergie als Lösung für die Klimaprobleme eine klare Absage erteilt. Der CDU-Politiker war am 21. März in München Hauptredner des SiemensForums mit dem Titel "Nachhaltiges Wirtschaften im Zeichen des Klimawandels". Laut Töpfer bräuchte man weltweit rund 3000 neue Atomkraftwerke und wegen der Uranknappheit zudem noch einen Einstieg in die Brütertechnologie, um die Klimaprobleme mit Atomenergie wirksam zu bekämpfen. So stelle er sich die Zukunft für seine Enkelkinder nicht vor, so der CDU-Politiker, der als Umweltminister vor Jahren noch Stilllegungs-Forderungen für Atomkraftwerke zurückgewiesen hatte. Die auf der Veranstaltung anwesenden Siemensianer waren sprachlos. Die Siemens-Beteiligungsgesellschaft Framaome ANP ist der weltweit führende Anbieter von Atomkraftwerken.

Ganz ähnlich wie Töpfer hatten sich in der Vergangenheit die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW und die europäische Solarenergievereinigung EUROSOLAR geäußert. "Um nur 10 Prozent der fossilen Energie zu ersetzen", so die Verbände, "müssten größenordnungsmäßig 1000 zusätzliche Atomkraftwerke errichtet werden. Das ist absolut unrealistisch." Und selbst wenn es gelänge, "hätte man allenfalls 10 Prozent des Kohlendioxid-Problems vom Tisch".

Nach Darstellung der IPPNW gibt es für den Neubau von 1000 Atomkraftwerken "überhaupt nicht die industriellen Fertigungskapazitäten". Der Bau dieser Großanlagen würde mehrere Jahrzehnte dauern. Selbst in ihrem besten Jahr 1985 habe die Atomindustrie lediglich 34 Gigawatt, entsprechend 26 großen Atomkraftwerken, neu in Betrieb nehmen können. Seitdem seien aber die Fertigungskapazitäten für neue Atomkraftwerke deutlich gesunken. Der Zubau von 1000 neuen Atomkraftwerken würde also größenordnungsmäßig 40 Jahre Zeit beanspruchen, vermutet die Organisation. Auch wegen der knappen Uranvorräte hält die IPPNW die weitere Nutzung der Atomenergie für "den falschen Weg".

In Westeuropa sei derzeit gerade mal ein neues Atomkraftwerk in Finnland in Bau. "Und dort kommt es wegen des Pfuschs am Bau wie üblich zu nicht eingeplanten Verzögerungen."

Zuletzt ist auch Professor Klaus Traube in einer Studie für den Deutschen Naturschutzring (DNR) zu dem Ergebnis gekommen, dass man zustätzlich zu den bisherigen 335 Atomkraftwerken noch weitere 2100 Atomkraftwerke mit einer Leistung von jeweils 1000 Megawatt hinzubauen müsste, um damit die Hälfte der globalen Stromversorgung zu decken. Beim Zubau weiterer 2100 Atomkraftwerke aber würde sich die Reichweite der bekannten Uranvorräte von heute 70 dann auf nur noch 18 Jahre reduzieren, so Traube.

Die IPPNW forderte unlängst eine "ideologiefreie Bewertung" der Atomenergie. Die Atomkraftwerke würden weltweit nur 2,1 Prozent der benötigten Energie liefern und seien somit für die Energieversorgung der Menschheit "praktisch bedeutungslos". Allein Wasserkraftwerke würden schon mehr Strom produzieren als die Atomenergie. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Energiekonzerne sollten "endlich damit aufhören, sich beständig an dieser 2-Prozent-Technik festzubeißen", fordert die Organisation.

----------------------

Deutschland, 2007-03-22

Atomforum: Atomkraft nicht CO2-frei

Vermutlich erstmals räumt das Deutsche Atomforum offiziell ein, dass es sich bei der Kernenergie nicht um eine CO2-freie Technik handelt. Allerdings: Von dem Verband wird wie auch von vielen anderen Verbänden und Wissenschaftlern die CO2-Belastung durch die Atomstromerzeugung als relativ niedrig angesehen.

"Betrachtet man neben der CO2-freien Stromerzeugung selbst den kompletten Lebenszyklus der Kernenergienutzung, so bewegen sich die Treibhausgasemissionen zwischen 5 und 33 Gramm CO2-Äquivalent pro erzeugter Kilowattstunde", schreibt der Lobbyverband der Atomindustrie. Bei fossilen Energieträgern entstünden hingegen 399 bis 1.231 Gramm CO2-Äquivalent. Der Verband stützt sich auf zahlreiche nationale und internationale Studien, unter anderem vom Öko-Institut, der Europäischen Kommission und dem Paul Scherrer Institut.

"Lebenszyklus-Analysen" berücksichtigen laut Atomforum "vor- und nachgelagerte Prozesse", also nicht nur die Stromerzeugung im Kraftwerk selbst. Diese umfassten im Wesentlichen den nuklearen "Rohstoffkreislauf" mit Urangewinnung, Uranumwandlung, Stromerzeugung, Abfallbehandlung sowie Wiederaufarbeitung; einschließlich Errichtung und Rückbau eines Kernkraftwerks.

Dominierend ist offenbar der Einsatz fossiler Energieträger bei der Urananreicherung. Das "Emissionsband bei der Kernenergie" ist laut Atomforum "zu einem Großteil zurückzuführen auf die jeweils angewandte Technologie bei der Urananreicherung sowie der dort eingesetzten Energieform".

Die Kernenergie werde wegen der relativ geringen CO2-Emissionen "den Anforderungen an eine umweltschonende Energieerzeugung voll und ganz gerecht und trägt entscheidend zur Klimavorsorge bei", meint der ehemalige Bundesbeamte Walter Hohlefelder, inzwischen Manager des Atomkonzerns E.On und Präsident des Deutschen Atomforum. "Es ist an der Zeit, dass wir in der Energiepolitik zu mehr Sachlichkeit zurückkehren. Haltlose Argumente nutzen Keinem, sondern schaden vielmehr."

-----------------------

Süddeutsche Zeitung, 22.3.07

Hintergrund

"Plan B" im Detail

Um 40 Prozent soll der CO2-Ausstoß in Deutschland bis zum Jahr 2020 sinken. Wie das gehen könnte, rechnet das Aachener Institut EUtech vor, dessen Studie "Plan B" am Donnerstag von Greenpeace in Berlin vorgestellt wurde. Das Besondere daran: Die Experten gehen sogar von einem vorzeitigen Atomausstieg bis 2015 aus.

Das Rezept ist eine Kombination aus mehr Energieeffizienz und drastischem Ausbau erneuerbarer Energien. "Plan A" ist übrigens aus Sicht von Greenpeace das Konzept der Bundesregierung. Das aber sei gescheitert.

INDUSTRIE:

Durch mehr Effizienz soll die Industrie bis 2015 rund 8,8 Prozent des Stromverbrauchs einsparen. Greenpeace setzt dafür auf die Festlegung eines "Mindest-Effizienz-Standards" für Antriebe, Kompressoren oder Beleuchtung. Bis 2020 seien auf diesem Weg weitere Einsparungen möglich. Der Brennstoffeinsatz lässt sich demnach mit bereits bekannten und erprobten Technologien um sechs bis sieben Prozent senken. Allein in den Branchen Zement, Glas und Metall könnten so bis 2020 mindestens 2,2 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.

PRIVATE HAUSHALTE, HANDEL UND DIENSTLEISTER:

Die Studie geht von einem wachsenden Bedarf an elektrischen Geräten, EDV-Anlagen sowie Kühl- und Klimaanlagen aus, die zusätzlich Strom verbrauchen. Dennoch soll der Stromverbrauch privater Haushalte bis 2020 um 25 Prozent sinken. Kleinere Einsparungen gelten auch bei sonstigen Verbrauchern als möglich. Wichtigster Ansatzpunkt ist demnach eine verbindliche Festlegung von Verbrauchsgrenzwerten für Elektrogeräte. Dabei sollen jeweils die besten verfügbaren Geräte zum allgemeinen Maßstab werden (Top-Runner-Prinzip). Der Brennstoffeinsatz für Raumwärme und Warmwasser soll bis 2020 um zwölf Prozent sinken, angeregt durch Förderprogramme und eine Verschärfung der Energieeinsparverordnung.

VERKEHR:

Hier gab es laut Greenpeace seit 1990 eine Zunahme des CO2-Ausstoßes um fast sieben Prozent, vor allem durch den Trend zu leistungsstärkeren und schwereren Fahrzeugen. Gefordert wird eine verbindliche Obergrenze für den Kraftstoffverbrauch der Autos insgesamt, um Hersteller und Handel zur stärkeren Vermarktung der bereits vorhandenen Fahrzeuge mit niedrigerem Verbrauch zu veranlassen. Ziel ist bis 2020 ein Durchschnittsverbrauch bei Neuwagen von 4,5 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer. Greenpeace hält sogar einen Durchschnittswert von drei Liter für machbar. Bis 2020 sollen so jährlich 24,6 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Der Energiebedarf im Verkehr soll um 12,5 Prozent sinken.

ERNEUERBARE ENERGIEN:

Da diese Einsparungen zum Erreichen der Klimaziele nicht reichen, sollen parallel erneuerbare Energien massiv ausgebaut werden. Besonders viel verspricht sich Greenpeace von Windanlagen auf See und von der Nutzung der Erdwärme (Geothermie) zur Wärmegewinnung. Insgesamt soll der Anteil der Erneuerbaren bis 2020 knapp verdreifacht werden, bei Strom auf dann etwa ein Drittel des Gesamtbedarfs. Bei Biomasse wird noch bis 2015 ein Zuwachs erwartet, der dann aber aus Naturschutzgründen an Grenzen stoße.

KWK-ANLAGEN:

Einen wesentlichen Anwendungsbereich der Geothermie sieht Greenpeace in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Verlangt wird dazu ein Gesetz für die regenerative Wärmeerzeugung. Aber auch sonst sollen die KWK-Anlagen mit ihrem besonders hohen Wirkungsgrad ausgebaut werden. In Finnland oder Dänemark liegt ihr Anteil demnach bereits bei 40 bis 50 Prozent, in Deutschland nur bei rund zehn Prozent. Bis 2020 wird eine Verdreifachung der KWK-Leistung angestrebt, was neben der Wärmegewinnung knapp 40 Prozent des Stromverbrauchs decken könnte. Ein wichtiges Steuerinstrument sieht Greenpeace hierfür im Emissionshandel.

ZIEL:

Der Primärenergieverbrauch soll bis 2015 um 29 Prozent sinken und bis 2020 um 37 Prozent. Voraussetzung ist neben den 12,5 Prozent Einsparung im Verkehr auch ein Minus von 15 Prozent beim Strom und von etwa elf Prozent bei der Wärmegewinnung. Der Anteil erneuerbarer Energien würde von heute zehn Prozent bis dahin auf 33 Prozent steigen. Weitere Klimaeffekte soll der Abbau sonstiger Treibhausgase wie Methan und Lachgas erzielen. (AFP)

---------------------

Net tribune, 21.3.07

Klimaschutz auch ohne Atomenergie möglich

Hamburg - Die ehrgeizigen Klimaschutzziele in Deutschland können auch mit dem Ausstieg aus der Atomenergie verwirklicht werden. Zu diesem Ergebnis kommt die Umweltorganisation Greenpeace in der Studie «Klimaschutz: Plan B», die dem Magazin «Stern» vorliegt. Demnach könnte Deutschland ab 2015 komplett auf Atomstrom verzichten und zugleich seinen CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent verringern. Erreicht werden soll dies mit dem Ausbau erneuerbarer Energien und effizienteren Methoden bei der Stromerzeugung.

Erneuerbare Energien sollen bis 2020 ein Fünftel des Wärmebedarfs decken und ein Drittel der Strommenge liefern. Hierzu müsste der Staat laut der Studie Offshore-Windparks stärker fördern und auf Erdwärmeanlagen setzen. Bei der Stromerzeugung soll die Kraft-Wärme-Kopplung eine größere Rolle spielen. Für konventionelle Stromerzeuger wird eine Verschärfung des Handels mit Verschmutzungsrechten vorgeschlagen. Braunkohlekraftwerke sollten zukünftig nicht mehr finanziell privilegiert werden. Die Verbraucher müssten zum Erreichen der Ziele ihren Stromkonsum nur um 15 Prozent und ihren Wärme- und Treibstoffverbrauch um elf Prozent senken.

Mit allen Maßnahmen zusammen ließen sich nach Angaben der Studie 37 Prozent der eingesetzten Energiemenge sparen. Die EU-Staaten hatten sich kürzlich auf ihrem Gipfeltreffen auf eine Verringerung des CO2-Ausstoßes um mindestens 20 Prozent bis 2020 verständigt. Der von der rot-grünen Regierung beschlossene Atomausstieg sieht das Abschalten des letzten Atomkraftwerks in Deutschland frühestens für das Jahr 2021 vor.

-------------------------

Tagesschau, 17.3.07

Proteste in Frankreich

Zehntausende gegen Atomkraft auf der Straße

Zehntausende Franzosen haben gegen den geplanten Bau neuer Kernkraftwerke demonstriert. In Rennes gingen nach Angaben der Veranstalter 40.000, nach Polizeiangaben 10.000 Menschen auf die Straße. Kundgebungen mit mehreren tausend Teilnehmern gab es auch in Straßburg, Lyon, Toulouse und Lille.

Der französische Stromkonzern EdF will in dem Küstenort Flamanville in der Normandie einen so genannten Europäischen Druckwasserreaktor (EPR) bauen. An dem Projekt sollen auch deutsche Firmen beteiligt werden. Mit den Kundgebungen wollten die Grünen, Trotzkisten und Umweltschützer die Präsidentschaftsbewerber zwingen, dazu Stellung zu nehmen.

Die großen Parteien sprechen sich in der aktuellen Klimadebatte zwar für die Förderung erneuerbarer Energien aus. Sie stellen die Kernkraft aber nicht in Frage, sondern sehen sie mehrheitlich als umweltfreundliche Alternative zu Kohle und Öl und als Garant energiepolitischer Unabhängigkeit an.

----------------------------

Landeszeitung, 17.03.2007, 20:10 Uhr

Zehntausende demonstrieren in Frankreich gegen Atomkraft

Rennes (dpa) - Zehntausende Franzosen haben gegen den geplanten Bau neuer Kernkraftwerke im Land demonstriert. In Rennes gingen nach Angaben der Veranstalter 40 000, nach Polizeiangaben 10 000 Menschen auf die Straße. Kundgebungen mit mehreren tausend Teilnehmern gab es auch in Straßburg, Lyon, Toulouse und Lille. Frankreich will seinen AKW-Park erneuern. Mit den Kundgebungen wollten die Demonstranten die Präsidentschaftsbewerber zwingen, dazu Stellung zu nehmen. Ende April gibt es einen ersten Wahlgang.

---------------------------------------------------

afp, Samstag, 17. Mär, 17:01 Uhr

Zehntausende protestieren in Frankreich gegen neues AKW

Allein in Rennes demonstrieren 40.000 gegen EPR-Bau

Mehrere zehntausend Menschen haben in Frankreich gegen den Bau eines neuen Atommeilers demonstriert. Allein in Rennes gingen nach Angaben der Veranstalter etwa 40.000 Atomkraftgegner auf die Straße, um gegen den Europäischen Druckwasserreaktor (EPR) zu protestieren. Auch in Lyon, Straßburg und Toulouse beteiligten sich mehrere tausend Menschen an den Kundgebungen. Die Veranstalter sprachen von einer "historischen Mobilmachung". Der Protest sei vergleichbar mit den Anti-Atomdemonstrationen in den 70er Jahren.

Der französische Staatskonzern Electricité de France (EDF) errichtet derzeit in Flamanville in der Normandie rund 160 Kilometer nördlich von Rennes den ersten Europäischen Druckwasserreaktor in Frankreich. Die Kosten werden auf rund 3,3 Milliarden Euro beziffert. Gegner werfen EDF vor, mit dem Projekt die Atomenergie weiter als Hauptenergiequelle Frankreichs festschreiben zu wollen.

In Frankreich gibt es bereits 58 Atomreaktoren, die rund drei Viertel des Strombedarfs decken. Der besonders leistungsstarke EPR wurde vom französischen Areva-Konzern und Siemens gemeinsam entwickelt. Europas erster Meiler dieser Art wird zurzeit in Finnland errichtet.

----------------------------

RIA Novosti 16.03.2007

Tschernobyl sorgt für neue "Überraschung" für die Ukraine

MOSKAU, 16. März (RIA Novosti). Die Folgen der Katastrophe von Tschernobyl bergen eine neue Gefahr für die Ukraine in sich - verseuchtes Wasser in den nächsten 300 Jahren und radioaktive Wolken in der Zeit bis Mitte dieses Jahrhunderts.

Diese finstere Prognose haben Experten der Sperrzone um das AKW Tschernobyl erstellt, meldete der "Fünfte Kanal" des ukrainischen Fernsehens.

Die Hauptgefahr stellt nicht der inzwischen undicht gewordene "Sarkophag" über dem am 26. April 1986 zerstörten vierten Reaktor des AKW dar, wie es allgemein gilt, sondern eventuelle Brände in den radioaktiv verseuchten Wäldern der 30-Kilometer-Zone, ein hinfälliger Staudamm am Pripjat und die zerstörten Lager für Atommüll und verstrahlte Technik. Die Radioaktivität dieser Objekte übersteigt das Strahlungsniveau im Atomkraftwerk selbst um ein Mehrfaches.

Laut dem Sprecher des Atomkraftwerkes Nikolai Teterin "treten 0,05 Curie Radionuklide im Jahresdurchschnitt aus dem Sarkophag aus. Das ist ein hoher Kennwert. Dabei entweichen jährlich 70 bis 100 Curie allein durch Wasser. Bald werden alle Trinkwasserbrunnen im Gebiet Kiew für die nächsten 300 Jahre verseucht sein."

Die drohende Katastrophe kann laut dem Fernsehsender von niemandem bekämpft werden. Auch gebe es keine Mittel dafür. Wegen der mangelnden Finanzierung verringert sich das Personal der Sperrzone mit jedem Jahr. Für die Aufrechterhaltung der Ordnung und für die erforderlichen Arbeiten in der Sperrzone werden mindestens 150 Millionen Griwna (30 Millionen US-Dollar) im Jahr benötigt. Dabei sieht der Staatshaushalt für das Jahr 2007 nur 90 Millionen Griwna vor.

Das Gesetz über den Status der Sperrzone verbietet Streiks. Trotzdem bereiten sich die Personalangehörigen auf Protestaktionen vor, die sie vor dem Regierungssitz und vorm Parlamentgebäude in Kiew veranstalten wollen.

Der ukrainische Oberste Rat hatte am Donnerstag ein Gesetz über die verschärfte Verantwortung für Verstöße gegen das Regime der Strahlensicherheit angenommen. Demnach werden illegales Eindringen in die Sperrzone aus Eigennutz sowie die Ausfuhr von Gegenständen, Tieren und Pilzen vom verstrahlten Territorium mit Freiheitsentzug von bis zu vier Jahren geahndet. Für den Handel mit verseuchten Produkten drohen Gefängnisstrafen bis zu fünf Jahren und bei erschwerten Folgen auch bis zu sieben Jahren.

In den letzten Jahren hat die illegale Ausfuhr von Holz, Metallschrott und belassenem Vermögen aus der Sperrzone zugenommen. Auf Märkten sind Fälle von Handel mit radioaktiv verseuchten Früchten, Beeren, Gemüse und Fisch registriert worden.

---------------------------

Hamburger Abendblatt, 12.3.07

Glos (CSU) spricht Gabriel (SPD) die Kompetenz bei Atomkraft ab

BERLIN - Im Koalitionsstreit um längere Laufzeiten für Atomkraftwerke zeigen sich Bundesumweltminister Sigmar Gabriel und Wirtschaftsminister Michael Glos weiter unversöhnlich. Der SPD-Politiker Gabriel betonte gestern, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel seine Rechtsauffassung bestätigte. Danach kann Gabriels Ministerium Anträge auf längere Laufzeiten auch gegen die Meinung von Kanzleramt und Wirtschaftsressort ablehnen. Glos (CSU) sprach Gabriel diese Kompetenz dagegen erneut ab und beharrte auf einem Vetorecht seines Hauses. Unions-Fraktionschef Volker Kauder will den Dauerkonflikt um die Atomkraft, den die beiden Minister stellvertretend austragen, vor den Koalitionsausschuss bringen.

Anlass für die neue Runde im Dauerstreit war Gabriels Ablehnung eines Antrags vom Stromkonzern RWE, den Meiler Biblis A mit der Übernahme von Stromkontingenten vom AKW Mülheim-Kärlich länger am Netz zu halten. Kanzleramt und Glos' Ministerium hatten daraufhin diese Auffassung nicht geteilt. Merkel hatte später die Entscheidung Gabriels mit Hinweis auf die Rechtslage jedoch akzeptiert und nur politisch kritisiert.

Kritiker werfen den Stromkonzernen vor, hinter der geplanten Übertragung von Laufzeiten von jüngeren auf ältere Meiler steckten politische Motive. Damit solle die Abschaltung älterer Kraftwerke in der Hoffnung verzögert werden, der Atomausstieg werde nach einem späteren Regierungswechsel revidiert. Eine endgültige Entscheidung zu Biblis A fällt nach einer vierwöchigen Frist für eine RWE-Stellungnahme.

Gabriel berief sich auf das Atomgesetz, das ihm die alleinige Entscheidung überlasse. "Die Bundeskanzlerin hat am Wochenende bestätigt, dass die Rechtsauffassung, die ich vertrete, die richtige ist", sagte er.

Glos widersprach Gabriel mit Hinweis auf eine andere Auslegung der Gesetzeslage: "Mein Haus hat ein Rechtsgutachten erstellen lassen, dem zufolge die drei beteiligten Ministerien ... eine Entscheidung ... gemeinsam zu fällen haben", sagte er in einem Interview. Er räumte aber ein, auch SPD-Justizministerin Brigitte Zypries sei Gabriels Auffassung.

--------------------------------------

Förderland, 12.3.07

Atomkrach spitzt sich zu - Glos greift Gabriel scharf an - RWE und Vattenfall wollen längere Laufzei

Berlin (ddp.djn). Der Streit um die Laufzeitverlängerung für das Atomkraftwerk Biblis A spitzt sich zu. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sprach Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) am Wochenende die alleinige Entscheidungskompetenz ab.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) will das Thema nun im Koalitionsausschuss beraten. «Ich werde das beantragen», kündigte Kauder an. Die Stromkonzerne bereiten bei einer Ablehnung der beantragten Laufzeitverlängerungen bereits Klagen vor.

Glos sagte, eine «Entscheidung sowohl bei Zustimmung als auch bei Ablehnung für die Laufzeitverlängerung» hätten alle drei Häuser - Kanzleramt, Umwelt- und Wirtschaftsministerium - «gemeinsam zu fällen». Er habe dazu extra ein Rechtsgutachten anfertigen lassen, das diese Auffassung stütze. Glos betonte, es wäre «möglich und richtig, die Laufzeiten der Kernkraftwerke Biblis A, Neckarwestheim und Brunsbüttel zu verlängern - zumal damit der Atomausstieg grundsätzlich nicht einmal in Frage gestellt ist».

Gabriel hatte am Freitag angekündigt, einen Antrag des RWE-Konzerns auf Übertragung von Reststrommengen des stillgelegten Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich auf die hessische Anlage Biblis A abzulehnen. Die Laufzeit des ältesten deutschen Atomreaktors endet voraussichtlich im April 2009.

Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) kritisierte die Entscheidung. «Die SPD muss endlich aus ihrer ideologischen Verstockung herauskommen und sich den neuen Herausforderungen des Klimaschutzes stellen», sagte er. Es sei gerade unter diesem Gesichtspunkt notwendig, die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke zu verlängern.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla monierte, Gabriel und die SPD seien «total verbrettert». Er fügte hinzu, «würden wir ihnen folgen und alle Kernkraftwerke durch Kohlekraftwerke ersetzen, würde der jährliche CO2-Ausstoß in Deutschland bis zu 120 Millionen Tonnen steigen».

SPD-Chef Kurt Beck hielt dagegen, die Kernenergie habe mit Uran einen ebenfalls endlichen Rohstoff zur Grundlage, bei dessen Förderung zudem Kohlendioxid freigesetzt werde.

Die dritte UN-Klimastudie, die Anfang Mai in Bangkok veröffentlicht wird, enthält nach Informationen der »Welt am Sonntag« keine ausdrückliche Empfehlung für den Einsatz der Kernenergie aus Gründen des Klimaschutzes. In einem den Regierungen zugeleiteten Entwurf werde die Kernenergie allerdings neben Erneuerbaren Energien als eine Variante genannt, die geeignet ist, den Klimawandel zu begrenzen.

Nach einem Bericht der «Berliner Zeitung» (Samstagausgabe) prüft neben dem RWE-Konzern auch das Unternehmen Vattenfall den Gang zum Verwaltungsgericht, falls das Bundesumweltministerium die beantragte Laufzeitverlängerung für das Kernkraftwerk Brunsbüttel ablehnt. Wie RWE für seinen Altmeiler Biblis A möchte Vattenfall bislang nicht genutzte Strommengen des nur kurzzeitig betriebenen Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich auf das Kraftwerk Brunsbüttel übertragen, um dessen Laufzeit um zweieinhalb Jahre bis Ende 2011 zu verlängern. Das Bundesumweltministerium vertritt aber im Gegensatz zum Kanzleramt und zum Wirtschaftsministerium die Auffassung, dass das Atomgesetz die Nutzung der Mülheim-Kärlich-Mengen für diese Altmeiler verbietet.

(Weitere Quellen: Kauder in der «Bild am Sonntag»; Glos in der Düsseldorfer «Wirtschaftswoche»; Beck in Bonn; Huber in der «Passauer Neuen Presse»; Pofalla in der Berliner »B.Z.«)

ddp/med/mbr

---------------------

ka-news, 11.3.07

"Endlos neue Berge Müll"

Greenpeace protestiert gegen Atomstrom

Nach Ansicht der "Solar-Generation" geht es auch ohne Atomstrom

Karlsruhe - Vor dem Hintergrund des aktuellen politischen Streits um längere Laufzeiten für die Atomkraftwerke Neckarwestheim I, Brunsbüttel und Biblis A, haben Jugendliche der Greenpeace-Gruppe Karlsruhe am gestrigen Samstagnachmittag auf dem Marktplatz lautstark gegen die Pläne von EnBW, RWE und Vattenfall protestiert. Die drei Energiekonzerne haben längere Laufzeiten für ihre AKW beantragt.

Mit einem Megaphon ausgerüstet versuchte ein Marktschreier der "EnBM" - "Endlos neue Berge Müll" - den Passanten "billigen Strom zum höchsten Risiko" zu verkaufen - und ließ sich dabei von den Zwischenrufen des Publikums wenig beeindrucken. Mit dieser Aktion wollten die jungen Greenpeace-Aktivisten unter anderem auf die "bisher ungelöste Frage eines sicheren Endlagers für radioaktiven Müll" aufmerksam machen. An einem Greenpeace-Stand auf dem Marktplatz informierten die Jugendlichen Passanten über ihre Ansichten zum Thema Energie und über die Möglichkeit, als Alternative zur Atomkraft zu einem Ökostromanbieter zu wechseln.

Greenpeace: Atomenergie bringt "keine Rettung für das Klima"

"Die Laufzeitverlängerungen der Atomkraftwerke sind ein unverantwortliches Risiko für die gesamte Bevölkerung", so Franziska Holtzhausen von der Karlsruher Greenpeacejugend. Die Reaktoren, deren Laufzeiten verlängert werden sollen, seien schon sehr alt. Damit vergrößere sich das Risiko, dass es durch technisches Versagen zu einem Unfall kommen könne, um ein Vielfaches. "Außerdem wird noch mehr radioaktiver Müll produziert, für den es kein sicheres Endlager gibt", fügte die 16-Jährige hinzu.

Die Atomenergie stellt nach Ansicht der Karlsruher Greenpeace-Jugend keine Rettung für das Klima dar, denn wie bei den fossilen Energien gehe auch hier der Brennstoff zur Neige. Die jungen Greenpeacer fordern deshalb den Ausstieg aus der Atomenergie. Die Energien der Zukunft - Solarenergie, Erdwärme, Biomasse, Wind- und Wasserenergie - würden weder klimaschädliches CO2 noch radioaktiven Atommüll produzieren. (ps/dab)

-------------------

net tribune, 10.3.07

"Sternchenliste" treibt AKW-Betreiber in die Verzweiflung

Berlin - Im Energiekonsens legten die rot-grüne Bundesregierung und die Energiekonzerne im Jahr 2000 Reststrommengen fest, die deutsche Atomkraftwerke noch bis zu ihrer Stilllegung erzeugen dürfen. Rechnerisch entsprechen sie einer Gesamtlaufzeit von etwa 32 Jahren pro AKW. Es ist aber möglich, Strommengen-Kontingente unter bestimmten Umständen zwischen den AKW auszutauschen. Auf diesem Weg will der Stromkonzern RWE eine Laufzeitverlängerung für Block A des hessischen Atomkraftwerks Biblis erreichen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) will diesen Antrag aber ablehnen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die so genannte Sternchenliste für Übertragungen aus dem Kontingent, das rechnerisch dem nie regulär in Betrieb gegangenen AKW Mülheim-Kärlich zugeschrieben wurde.

Um das hessische AKW BIBLIS A über den voraussichtlichen Schlusstermin im Jahr 2008 hinaus am Netz zu lassen, wollte RWE 30 Terawattstunden Strom aus dem Kontingent von Mülheim-Kärlich auf Biblis A übertragen lassen. In Anlage 3 des Atomgesetzes wurde jedoch dieses Kontingent mit einem Sternchen versehen, das auf eine Fußnote verweist. Dort werden sieben AKW genannt, für die Strommengen aus dem Mülheim-Kärlich-Kontingent genutzt werden können. Diese Übertragungen bedürfen keiner besonderen Genehmigung. Strittig ist aber, ob eine Übertragung auf andere AKW ausgeschlossen wird, mit Genehmigung des Bundesumweltministeriums möglich ist oder ob sogar ein Rechtsanspruch auf eine solche Genehmigung bestehen könnte. Biblis A steht nicht auf der Liste. Darauf stützt Gabriel sein Nein zu dem RWE-Antrag.

Anders ist die Lage beim Schwester-Kraftwerk BIBLIS B. Diese zwei Jahre neuere RWE-Anlage ist in der "Sternchenliste" enthalten, die Übertragung wird jedoch zugleich auf 21,45 Terawattstunden begrenzt. Dieses Kontingent kann RWE aber voraussichtlich für eine Laufzeitverlängerung über den rechnerischen Endtermin im Jahr 2009 hinaus nutzen.

Für den Fall einer Ablehnung seines Antrags zu Biblis A hat RWE zudem vorsorglich schon den Hilfsantrag gestellt, Strommengen vom Atomkraftwerk Emsland auf das AKW zu übertragen. Dieser Antrag wird vom Bundesumweltministerium weiter geprüft.

Auf den ersten Blick ähnlich wie bei Biblis A ist der Fall beim Atomkraftwerk BRUNSBÜTTEL. Auch hier hat der Betreiber Vattenfall eine Übertragung von Strommengen aus dem Mülheim-Kärlich-Kontingent beantragt, um die ansonsten für 2009 erwartete Stilllegung zu verhindern. Auch das AKW Brunsbüttel ist aber nicht in der "Sternchenliste" verzeichnet. Eine Besonderheit im Fall Brunsbüttel liegt darin, dass eine Strommengenübertragung zwischen AKW unterschiedlicher Betreiber beantragt ist. Dieses Kontingent würde Vattenfall im Fall einer Genehmigung für einen geheim gehaltenen Kaufpreis von RWE erwerben.

Wieder eine andere Situation gibt es beim AKW NECKARWESTHEIM 1, für das der Betreiber EnBW eine Strommengenübertragung von 46,9 Terawattstunden vom wesentlich moderneren Schwesterkraftwerk Neckarwestheim 2 beantragt hat. Der Grundsatz im Atomgesetz lautet allerdings, dass nur Übertragungen von älteren auf neuere AKW genehmigungsfrei möglich sind. Der umgekehrte Weg wird zwar nicht ausgeschlossen, bedarf aber wiederum einer Genehmigung des Bundesumweltministeriums im Einvernehmen mit Kanzleramt und Wirtschaftsministerium.

Hinter vorgehaltener Hand geben einige führende Strommanager zu erkennen, dass es ihnen bei der ganzen Sache auch darum geht, von der Stilllegung bedrohte Atomkraftwerke über die Bundestagswahlen 2009 hinaus zu retten - in der Hoffnung, dass eine neue Regierungsmehrheit dann die Beschlüsse zum Atomausstieg wieder rückgängig machen könnte.

--------------------

net tribune, 10.3.07

AKW-Laufzeiten:Stromkonzerne wollen gegen Unweltministerium klagen

Berlin - Im Streit um eine Laufzeitverlängerung für das Atomkraftwerk Biblis droht dem Bundesumweltministerium eine Reihe von Klagen. Neben dem Versorger RWE prüfe auch Vattenfall den Gang vor Gericht, sollte das Ministerium die Laufzeitverlängerung für das AKW Brunsbüttel ablehnen, berichtete die "Berliner Zeitung" am Samstag. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte angekündigt, den RWE-Antrag ablehnen zu wollen. Bundeswirtschaftsministerium und Kanzleramt sind dafür. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will Gabriel aber das letzte Wort lassen. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder will das Thema in den Koalitionsausschuss bringen.

Wie RWE für den Block A in Biblis wolle Vattenfall bislang nicht genutzte Strommengen des nur kurzzeitig betriebenen Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich auf Brunsbüttel übertragen, berichtete die Zeitung. RWE wolle nicht nur wegen Mülheim-Kärlich klagen: Den Rechtsweg wolle das Unternehmen auch gegen die Absicht des Umweltmininisteriums einschlagen, den Bescheid über einehilfsweise beantragte Übertragung von Strommengen des jüngeren RWE-Kraftwerks Emsland auf Biblis von einer vergleichenden Sicherheitsanalyse für Emsland und Biblis A abhängig zu machen. RWE argumentiert demnach, das sei im Atomgesetz nicht vorgesehen.

Die Laufzeitübertragungen sollen nun auch die Koalitionsgremien beschäftigen. "Wie alle streitigen Fragen muss auch diese in den Koalitionsausschuss", sagte Kauder der "Bild am Sonntag": "Ich werde das beantragen." Die SPD warf der Union dagegen koalitionsschädigendes Verhalten vor. "Das ist verlogen bis zum Abwinken", sagte Fraktionsvize Ulrich Kelber der "Berliner Zeitung". Intern habe die Union mehrmals eingeräumt, dass der Antrag auf Laufzeitverlängerung für Biblis A laut Atomgesetz abzulehnen sei. Merkel und der Union gehe es offenbar nur darum, den Energiekonzernen eine Klage gegen die Entscheidung zu erleichtern und den rot-grünen Atomkonsens auszuhebeln.

Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) forderte in der "Passauer Neuen Presse", das Thema Atomenergie "völlig neu" zu diskutieren: "Die SPD muss endlich aus ihrer ideologischen Verstockung herauskommen und sich den neuen Herausforderungen des Klimaschutzes stellen." Verhärtete Fronten machte die Zeitung auch im Streit um die Suche nach einem Atom-Endlager aus. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sprach sich gegen Gabriels Konzept aus, das neben dem niedersächsischen Gorleben auch eine Untersuchung anderer Standorte vorsieht. "Wer statt Gorleben gründlich evaluieren zu lassen eine ergebnisoffene Suche nach Endlagern neu startet, beabsichtigt nur eine weitere Verzögerung", sagte Glos der Zeitung.

Merkel sagte am Freitagabend im ZDF, der Koalitionsvertrag billige Gabriel die Entscheidung über das Thema Laufzeitenverlängerung zu. "Der Koalitionsvertrag gilt. Ich bin vertragstreu." Dies heiße aber nicht, dass die Union die Entscheidung gut finde. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg hatte zuvor gesagt, das Kanzleramt teile genauso wie das Bundeswirtschaftsministerium die Auffassung Gabriels nicht. Beide seien anders als das Bundesumweltministerium zu der Einschätzung gekommen, dass eine Übertragung möglich wäre, sagte Steg.

--------------------

Mitteldeutsche Zeitung, 9.3.07

Chronologie

Das Atomkraftwerk Biblis machte immer wieder von sich reden

Darmstadt/dpa. Das Atomkraftwerk Biblis in Südhessen ist seit den 70er Jahren umstritten. Einige der wichtigsten Ereignisse:

JULI 1967: Der Energiekonzern RWE beschließt, in Hessen ein Atomkraftwerk zu bauen.

APRIL 1975: Mit 1200 Megawatt Leistung nimmt Biblis A als damals stärkster Einzelreaktor der Welt seinen regulären Betrieb auf. Etwa ein Jahr später geht Biblis B mit 1300 Megawatt ans Netz.

DEZEMBER 1987: Bei einem der schwersten Störfälle in einem deutschen Atomkraftwerk entweicht durch ein offenes Ventil in Block A 15 Stunden lang radioaktiver Dampf. Der Vorfall wird erst nach fast einem Jahr durch eine Veröffentlichung in den USA bekannt.

OKTOBER 1994: RWE zieht den 1980 gestellten Antrag zum Bau eines dritten Reaktors in Biblis zurück.

SEPTEMBER 1995: Block B schaltet sich aus, als nach dem Ausfall einer Hochdruck-Hydraulikölpumpe die Ersatzpumpe nicht anspringt.

OKTOBER 2000: An einer Schweißnaht im Kühlsystem von Block A werden drei vermutlich seit 27 Jahren vorhandene Risse festgestellt. Erste Hinweise darauf waren 1992 als Messfehler gewertet worden.

APRIL 2003: Biblis A wird vorübergehend stillgelegt, nachdem eine seit Betriebsbeginn zu klein ausgelegte Ansaugfläche im Notkühlsystem bemerkt wird. Der Reaktor geht erst nach neuer Genehmigung nach acht Monaten wieder ans Netz.

SEPTEMBER 2006: Bei einer Routine-Revision im abgeschalteten Block Biblis A werden fehlerhaft montierte Dübel festgestellt. Sie waren 2001 eingebaut worden, um unter anderem Rohrleitungen gegen Erdbeben zu sichern. RWE beantragt zudem offiziell eine Verlängerung der Laufzeit für Biblis A. Dazu sollen genehmigte Strommengen anderer Kernkraftwerke auf Biblis A übertragen werden.

OKTOBER 2006: Der Biblis-Block B wird ebenfalls abgestellt, weil auch in ihm fehlerhaft montierte Dübel gefunden werden. Später stellte sich heraus, dass etwa jeder zweite der rund 15 000 Dübel in den beiden Blöcken nicht korrekt in der Wand sitzt.

9. MÄRZ 2007: Bundesumweltminister Siegmar Gabriel (SPD) kündigt an, den RWE-Antrag auf eine längere Laufzeit für Biblis A abzulehnen.

---------------------

Donakurier 08.03.2007

Datenschützer: Online-Durchsuchungen verursachen Sicherheitslöcher

Kiel (dpa/lno) - Online-Durchsuchungen verletzen nach Ansicht von Datenschützern nicht nur Persönlichkeitsrechte, sondern reißen auch gravierende Sicherheitslücken in die Computersysteme.

Mit Blick auf die Sitzung der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern warnte am Donnerstag der stellvertretende Datenschutzbeauftragte Schleswig- Holsteins, Johann Bizer, davor, Online-Durchsuchungen von Privat- Computern gesetzlich zu erlauben. Das heimliche Ausspähen von Rechnern, das den Geheimdiensten unter bestimmten Bedingungen erlaubt werden solle, sprenge die Grenzen jeder Verhältnismäßigkeit, sagte Bizer am Donnerstag im «Deutschlandradio Kultur» (Berlin).

Man wolle Schleusen und geheime Falltüren in Computersysteme einbauen, um so an Informationen heranzukommen, schilderte Bizer weiter. Dabei werde jedoch übersehen, dass damit gravierende Sicherheitslöcher in Systemen entstünden. Bizer betonte: «Wir kriegen Sicherheit nur dadurch, dass wir hohe Sicherheitshürden bei der Kommunikationstechnik einsetzen, um auf diese Art und Weise jedem die Möglichkeit zu geben, seine Kommunikation auch selbst hochwertig zu schützen. Andersherum werden die Freiheitsrechte all derjenigen, die überhaupt nicht betroffen sind, ganz gravierend gefährdet. Wir warnen eindringlich davor, diesen Weg der Unsicherheit zu beschreiten.»

--------------------

Financial Times Deutschland, 7.3.07

Comeback der Atomkraft

Strahlendes Signal aus Finnland

Im westfinnischen Olkiluoto wird derzeit das einzige Atomkraftwerk in Europa gebaut. Die Industrie hofft, dass der neue Reaktor die Nuklearenergie auch in anderen Ländern wieder hoffähig macht.

Von Clemens Bomsdorf, Helsinki

Ein Reiseführer würde die Umgebung des Atomkraftwerks Olkiluoto 3 "idyllisch" nennen - wären da nicht die Industriebauten, die leuchtend rot aus der westfinnischen Landschaft ragen.

Die knallige Farbe ist nicht das einzige Signal, die von den Meilern ausgeht: Während in Deutschland der Ausstieg aus der Atomkraft zwar umstritten, aber beschlossen ist, setzt Finnland voll auf diese Energieform. Vier AKW hat das Land, Olkiluoto 3 - der einzige Reaktorneubau in Europa - ist das fünfte, ein sechstes könnte dazukommen.

"Die von der Regierung beschlossene Klima- und Energiestrategie besagt, dass die Nuklearenergie für Finnland eine Option ist. Wir haben, anders als in Deutschland, einen breiten Konsens darüber", so Riku Huttunen, Abteilungsleiter im finnischen Energieministerium.

Gründe für die Atomkraft

Bereits jetzt stammt ein Viertel der in Finnland produzierten Elektrizität aus Atomkraft. Während die vier alten Reaktoren zusammen auf knapp 2700 Megawatt kommen, hat der neue eine Kapazität von 1600 Megawatt. Helsinki will so die Reduktionsziele für den CO2-Ausstoß leichter erreichen.

Weil Finnland viel Schwerindustrie hat, ist der Stromverbrauch im EU-Vergleich hoch. Die Klimafrage war ein Grund für den Reaktor, wurde aber beim Baubeschluss 2002 nicht so hoch bewertet wie heute. "Zwei weitere Gründe für die Atomkraft waren die bisherige Zuverlässigkeit finnischer Kraftwerke und die Aussicht, die Stromimporte nicht steigern zu müssen. Derzeit beziehen wir knapp zehn Prozent aus Russland", so Huttunen.

Das Land ist nicht einig

Zwar spricht sich nur eine Minderheit der Finnen gegen Atomstrom aus. Doch das Land ist nicht so einig, wie es scheint. So gab es im Parlament eine knappe Mehrheit für den Bau von Olkiluoto 3, doch einige Abgeordnete der Regierungsparteien lehnen den Atomausbau ab, ebenso die Grünen.

ch Umweltgruppen sind kritisch. Neben Sicherheitsbedenken gibt es in Finnland laut Greenpeace weitere Gründe, die gegen neue Reaktoren sprechen. Der Reaktor Olkiluoto 3 sollte zunächst 2009 ans Netz gehen, doch die Inbetriebnahme musste wegen diverser Bauprobleme, die die Kosten nach oben trieben, auf voraussichtlich 2011 verschoben werden.

"Das Fundament und der Stahlmantel entsprachen nicht den Sicherheitsbestimmungen", sagt Lauri Myllyvirta, Energieexperte bei Greenpeace in Finnland. "Das zeigt, dass es hier vor allem darum ging, billig und schnell Strom zu produzieren. Dabei wurden wichtige Sicherheitsregeln missachtet."

Nuklearenergie könnte wieder hoffähig werden

Kritiker fürchten, was die Atomindustrie - allen voran der Kraftwerksbauer Areva NP, ein deutsch-französisches Tochterunternehmen von Areva und Siemens - hofft: Dass das finnische Kraftwerk die Nuklearenergie auch im Rest Europas wieder hoffähig macht. Huttunen vom Industrieministerium berichtet über reges Interesse. "Vor allem aus England sind viele Besucher gekommen, um sich Olkiluoto anzuschauen", sagt er.

Weil Olkiluoto 3 eine neue Ära der Atomenergie einläuten soll, machte Areva NP den Finnen einen Vorzugspreis. "Derzeit ist die Nachfrage nach AKW-Neubauten gering, dementsprechend wird der Preis ausgefallen sein", sagt Huttunen. Rund 3 Mrd. Euro sollten für das Projekt ursprünglich reichen, doch die Verzögerungen haben die Kosten steigen lassen. "Statt Geld in Atomkraft zu stecken, wäre es sinnvoller gewesen, für mehr Effizienz zu sorgen und alternative Energien zu fördern. In Finnland gibt es fast keine Windkraft", so Myllyvirta. Statt roter Meiler an der finnischen Küste hätte er sich dort weiße Windräder gewünscht -------------

Ökonews, 6.3.07

IPPNW: Atomkraftwerke blockieren den Weg ins Solarzeitalter

Vattenfall beantragt Laufzeitverlängerung für AKW Brunsbüttel

Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW kritisiert den Antrag des Atomkonzerns Vattenfall zur Laufzeitverlängerung für das Uralt-Atomkraftwerk Brunsbüttel. Für die IPPNW ist es eine "neue Lüge der Energiekonzerne", wenn diese die Atomenergie als für den Klimaschutz notwendige "Brücke" auf dem Weg ins Solarzeitalter bezeichnen. "Die Behauptung, es ginge ihr aus Klimaschutzgründen um eine schrittweise Ablösung der Atomkraftwerke durch Erneuerbare Energien widerlegen die Energiekonzerne selbst, indem sie in den nächsten Jahren mehr als 20 fossile Großkraftwerke bauen wollen", kritisiert IPPNW-Energieexperte Henrik Paulitz. "Zugleich verhindern mehrere Bundesländer den weiteren Ausbau der Windenergie, weil sie sich den Interessen der einflussreichen Energiekonzerne beugen. Diese wollen derzeit keinen Umstieg von der Atomenergie auf die erneuerbaren Energien. Denn mit alten abgeschriebenen Atomkraftwerken lässt sich sehr viel Geld verdienen. Das alles verkaufen sie dann als Klimaschutzpolitik."

Für die IPPNW ist es auch nicht nachvollziehbar, dass die Energiekonzerne ältere Kohlekraftwerke jetzt dringend aus Altersgründen stilllegen und durch neue ersetzen wollen, während diese Argumentation auf die sicherheitstechnisch völlig veralteten Atommeiler wie Brunsbüttel und Biblis angeblich nicht zutrifft.

"Mit Laufzeitverlängerungen und dem Neubau von Gas- und Kohlekraftwerken wollen die Energiekonzerne keine Brücke ins Solarzeitalter bauen, sie wollen jetzt vielmehr auch für die nächsten Jahrzehnte eine fossil-nukleare Kraftwerksstruktur aufrecht erhalten", so Paulitz.

"Jeder weiß doch mittlerweile, dass es den Energiekonzernen nur darum geht, das hochprofitable Geschäft mit atomaren und fossilen Großkraftwerken nicht an Wettbewerber zu verlieren", so Paulitz. "Die Konzerne stehen hierbei in direktem Wettbewerb mit kleineren Firmen, mit den Kommunen und vor allem mit den zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern, die dezentrale erneuerbare Energieanlagen betreiben. Sie alle zusammen sind es, die es geschafft haben, dass in einem einzigen Jahr von 2005 bis 2006 die erneuerbaren Energien um 13 Prozent zugelegt haben", so Paulitz. "Die großen Energiekonzerne sind aus Profitinteressen die Bremser der überfälligen Energiewende."

Die angebliche Brückenfunktion der Atomenergie behindert nach Auffassung der IPPNW den erforderlichen Umstieg auf die erneuerbaren Energien. Paulitz: "Die großen Energiekonzerne stehen einer Dezentralisierung der Energiewirtschaft schon seit Jahrzehnten im Wege."

-----------------

ANP Maandag, 05 maart 2007 / 12:55

Mehrheit der Europäer wollen weniger Kernenergie

Meerderheid Europeanen wil minder kernenergie

BRUSSEL (ANP) - Een meerderheid van 61 procent van de burgers van de Europese Unie wil dat in de EU minder kernenergie wordt geproduceerd, vanwege zorgen over nucleair afval en de risico's van ongelukken met kerncentrales. Dat blijkt uit een peiling van de Europese Unie, de zogeheten Eurobarometer.

Van de ondervraagden vindt 30 procent dat Europa juist meer kernenergie moet produceren, omdat het niet bijdraagt aan de opwarming van de aarde en klimaatverandering.

De Nederlanders zijn iets minder negatief over kernenergie dan de gemiddelde Europeaan. 57 Procent is voor minder kernenergie, 35 procent voor meer. Bulgaren, Tsjechen en Slowaken zijn het meest pro-kernenergie.

-----------------

Spiegel online, 3.3.07

"LINKE ANTI-KERNKRAFT-IDEOLOGIE"

Glos attackiert Gabriel in Klimadebatte

Innerhalb der Bundesregierung eskaliert der Streit über die weitere Nutzung der Atomenergie. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) warf Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) vor, allein aus ideologischen Gründen gegen die Kernkraft vorzugehen.

Hamburg - "Mit seinem Vorgehen beweist Umweltminister Gabriel, dass ihm die linke Anti-Kernkraft-Ideologie wichtiger ist als der Schutz des Weltklimas", sagte Glos der Zeitung "Bild am Sonntag" laut einem Vorabbericht.

Innerhalb der Bundesregierung wird schon seit längerem darüber gestritten, ob der von der Vorgängerregierung beschlossene Atomausstieg angesichts des Klimawandels vielleicht nicht doch noch einmal überdacht werden sollte. Atommeiler stoßen im Unterschied zu Kohle- oder Gaskraftwerken kein klimaschädliches CO2 aus.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hat im Kampf gegen den Klimawandel eine "Doppelstrategie" gefordert. Der "Passauer Neuen Presse" (Samstagausgabe) sagte er: "Die Laufzeiten der vorhandenen sicheren Atomkraftwerke müssen verlängert werden. Auf der anderen Seite brauchen wir den stärkeren Einsatz erneuerbarer Energien. Nur so lässt sich der CO2-Ausstoß in Deutschland deutlich verringern."

Pofalla fügte hinzu, wer Atomkraftwerke in Deutschland früher abschaltet, schadet dem Ziel, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Wenn die Kernenergie in Deutschland durch Kohle ersetzt würde, stiege der CO2-Ausstoß um bis zu 120 Millionen Tonnen pro Jahr an.

Zuvor war bekannt geworden, dass Gabriel den Antrag des Energiekonzerns RWE auf eine längere Laufzeit des hessischen Kernkraftwerks Biblis A ablehnen will. Nach den bisherigen Planungen müsste der älteste deutsche Atommeiler im kommenden Jahr abgeschaltet werden. RWE hatte im September jedoch beantragt, Reststrommengen des bereits stillgelegten pfälzischen Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich auf Biblis A zu übertragen.

Umweltminister Gabriel wies die Forderung der Union, wieder stärker auf Kernkraft zu setzen, erneut zurück. Die Klimaschutzziele sollten stattdessen erreicht werden, indem der Anteil der erneuerbaren Energien auf mindestens 28 Prozent des Energiemixes steige, sagte er der "Berliner Zeitung".

hda/AP/ddp

---------------------

Süddeutsche Zeitung 02.03.2007

Verfassungsbeschwerde gegen Online-Razzien

"Ich fühle mich persönlich betroffen"

Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat ein Gesetz verabschiedet, dass das Ausspähen privater Computer erlaubt - ein Verstoß gegen das Grundgesetz, wie der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum meint.

Gerhart Baum war zwischen 1978 und 1982 deutscher Innenminister:

Der FDP-Politiker Baum legt Verfassungsbeschwerde gegen das Ausspähen privater Computer in Nordrhein-Westfalen ein. Baum will das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe überprüfen lassen.

Das Gesetz erlaubt dem Geheimdienst zur Terrorbekämpfung den heimlichen Zugriff auf private Computer.

Die Online-Durchsuchung sei in wesentlichen Punkten verfassungswidrig, teilte Baum mit. Neben seinen Parteifreunden Burkhart Hirsch und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sei er einer der Beschwerdeführer in Sachen Lauschangriff gewesen - „deshalb fühle ich mich besonders betroffen", sagte Baum im Gespräch mit sueddeutsche.de.

Das NRW-Gesetz erlaube den heimlichen Datenangriff ohne richterliche Zustimmung und nachträgliche Überprüfung oder Information des Betroffenen. Laut Baum verstößt das Gsetz gleich gegen drei Grundrechte:

Die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes. Baum kritisierte auch die Beibehaltung des Großen Lauschangriffs in NRW: Damit werde das Urteil der Bundesverfassungsrichter zum Lauschangriff bewusst ignoriert.

mehr zum Thema

Online-Durchsuchungsgesetz

Der Staat zieht seine Bürger aus

Online-Durchsuchungen: BKA-Chef verärgert über Zypries

Das neue NRW-Verfassungsschutzgesetz entstand unter liberaler Ägide: NRW-Innenminister Ingo Wolf gehört wie Baum der FDP an, in der es laut Baum rumorte wegen der Online-Razzien:

„FDP-intern hat es eine Diskussion gegeben, in der wie auch in der vom Landtag durchgeführten Anhörung die Bedenken deutlich sichtbar geworden sind", sagte Baum sueddeutsche.de.

Der FDP-Politiker Baum hatte in Karlsruhe bereits das Luftsicherheitsgesetz mit der umstrittenen Befugnis, entführte Passagiermaschinen im Extremfall abschießen zu lassen, sowie den Großen Lauschangriff teilweise zu Fall gebracht.

(sueddeutsche.de/dpa)

Kommentare

03.03.2007 13:55:55

siebenzwiss Und jetzt noch das Herumschnüffeln in privaten Computern

Meine größte Sorge ist, daß unsere Gesellschaft sich auf direktem Weg in einen faschistischen Staat umwandelt, und unser aller Leben nur noch von Automatism beherrscht werden wird. Die Diskussion und der Erlass des Rauchverbots hat dabei meine schlimmsten Befürchtungen noch übertroffen.

Werden denn Chemiefabriken geschlossen weil Sie gesundheitsschädliche Stoffe produzieren? Dürfen Lastwagen nicht mehr fahren, weil Sie jedes Jahr Millionen Tonnen krebserregenden Ruß ausstossen? Und wann werden diese Brummis endlich mit Partikelfiltern nachgerüstet. Das sind doch die größten Luftverschmutzer überhaupt!

Sogenannte Gesundheitsexperten im Fernsehen, die was von 3000 toten Passivrauchern im Jahr schwafeln, wobei doch jedem klar sein müsste, daß man sowas gar nicht beweisen kann. Jeder Atemzug Stadtluft enthält mehr Schadstoffe, als eine vollgerauchte Kneipe auf dem Land. Aber jetzt, nach dem Rauchverbot leben wir natürlich ewig...

Dann die widerspruchslose Hinnahme von Polizeiaktionen, wie das Sperren von kompletten Autobahnabschnitten.

Wir sind nicht mehr weit davon entfernt, daß ganze Stadtviertel umstellt und Haus für Haus durchsucht werden. Immer unter der Prämisse , wer nichts zu verbergen hat, braucht ja nichts zu befürchten.

Jedes Verbot bringt uns dem totalitären Staat einen Schritt näher. Es gibt nur noch Populismus und keine Politik mehr.

Die Killerspieldiskussion - Verbote kosten halt kein Geld - ist doch in Wirklichkeit Volksverdummung. Statt Ganztagsschulen mit Hausaufgabenbetreuung und wenigstens einer vernünftigen Mahlzeit am Tag für unsere Kinder einzuführen, wird mit den Sorgen der Menschen Schindluder getrieben. Bayern hat dabei - wieder mal - die Vorreiterfunktion übernommen und mit der Verkürzung der Schulzeit, das Tor zur Halbbildung und damit zum Faschismus weiter aufgestossen.

In Wirklichkeit will der Staat heute, ungebildete, leicht zu manipulierende Individuen!

Menschliche Roboter, die arbeiten, sich nie beschweren und wenn sie nutzlos geworden sind einfach verschwinden. Faschismus eben...

02.03.2007 20:32:08

curtisnewton1 Volle Zustimmung OxnoxO

Weitere Meinungen http://www.heise.de/newsticker/foren/go.shtml?list=1&forum_id=113340

02.03.2007 16:11:40

OxnoxO Deutschland wird zum "Computer Guantanamo"

Was in NRW passiert, ist ohne Beispiel. Computer von Privatpersonen können verdachtsunabhängig ausgespäht werden. Das funktioniert über sog. "Trojaner", die es erlauben, von einem entfernten Computer aus Zugriff auf den Rechner des Opfers zu erlangen. Dabei wird der Funktionsvielfalt nur durch die Phantasie des Programmierers eine Grenze gesetzt: Dateien lassen sich löschen, verschieben, verändern und auch erzeugen - ohne, dass es vom opfer direkt bemerkt wird und ohne, dass das Opfer den beweis dieser Handlungen erbringen kann.

Das ist bereits schlimm genug und tangiert mehrere Straftatbestände. Grundgesetzwidrig ist es ausserdem.

Dabei bleibt es aber nicht: Die staatlich verordnete Schadsoftware muss auf Grund ihres Funktionsprinzips eine Hintertür in den Rechner einbauen. Diese kann aber prinzipiell auch von Dritten missbraucht werden, um Schaden anzurichten - z.B. um falsche Beweise zu platzieren. Das Opfer hat dann keine Möglichkeit, diese Schadtaten zu beweisen.

Von möglichen Kompatibilitätsproblemen mit vorhandener Software, Datenverlust durch Fehlfunktionen, Instabilität des Betriebssystems und geringerer Rechenperformance einmal ganz abgesehen.

Bei einer klassischen Durchsuchung müssen sich die Beamten ausweisen. Man kann einen Anwalt hinzuziehen und Zeugen herbei rufen. Ein Durchsuchungsbefehl muss vorliegen und als Kopie unverzüglich ausgehändigt werden. Während der Durchsuchung kann man den Beamten auf die Finger schauen. Beschädigungen sieht man unmittelbar und diese werden auch ab einem Mindestbetrag ersetzt. Mitgenommene Gegenstände werden erfasst und dokumentiert.

Bei einer Online-Durchsuchung werden dem vermeintlichen "Täter", diese essentiellen Rechte entzogen und ihm sogar die Beweisführung unmöglich gemacht.

Ein unglaublicher Vorgang ohne Beispiel, gegen den ich mich vehement zur Wehr setzen werde. Sofern der Rechtsweg scheitert werde ich mich künftig auf rechtfertigenden Notstand und das Widerstandsrecht in Artikel 20 des Grundgesetzes berufen und den Computer-Blockwarten mit aller Macht Steine in den Weg legen und sie mit Müll füttern, bis die Festplatten platzen.

Herr Schäuble und seine "Sturmtruppen" aus dem Dunstkreis der BKA-Führung oder der CSU-Bayern verfolgen verfassungsfeindliche Bestrebungen und unternehmen den Versuch, staatliche Willkür in Gesetze gießen zu lassen. Auch aus diesem grund spendiere ich Herrn Schäuble einen neuen Spitznamen. Ab heute heißt er bei mir "Stasi Schäuble".

---------------------

Blick online, 2.3.07

BLICK hat nachgerechnet

Wie CO2-frei sind die AKWs wirklich?

VON HENRY HABEGGER

BERN - Atomstrom ist frei von CO2. Behauptet die Atomlobby. Doch das stimmt nicht. AKWs verursachen Zehntausende von Tonnen des Klimagifts. Hauptgrund: Der aufwändige Uranabbau.

Atomenergie und Klimakiller CO2. «Die Kernenergie erzeugt rund 40% der schweizerischen Elektrizität, die Wasserkraft 60%. Dieser CO2-freie Mix ist einzigartig.» So tönt es auf der Website des Nuklearforums, vormals Vereinigung für Atomenergie.

Das ist die Dichtung. Die Wahrheit ist: Selbst Wasserkraft ist nicht CO2-frei. Und Atomkraft kann sogar sehr schmutzige Energie sein. Internationale Studien der letzten Jahre kommen zwar auf unterschiedliche CO2-Werte der Atomenergie.

Eines aber haben sie gemeinsam: CO2-frei ist der Atomstrom nie.

Auf einen Mittelwert von 60 Gramm CO2 pro Kilowattstunde (KWh) Strom kommt eine Studie der Universität Sydney in Australien (2006). Die Spannweite der Werte: 10 bis 130 Gramm pro KWh.

Das deutsche Öko-Institut errechnete 1997 CO2-Werte zwischen 34 und 160 Gramm pro KWh.

Der holländische Wissenschaftler Jan Willem Storm van Leeuwen bezifferte 2005 den CO2-Ausstoss auf 90 bis 140 Gramm pro KWh.

Das Problem beim Atom: Vor allem der aufwändige Abbau des Urans verbraucht viel elektrische Energie, fossile Treibstoffe, Chemikalien, usw. Je geringer der Urangehalt des Gesteins, desto mehr. Die reinsten Erze enthalten 20% Uran, sind aber selten geworden.

In Namibia etwa arbeiten Uranminen neuerdings mit Erzen, die noch gerade 365 Gramm Uran pro Tonne Gestein enthalten. Da lässt sich erahnen, welche Energie nötig ist, um das Uran «herauszufiltern». 60, ja 160 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Umgerechnet auf aktuelle und geplante AKWs heisst das:

Das AKW Mühleberg liefert 2,7 Milliarden KWh Strom pro Jahr. Somit produziert es jährlich 162.000 Tonnen CO2 (bei 60 Gramm pro KWh). Oder gar 432.000 Tonnen (bei 160 Gramm pro KWh).

Neue Schweizer AKWs sollen die viereinhalbfache Leistung von Mühleberg haben. Das heisst, sie verursachen 729.000 (bei 60 Gramm) oder gar 1,95 Millionen Tonnen CO2 (bei 160 Gramm) pro Jahr.

Eines ist sicher: im Vergleich zu Wasser-, Wind- oder Solarstrom schneiden AKWs punkto CO2 schlecht ab (siehe Box rechts: Alternativenergie erzeugt am wenigsten CO2).

-----------------

Spiegel online, 2.3.07

ANTRAG ABGELEHNT

Atomreaktor Biblis A muss pünktlich vom Netz gehen

Es hätte der Ausstieg aus dem Atomausstieg werden sollen - doch daraus wird nun nichts. Das Umweltministerium hat Presseberichten zufolge die vom Energiekonzern RWE beantragte Laufzeitverlängerung für den hessischen Reaktor Biblis A abgelehnt.

Dortmund/Berlin - Die Prüfung im Umweltministerium habe ergeben, dass keine Reststrommengen des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich auf Biblis A übertragen werden dürften, berichten die "Ruhr Nachrichten" unter Berufung auf Kreise der Bundesregierung. Eine entsprechende Stellungnahme von Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sei dem Bundeswirtschaftsministerium zur Kenntnis gegeben worden. Eine Veröffentlichung des negativen Bescheids sei voraussichtlich für die nächste Woche vorgesehen, schreibt das Blatt weiter.

Auch die "Leipziger Volkszeitung" meldet, dass die interne Prüfung im Bundesumweltministerium abgeschlossen und negativ ausgefallen sei. Das Unternehmen solle in Kürze unterrichtet werden.

RWE hatte im September vergangenen Jahres eine Übertragung von Restlaufzeiten des Reaktors Mülheim-Kärlich auf das Kernkraftwerk Biblis beantragt. Hilfsweise war eine Übertragung von Restlaufzeiten des Kernkraftwerks Lingen auf Biblis A beantragt worden. Darüber sei noch nicht entschieden worden, hieß es laut Zeitung in der Koalition. Der 1974 ans Netz gegangene Reaktor müsste laut Ausstiegsvereinbarung zwischen der früheren rot-grünen Bundesregierung und der Energiewirtschaft 2008 stillgelegt werden, RWE will die Laufzeit bis 2011 verlängern.

Derzeit läuft noch ein weiteres Prüfverfahren eines Antrages auf Laufzeitverlängerung für das vom baden-württembergischen Energiekonzern EnBW betriebene Kernkraftwerk Neckarwestheim I. Das Kernkraftwerk soll eigentlich spätestens 2009 vom Netz gehen. EnBW will Strommengen vom jüngeren Reaktor Neckarwestheim II auf den älteren übertragen und so dessen Laufzeit bis 2017 verlängern.

-----------------

Spiegel online, 2.3.07

URAN IM GARTEN

Herr der Pellets

Von Julia Jüttner , Lauenförde

15 Jahre lang besaß Hermann F. Uran-Pellets. Immer wieder versuchte er, die Welt aufzurütteln: Seht her, so leicht kommt man an radioaktives Material. Niemand glaubte ihm. SPIEGEL ONLINE verriet er nun, wie ihn sein strahlendes Geheimnis in die Verzweiflung trieb.

Lauenförde - 110 Gramm - ein bisschen mehr als eine Tafel Schokolade oder eine Tüte Bonbons. Doch für Hermann F. wiegt das, was er 15 Jahre lang verbuddelt hatte, weit schwerer. Die 110 Gramm Uran, in 14 Pellets geteilt, haben Spuren hinterlassen im Leben des 45-Jährigen.

Unsicher begegnet F. in seiner Flickenjeans und Turnschuhen dem Rummel, den er ausgelöst hat. Plötzlich steht der ahnungslose Mann im Zentrum des Interesses. Fernsehteams klingeln nachts an seiner Tür, es gibt Pressekonferenzen seinetwegen.

Dabei ist Hermann F.s Persönlichkeit nicht so angelegt, dass sie viel Aufregung standhält. Neun Mal war er in psychiatrischer Behandlung - "seit ich die Uran-Ration in Händen habe, deren Existenz mir aber keiner glauben wollte", behauptet er. Scheu sitzt er am Esstisch im voll gestellten Wohnzimmer seiner Eltern, die ein Stockwerk unter ihm leben.

Den beigefarbenen Teppichboden sieht man kaum vor lauter kleinen Läufern und Putzlappen. Zwischen Schrankwand und Fernseher stehen Ohrensessel, Couch und Holzschaukelstuhl dicht gedrängt. Hermann F.s Mutter entschuldigt die Unordnung: Bis vor wenigen Minuten durchsuchten 15 Polizeibeamte mit Geigerzählern das komplette Haus, jedes Stockwerk. Verlegen räumt die Rentnerin benutztes Geschirr zur Seite, bietet freundlich Kaffee an.

Hermann F.s Hände spielen mit den Seiten der Lokalzeitung. Er zittert leicht, der noch blühende Weihnachtsstern auf der Tischdecke wippt im Takt. "Ich wollte diese Sache nicht ausschlachten, nur auf Defizite in der Nuklearindustrie aufmerksam machen", sagt er.

Im November 1991 sei ihm das brisante Päckchen ausgehändigt worden. Von wem? Hermann F. schweigt eisern und verrät nur: "Die Pellets stammen aus der ehemaligen Siemens-Brennelemente-Fabrik in Hanau. Dort waren nur Dilettanten am Werk, auf die ich aufmerksam machen wollte. Dort wurde bei der Arbeit Alkohol getrunken und auf Sicherheitsvorkehrungen gepfiffen." Er sei bei Greenpeace, Politikern, auch beim SPIEGEL vorstellig geworden. Doch niemand habe ihm, der in der Paderborner Drogenszene verkehrte, geglaubt. "Die hielten mich alle für verrückt, obwohl das Uran in den Originalschraubzylindern von Siemens steckte."

"Ich empfand ein ständiges Ohnmachtsgefühl"

Was tun mit 110 Gramm, 14 Pellets, vielleicht strahlend. Der arbeitslose Hermann F. grübelt. Im Mai 1992 beschließt er, das Nuklearmaterial an einem Steilhang zwischen Meinbrexen und Lauenförde zu verbuddeln. "Ich wusste nicht, wie schlimm das Zeug ist - ob es vielleicht Plutonium ist. Und gleichzeitig hatte ich immer Angst, dass ich Personen wie Joschka Fischer, der damals Bundestagsabgeordneter war, anschreibe - und diese Pellets sind gar nicht echt. Ich empfand ein ständiges Ohnmachtsgefühl."

Halluzinationen und Verfolgungswahn plagen Hermann F.

Er zieht in eine Wohnung im Haus seiner Eltern im beschaulichen Lauenförde mit gerade einmal 2700 Einwohnern. Mit Gelegenheitsjobs hält er sich über Wasser: Einer davon, so sagt er: Reinigungskraft im Kernkraftwerk Grafenrheinfeld, später arbeitete er auch im Kernkraftwerk Würgassen, inzwischen stillgelegt. Der Eon-Konzern, einst Betreiber des 1994 stillgelegten Atommeilers Würgassen, stellte bereits klar, dass das Uran nicht von dort stammt.

Die in seinem Garten sichergestellten Uran-Pellets bestehen laut Umweltministerium zu vier Prozent aus dem leicht spaltbaren Isotop U 235 und sollen nicht aus einem der beiden Kernkraftwerke kommen. Denn laut Strahlenschutzexperten gibt es Pellets in der gefundenen Form nur in Brennelemente-Fabriken. Eine Aussage, die F.s Angaben stützt.

Zwölf Jahre schlummert das Uran im Wald

1994 schaltet Hermann F. die Polizei Holzminden ein und fährt mit Beamten und Strahlenschutzexperten zu seinem Uran-Versteck. Doch er verirrt sich, findet das Versteck nicht mehr, der Trupp kann trotz Strahlenmessgeräte nichts entdecken - und zieht ab. Hermann F. zweifelt immer mehr an sich selbst. Ärzte diagnostizieren bei ihm "schwere Gehirnausfälle", sagt er. Die Staatsanwaltschaft Hildesheim hatte anfangs ein Verfahren gegen ihn eingeleitet wegen unerlaubten Umgangs mit radioaktiven Stoffen, dann wird es eingestellt.

Das angereicherte Uran bleibt zwölf Jahre neben einem Baumstamm vergraben. Keiner weiß davon - außer Hermann F.

Erst im vergangenen Jahr gräbt Hermann F. den geheimen Fund wieder aus - und im Garten seiner Eltern wieder ein. Die Polizei will er kein zweites Mal in sein Geheimnis einweihen. Im April 2006 beauftragt er seinen Anwalt Reiner Weber aus Göttingen, ihm bei einem letzten Versuch zu unterstützen. Der Fachanwalt für Medizinrecht hat Hermann F. aus der Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie geboxt. Weber verfasst ein Schreiben an die Bundeskanzlerin. Der Stein kommt ins Rollen.

Der Brief geht seinen Weg durch die Regierungsstellen: Kanzleramt, Bundesumweltministerium, dann niedersächsisches Umweltministerium. Ein Detail des Schreibens machte die Experten dort stutzig: die detailgetreue Skizze des Behälters, in dem die Pellets lagerten. Am 22. Februar rückt das Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim an, mit Strahlenschützern, Spezialausrüstung und drei Messwagen. Sie finden 110 Gramm angereichertes Uran. Eine Woche später erfährt es die Öffentlichkeit.

Nur auf eine Frage gibt Hermann F. keine Antwort

"Ich wollte diese Geschichte zu Ende bringen, mich endlich aus der Wahnvorstellung befreien", sagt Hermann F., sichtlich erschöpft von dem anhaltenden Geklingel des Telefons und der eben abgeschlossenen dreistündigen Hausdurchsuchung mit 15 Polizeibeamten und Geigerzählern. "Weiteres radioaktives Material haben sie nicht gefunden, werden sie auch nicht. Hier ist nichts mehr."

Die Staatsanwaltschaft hat gegen Hermann F. ein Verfahren wegen unerlaubten Besitzes von radioaktivem Material eingeleitet. Spätestens im Falle eines Prozesses wird auch der Richter fragen: Wer gab ihm in den Neunzigern die 14 Uran-Pellets?

"Auf diese Frage gibt es keine Antwort", sagt er. "Ich stehe im Wort. Ich habe versprochen, ich mache keine näheren Angaben zu der Person, die mir das Zeug ausgehändigt hat. Denjenigen hat es Mut gekostet, auf den desolaten Zustand in Hanau aufmerksam zu machen." Er selbst sei nie in der zum Siemens-Konzern gehörenden Wiederaufbereitungsanlage in Hanau gewesen. "Es ging darum aufzuzeigen, wie leicht es ist, aus solch einer angeblich sicheren, kontrollierten Firma gefährliches Material rauszutragen - ohne dass es Konsequenzen hat."

Nach Auskunft seines Anwalts erhielt der 45-Jährige die Uran-Pellets von einem Bekannten aus der Drogenszene. Hermann F. kommentiert die Aussage Webers nicht.

Seine Mutter stellt die "Tagesschau" laut, stöhnt: "Da bringen sie's auch!" Müde schüttelt Hermann F. den Kopf. "Es klingt alles nach einer tollen Story, aber es ist völlig untergegangen, was ich eigentlich bezwecken wollte."

Die Story, die eigentlich seine sein sollte, damals vor 15 Jahren, schreiben längst andere.

 

 

---------------------------

Spiegel online, 1.3.07

URAN-FUND IN LAUENFÖRDE

"Wieso hat keiner den Mann ernst genommen?"

Von Julia Jüttner , Lauenförde

Strahlenschutz-Experten haben aus dem Garten der Familie F. im niedersächsischen Lauenförde 14 angereicherte Uran-Pellets gebuddelt - jetzt rätseln dort alle über deren Herkunft. Und fragen, warum Hinweise von Hermann F. jahrelang ignoriert wurden. Jeder hat seine eigene Theorie.

Lauenförde - Im niedersächsischen Lauenförde leben rund 2500 Menschen. Nicht jeder kennt jeden, aber jeder kennt den Garten der Familie F. am Ende der Lönsstraße, in dem angereichertes Uran entdeckt wurde und weiterhin nach radioaktivem Material gesucht werden soll. Hermann F. selbst hatte immer wieder vor dem merkwürdigen Fund gewarnt - mehr als 15 Jahre lang.

1991 behauptete der 45-Jährige erstmals, in einem nahe gelegenen Waldstück sei radioaktives Material verbuddelt. Doch die Polizei grub vergebens an den Stellen, die ihnen der Mann zeigte. Er benachrichtigte Joschka Fischer, weil er sich den Grünen politisch verbunden fühlte, klapperte Journalisten ab, informierte Greenpeace und andere Verbände. Niemand nahm Hermann F. ernst.

Erst als er Anfang des Jahres seinen Anwalt beauftragte, der Bundeskanzlerin einen Brief zu schreiben, wurde er erhört: Das Bundeskanzleramt leitete das Schreiben ans Bundesumweltministerium und das wiederum ans Landesumweltministerium weiter.

Der dortige Abteilungsleiter Wolfgang Goldbach von der Atomabteilung informierte das Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim. Prompt rückten Strahlenschützer mit Spezialausrüstung und drei Messwagen an, um die insgesamt 110 Gramm der chemischen Substanz, die in Brennstäben deutscher Kernkraftwerke verwendet wird, sicherzustellen. Die 14 Pellets zu je 7,8 Gramm befanden sich in einem Stahlbehälter. Im Isotopenlabor in Hannover wurde kurz darauf festgestellt, dass es sich um einen Anreicherungsgrad von 3,7 Prozent handelt. Das reicht für Reaktorbrennstoff aus, nicht aber für den Bau einer Atombombe. Dazu benötigt man eine Anreicherung von über 90 Prozent.

Die Panik im überschaubaren Lauenförde direkt an der Weser blieb aus, denn eine akute Gesundheitsgefahr hat nach Angaben des Umweltministeriums nie bestanden. Umso heftiger sind die Spekulationen darüber, wer das Uran wann und warum in dem akkurat gepflegten Privatgarten vergraben hat. Jeder hat seine eigene Theorie.

Hermann F. hat früher im Kernkraftwerk gearbeitet

So will Norbert Tyrasa, Samtgemeindebürgermeister und ehemaliger Kriminalbeamter, nicht ausschließen, dass es sich bei Entdecker und Verstecker des Urans um dieselbe Person handelt. Der 51-Jährige lebt 150 Meter Luftlinie vom Fundort entfernt und kennt die Familie F. seit vielen Jahren. "Ich kann es mir nicht erklären, woher das Uran kommt", sagt der SPD-Politiker. Die Staatsanwaltschaft Hildesheim hat ein Verfahren wegen unerlaubten Umgangs mit radioaktiven Stoffen gegen Hermann F. eingeleitet.

Hermann F. hat eine zeitlang im Kernkraftwerk im drei Kilometer entfernten Würgassen gearbeitet. Aber das haben viele im Weserbergland. 1971 ging es als erstes in Deutschland vollständig kommerziell genutztes Kraftwerk in Betrieb. Der zunehmende Strombedarf im Raum Ostwestfalen-Südniedersachsen-Nordhessen und das Flusswasser für Kühlzwecke waren damals die Hauptargumente für die Wahl des Standortes zwischen Bad Karlshafen und Beverungen. 1994 wurde es wegen technischer Mängel stillgelegt.

"Mein Mann hat dort auch gearbeitet und unter unseren Rosenbeeten findet man kein Uran", erzählt eine Rentnerin vor dem Schreibwarenlädchen an der nächsten Straßenecke. Sie könne sich nicht vorstellen, wie Mitarbeiter des Kraftwerkes solch brisantes Material hätten rausschmuggeln sollen.

"Ich sorge mich darum, woher das Uran kommt"

Das hält auch Bürgermeister Tyrasa für das einzig Besorgniserregende. Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander habe ihm persönlich am Telefon versichert, das angereicherte Uran sei keinesfalls gesundheitsgefährdend. "Ich habe daher keine Sorge wegen des Urans, nur Sorge, woher es kommt." Immerhin handelt es sich um Uran, mit dem die Brennstäbe deutscher Kernkraftwerke bestückt werden - und dafür gelten europaweit strengste Auflagen. In Alarmbereitschaft scheinen daher nur die Behörden. Die Bürger Lauenfördes geben sich selbstsicher und bestens informiert.

"Mit so einer Mini-Ration kann man weder Waffen basteln noch sonstigen Unfug treiben", sagt Walter Herbig aus dem benachbarten Beverungen. Die Menge ist nach Expertenangaben in der Tat zu gering, einen Atomsprengkörper herzustellen. Dazu benötige man mindestens vier Kilo des radioaktiven Materials. Auch Martina Keiler aus der entfernten Nachbarschaft des Fundorts wiegelt ab: "Schlimm ist doch nur, dass den Mann keiner ernst genommen hat. Wieso ist keiner mal dessen Aufforderungen nachgekommen? Dazu sind die Ämter doch verpflichtet."

Das sichergestellte Uran wird derzeit im Institut für Transurane in Karlsruhe untersucht. Dessen Labor-Mitarbeiter sollen exakt feststellen können, woher die 14 Pellets stammen, wie alt und seit wann sie in dem privaten Grundstück vergraben sind. Vielleicht kann dann das Geheimnis um den mysteriösen Fund gelüftet werden.

-----------------------------

Spiegel-Online 28.02.2007

URAN IM GARTEN

Dubioser Atom-Fund in Niedersachsen

Bei einem Privatmann in Niedersachsen haben Strahlenschützer 110 Gramm angereichertes Uran sichergestellt. Wie der Mann an das strahlende Gift kam, ist noch völlig rätselhaft. Jahrelang hatten Behörden Informationen über den Fall - unternahmen aber nichts.

Hannover - Der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) sagte heute Abend, der Mann aus Lauenförde im Kreis Holzminden habe schon am 17. Januar Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem handschriftlichen Brief mitgeteilt, dass er Uran besitzt. Genauere Angaben zu Zweck und Herkunft machte er offenkundig nicht. Danach dauerte es einen Monat, bis der Brief auf dem Dienstweg in Niedersachsens Umweltministerium eintraf - am 22. Februar.

Die Behörde schickte noch am gleichen Tag einen Strahlenschutztrupp der Gewerbeaufsicht los. Tatsächlich fanden sie 14 Pellets zu je 7,8 Gramm im Garten des Mannes. Diese Pellets gehörten normalerweise zu den besonders gesicherten Brennstoffen von Atomkraftwerken. Die zylinderförmigen Stücke sind rund einen Zentimeter hoch und wiegen je knapp 8 Gramm. Sie hatten einen Anreicherungsgrad von vier Prozent. Dies reicht für Reaktorbrennstoff aus. Für den Bau einer Atombombe ist dagegen eine Anreicherung von über 90 Prozent erforderlich.

Der Mann soll in einem Zeitraum von zehn Jahren immer wieder versucht haben, Behörden auf das Uran in seinem Garten aufmerksam zu machen. Auch die Polizei habe nie reagiert.

Insgesamt handelt es sich bei dem Fund nach Angaben der Behörden um 110 Gramm Uran. Eine akute Gesundheitsgefährdung habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Das Uran war nach Angaben der Fachleute des Ministeriums "fachmännisch in einem Stahlbehälter verpackt". Das radioaktive Material werde nun in Karlsruhe in einem auf radioaktive Substanzen spezialisierten Institut untersucht, um die Herkunft des Stoffes festzustellen.

Die Menge sei zu gering, um sie im Ausland zu Geld zu machen, sagte ein Fachmann im Ministerium. Für die Herstellung eines Atomsprengkörpers sind mindestens vier Kilo des radioaktiven Materials notwendig. Eine schmutzige Bombe, bei der strahlende Partikel durch einen herkömmlichen Sprengkörper umhergeschleudert werden, kann man aber schon mit geringeren Mengen herstellen.

Jetzt ist die Staatsanwaltschaft mit dem Fall befasst. Sie soll vor allem klären, woher das Uran stammt und wie es zu dem Mann kam.

zurück