Presseauswahl ab Februar 2007

Presseauswahl der BI bis Januar 2007

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Spiegel-Online 28.02.2007

URAN IM GARTEN

Dubioser Atom-Fund in Niedersachsen

Bei einem Privatmann in Niedersachsen haben Strahlenschützer 110 Gramm angereichertes Uran sichergestellt. Wie der Mann an das strahlende Gift kam, ist noch völlig rätselhaft. Jahrelang hatten Behörden Informationen über den Fall - unternahmen aber nichts.

Hannover - Der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) sagte heute Abend, der Mann aus Lauenförde im Kreis Holzminden habe schon am 17. Januar Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem handschriftlichen Brief mitgeteilt, dass er Uran besitzt. Genauere Angaben zu Zweck und Herkunft machte er offenkundig nicht. Danach dauerte es einen Monat, bis der Brief auf dem Dienstweg in Niedersachsens Umweltministerium eintraf - am 22. Februar.

Die Behörde schickte noch am gleichen Tag einen Strahlenschutztrupp der Gewerbeaufsicht los. Tatsächlich fanden sie 14 Pellets zu je 7,8 Gramm im Garten des Mannes. Diese Pellets gehörten normalerweise zu den besonders gesicherten Brennstoffen von Atomkraftwerken. Die zylinderförmigen Stücke sind rund einen Zentimeter hoch und wiegen je knapp 8 Gramm. Sie hatten einen Anreicherungsgrad von vier Prozent. Dies reicht für Reaktorbrennstoff aus. Für den Bau einer Atombombe ist dagegen eine Anreicherung von über 90 Prozent erforderlich.

Der Mann soll in einem Zeitraum von zehn Jahren immer wieder versucht haben, Behörden auf das Uran in seinem Garten aufmerksam zu machen. Auch die Polizei habe nie reagiert.

Insgesamt handelt es sich bei dem Fund nach Angaben der Behörden um 110 Gramm Uran. Eine akute Gesundheitsgefährdung habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Das Uran war nach Angaben der Fachleute des Ministeriums "fachmännisch in einem Stahlbehälter verpackt". Das radioaktive Material werde nun in Karlsruhe in einem auf radioaktive Substanzen spezialisierten Institut untersucht, um die Herkunft des Stoffes festzustellen.

Die Menge sei zu gering, um sie im Ausland zu Geld zu machen, sagte ein Fachmann im Ministerium. Für die Herstellung eines Atomsprengkörpers sind mindestens vier Kilo des radioaktiven Materials notwendig. Eine schmutzige Bombe, bei der strahlende Partikel durch einen herkömmlichen Sprengkörper umhergeschleudert werden, kann man aber schon mit geringeren Mengen herstellen.

Jetzt ist die Staatsanwaltschaft mit dem Fall befasst. Sie soll vor allem klären, woher das Uran stammt und wie es zu dem Mann kam.

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Junge Welt, 27.2.07

Torte, Talkshow und Gebet

Hunderte Atomkraftgegner erinnerten an Standortbenennung von Gorleben

Von Reimar Paul

Hunderte Atomkraftgegner haben am Wochenende im Kreis Lüchow-Dannenberg an den 30. Jahrestag der Benennung des Atomstandortes Gorleben und des Widerstandes dagegen erinnert. Die Aktionen begannen bereits am Sonnabend mittag vor dem Tor zum Zwischenlagers. Ein Traktor hatte eine große Torte aus Beton herangekarrt, die statt mit Kerzen mit 30 Feuerwerksraketen bestückt war.

»Die Torte steht symbolisch dafür, daß sich die Atomlobby an unseren hartnäckigen und fantasievollen Protesten noch die Zähne ausbeißen wird«, sagte der Sprecher der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow Dannenberg, Francis Althoff. Sein »Kollege« Felix Ruwe von der BI gegen das Zwischenlager Ahaus hatte einen meterlangen Rosinenstuten »zur Stärkung des Widerstands« mitgebracht.

Während sich die Kundgebungsteilnehmer bei Kaffee und Kuchen stärkten, alte Widerstandsgeschichten austauschten und den ebenso alten Musikstücken von Klaus dem Geiger lauschten, kletterte ein Dutzend Atomkraftgegner über den Zaun des benachbarten Endlagerbergwerks und entrollte dort ein Protesttransparent. Später am Nachmittag starteten »wendländische Kreuzfahrten« mit Traktoren kreuz und quer durch den Landkreis zu Fotoausstellungen mit Stationen des Widerstandes.

Filmvorführungen, Lesungen, Kabarett, Konzerte und eine Talk-Show mit Gorleben-»Veteran/inn/en« waren weitere Höhepunkte der bunten Feierlichkeiten. Sie wurden am Sonntag unter anderem mit dem »Gorlebener Gebet« fortgesetzt - seit vielen Jahren treffen sich Christen allwöchentlich zu einer Protestandacht an den Atomanlagen.

Seit der Standortbenennung am 22. Februar 1977 ebben die Proteste gegen das geplante Atommüllendlager im Gorlebener Salzstock nicht ab. Obwohl Wissenschaftler seit Jahrzehnten vor der Inbetriebnahme warnen, da der Salzstock mit seinem löchrigen Deckgebirge die Radioaktivität nicht sicher abschirmen kann, macht jeder weitere Castortransport ins Zwischenlager auch ein Endlager in Gorleben wahrscheinlicher. Althoff versicherte, die BI werde auch künftig für die sofortige Stillegung der Atomanlagen und gegen die Einrichtung eines Endlagers im Salzstock Gorleben kämpfen.

Unterdessen haben die Grünen im niedersächsischen Landtag eine neue wissenschaftliche Anhörung zu Gorleben verlangt. 15 Jahre nach dem letzten Hearing zur Endlagersuche sei es an der Zeit, sich den neuen Erkenntnissen und Anforderungen öffentlich zu stellen, erklärte die Fraktion. Bei einer Aktion vor der Staatskanzlei in Hannover übergaben die Grünen ein symbolisches »Atomklo«.

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Welt online, 27.2.07

"Atomkraft ist ökonomisch ein sinnloses Spiel"

Klaus Traube, einst einer der bekanntesten Atommanager der Republik, ist heute ein Befürworter des Atomausstiegs und Umweltforscher. Mit WELT ONLINE spricht er über Faszination und Schrecken der Nukleartechnik und die Umweltfreundlichkeit seines Hauses.

WELT ONLINE: Sie sind studierter Ingenieur. Wie sind Sie zum Atom gekommen?

Klaus Traube: Nach meiner Promotion erhielt ich Angebote aus Atomforschung und Atomindustrie. Atomforschung war ja zu jener Zeit, 1959, nicht umstritten. Ich war jung, begabt, wenn ich das mal so unbescheiden sagen darf. Das war das interessanteste Feld, auf dem man sich bewähren konnte.

WELT ONLINE: Sie fühlten sich als Pionier, hatten damals keine Zweifel?

Traube: Nein, überhaupt nicht. Diese Frage ergab sich nicht, weil das gesellschaftliche Umfeld keine Zweifel hatte.

WELT ONLINE: Aber es hatte doch die Atombombe gegeben mit all ihren Verwüstungen.

Traube: Friedliche Nutzung der Atomenergie war das große Versprechen, was man auch im Godesberger Programm der SPD nachlesen kann: die Entfesselung der Produktivkräfte. Nein, die gesellschaftliche Debatte um Atomstrom begann erst Mitte der siebziger Jahre. Mich prägte damals sehr stark der Bericht des Club of Rome von 1972 - Grenzen des Wachstums. Er säte Zweifel zunächst nicht an der Kernenergie, sondern am Fortschrittsoptimismus.

WELT ONLINE: Haben Sie den Bericht erneut gelesen? Die Differenz zu heute erkannt?

Traube: Ja, ich kenne Ihre Reaktion. Heute sagt man, was damals prognostiziert wurde, ist ja gar nicht eingetreten. So etwa beim Sterben des Deutschen Waldes. Ich sage, es ist nicht im seinerzeit prognostizierten Maß eingetreten, weil die alarmierenden Prognosen eine politische Reaktion bewirkten: Kraftwerke wurden entschwefelt und Autos erhielten Katalysatoren.

WELT ONLINE: Dann ist Alarmismus gut, weil er pragmatische und reformerische Kräfte weckt

Traube: Genau. Aber ich will aus meiner Geschichte weitererzählen. Als die Siedewasserreaktoren, für deren Entwicklung und Bau ich in den 60er Jahren verantwortlich war, scheinbar ein normales Industriegeschäft wurden, verlor das für mich den Reiz. Man bot mir dann die Leitung der Entwicklung des Schnellen Brüters an, das war 70/71. Der Bau des Brüters in Kalkar reizte mich, obwohl ich inzwischen skeptischer geworden war. Weniger aus einer wachstums- oder umweltkritischen Attitüde, sondern weil ich nicht mehr vom technisch-wirtschaftlichen Erfolg überzeugt war.

WELT ONLINE: Sie sind in die Archive als "Atommanager" eingegangen, offenbar hat Freimut Duve den Begriff erfunden. Aber Sie scheinen mir in Ihrem Rückblick wie ein Spieler, ein Entdecker, der nicht gleichzeitig seine Aufgabe erfüllen und an ihr zweifeln kann.

Traube: Das ist richtig. Gehen Sie zu einem Daimler-Ingenieur. Er mag sich als Umweltschützer engagieren, aber wenn man mit ihm über das Auto spricht, dann kann man nicht mit Umweltfragen kommen.

WELT ONLINE: Was ist bei Ihnen geschehen, dass die Atomenergie für Sie etwas wurde, von dem Sie sich separierten, ja, man kann sagen, "ausstiegen"?

Traube: Der Umschwung kam allmählich durch zwei parallele Erfahrungen: Der Brüter war das Versprechen, sich vom Ressourcenproblem in der Energiefrage abkoppeln zu können für die nächsten 1000 Jahre. Insofern war der Brüter eine Säule des Wachstumsversprechens, an dem ich seit der Botschaft des Club of Rome zweifelte. Beim Bau des Brüters musste ich erfahren, welch komplexes, betriebs- und sicherheitstechnisch anfälliges System dies war. Wenn überhaupt, dann wäre es nur durch aufwändige, also teure Technologie zu bändigen. Zudem bedrückte mich die Unternehmenskultur. Ich war, auch durch meine halbjüdische Herkunft und die Schikanen in der Nazizeit, links sozialisiert. Nun musste ich als Chef einer Siemens-Tochter zusehen, wie paternalistisch der Aufsichtsrat mit den Arbeitnehmervertretern umging. Das gefiel mir nicht.

WELT ONLINE: Sie sind kein Radikaler, kein Grüner geworden?

Traube: Ich bin immer in der SPD geblieben, um die SPD grün zu unterwandern (lacht).

WELT ONLINE: Sie sind kein Eiferer. Ein deutscher Ingenieur eben, geprägt vom Zeitgeist, aber auch vom Sachverstand geplagt.

Traube: Das, was ich tue, mache ich schon mit einer gewissen Leidenschaft! Ich argumentiere rational, nicht emotional gegen die Atomenergie. ich würde mich selber verraten, würde ich nach Predigerart agieren Foto: dpa

"Ich wollte raus": Traube 1977

WELT ONLINE: Aber ihr eigener Atomausstieg war doch die Spiegel-Affäre. Oder?

Traube: Ich war, wie ich schon sagte, innerlich längst bereit, ich wollte raus, schaffte das aber nicht, weil mich doch meine Aufgabe faszinierte. Und dann enthüllte der Spiegel, dass mich der Verfassungsschutz jahrelang als Sicherheitsrisiko observiert hatte. Man unterstellte mir Kontakte zu Terroristen und fürchtete sich vor Anschlägen auf Atomkraftwerke.

WELT ONLINE: Sie seien, haben Sie einmal gesagt, dem Verfassungsschutz regelrecht dankbar. Das ist schon verrückt!

Traube: Mein Gott, es war nicht ganz so einfach, die Situation war bedrohlich. Aber es ging doch letztlich gut aus. Der Verfassungsschutz hat mir den Ausstieg geschenkt.

WELT ONLINE: Wie haben Sie die Zeit in Erinnerung? Teilen Sie Rudolf Augsteins Verdikt, die Bundesrepublik verlöre ihr Gesicht als Rechtsstaat?

Traube: Nein, so dramatisch habe ich das nicht gesehen. Der Rechtsstaat zwang immerhin den Innenminister, sich öffentlich bei mir zu entschuldigen. Ein Verfassungsschutz, das habe ich damals geschrieben, muss wohl sein, doch er muss gezähmt, er muss kontrolliert werden. Mich interessierte objektiv, wie der Verfassungsschutz mich jahrelang beschatten konnte, ohne herauszufinden, was für ein harmloser Bursche ich doch war.

WELT ONLINE: Aber tatsächlich ist doch die terroristische Gefahr, was Anschläge auf Atomkraftwerke angeht, eine reale. Heute mehr denn je.

Traube: Ja. Ich hatte in der Anti-Atom-Gemeinde kaum Resonanz auf meine Warnung, dass ein katastrophaler Atomunfall nicht nur, wie in Tschernobyl, unbeabsichtigt ausgelöst werden kann, sondern eher noch durch terroristische oder kriegerische Angriffe auf ein Atomkraftwerk. Vor allem aber schafft die Nutzung von Atomkraftwerken eine Infrastruktur, die als Grundlage für die Atombombe dienen kann. Heute führen das Iran und Nordkorea vor Augen, damals war das kein Thema.

WELT ONLINE: Die Anti-Atombewegung war und ist zutiefst emotional, Sie argumentieren ökonomisch-sicherheitspolitisch. Wo steht die deutsche Gesellschaft heute? Ist man pragmatischer oder immer noch erhitzt im Angesicht dieser Energiequelle?

Traube: Die Bevölkerung als solche empfindet Atomenergie mehrheitlich als unangenehm bis unakzeptabel, aber der Widerstand hat abgenommen. Die Jugend hat Tschernobyl und die Auseinandersetzungen um Ökologie nicht erlebt wie die heute 50- bis 60-Jährigen. Die Jugend ist indifferenter. Es gibt auch noch die klassischen beiden Lager, die engagierten Kritiker und Verteidiger. Letztere agieren mindestens so emotional wie erstere, beschwören aber, wie heißt es so schön, immer die "Versachlichung der Debatte", wenn sie eine Verlängerung der Laufzeiten bestehender Atomkraftwerke fordern.

WELT ONLINE: Sie wollen nicht mehr debattieren, sondern Sie sind der Meinung, man solle mit der Atomenergie aufhören. Ist das denkbar? Kann man etwas, was in der Welt ist, in die Flasche zurückholen? Wir hören doch auch nicht mit der Weltraumfahrt auf.

Traube: Das ist nicht meine Frage Ich halte es mit Luther "Und wenn die Welt morgen untergeht, pflanze ich heute noch ein Apfelbäumchen." Ich gehe umgekehrt heran. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass, wenn es mit der Atomenergie weitergeht, irgendwann eine Atombombenkatastrophe kommen wird mit ungeahnten Folgen. Ich bin außerdem der Überzeugung, dass Atomkraft ökonomisch ein sinnloses Spiel ist. Sie hat kein Potenzial, denn man müsste Tausende Kraftwerke bauen, um den sehr geringen Anteil von etwa drei Prozent an der Deckung des weltweiten Energiebedarfs merklich zu erhöhen.

WELT ONLINE: Nochmals, was also ist der tiefere Kern, warum Ihrer Meinung nach an der Atomenergie so festgehalten wird?

Traube: Da geht es natürlich auch um die Interessen der Betreiber, also großer Stromversorger und der Hersteller von Atomkraftwerken. Zwischen Mitte der 60er und der 70er Jahre wurden im großen Stil Kernkraftwerke gebaut. So entstand in den führenden Industrieländern eine bedeutende Industrie. Nach Mitte der 70er Jahre brach diese Konjunktur weitgehend zusammen, weil sich herausstellte, dass Atomkraftwerke zu teuer waren. Ich erfuhr als Leiter des Geschäftszweiges Kernreaktoren der AEG am eigenen Leibe, dass der Bau von Kernkraftwerken viel teurer wurde als ursprünglich angenommen und anfangs hohe Verluste einbrachte. Diese Entwicklung führte zu einer Konzentration der Atomindustrie auf nunmehr weltweit nur noch fünf bedeutende Hersteller, darunter die französisch-deutsche AREVA. Sie gehören zu führenden Technologiekonzernen, z.B. Siemens und General Electric, die in der Lage sind, öffentliche Meinung und staatliches Handeln zu beeinflussen.

WELT ONLINE: Und warum reden dann viele Europäer, sogar Brüssel, wieder verstärkt pro Atomenergie? Die Finnen bauen, die Briten denken um, in Frankreich ist die Atomenergie kulturell unumstritten.

Traube: Da geht es auch um einen Mechanismus. Man beschwört die "Renaissance der Atomenergie" so lange, bis sie zur selbsterfüllenden Prophezeiung zu werden scheint. Da tut sich doch eigentlich nichts wesentliches, außer im Fernen Osten. Seit Jahren versucht die amerikanische Regierung, die Atomenergie zu beleben. Dort werden wohl irgendwann wieder einige Atomkraftwerke gebaut werden, aber nur mit massiver staatlicher Unterstützung. Ohne die ist das ökonomische Risiko der Investition in Atomkraftwerke, die viel teurer als konventionelle Kraftwerke sind, für die Stromversorger sehr hoch in einem globalisierten Markt,

WELT ONLINE: Hat der Klimawandel die Atomfrage reaktiviert?

Traube: Die Atomfrage war längst in den Hintergrund gedrängt, weil ja in Deutschland, wie überhaupt in Europa und Amerika keine Atomanlagen mehr entstanden, die zur Auseinandersetzung herausfordern und die öffentliche Debatte beleben. Nur in Gorleben gibt es bei Brennelementtransporten noch Demonstrationen, die in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Es gibt kaum noch eine öffentliche Atom-Debatte mehr außer unter den alten Kämpfern, zu denen ich mich durchaus zähle, wenngleich mit anderem Gestus.

WELT ONLINE: Was spricht dagegen, das Atomkapitel nicht zu schließen und parallel weiter nach alternativen Ressourcen zu suchen? Ist es nicht unklug, die Atomindustrie zur totalen Kapitulation zu zwingen?

Traube: Angesichts der grassierenden Rede von der Atomrenaissance geht es mir darum, den geradezu mythisch überhöhten Erwartungen an die Atomenergie als Säule des Klimaschutzes durch Aufzeigen ihres geringen wirtschaftlichen Potenzials entgegenzutreten, Angesichts der geringen realen Bedeutung bei enormen Gefahren ist es rational, das Atomkapitel als Irrweg geordnet zu beenden. Die Mittel, die in die Entwicklung der Atomenergie gehen, fehlen für die Entwicklung der rationellen Energienutzung und der erneuerbaren Energien, Was die Gesellschaft über Steuerabgaben an Geldern zur Erforschung und Entwicklung der Atomenergie aufgebracht hat, ist ein vielfaches der für Erforschung und Entwicklung von alternativer Energien und effizienter Nutzung aufgebrachten. Doch selbst die Szenarien aus Brüssel oder von der IEA, die den Ausbau der Atomenergie empfehlen, belegen, dass der Anteil der Atomenergie an der Energieversorgung in Zukunft abnehmen wird.

WELT ONLINE: Was ist es dann, Selbstbetrug?

Traube: Ja, was Wunder! Mit der Wiederbelebung des Atom-Hypes verstellt man den Blick auf das, was wirklich zu tun wäre.

WELT ONLINE: Umgekehrt gefragt: Wird nicht hierzulande ein wahnsinniger Hype um die Windenergie betrieben?

Traube: Wieso? Windkraft ist keine Romantik, sondern eine handfeste Branche mit weltweit rasch wachsender Bedeutung. Die deutsche Wirtschaft profitiert davon auch durch weltweite Exporte.

WELT ONLINE: Was dachten Sie, als Sie die Nachricht hörten, die größte Atomfirma Frankreichs kauft das Windenergie-Unternehmen Repower?

Traube: Das ist eben jetzt so, dachte ich. Eine ganz normale Geschichte. Wer auf Dauer im Kraftwerksgeschäft bleiben will, muss sich da einkaufen. Genauso wie Siemens und General Electric sich Hersteller von Blockheizkraftwerke gekauft haben. Solchen Energietechnologien gehört die Zukunft.

WELT ONLINE: Hier spricht wieder der pragmatische deutsche Ingenieur. Wir leben in einer Übergangszeit, in der es ganz eigene Fusionen und Experimente gibt. Seien wir doch gnädig gegenüber der Atomkraft. Vielleicht wird ja doch noch was draus.

 

Traube: Sie mag in der Realität noch länger fortdauern. Aber selbst ihre Anhänger propagieren sie nur noch als Übergangslösung. Meine Haltung ist, mit dafür zu sorgen, dass die Kernenergie zu Ende geht. Das wird ein zäher Prozess. So war der Brüter lange mausetot und es hat doch ein Jahrzehnt gedauert, bis aus dieser Erkenntnis eine politische Handlung wurde.

 

WELT ONLINE: Ist es nicht immer so?

 

Traube: Es bedarf aber derer, die der Öffentlichkeit sagen, was Sache ist. Denn die Expertenkommissionen, die von der Politik häufig eingerichtet werden, sind selbst Gefangene ihres Denkens und des eigenen Interesses. Kein Atomphysiker aus Garching oder Jülich hätte je die Kernfusion öffentlich infrage gestellt!

 

WELT ONLINE: In welche Energieform setzen Sie dann die größte Hoffnung?

 

Traube: Nicht in eine Darbietung, sondern in effizientere Nutzung, in weniger Verbrauch. Plakativ und einfach gesagt, dort sind mittelfristig die größten Potenziale. Erneuerbare Energien genießen eine gewisse Popularität und erzeugen politischen Druck. Die effizientere Nutzung ist viel schwerer politisch umzusetzen.

 

WELT ONLINE: Weil es Verzicht und Askese bedeutet?

 

Traube: Überhaupt nicht. Denken Sie an die Automobile. Die immer schwereren Geländewagen benötigt der Mensch nicht, um von hier nach da zu kommen, sondern als Statussymbol. Das Problem der Energieeffizienz ist, dass sie abstrakt, unsichtbar ist. Wenn man ein Passivhaus baut, sieht man ihm das nicht an. Steckt man die dafür aufzubringenden Mehrkosten dagegen in die Bad- oder Kücheneinrichtung, so ist das Resultat vorzeigbar. Es geht nicht um Askese im Sinn von Komfortverzicht, sondern um Symbole. Wenn im Zuge der Klimadebatte die Energie fressenden Geländeautos in Verruf geraten, dann werden sie allmählich verschwinden. Solange viele Menschen sie schick finden, geht nichts.

 

WELT ONLINE: Die Niedrigenergie-Häuser müssen gefallen, die sparsamen Autos auch. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Traube: Mein Auto ist der Kleinwagen: Fiat Panda. Das Haus ist alt, ich heize mit Öl und habe Doppelfenster eingebaut. Und auch kein Solar auf dem Dach. Nein (lacht), das Haus hat die falsche Himmelsausrichtung. Aber es hat gottlob dicke Mauern.

Klaus Traube wurde 1928 in Hannover geboren und studierte nach dem Krieg Maschinenbau in Braunschweig und romanische Philologie in Madrid. Ab 1959 war er im Management der Atomindustrie tätig und entwickelte den Schnellen Brüter in Kalkar. 1977 enthüllte der "Spiegel", dass Traube jahrelang vom Verfassungsschutz wegen Kontakten zu Terroristen abgehört und observiert worden war. Die Vorwürfe erwiesen sich später als unhaltbar. Nach der Affäre wandelte sich Traube zum Umweltforscher und macht sich seither für erneuerbare Energien stark. Traube ist seit fast 30 Jahren SPD-Mitglied.

Das Gespräch führte Andrea Seibel.

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Kurier, 24.2.07

Neue Atomkraftwerke kommen zu spät

Deutsche Umweltschützer: "Wenn in 15 Jahren die Frist zur Klimarettung abläuft, würden neue AKWs erst kurz vorher in Betrieb gehen".

Ein Ausbau der Kernenergie kann nach Auffassung von deutschen Umweltschützern die drohende weltweite Klimakatastrophe nicht verhindern. "Mit der unsinnigen Debatte über den Bau und den Betrieb von Atomkraftwerken wurde jahrzehntelang von dringend notwendigen Klimaschutzmaßnahmen abgelenkt", sagte der Landesvorsitzende des Bundes Naturschutz (BN) in Bayern, Hubert Weiger, in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Schneller und kostengünstiger

Klimaschutz lasse sich weitaus schneller und kostengünstiger durch mehr Energieeffizienz und eine Forcierung erneuerbarer Energien verwirklichen. "Energie aus Sonne, Wind oder Biomasse wächst weltweit um ein vielfaches stärker als die Atomkraft"", betonte Weiger. Kernkraftwerke seien dagegen kostspielig und langwierig ausgebaut worden. "Wenn in 15 Jahren die Frist zur Klimarettung abläuft, würden neue Atomkraftwerke erst kurz vorher in Betrieb gehen und schon wenig später bald ohne Brennstoff dastehen", warnte der Vorsitzende der Umweltorganisation vor einem erneuten Irrweg in der Energiepolitik.

Ein riesiges Einsparpotenzial an Schadstoffen, vor allem an Kohlendioxid, sieht Weiger auch in einer verstärkten Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung. Damit könne mehr als die Hälfte des deutschen Strombedarfs wirtschaftlich erzeugt werden. Neue fossile Kraftwerke seien dagegen der falsche Weg. "Aus deutschen Kraftwerken ging 2006 mehr Abwärme ungenutzt in die Atmosphäre verloren, als in allen Wohnhäusern, Betrieben und Fabriken benötigt wurde".

Tempolimit auf Autobahnen

Weiger sprach sich auch für ein Tempolimit auf Autobahnen aus. "Damit könne sofort und ohne große Kosten ein Zeichen gesetzt werden", sagte der BN-Landeschef. Zudem müsse der Kraftstoffverbrauch von Personen- und Lastwagen drastisch reduziert und mehr für die Verlagerung des Verkehrs auf öffentliche Verkehrsmittel getan werden. Auch die Agrarstrukturen tragen laut Weiger zur Erderwärmung bei. "Statt Futtermittel und Obst um die halbe Welt zu transportieren, müssen Politik und Verbraucher ökologische regionale Strukturen stärken und im Winter auf heimisches Obst und Gemüse zurückgreifen", sagte Weiger.

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MDR, 24.2.07

AKW Biblis bis zum Sommer vom Netz

Das seit Oktober abgeschaltete Atomkraftwerk Biblis in Südhessen wird noch Monate keinen Strom liefern. Im Geschäftsbericht des Betreibers RWE heißt es, der Meiler werde voraussichtlich erst im Sommer wieder ans Netz gehen. Der außerplanmäßige Stillstand kostete den Konzern nach eigenen Angaben allein im vierten Quartal des vergangenen Jahres rund 280 Millionen Euro. Biblis war abgeschaltet worden, nachdem sich bei einer Routinekontrolle zeigte, dass tausende Dübel falsch angebracht sind. Die Metalldübel sollen beispielsweise Rohrleitungen gegen Erdbebenstöße sichern. Derzeit werden die Montagemängel beseitigt.

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Hamburger Abendblatt, 23.2.07

Atomendlager - Ein Teil der Identität im Wendland

30 Jahre Widerstand und kein Ende

Im Februar 1977 legte sich Niedersachsen auf den Salzstock in Gorleben für den Bau eines Erkundungsbergwerkes fest.

Von Ludger Fertmann

Gorleben -

Dieser Verein ist aus dem Leben unzähliger Menschen nicht wegzudenken. Er organisiert gemeinsames Kaffeetrinken, Lesungen, Disco-Abende und sogar Reisen. Allerdings geht es in seinen Vortragsveranstaltungen vorzugsweise um so sperrige Themen wie die Dichtigkeit von Deckgebirgen über Salzstöcken, und gereist wird nicht nach Venedig oder Mallorca, sondern zu Demonstrationen gegen den neuen französischen Druckwasserreaktor in Straßburg, zur Blockade des Atommeilers Brunsbüttel oder demnächst zum G-8-Gipfel nach Heiligendamm.

Am 18. März ist Jahreshauptversammlung des Vereins, gesucht werden mal wieder zwei neue Vorsitzende. Der Job ist ungemein anstrengend, denn die "Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg" ist Keimzelle und Treibriemen schlechthin für den friedlichen und auch nach 30 Jahren nicht abgeschliffenen Protest gegen den Bau eines Atomendlagers für hoch radioaktiven Müll im Salzstock Gorleben. Weswegen sich am Ende neue Vorsitzende unter den alten und jungen Aktivisten im Kreis Lüchow-Dannenberg finden werden: Der Widerstand gegen die alljährlichen Castortransporte ins Zwischenlager, gegen die Erkundung des Salzstocks ist längst ein Teil der Identität unzähliger Menschen im Wendland. Eigentlich strukturkonservative Bauern, die sich mit ihren Treckern querstellen zur Staatsgewalt, Großeltern, die ihre Enkel in der Kunst gewaltfreier Sitzblockaden unterrichten. Der Widerstand hat die Wendländer verändert - weit hinaus über die allgegenwärtigen großen Symbole der Anti-Atombewegung an den Straßenrändern.

An diesem Wochenende ist es genau 30 Jahre her, dass der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) sich per Kabinettsentscheidung auf den Gorlebener Salzstock zum Bau eines Erkundungsbergwerks festlegte. 30 Jahre Kampf will die Bürgerinitiative natürlich feiern und tut dies mit einer Mischung aus Kundgebungen, Protesten und "Sketchen, Clowns und Kinderprogramm".

Der Widerstand ist allerdings keine Klammer für alle Wendländer, zuweilen polarisiert er auch. Ausgerechnet Gorleben beispielsweise, eine Gemeinde mit weniger als 1000 Einwohnern, hat sich arrangiert. Hier stehen Zwischenlager und Pilotkonditionierungsanlage, hier liegt das Erkundungsbergwerk für den Atommüll und hier fließen eben auch Steuereinnahmen reichlich, die Gemeinde ist regelrecht herausgeputzt.

Ernst Albrecht, der damals auf Drängen des Bundeskanzlers Helmut Schmidt (SPD) die Vorentscheidung für Gorleben traf, ist für die Wendländer ein rotes Tuch - auch heute noch. Ernst Albrecht aber verdanken die Wendländer auch ihren bislang einzigen Teilsieg, der den Widerstand bis heute beflügelt. Unter dem Eindruck massenhafter Proteste - der Treckertreck der Bauern aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg nach Hannover ist legendär - machte Albrecht 1979 einen Teilrückzieher. Das eigentlich geplante große nationale Entsorgungszentrum NEZ mit Wiederaufarbeitungsanlage (WAA), so Albrecht im Landtag, sei politisch nicht durchsetzbar.

Die Erkundung des Salzstocks als Endlager aber wurde nicht gestoppt, liegt auch derzeit nur auf Eis - das Moratorium gilt bis längstens 2010. Und so protestieren sie Jahr für Jahr im November gegen die immer neuen Castortransporte. Die Behälter landen im ebenerdigen Zwischenlager, von dem die Wendländer fürchten, dass es eben doch den Salzstock nur einige hundert Meter entfernt auch als Endlager zementiert.

Im Februar 1977 legte sich Niedersachsen auf den Salzstock in Gorleben für den Bau eines Erkundungsbergwerkes fest.

Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD auf Bundesebene steht, Deutschland solle "zügig" ein Endlager bauen. Während die CDU darunter versteht, Gorleben nun zügig weiter auf Eignung zu untersuchen, bremst Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Er will lediglich zügig eine neue vergleichende Standortsuche anschieben - also auch Alternativen prüfen. Problem des Ministers: In Gorleben sind bereits mehr als eine Million Euro für das Erkundungsbergwerk verbaut worden, und nicht nur die anderen Bundesländer finden Gorleben als Standort prima. Sogar die CDU-FDP-Landesregierung in Hannover plädiert dafür, das Moratorium für die Erkundung aufzuheben, um Klarheit zu schaffen, ob der Salzstock als Endlager geeignet ist.

Also werden sie an diesem Wochenende bei der Bürgerinitiative feste feiern und protestieren. Ein bisschen ist das im Wendland wie bei den Galliern mit Asterix und Obelix: Sie haben Geschmack gefunden an ihrer Rolle als sturköpfige Hinterwäldler, und eine Fortsetzung folgt bestimmt.

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Die Zeit / Tagesspiegel, 22.2.07

Klimawandel: Experte: Streit um Atomkraft ist "Geisterdebatte"

Einer der Autoren des Weltklimaberichts, der Potsdamer Klimaökonom Ottmar Edenhofer, hat die Diskussion über einen Ausstieg aus dem Atomausstieg kritisiert. Er empfiehlt drei Schritte, um gegen die drohende Klimakatastrophe anzugehen.

Berlin - Die Atomenergie "kann keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten", sagte er in den ARD-"Tagesthemen". Sie werde auch in Zukunft "nur ein Nischendasein führen". Derzeit habe sie am weltweiten Strombedarf einen Anteil von 17 Prozent. Allein um bei der erwarteten Verdoppelung des Bedarfs diesen Anteil zu halten, müsse man 400 neue Kernkraftwerke bauen. Das sei völlig unrealistisch.

Er empfahl drei unabdingbare Schritte, um eine Klimakatastrophe noch abzuwenden: die Nutzung erneuerbarer Energien, die Verbesserung der Energiebilanz von Gebäuden und die Abscheidung und unterirdische Lagerung des freigesetzten Kohlenstoffs von Kraftwerken.

Zugleich widersprach der Ökonom Befürchtungen der Wirtschaft, dass drastische Beschränkungen die Konjunktur gefährden könnten. Marktwirtschaften würden "ungeheuer flexibel reagieren können, wenn es neue Herausforderungen gibt". Er fügte hinzu: "Es ist nicht wahr, dass eine CO2-Reduzierung Einbußen am Wachstum bedeutet."

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taz, 22.2.07

Das Herz der Bewegung

AUS HANNOVER JÜRGEN VOGES

"Da war damals Wald", sagt Marianne Fritzen und zeigt auf die Atomanlagen von Gorleben. "Die Kreisstraße hier war damals nur ein schmaler Weg, bei Gegenverkehr musste man auf den Seitenstreifen ausweichen." Die heute 83-Jährige hat im März 1977 zusammen mit 15.000 anderen das erste Mal gegen eines der industriellen Prestigeobjekte der damaligen Zeit demonstriert: ein riesiges Entsorgungszentrum für Atommüll im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg. Aber angesichts massiver Proteste schrumpfte das Großprojekt. Die Anlage, auf die Marianne Fritzen zeigt, ist gerade einmal einen halben Quadratkilometer groß.

Heute vor genau 30 Jahren erkor der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) das Gelände um den Salzstock Gorleben zum Bauplatz für ein deutsches "Nationales Entsorgungszentrum" (NEZ) für Atommüll. Am nächsten Tag alarmierten rund 200 AKW-Gegner mit einem Autokorso den auch hannoversches Wendland genannten Landkreis. Noch einmal acht Tage später gründeten Atomkraftgegner, die vorher gegen ein Kraftwerk im wendländischen Langendorf an der Elbe aktiv waren, die "Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V." Marianne Fritzen wurde damals zur allerersten Vorsitzenden der Initiative gewählt.

In vielen deutschen Städten bildeten sich Gorleben-Freundeskreise, über hundert waren es bald. AKW-Gegner machten Aufforstungsaktionen. Sie pflanzten jungen Bäume auf dem Gelände, auf dem das Entsorgungszentrum gebaut werden sollte. Im Wendland wurden selbst CDU-treue Bauern zu Gegnern des atomaren Entsorgungsparks, als das ganze Ausmaß der geplanten Anlagen deutlich wurde. "Zwölf Quadratkilometer hatten die für das Entsorgungszentrum vorgesehen", sagt Marianne Fritzen. Neben der Endlager im Salzstock sollten Abklingbecken zur nassen Zwischenlagerung gebaut werden. Als Herzstück war eine Wiederaufarbeitungsanlage und zur Verarbeitung des aus alten Brennstäben extrahierten Plutoniums auch eine Fabrik für Brennelemente geplant.

Meist friedliche Proteste

Prägend für den Widerstand gegen die Gorlebener Atomanlagen wurden dann Zusammenspiel wie Rivalitäten zwischen der einheimischen Landbevölkerung und den Auswärtigen. Dies waren zumeist junge und radikale Nach-68er aus der großen Anti-AKW-Bewegung der 70er-Jahre. Im März 1979 zogen 3.000 Wendländer im "Gorlebener Treck" in die Landeshauptstadt Hannover. 300 von ihnen waren auf ihren Traktoren unterwegs. 100.000 Demonstranten empfingen die Wendländer. Angesichts des großes politischen Drucks und weil ein Störfall im US-Atomkraftwerk Harrisburg zeitgleich weltweit Aufsehen erregte, verzichtete Regierungschef Albrecht auf die geplante Wiederaufarbeitungsanlage. Sie galt als politisch nicht mehr durchsetzbar. Jahre später scheiterte Albrecht auch mit dem Plan, weiter westlich in Draghan bei Dannenberg eine Anlage zur Wiederaufbereitung von Atommüll zu errichten.

Die wendländischen AKW-GegnerInnen kämpften auch in den 80er-Jahren gegen End- und Zwischenlager - vor allem mit Mitteln des gewaltfreien Widerstands. Im Mai 1980 besetzten 5.000 Menschen die Bohrstelle 1004 für das Endlager. Sie errichteten aus Holz und Zelten ein kleines Dorf, welches einen Monat lang stehen blieb. In dieser Republik "Freies Wendland" lebten die Protestierenden einen Monat lang, bevor die Polizei räumte und die Häuser zerstörte.

Neben dieser wohl spektakulärsten Aktion gab es auch viele kleinere: Atomkraftgegner behinderten die Arbeiter mit Sitzblockaden, ketteten sich an Bäume, die gefällt werden sollten, oder versperrten mit Autos und Bäumen die Straßen. Sehr beliebt war es auch, das so genannte "Niemandsland" zu besetzen. Dies war ein nominell zur DDR gehörender Streifen Land, der jedoch noch vor dem Grenzzaun lag.

Hin und wieder allerdings lieferten sich die Demonstranten auch durchaus handfeste Auseinandersetzung mit der damals oft äußert brutal agierenden Polizei. So flogen Steine, nachdem die Ordnungsmacht Hochdruckwasserwerfer gegen friedliche Sitzblockierer eingesetzt hatte. Der Strahl dieser Fahrzeuge entfaltete eine derartige Wucht, dass Knochen brachen. Und Maschinen oder Fahrzeuge von beim Zwischenlagerbau tätigen Firmen gingen nächtens im Dutzend in Flammen auf.

Manche der Auswärtigen, die in den 80er-Jahren den wendländischen AKW-Gegnern ihre Sympathie bekundeten, rückten später mit der rot-grünen Bundesregierung in höchste Ämter auf. So der einstige Juso-Vorsitzende und spätere Bundeskanzler Gerhard Schröder. Die Hoffnung auf das Aus für die Gorlebener Atomanlagen, die manche Wendländer mit ihrem Aufstieg verbanden, erfüllte sich jedoch nicht.

Andere Auswärtige, die den Landkreis Lüchow-Dannenberg während des Protestes gegen ein Endlager kennengelernt hatten, ließen sich im Laufe der Jahre dort nieder. Aus Landkommunarden wurden auf diese Weise oftmals Biobauern. Aus dem Kreis der Zugewanderten speiste sich auch die Kunst- und Alternativszene des Wendlandes, die für ein derart abgelegenes Gebiet außergewöhnlich groß ist.

Und Gorleben war auch der Garant für das Überleben der Anti-Atom-Bewegung. Während diese in den 90er-Jahren bundesweit zunehmend an Bedeutung verlor, ist sie im Wendland stark geblieben. Nach dem Sieg über Albrecht wurden die Castor-Transporte zum neuen Brennpunkt des Widerstands. Noch heute sind die Initiativen aus der Region die treibenden Kräfte im Anti-Atom-Protest.

Im Laufe der Jahre stellte auch so mancher Aktivist der wendländischen Notgemeinschaft seinen Hof auf Biolandbau um. Nach Angaben von Landrat Jürgen Schulz (parteilos) wird mittlerweile 20 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche im Kreis Lüchow-Dannenberg biologisch bewirtschaftet. Der Landkreis sei zudem bei Biogasanlagen führend, auch nachwachsende Rohstoffe würden angebaut. Im vor 30 Jahren tiefschwarzen Wendland steht mit Schulz heute ein Politiker an der Spitze der Kommunalverwaltung, der "die friedliche Nutzung der Kernkraft grundsätzlich kritisiert".

Deutscher Müll kehrt zurück

Ein Dogmatiker ist Schulz jedoch nicht. Er sei bin prinzipiell bereit, konstruktive Lösungen dafür zu finden, was mit dem Atommüll geschehen soll, sagt er. Schließlich verschwinde der Atommüll auch nach einem Abschalten der AKWs nicht einfach und müsse irgendwo gelagert werden. Vor einer Entscheidung für den Salzstock Gorleben müsse man aber "mindestens Alternativen erkunden". Schließlich sei es bei jedem Verkehrsprojekt vor einer Entscheidung Gang und Gäbe, dass auch andere Optionen geprüft werden.

Das Bergwerk, welches ein Endlager werden sollte, liegt eineinhalb Kilometer südwestlich von Gorleben - links der Kreisstraße, die heute so gut ausgebaut ist. Auf dem rund einen halben Quadratkilometer großen Gelände führen zwei Schächte in den Salzstock hinab. Unten hatten die Bergleute bis zu dem Moratorium, mit dem Rot-Grün im Jahr 2000 die vorläufige Einstellung der Arbeiten verfügte, auch schon einen Teil der für die Endlagerung notwendigen Stollen in das Salz getrieben. Das etwas kleinere Zwischenlager liegt etwa 300 Meter entfernt rechts der Straße hinter einen begrünten Wall. Es beherbergt neben der 182 Meter langen, für die Wärmeabfuhr offenen Castor-Halle auch das so genannte Fasslager mit schwach und mittel radioaktiven Abfällen. Außerdem steht dort die sogenannte "Pilot-Konditionierungsanlage" (PKA). Diese Anlage besteht aus einer heißen Zelle, in der im Störfall defekte Castor-Behälter geöffnet werden könnten. Die Mehrzweckanlage wurde aber auch für das Umpacken hochradioaktiven Mülls aus Castoren in Endlagerbehälter konzipiert. Genutzt wurde sie noch nicht.

Dafür stehen in der Zwischenlagerhalle seit dem zehnten Castor-Transport im vergangenem November bereits 80 Behälter mit hochradioaktivem Müll. Platz wäre in der Halle für 420 Castoren, doch aufnehmen soll sie nur insgesamt knapp 140 Behälter. Das liegt am Atomkonsens, den die Bundesregierung im Jahr 2000 mit den AKW-Betreibern ausgehandelt hat. Seitdem müssen die Atomkraftwerke ihren radioaktiven Müll in ihrer Nähe zwischenlagern. In die Gorlebener Castor-Halle kommen seitdem nur noch die hochradioaktiven Überreste der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente im Ausland.

Aus Frankreich sollen in den Jahren 2008 bis 2010 noch drei Transporte mit je zwölf Behältern voller Abfälle aus Wiederaufbereitungsanlagen eintreffen. Später kommen noch 24 Behälter aus England hinzu. Danach soll nach derzeitigem Planungsstand mit den Castor-Transporten nach Gorleben erst mal Schluss sein.

Schnell ändern könnte sich das allerdings, wenn der Salzstock Gorleben doch weiter zum Endlager ausgebaut würde. Die sogenannte Erkundung des Salzstocks, die jetzt vor allem die Atompolitiker der CDU/CSU-Fraktion und der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff schnell zu Ende bringen wollen, ist nämlich mit dem Bau eines Endlagers Gorleben weitgehend identisch. Denn um zu prüfen, ob sich Gorleben für ein Endlager eignet, treibt man genau die Stollen ins Erdreich, die später für eine Lagerung des Atommülls gebraucht werden

Das entspricht faktisch dem Bau eines Endlagers, findet die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Deshalb fordert sie auch seit Jahren ein atomrechtliches Genehmigungsverfahren. Damit haben sich die Anti-AKW-Aktivisten in mehreren Gerichtsverfahren aber bisher nicht durchsetzen können.

"Das riesige Nukleare Entsorgungszentrum haben wir verhindert", sagt Marianne Fritzen. Ob Gorleben mit End- und Zwischenlager doch noch zu einem wenn auch viel kleineren deutschen Entsorgungszentrum wird, ist nach ihrer Ansicht offen. Die 83-Jährige wird einfach weiter dagegen kämpfen, dass der Atommüll endgültig nach Gorleben kommt.

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taz, 17.2.07

die mythologie der atomkraft: märchen und sagen

Kürzlich lasen wir in der Rhein-Neckar-Zeitung, dass zwei Männer aus Ludwigsburg in der Nähe des baden-württembergischen Ortes Mönchzell mit ihrem Flugzeug notlanden mussten. Die Maschine überschlug sich, die beiden blieben glücklicherweise unverletzt. Was allerdings sehr verwunderlich ist, heißt doch ihr Flugverein "Fliegergruppe Ikarus e. V.". Mit dem Namen aus der griechischen Mythologie ist der Absturz eigentlich vorprogrammiert. Wahrscheinlich sind die beiden Bruchpiloten zu nahe an die Sonne herangeflogen. Kommen sie doch offenbar sonst auch extremer Energie sehr nahe. Denn bei der "Fliegergruppe Ikarus e. V." handelt es sich um die ehemalige Betriebssportgruppe des Kernkraftwerks Obrigheim. Was einen schwer ins Grübeln kommen lässt, warum Mitarbeiter der Atomindustrie ihren Verein ausgerechnet "Ikarus" nennen. Dass aber der Energiekonzern Vattenfall, der gerade einige Beinahekatastrophen in seinen schwedischen Kernkraftwerken herunterspielt, als offizieller Sponsor der "18. Berliner Märchentage" auftritt, das wundert uns dann gar nicht mehr.

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N24, 16.2.07

"Kleines Leck" in schwedischem AKW

Beim schwedischen Energiekonzern Vattenfall häufen sich die Störfälle in Atomkraftwerken: Am Freitag teilte das Unternehmen mit, dass der Reaktor 2 der Anlage im südwestschwedischen Ringhals vom Netz genommen wurde. Die Ursachen für ein "kleines Leck" mit radioaktiven Emissionen müsse untersucht werden, hieß es.

Da Vattenfall aus Sicherheitsgründen auch im Atomkraftwerk Forsmark derzeit zwei der dortigen drei Meiler abgeschaltet hat, laufen derzeit nur sieben der zehn schwedischen Reaktoren. In Forsmark hatten sich Mitarbeiter in einer internen Untersuchung über die laxe Einhaltung der Sicherheitsvorschriften beklagt. Die Anlage macht seit dem Sommer Probleme, als die Notstromversorgung nach einem Kurzschluss nicht automatisch ansprang. Zuletzt machte der AKW-Standort durch lecke Dichtungen und defekte Kontrollinstrumente von sich reden.

Am Freitagnachmittag meldete auch das dritte schwedische Atomkraftwerk Oskarshamn Probleme: Im Kühlwassersystem seien Lecks entdeckt worden, teilte der zum deutschen Eon-Konzern gehörende Betreiber OKG mit: Es seien geringe Mengen Radioaktivität in einer Salzwasserleitung gefunden worden, die strahlenfrei sein sollte.

Störfälle beleben Debatte neu

Angesichts dessen fährt die staatliche Atomaufsicht SKI nunmehr offenbar einen schärferen Kurs gegen den Konzern, der auch in Deutschland mehrere AKWs betreibt: Wie die Zeitung "Göteborg-Posten" berichtete, wurde Vattenfall offiziell für die Vernachlässigung der Sicherheit in Ringhals kritisiert. Die Anlage liegt etwa 60 Kilometer südlich der Stadt am Kattegat. Gerügt wurde demnach vor allem, dass der 1975 in Betrieb genommene älteste Reaktor dort im Januar 14 Tage am Netz gehalten wurde, obwohl Problem am Kühlsystem des Blocks 1 bekannt gewesen seien.

Die vielen Störfälle, die nach dem Kurzschluss in Forsmark bekannt wurden, haben die Debatte um einen Atomausstieg in Schweden wieder belebt. Zwar hatten sich die Schweden 1980 in einer Volksabstimmung für die Abschaltung aller AKW ausgesprochen. Seitdem hat sich aber keine Regierung - weder eine bürgerliche noch eine sozialdemokratische - an die Umsetzung dieses Beschlusses gemacht. Allerdings wurden seit dem keine neuen Meiler gebaut und ein Reaktor am südschwedischen Standort Barsebäck abgeschaltet. (N24.de, nz)

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MDR.DE | Nachrichten | 16.02.2007

Neuer Störfall in schwedischem Atom-Kraftwerk

In Schweden hat das dritte Atomkraftwerk binnen weniger Tage Probleme gemeldet. An dem Reaktor Oskarshamn wurden Lecks im Kühlwassersystem festgestellt. Nach Angaben des Beitreibers - einer E.ON-Tochterfirma - gelangte eine geringe Dosis Radioaktivität in den Wasserkreislauf. Wenige Stunden vor dieser Mitteilung hatte der Vattenfall-Konzern auch einen Reaktor in seinem Atomkraftwerk Runghals sicherheitshalber abgeschaltet. Auch dort war ein kleines Leck im Kühlkreislauf entdeckt worden. Schon seit längerem gibt es auch im Kernkraftwerk Forsmark Probleme. Die Leitung bat inzwischen die schwedische Regierung, Inspektoren der Internationalen Atomenergie-Behörde anzufordern.

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Junge Welt, 16.2.07

»Je schneller der Ausstieg, desto besser«

Unionspolitiker spricht sich gegen Neubau von AKWs aus. Und er glaubt, daß die Mehrheit seiner Partei hinter ihm steht. Ein Gespräch mit Josef Zolk

Interview: Ralf Wurzbacher

Josef Zolk ist rheinland-pfälzischer Landesvorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) und Bürgermeister der Verbandsgemeinde Flammersfeld im Westerwald

Sie haben sich als Landes=chef der CDU-Sozialausschüsse von Rheinland-Pfalz in aller Deutlichkeit gegen den Neubau von Atomkraftwerken ausgesprochen. Aus welchen Gründen?

Ich bin der festen Überzeugung, daß die Kernkraft - wie jede andere vom Menschen erschaffene Technologie - nicht zu hundert Prozent beherrschbar ist. Der langfristige, über die bestehenden Beschlüsse hinausgehende Betrieb der deutschen Atomkraftwerke birgt ein Gefahrenpotential für Mensch und Natur, das auch angesichts der vorhanden Alternativen nicht zu verantworten ist. Die CDA Rheinland-Pfalz macht sich deshalb mit Nachdruck für den Ausbau regenerativer Energien stark und sieht darin zudem erhebliche wirtschaftliche Chancen für die deutsche Industrie, die es zu nutzen gilt.

Heißt das für Sie, am bestehenden »Atomkompromiß« festzuhalten, oder wünschen Sie sich einen früheren Ausstieg aus der Kernkraft?

Die Frage der Laufzeiten sollte nicht ideologisch diskutiert werden. Ich bin durchaus bereit, in Einzelfällen auch über verlängerte Laufzeiten zu reden, solange am Grundsatz des Ausstieges nicht gerüttelt wird.

Anfang Februar wurden erneut beide Reaktoren des Atomkraftwerks (AKW) im schwedischen Forsmark wegen Sicherheitsmängeln vom Netz genommen, nachdem es bereits im August zu einem massiven Störfall gekommen war. Und auch das AKW Brunsbüttel gilt als störanfällig.

Ist vor diesem Hintergrund nicht der Sofortausstieg das Gebot der Stunde?

Je schneller der Ausstieg, desto besser. Voraussetzung ist jedoch, daß ein vernünftiger Mix gefunden wird, der unseren Energiebedarf deckt. Das macht aber zunächst den Ausbau alternativer Energien erforderlich. Denn unter dem Gesichtspunkt Umwelt- und Klimaschutz ist natürlich auch der Betrieb von Braunkohlekraftwerken alles andere als ein Königsweg. Es gibt aber noch ein anderes Problem: Werden europa- und weltweit immer neue AKWs gebaut, dann macht das den Ausstieg in Deutschland schwer vermittelbar - zumal dann, wenn die BRD zum Beispiel weiterhin Strom aus dem französischen Cattenom bezieht.

Spielt man mit diesem Argument nicht in die Hände der Atomkraftbefürworter?

Der Verweis auf die Atomprogramme anderer Länder darf kein Vorwand zum Ausbau der Atomkraft hierzulande sein, sondern muß Ausgangspunkt für die Suche nach grenzüberschreitenden, internationalen Lösungen sein. Hier steht die deutsche Politik in der Pflicht, sowohl auf diplomatischem Parkett als auch durch Schaffung von Investitionsanreizen zur Förderung regenerativer Energien.

Warum sind Sie gerade jetzt mit Ihrer Position an die Öffentlichkeit gegangen?

Weil momentan auch innerhalb der Union die Diskussion geführt wird, man könnte vom Atomkompromiß abrücken und wieder auf den Neubau von Meilern setzen. Dem wollte ich etwas entgegensetzen.

Ist Ihre Meinung auch die des CDA-Bundesvorstands?

Das weiß ich nicht. Darüber wird aber gewiß bei der nächsten Bundesvorstandssitzung diskutiert werden.

Innerhalb der Union ist Ihre Sichtweise ziemlich exklusiv. Auch CDU-Spitzenpolitiker wollen den Atomkompromiß aufweichen, wenn nicht sogar rückgängig machen.

Die Diskussion muß jetzt geführt werden, und ich bin überzeugt, daß die Union in ihrer Mehrheit dort steht, wo ich stehe. Ich sage es ganz deutlich: Atomkraft - weil nicht durchgängig beherrschbar und die Entsorgungen viele zukünftige Generationen belasten - paßt nicht zum christlichen Menschenbild der CDU.

Bemerkenswert ist, daß sich die Atomkraftbefürworter gerade durch die Debatte um den Klimawandel gestärkt sehen, weil AKW-Strom »emissionsfrei« erzeugt wird. Wie stehen Sie dazu?

Der Hinweis auf den Klimawandel macht es den Kritikern der Atomkraft fraglos nicht leichter. Gleichwohl darf dieses Argument nicht als Rechtfertigung für eine in anderer Hinsicht lebensbedrohliche Technologie herhalten.

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taz 15.2.2007

Mehr Radioaktivität

AKW Forsmark strahlte viermal so stark wie offiziell gemeldet. Betreiber Vattenfall bemerkte Fehler nicht

STOCKHOLM taz Die Messung, wie viel radioaktive Substanzen aus den Schornsteinen des schwedischen AKW Forsmark austreten, funktioniert schon seit Jahren nicht mehr richtig. Deshalb ist in den letzten drei Jahren vermutlich viermal so viel Strontium, Cäsium und Plutonium freigesetzt worden, wie Betreiber Vattenfall der Strahlenschutzbehörde meldete.

Der Grund dafür war eine "nicht passgenaue" Dichtung. Diese saß ausgerechnet an einem Filter, der mit den Messgeräten gekoppelt ist und den die gesamte aus dem Schornstein nach draußen entweichende Luft passieren muss. Die zuständige Strahlenschutzbehörde SSI hält das für "nicht akzeptabel". SSI-Forschungsleiter Leif Moberg: "Korrekte Messungen sind grundlegend für die Berechnung, was an radioaktiven Substanzen wie Cäsium-137 und Strontium-90 nach draußen und damit über Feldfrüchte und Tiere in die Nahrungskette gelangt."

Bei Vattenfall selbst schätzt man inzwischen ein, dass in den vergangenen drei Jahren tatsächlich nur 23 Prozent der freigesetzten Radioaktivität gemessen wurden. Anki Hägg, SSI-Strahlenschutzinspektorin, hofft allerdings, dass das nicht bedeutet, dass die Grenzwerte der für Menschen gefährlichen Strahlenbelastung überschritten wurden. Auch die Behörde habe aber von Forsmark noch keine nachvollziehbare Erklärung dafür erhalten, warum der Fehler seit mindestens 2004 unbemerkt geblieben sei.

Gleichzeitig wies SSI auf grundlegende Mängel bei der Messung radioaktiver Substanzen hin, die von schwedischen AKWs freigesetzt werden. Allein bei den drei Forsmark-Reaktoren sei die Technik zur automatischen Messung radioaktiver Gase wie Argon und Krypton in den letzten vier Jahren 26-mal komplett ausgefallen. Laut Moberg will die Behörde ihre Kontrollen daher verschärfen.

Wie viele der in Forsmark in den letzten Monaten entdeckten Fehler war auch das Problem der fehlerhaften Messungen bereits seit einiger Zeit intern bekannt - es war schon vor Weihnachten entdeckt worden. Konsequenzen für den laufenden Betrieb hatten aber weder der Betreiber noch die Behörde daraus gezogen. Aktiv wurden beide erst, als Medien den Fehlern auf die Spur gekommen waren. Angesichts der nicht endenden Pannen- und Fehlerserie kündigte Umweltminister Andreas Carlgren an, die Sicherheit der gesamten atomstromproduzierenden Industrie in Schweden zu überprüfen.

Die Strahlenschutzbehörde hat gestern erste Konsequenzen gezogen: Sie verbot den geplanten Neustart eines Reaktors in Forsmark. REINHARD WOLFF

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SPIEGEL ONLINE - 12. 02 2007

KLIMASCHUTZ

Atom-Manager rechnen falsch

Klimaschutz durch Kernkraftwerke? Weltweit ist die Atomlobby im Aufwind, Gegner wie die deutsche SPD scheinen in der Defensive. In einem Gastbeitrag auf SPIEGEL ONLINE erklärt Michael Müller, Staatssekretär im Umweltministerium, warum Atomstrom nicht die Antwort auf den Klimawandel ist.

Berlin - Die Atomdebatte, die in den achtziger Jahren unser Land in Bewegung brachte, hat wieder Konjunktur. Sie droht zum großen Streitpunkt der schwarz-roten Koalition zu werden. Um eine Klimakatastrophe abzuwenden und die hohe Energieabhängigkeit zu verringern, müsste das kleinere Übel "Atomkraft" in Kauf genommen werden, so das Credo von Wirtschaft, Union und FDP. Deshalb brauche unser Land den Ausstieg aus dem Atomausstieg.

Michael Müller ist parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Von 1987 bis 1992 war er Sprecher der SPD in der Enquete-Kommission "Schutz der Erdatmosphäre"Ausgerechnet die Ökologie soll der Rettungsanker für die angeschlagene Branche sein. Die Atomindustrie, die in den vergangenen Jahrzehnten die Umweltschützer stets als Hauptgegner ausgemacht hat, will die nicht mehr zu leugnenden Klimagefahren für einen Neuanfang nutzen. Sie verheißen Milliardengeschäfte, erst durch längere Laufzeiten abgeschriebener Atomkraftwerke und dann - so die Hoffnung - durch einen neuen Atomfrühling.

Die Argumentation erscheint auf den ersten Blick einleuchtend: Das Verbrennen von Gas, Kohle und Öl produziert massenhaft CO2. Das schließt die "Atmosphärenfenster" und heizt die Erde auf. Dagegen schütze Strom aus Uran das Klima, denn ein Atomkraftwerk emittiere kein Kohlendioxid. Zudem reduziere er die hohe Abhängigkeit von Energieimporten. Deshalb sei ein breiter Energiemix ein Gebot der Vernunft.

Doch so einfach ist es keineswegs. Tatsächlich geht es beim Klimaschutz nicht um den bloßen Austausch von Kohle durch Atom, sondern vielmehr um die Frage, ob das bisherige Energiesystem überhaupt in der Lage ist, die großen Herausforderungen wie Klimawandel und Ressourcenknappheit zu bewältigen? Oder ist dafür ein neues Denken notwendig, das nicht mehr den Energieeinsatz, sondern seine Vermeidung ins Zentrum stellt?

Die Atomindustrie nimmt die Schreckensszenarien über den drohenden Klimakollaps dankend auf und bietet sich in ganzseitigen Anzeigen ungeniert als Retter an: "Die Wahl ist also die Wahl zwischen dem Restrisiko einer nach menschlichem Ermessen beherrschbaren Kernenergie und dem Hundert-Prozent-Risiko einer nicht mehr beherrschbaren, da das globale Klima gefährdenden Energieversorgung durch fossile Brennstoffe", so der frühere Siemens-Chef Heinrich von Pierer. Den Spieß einfach umdrehen, das ist der durchsichtige Versuch, wieder in die Offensive zu kommen. Brillant scheint die Strategie zu sein, mit der Angst vor der Klimakatastrophe die Angst vor dem GAU beiseite zu drängen.

Dieser "Schwitzkasten" hat jedoch zwei gravierende Fehler: Erstens wurde der Wahrheitsgehalt der Behauptung mehrfach widerlegt. Und zweitens hat die Atomwirtschaft gar nicht die Macht, das Weltklima entscheidend zu beeinflussen. Sie setzt Energie mit Strom gleich, obwohl die Stromerzeugung insgesamt nur einen Anteil von circa 16 Prozent am globalen Energieverbrauch hat. Davon wiederum hat die Atomkraft nur knapp 17 Prozent, was bedeutet, dass die nukleare Stromerzeugung im Weltmaßstab gerade mal auf drei Prozent kommt. Von daher wäre ein gigantisches Ausbauprogramm notwendig - finanziell unvorstellbar, viel zu langsam, um das Klima zu schützen, und hoch riskant Atomenergie ist nicht sauber

Zudem gehört zu einer vergleichenden Bewertung, dass die Emissionen "von der Wiege bis zur Bahre" erfasst werden. Bei einer solchen Betrachtung, wie sie im kumulierten Energieaufwand berechnet wird, entpuppt sich die Behauptung von der sauberen Energie schnell als falsch. Bei der Atomkraft sind nämlich die Energieverbräuche bei den vor- und nachgeschalteten Prozessen erheblich, vor allem bei der Urananreicherung und den Abwärmeverlusten im Kraftwerk. Dagegen kann zum Beispiel ein Biogas-Blockheizkraftwerk hoch effizient zugleich Strom und Wärme produzieren. Dies kann ein Atomkraftwerk praktisch nicht. Bezieht die CO2-Bilanz diesen Zusammenhang mit ein, schneidet die Kraft-Wärme-Kopplung häufig ungleich besser ab.

Auch die Abhängigkeit von Importen senkt die nukleare Stromversorgung nicht, denn nach dem Red Book der OECD reichen die Uran-Reserven zwar noch für rund 150 Jahre. Was aber ist, wenn der Anteil der AKW mit einem Milliardenaufwand verfünffacht, verzehnfacht oder noch höher wird, damit er einen, wenn auch immer noch bescheidenen Beitrag zum Klimaschutz leistet? Die Uranreserven würden zusammenschmelzen wie der Schnee in der Sonne. Und dann? Ohne Schnelle Brüter, die zur Stromerzeugung alle bis auf einen in Russland eingestellt wurden, hat die Atomkraft keine Zukunft. Brutreaktoren produzieren jedoch Plutonium, das extrem giftig und besonders atomwaffengeeignet ist.

Dennoch haben sich die Befürworter des Ausstiegs bereits Anfang der neunziger Jahre auf die Frage eingelassen, ob die Atomenergie dem Klimaschutz hilft. So in der Enquete-Kommission "Schutz der Erdatmosphäre" des Bundestages, die zwischen 1987 und 1994 die Fragen des Klimawandels intensiv bearbeitet hat. Das Ergebnis war für die Atomfreunde ernüchternd. Auch nach der FUSER-Studie der Weltenergiekonferenz, die von einem Ausbau der rund 440 AKW auf über 5000 Atommeiler (!) bis Mitte unseres Jahrhunderts ausgeht, steigen die CO2-Emissionen von 21 Milliarden Jahrestonnen auf über 40 Milliarden an - eine Katastrophe für das Klima.

Atomstrom und Energiesparen schließen sich aus

Obwohl dem Sachverständigengremium, das für seine Arbeiten national und international hohe Anerkennung fand, ausgewiesene Kernkraftbefürworter angehörten, war die Bewertung einmütig: "Lösungswege versprechen keinen Erfolg, die nur auf die Verschiebung der Energieträger abzielen, statt einer weitgehenden Substitution von Energie durch Investitionen und technisches Wissen (Energiequelle Energieeinsparung) den Vorrang zu geben."

Mit anderen Worten: Das heutige Energiesystem kann das Klima nicht schützen. Eine erfolgreiche Gegenstrategie, so die Schlussfolgerung, muss die Einbindung erneuerbarer Energien auf kommunale und industrielle Kraft-Wärme-Kopplung und auf Effizienztechnologien setzen, um den Einsatz nicht notwendiger fossiler Brennstoffe zu vermeiden. Genau das aber widerspricht der inneren Logik eines großtechnischen (Atom-)Energiesystems mit seinen technischen, betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Zwängen. Deren Philosophie liegt in der Ausnutzung großer Erzeugungskapazitäten, die weit weg sind vom Verbraucher.

Atomkraftwerke sind Grundlastkraftwerke, die systembedingt für den Ausgleich der Angebotsschwankungen wenig geeignet sind. Sie sind keine flexible Energietechnik, die heute gebraucht wird. Die Barrieren sind so hoch, dass sich Atomkraft und Effizienzstrategien weitgehend ausschließen.

Der mächtige Mega-Watt-Clan will Strom wie im Supermarkt anbieten. Von daher lassen sie "Einsparkraftwerken" keinen Markt, weil sie am hohen Stromverbrauch kräftig verdienen. Deshalb zeigen nahezu alle Strategien, die an der bisherigen Verbrauchsstruktur festhalten, dass sie mit mehr Risiken, mehr Strom, mehr Gas, Öl und Kohle und mit mehr Emissionen verbunden sind.

Mutiger Beschluss von Helmut Kohl

Die Erzeugung in Kondensationskraftwerken, die von den großen Stromkonzerne EnBW, E.on, RWE und Vattenfall weit überwiegend betrieben wird, ist eine gigantische Verschwendung, typisch für das letzte Jahrhundert, aber nicht wegweisend für die Zukunft. Energie wird über Kühltürme sinnlos in die Luft geblasen oder in Flüsse geleitet, obwohl sie im Winter als Fernwärme und im Sommer zur Klimatisierung genutzt werden könnte, was Millionen von Tonnen CO2 vermeidet.

Der Haken ist nur: An der effizienten Energienutzung haben die großen Stromerzeuger wenig Interesse. Doch sie ist machbar. Deshalb empfahl die Kommission, dem Vertreter von Union, SPD, FDP und Grüne sowie elf renommierte Wissenschaftler angehörten, die nationalen Kohlendioxid-Emissionen um 30 Prozent bis zum Jahr 2005 gegenüber 1990 zu reduzieren. Die Bundesregierung unter Helmut Kohl machte daraus den mutigen Beschluss, die Emissionen um 25 Prozent abzusenken. Bis heute gilt er als beispielhaft.

Drei unterschiedliche Szenarien, die bei der Atomkraft entweder Ausstieg, Status quo oder Ausbau vorsahen, konkretisierten die CO2-Reduktion um bis zu einem Drittel bis zum Jahr 2005. Das technisch machbare Einsparpotenzial wurde sogar auf über 40 Prozent geschätzt, acht Prozent könnten durch bewusstes Sparen erreicht werden, ebenfalls um acht Prozent könnte der Anteil der Energien wachsen. Vor diesem Hintergrund unterstützte niemand den Ausbau-Pfad. Selbst für den Erhalt des Anteils an Atomstrom sprachen sich nur sieben der 22 Kommissionsmitglieder aus.

Im Ausbauprogramm wären übrigens über 40 neue Reaktorblöcke notwendig, um den Stromsektor "CO2-frei" zu machen. Selbst dann wären in Deutschland höchstens 30 Prozent der Energieversorgung klimaverträglich. Die Neuordnung der Energieversorgung mit Hilfe der Kraft-Wärme/Kälte-Kopplung (KWK) und der massiven Effizienzsteigerung bei Geräten, Häusern und Autos kann dagegen kostengünstig eine weit höhere Einsparung und damit CO2-Reduktion erzielen. Allein das wirtschaftlich sinnvolle - und preiswerte - Einsparpotenzial der KWK ist in Deutschland höher als der Anteil der Atomenergie. Und das sind Technologien, denen die Zukunft gehört, weil sie weltweit gebraucht werden. Die Nachfrage wird in den nächsten Jahren massiv steigen.

Als letztes Argument bleibt den Befürwortern die Behauptung, dass der Umbau mehr Zeit bräuchte. Tatsächlich haben wir schon viel Zeit verloren. Denn bis Mitte des nächsten Jahrhunderts kann bereits nicht mehr verhindert werden, dass die Wetterextreme weiter zunehmen. Damit der Eispanzer von Grönland nicht völlig schmilzt, der Golfstrom nicht zum Erliegen kommt, das Auftauen der sibirischen Permafrostböden nicht zum totalen Klimakiller wird, der El Nino nicht jedes Jahr auftritt und schwere Monsune über einer Milliarde Menschen die Ernährungsgrundlagen nehmen, muss schnell gehandelt werden, um endlich die umweltverträglichen Technologien zu nutzen.

Wann begreifen wir endlich, dass wir noch nie so wenig Zeit hatten, so viel zu tun? Tatsächlich verhindert die Atomenergie den Umstieg in die effiziente und solare Energieversorgung. Klimaschutz braucht den Atomausstieg.

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n-tv, 11.2.07

Forsmark-Skandal

Wenn das Unmögliche passiert

Sogar der Spitze beim schwedischen Vattenfall-Konzern hat die endlose und auch für Fachleute beängstigende Pannenserie im Atomkraftwerk Forsmark die Sprache verschlagen. "Ich hatte so etwas nicht für möglich gehalten. Als mir klar wurde, was da passiert ist, wurde ich erst einmal völlig still", kommentierte Aufsichtsratschef Dag Klackenberg am Wochenende im TV-Sender SVT, was der auch in Deutschland aktive Konzern gerade selbst als neuen Sicherheits-Skandal enthüllt hatte.

Sieben Monate war der 26 Jahre alte Reaktor 1 mit einer defekten Gummidichtung gelaufen, weil Proben verschlampt statt ins Labor geschickt worden waren. Als dann doch das Ergebnis kam, nahm der Betreiber den Siedewasserreaktor sofort vom Netz, weil die Dichtung bei Störungen auch zur Reaktorabkühlung beitragen soll. "So etwas ist nicht hinnehmbar", meinte Vattenfalls Konzernchef Lars Josefsson und verkündete bei der eigenen Bilanzpressekonferenz neben neuen Rekordgewinnen die Auswechslung der Werksspitze in Forsmark.

"Ausgesprochen dramatische Lage"

Vorausgegangen waren immer neue Skandalmeldungen aus dem 190 Kilometer nördlich von Stockholm gelegenen Kraftwerk mit drei Reaktoren. Josefsson selbst nennt den Störfall vom 25. Juli 2006 "sehr ernst". Nach einem Stromausfall sprangen damals Notaggregate zur Reaktorkühlung nicht an und im Kontrollraum fielen die Überwachungscomputer aus. Zwei der drei Techniker aus dem Kontrollraum berichteten anonym im Fernsehen von "einer ausgesprochen dramatischen Lage" bei dem Störfall.

Was folgte, trug nicht zur Beruhigung bei: Es gab Kritik von Mitarbeitern aus Forsmark an einem "Verfall der Sicherheitskultur" und an "immer höherer Risikobereitschaft" wegen wirtschaftlicher Zwänge, es gab Berichte über alkoholisierte Mitarbeiter und hohe Unfallhäufigkeit, die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen wegen Verzögerung des Reaktorstopps am 25. Juli ein. "Wenn alles funktioniert hätte, hätte ich gewusst, was zu tun war. Aber wir hatten keinen Strom, und die Computer liefen nicht. Es ist ja gut gegangen", berichtete ein Techniker anonym von den kritischen Minuten im Kontrollraum.

"Klar macht mir so etwas auch Angst", sagte Björn Karlsson, Chef des schwedischen Kontrollrates für Reaktorsicherheit. Umweltminister Andreas Carlgren ist grundsätzlicher ins Grübeln gekommen: "Wenn sich die Zustände in Forsmark ständig als schlechter erweisen, als vom Betreiber selbst behauptet, muss man sich fragen, wie es in den anderen Atomkraftwerken aussieht." In der Zeitung "Svenska Dagbladet" meinte er am Sonntag weiter: "Die Bilder aus dem Kontrollraum von Forsmark haben mich daran erinnert, dass die Atomkraft eine gefährliche Technik ist, wenn sie nicht funktioniert oder der menschliche Faktor versagt. Wir müssen uns überlegen, wie abhängig wir davon sein wollen."

Der Skandal trifft Vattenfall in einer Periode, in der der Konzern wie die Atomindustrie in ganz Europa auf einen erneuten Ausbau der Kernkraft setzt. Pläne für Kapazitätserweiterungen von Forsmark selbst wurden im Gefolge des Störfalls schon diskret zu den Akten gelegt. Die deutsche Tochter des schwedischen Konzerns kündigte Ende der Woche einen Antrag auf längere Laufzeiten für das Atomkraftwerk Brunsbüttel in Schleswig-Holstein an, das eigentlich 2009 stillgelegt werden soll. Es ist vier Jahre älter als der Pannenreaktor nördlich von Stockholm.

(Thomas Borchert, dpa)

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Journalismus - Nachrichten von heute, 9.2.07

Geheime Fracht für Russland

Michael Schulze von Glaßer - Als ich Mittwochabend (31. Januar 2007) um 19 Uhr nach Hause kam und meinen Laptop anschaltete, staunte ich nicht schlecht. "Uran-Alarm!" las ich in der Betreffzeile meines E-Mail-Postfachs. Nach Informationen der Atomkraftgegner sollte der Uranzug um 19 Uhr an der Urananreicherungsanlage in Gronau abfahren und um 20.40 Uhr Münster erreichen. Abgereichertes Uran, das jedoch immer noch radioaktiv strahlt, sollte auf 19 Waggons über Münster nach Rotterdam transportiert werden. Hastig packte ich meine Sachen, rief einen Freund an und eilte zum Bahnhof, um mit dem nächsten Zug nach Münster (NRW) zu fahren.

Von Rotterdam aus gelangt das gefährliche Material, aus dem Panzer brechende Munition hergestellt werden kann, per Schiff nach Sankt Petersburg (Russland). Von der Ostseestadt geht es mit dem Zug weiter gen Osten bis nach Ekaterinburg am Ural, wo sich die Spuren des Transports verlieren. Der Transport soll auch schon im russischen Tomsk und in Irkutsk gesichtet worden sein. Dass der Uranzug den 120 Kilometer weiten Umweg über Münster nehmen muss anstatt direkt von Gronau über Enschede bis an die Niederländische Nordseeküste zu fahren, liegt wohl an der für den Uranzug nicht befahrbaren Bahnstrecke in Enschede.

Verantwortlich für die Transporte ist angeblich die Niederländische Firma "Urenco". Diese betreibt in der 48.806 Einwohner zählenden Stadt Gronau die einzige Urananreicherungsanlage (UAA) Deutschlands [1]. Nur angereichertes Uran kann in Atomkraftwerken gespaltet werden. Das am vergangenen Mittwoch transportierte Uran, das nach Schätzungen der Atomkraftgegner noch bis zum 13. Februar unterwegs sein wird, war jedoch abgereichertes Uran [2]. Dieses Abfallprodukt ist das Gegenstück zur angereicherten Uranfraktion, welche in der Urananreicherungsanlage in Zentrifugen getrennt werden. Die abgereicherte Chemikalie wird wegen seiner hohen Dichte als Panzerung in amerikanischen Panzern und als Gewicht im Heck der Boeing 747-Jumbos benutzt. Die hohe Dichte ist auch der Grund, weshalb heutzutage kein Krieg ohne Uranmunition ausgetragen wird. Beim Aufprall der Uranprojektile verbrennt der Stoff und gelangt so in die Luft - wer sich in der Nähe befindet und den Beschuss überlebt hat, ist kontaminiert und trägt schwerste Langzeit-Gesundheitsschäden davon.

Nach einer kurzen Zugfahrt ging ich in die Bahnhofshalle des schäbig wirkenden Münsteraner Hauptbahnhofs. Dort wartete schon mein zuvor angerufener Freund auf mich. Es war 20 Uhr, als die ersten Bundespolizisten betont unauffällig durch den Bahnhof schlichen, ständig nach Atomkraftgegnern Ausschau haltend.

Neben der Urananreicherungsanlage findet sich im Münsterland auch noch das Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente. In Ahaus (Kreis Borken) werden schon seit langem Brennelemente "zwischengelagert". Die hochgefährlichen Brennstäbe sollen dort einige Jahre verbringen, bis die Strahlung soweit abgeklungen ist, dass eine Endlagerung möglich ist. Jedoch gibt es in Deutschland noch kein solches Lager und der zur Endlagerung geplante "Schacht Konrad" steht allerfrühestens im Jahr 2012 zur Verfügung. Ahaus verkommt neben Gorleben immer mehr zum Endlager für den atomaren Müll der Republik. Dabei ist die Ahauser Leichtbauhalle in der die Brennelemente lagern, höchst unsicher und zur Einlagerung stark radioaktiver Chemikalien nicht geeignet. Im Oktober bzw. Dezember 2006 beantragte die Betreiberfirma, die Gesellschaft für Nuklear-Service mbH, bei der Bezirksregierung in Münster und beim Bundesamt für Strahlenschutz die Einlagerungsgenehmigung für stark verstrahlte radioaktive Abfälle aus der französischen Plutoniumfabrik La Hague. Der Grund für diese Forderung ist die "schlechte" Auslastung des Ahauser Lagers. die nur bei etwa 10 Prozent liegt. Eine weitere Forderung des nur beschränkt zur Haftung herangezogenen Atomunternehmens ist die Erlaubnis, kontaminierte Bauteile alter Atomkraftwerke einlagern zu dürfen. Der verstrahlte Müll soll in Folien gewickelt werden, weil die zum Teil sehr großen Bauteile nicht in Fässer oder andere Behälter passen. Um "auszustrahlen" sind Fässer auch hinderlich, da sie die Strahlung zum Teil aufhalten und gerade dies wäre nicht im Sinne des Zwischenlagers. Ist die Strahlung der Bauteile etwas abgeklungen und in die Umwelt abgegeben, sollen die Metallteile eingeschmolzen und weiterverarbeitet werden. So könnten aus alten kontaminierten Atomkraftwerksrohren wieder neue werden - aber auch Töpfe oder Gabeln. Ob das Getreide der auf den um das Zwischenlager liegenden Getreidefelder nach weiteren Einlagerungen noch die Chance haben als Bio-Produkte durchzugehen ist fraglich. Das bäuerliche Münsterland ist zugleich ein Zentrum der Atomindustrie.

Um 20.40 Uhr gingen wir zügig die Treppe zum Gleis 4 hoch. Ein paar Bundespolizisten folgten uns. Der Uranzug verspätete sich. Nun blieb Zeit für ein Gruppenfoto mit Transparent "Urantransporte verbieten - UAA in Gronau stilllegen!". Und endlich rollte die schwere Diesellokomotive mit den 19 Güterwaggons laut dröhnend durch den Münsteraner Hauptbahnhof. Ein fast normaler Güterzug.:

Standbilder aus meinem Video vom 31. Januar 2007. Der Uranzug rollt durch den Hauptbahnhof von Münster.

Wären die kleinen Warntafeln nicht an den Waggons gewesen, fiele der gefährliche Transport kaum auf. Und so wundert es kaum, dass der normale Bahnbetrieb im Hauptbahnhof uneingeschränkt fortgeführt wurde. Einige Passanten guckten nur verdutzt als sie die Horde Bundespolizisten auf dem Gleis erblickten. Nachdem der Zug durch den Bahnhof rauschte, gingen wir wieder zurück in die warme Bahnhofshalle. Auf dem Weg dort hin kam uns ein hektischer Mann mit Baumfällerhemd entgegen. Er sprach in sein Funksprechgerät: "Der Transport war nicht ganz störungsfrei"

Sicherlich er ein zivil gekleideter Polizist. Was genau die Störung war, konnten wir nur erraten. Ein Atomkraftgegner, der im Bahnhof von Burgsteinfurt Fotos vom Uranzug gemacht hatte, war von der Polizei gezwungen worden, diese wieder zu löschen. Ein anderer Beobachter des Zuges wurde bei der Autofahrt vom Ort Burgsteinfurt, durch den der Uranzug zuvor fuhr, bis nach Münster von einem Motorradpolizisten verfolgt.

Dass der Uranzug von der Polizei begleitet und bewacht wurde, ist ein kleiner Fortschritt, obwohl es immer noch große Mängel an der Sicherheit des Zuges gibt. Zwar stand die Polizei im Münsteraner Hauptbahnhof mit etwa acht Leuten "griffbereit", doch schienen diese nur darauf zu achten, dass wir nicht über den weißen Sicherheitsstreifen auf dem Bahnsteig treten. Jemand mit bösen Absichten hätte es aber leicht gehabt, eine Explosion wäre verheerend für ganz Münster gewesen. Denn das abgereicherte Uran wird als Uranhexafluorid (UF 6) in Fässern auf den Güterwaggons transportiert. Die Waggons waren nur mit Planen überdeckt. Man muss keine großen Chemie-Kenntnisse haben, um zu verstehen zu welch einer Katastrophe ein Unfall des Uranzuges führen könnte. Das feste Uranhexafluorid ist luftdicht in den Fässern auf den Waggons gelagert. Kommt der Stoff mit Feuchtigkeit in Berührung, reagiert er extrem stark. Dafür reicht schon die Feuchtigkeit der Luft aus. Das Uranhexafluorid reagiert dann zu hochgefährlicher Fluss-Säure. Einen solchen Unfall gab es bisher zum Glück noch nicht. Experten haben errechnet, dass 200.000 - 300.000 Menschen evakuiert werden müssten, wenn es mit der gefährlichen Fracht einen Unfall gebe.

Die Broschüre "Höchste Vorsicht beim Umgang mit Fluss-Säure!" der Bayerischen Landesunfallkasse zeigt die tödliche Wirkung von Fluss-Säure an zwei Beispielen:

"Der erste Unfall geschah in einem Labor, als Fluss-Säure in einer Mikrowelle abdestilliert wurde. Dabei kam es zu einem Siedeverzug, wodurch die Türe der Mikrowelle aufgerissen wurde und etwa 60°C heiße Fluss-Säure im Raum verspritzte. Der zufällig im Raum vorbeikommende Betriebsleiter erlitt durch diese Spritzer eine etwa handflächengroße Verätzung am linken Oberarm sowie geringfügige Verätzungen am Rücken und im Gesicht. Dem Verletzten wurde sofort Erste Hilfe geleistet. Nach einer ersten Therapie durch den Betriebsarzt wurde er mit dem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus geflogen, wo er 50 Minuten nach dem Unfall eintraf. Während der sofort eingeleiteten unfallchirurgischen Behandlung kam es zum Herzkammerflimmern und der Patient musste mehrfach reanimiert werden. Weitere Komplikationen wie eine schlechte respiratorische Situation, die Entgleisung des Säure-Base-Haushaltes, eine Gerinnungsstörung und ein akutes Nierenversagen führten schließlich etwa fünfeinhalb Stunden nach dem Unfall zum Tod.

Beim zweiten Unfall wurde ein Arbeiter beim Umfüllen von 72%iger Fluss-Säure von mehreren Spritzern an den Oberschenkeln getroffen. In einer Panikreaktion rannte der Arbeiter weg, anstatt sich sofort mit einer in nächster Nähe befindlichen Schwalldusche abzuduschen. Anschließende Erste-Hilfe-Maßnahmen und der sofortige Transport in ein mit der Behandlung von Fluss-Säure-Verätzungen vertrautes Krankenhaus konnten nicht verhindern, dass der Patient fünf Wochen nach dem Unfall an dessen Folgen verstarb."

Schon 5%ige Fluss-Säure verursacht starke Verätzungen und Schmerzen. Nicht auszudenken, welch katastrophale Folgen ein Unfall des Uranzuges im Hauptbahnhof von Münster oder einer anderen Stadt hätte!

Nachdem wir uns kurz in einem Café in der Haupthalle des Bahnhofes aufgewärmt hatten, gingen wir wieder zurück die Treppe hinauf zum Gleis 4. Der Uranzug hatte seinen unerwünschten Besuch in Münster noch nicht beendet. Der Zug, auf denen nach Schätzungen der Atomkraftgegner bis zu 1.000 Tonnen abgereichertes Uran lagerte, wurde im Güterbahnhof umgekoppelt um wieder gen Norden zu fahren. Hinter einem großen Kino, wurde die gefährliche Fracht rangiert. Um 21.16 Uhr fuhr der Uranzug dann wieder durch den Hauptbahnhof von Münster, um weiter über Rheine, Bad Bentheim und Hengelo bis nach Rotterdam zu fahren. Von Rotterdam geht es, wie eingangs schon erwähnt, mit dem Schiff bis nach Russland, wo schon 20.000 Tonnen abgereichertes Uran aus Gronau auf die grüne Wiese geschüttet wurden, wie es russische Atomkraftgegner berichten.

Endlich war der Spuk vorbei, zumindest in Münster, jedes Jahr fahren etwa drei dieser Transporte durch die Stadt. Diese Zahl soll aber bald enorm ansteigen, wenn der Ausbau der Gronauer UAA erfolgt ist, und so rechnen die Anti-Atomkraft- Aktivisten mit bis zu 10 Transporten jährlich.

Doch dürfen gefährliche Uranabfälle aus Deutschland überhaupt in ein anderes Land gebracht werden? Tschechische Behörden sprachen von "Müll-Tourismus" als deutscher Müll eines Unternehmens aus Halle in einem Tschechischen Dorf gefunden wurde. Einige tschechische Bauern "vermieteten" ihren Hof an deutsche Firmen, die dort Müll deponierten. Welche Russen für die deutschen Uranabfälle bestochen werden ist unklar. Die russischen Atomkraftgegner, die sich in der Organisation "Ecodefense" organisiert haben, besuchten im November letzten Jahres die Münsteraner Bezirksregierung, um gegen die Urenco Deutschland GmbH und gegen "unbekannt" Anzeige wegen "Verdachts auf illegalen Atommülltransport" zu stellen. Kürzlich verkündete der zuständige Münsteraner Oberstaatsanwalt im WDR 3 er wolle das Verfahren in Kürze einzustellen.

Die Staatsanwaltschaft hat sage und schreibe einen Brief an das Wirtschaftsministerium NRW geschrieben. Das Ministerium stellte Erstaunliches fest:

"Der Uranmüll ist in der Tat eine "wertvolle Ressource"; es ist 'international üblich', dass der Müll beim Anreicherer bleibt"

Dass sich die Staatsanwaltschaft hierin keine Mühe gibt, wundert kaum. Schon immer war das Land NRW an der Urananreicherungsanlage beteiligt und hat die Anlage und somit auch die Transporte genehmigt. Käme es zu einem Prozess, könnte die Bundes- oder zumindest die Landesregierung verantwortlich gemacht werden. Dies will sie natürlich verhindern und so wird die ganze Sache mit einem Brief aus einem Ministerium in Düsseldorf abgehackt. Skandalös!

Skandalös wird es wohl auch weiter gehen. Auch wenn es noch einige Zeit dauern wird, bis im Ahauser Zwischenlager auch hochradioaktive Materialien gelagert werden dürfen, wächst das Münsterland weiter zum deutschen Atomzentrum. Die unauffälligen, vor der Öffentlichkeit geheim gehaltenen Urantransporte werden so lange weiter gehen bis die Bevölkerung ihre Stimme erhebt. Am Samstag, dem 3. Februar 2007, wurde mit der Sensibilisierung für das Thema in Münster begonnen. Etwa 400 Menschen nahmen an der Protestveranstaltung vor dem historischen Rathaus teil. Atomkraftgegner aus der ganzen Bundesrepublik und sogar aus Frankreich kamen zur Demonstration nach Münster. Passanten blieben stehen und hörten den Rednern der verschiedenen Organisationen zu. In vielen Regionen werden neue Atomkraftwerke gebaut. "20 neue Atomkraftwerke sollen in Osteuropa gebaut werden" berichtete Heffa Schücking von der Nichtregierungsorganisation "urgewald". Um auch diese mit angereichertem Uran versorgen zu können, wird die UAA in Gronau ausgebaut. Der Ausbau der Urananreicherungsanlage in Gronau gibt zu denken auf, wo doch der Atomausstieg in der Bundesrepublik schon beschlossen wurde. Mit den gefährlichen Urantransporten durch deutsche, niederländische und russische Städte aber muss Schluss sein. Die Gefahr eines katastrophalen Unfalls ist zu groß. Außerdem wird die russische Umwelt mit dem waffenfähigen Material für Jahrtausende zerstört. Es ist zu hoffen, dass die Münsterländer gegen die Atomindustrie aufstehen und sich für ein atomfreies Münsterland aussprechen!

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Gronauer Nachrichten 09.02.2007

Gronauer Uran ist in Russland Atommüll

Gronau. Mehr als 25 russische und deutsche Umweltschützer und -verbände haben der Staatsanwaltschaft Münster in den vergangenen Tagen weiteres Beweismaterial in Zusammenhang mit den russischen Strafanzeigen gegen die Urenco Deutschland GmbH und unbekannt wegen des Verdachts auf illegalen Atommüllexport von der Urananreicherungsanlage Gronau nach Russland übersandt. Das Material belegt, dass es sich bei dem Gronauer Uran tatsächlich um Atommüll handelt, heißt es in einer Mitteilung des Aktionsbündnisses Münsterland gegen Atomanlagen.

Bis jetzt hat die Staatsanwaltschaft offensichtlich nur das NRW-Wirtschaftsministerium angeschrieben, doch die Behörde ist an allen Genehmigungsverfahren für die UAA unmittelbar beteiligt gewesen und deshalb keine neutrale Instanz, so Willi Hesters vom Aktionsbündnis. Auch beteiligte Genehmigungsbehörden des Bundes wie das Bundesumweltministerium oder das Bundesamt für Strahlenschutz scheiden durch ihre jahrelange, für Urenco äußerst wohlwollende Genehmigungspraxis als unabhängige Erkenntnisquelle aus.

Die deutschen Entsorgungsgrundsätze für Atommüll lassen keinen Interpretationsspielraum. Es heißt eindeutig, dass deutscher Atommüll auch in Deutschland entsorgt werden muss. Das in Gorleben geplante Endlager gilt als Entsorgungsnachweis für das abgereicherte Uran aus Gronau, das bei der Anreicherung als Abfallprodukt anfällt, erklärte Felix Ruwe von der BI Kein Atommüll in Ahaus.

In einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Münster wies der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) darauf hin, dass in den veröffentlichten Genehmigungen für die UAA Gronau von Urantransporten nach Russland zur Verarbeitung oder Lagerung der Urans überhaupt nicht die Rede sei. Vielmehr werde ausdrücklich die Zwischenlagerung des abgereicherten Urans erwähnt als Müll in Gronau.

Die russischen Umweltschützer forderten die Staatsanwaltschaft auf, sich vor Ort in Russland ein Bild von der tatsächlichen Verwendung des Gronauer Urans zu machen. Außerdem verweisen sie darauf, dass die Urenco wie bei einem Abfallgeschäft üblich die russische Atomfirma Tenex für die Entsorgung bezahlt. Wenn es sich um einen Wertstoff handeln würde, dann würde die Urenco diesen doch nicht verkaufen, sondern ihn sich teuer bezahlen lassen. Die Urenco zahlt eben, um den radioaktiven Müll loszuwerden, so Andrey Ozharovsky, der Ko-Vorsitzende der russischen Umweltorganisation Ecodefense.

Die Staatsanwaltschaft Münster hat offensichtlich die internationale Dimension des Falls völlig unterschätzt. Sollte der Sachverstand oder der politische Wille der hiesigen Staatsanwaltschaft für die komplizierte Materie nicht ausreichen, fordern wir, dass der Fall einer spezialisierten Staatsanwaltschaft übertragen wird. Es reicht in keinem Fall aus, ein oder zwei Briefe an befangene Genehmigungsbehörden zu schreiben. Die Ermittlungen stehen erst am Anfang, so Willi Hesters.

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Tagesspiegel, 8.2.07

Kernkraft-Wintertagung

Atomwirtschaft gibt sich als Klimaretter

Nach Auffassung der Atomwirtschaft wird Deutschland zur Sicherung der Energieversorgung und im Zusammenhang mit dem Klimaschutz nicht ohne die Kernenergie auskommen. Mit einem Ausstieg begebe man sich in die "Isolation".

Berlin - "Der Druck auf Deutschland, die Ausstiegposition zu überdenken, wird enorm wachsen", Zum ThemaAtomkraft: Viele Fakten sprechen dagegen sagte der Präsident des Deutschen Atomforums, Walter Hohlefelder bei der Wintertagung 2007 der Organisation in Berlin.

Das Ziel, den Treibhausgasausstoß bis 2020 um bis zu 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren, sei "definitiv nicht" zu erreichen. Mit dem Festhalten an dem 2001 vereinbarten Atomausstieg würde sich Deutschland in die Isolation begeben, sagte Hohlefelder. Auch könnte die wegfallende Kraftwerksleistung nicht ohne den Bau neuer Kohle- und vor allem Gaskraftwerke ausgeglichen werden.

Bayern will Gorleben bald zum Endlager machen

Eine Notwendigkeit zum Bau neuer Atomkraftwerke wies der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Matthias Machnig, zurück. Neben erneuerbaren Energien gebe es ein großes Effizienz-Potenzial, das zu Energieeinsparungen führen werde. Richtig sei, dass auch weiterhin der Einsatz von Kohlekraftwerken erforderlich sei. Dabei sei zu beachten, dass sie künftig wesentlich effizienter mit geringeren Kohlendioxiod-Missionen arbeiten könnten.

Zugleich verteidigte Machnig das in der großen Koalition umstrittene Suchverfahren des Umweltministeriums für ein Atom-Endlager. Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) wies dieses Vorgehen zurück und verlangte klare Entscheidungen für die Endlagerung im niedersächsischen Gorleben. (tso/dpa)

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Business News, 8.2.07

Neue Töne

Berliner CDU fordert Atomausstieg

"Es muss glasklar sein, dass aus Sicht der Union die erneuerbaren Energien die Zukunft darstellen", sagte der Berliner CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger. Er fordert eine langfristige Abkehr von der Atomkraft, hat seine Rechnung jedoch offenbar ohne die CDU gemacht.

"Das Problem der Endlagerung, des Restrisikos technischer Unfälle und möglicher terroristischer Angriffe ist so groß und die Investitionen sind so gewaltig, dass ich nicht an die Zukunft der Kernenergie glaube."

Zahlreiche führende CDU/CSU-Politiker fordern dagegen vehement, den beschlossenen Atomausstieg wieder rückgängig zu machen.

"Kein Rütteln am Atomausstieg"

Pflüger warnte davor, den Ausstieg in Frage zu stellen. "Es darf kein grundsätzliches Rütteln am Atomausstieg geben", sagte das CDU-Vorstandsmitglied. "Anstatt neue Investitionen in alte Technologien einschließlich der Kernkraft zu stecken, müssen wir einen Schwerpunkt bei erneuerbaren Energien setzen."

Die Atomkraft sei eine Übergangstechnologie. Sie müsse angesichts der Forderungen nach mehr Klimaschutz aber pragmatisch eingesetzt werden. Man könne das Ausstiegdatum einige Zeit verzögern, sagte Pflüger.

Potenziale erschließen

Die Atomenergie sei weniger gefährlich als neue Kohlekraftwerke, die klimaschädliches Kohlendioxid ausstoßen. Die Potenziale alternativer Energien seien aber "nicht annähernd erschlossen".

Die rot-grüne Bundesregierung hatte mit der Wirtschaft im Jahr 2000 den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen. Union und SPD bekräftigten dies 2005 in ihrem Koalitionsvertrag. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will wegen des Widerstands der SPD bis 2009 nicht am Atomausstieg rütteln.

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Frankfurter Rundschau 08.02.2007

In Kürze

AKW Brunsbüttel

Vattenfall will sein 30 Jahre altes Atomkraftwerk (AKW) Brunsbüttel länger

als im Atomkonsens vereinbart am Netz halten. Der Konzern kündigte am Freitag

an, es wolle das AKW über das Jahr 2009 hinaus betreiben und dazu einen

Antrag stellen. Dazu will Vattenfall Stromkontingente aus einem nicht neueren

Atommeiler auf Brunsbüttel übertragen. Brunsbüttel gilt als "Pannenreaktor" und

war zuletzt nach dem Störfall im schwedischen Forsmark aus Sicherheitsgründen

abgeschaltet worden. vgo

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Tagesschau, 8.2.07

Pannenserie in schwedischem Kraftwerk

Chef des AKW Forsmark tritt zurück

Der Chef des wegen Sicherheitsmängeln in die Kritik geratenen schwedischen Atomkraftwerkes Forsmark, Lars Fagerberg, ist mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Er begründete seine Demission damit, dass er nicht mehr das Vertrauen der Vatenfall-Führung habe. Ein Nachfolger werde bald ernannt, teilte der Energiekonzern mit.

Unmittelbar zuvor hatte Vattenfall die anhaltenden Probleme in Forsmark 190 Kilometer nördlich von Stockholm als "inakzeptabel" eingestuft. Bei der Bilanzveröffentlichung des auch in Deutschland aktiven Konzerns sagte Vattenfall-Chef Lars Josefsson, er betrachte in den letzten Tagen bekannt gewordene Sicherheitsmängel und die Reaktion der Kraftwerksleitung darauf als "nicht hinnehmbar".

IAEO schickt Inspektoren nach Forsmark

Den Störfall Ende Juli 2006 im Reaktor 1 des Kraftwerkes nach einem Kurzschluss mit einem Stromausfall bei den Sicherheitssystemen nannte er "einen sehr ernsten Vorfall". Der Störfall war auf der zweiten von sieben Stufen der Skala für atomare Störfälle (INES) eingestuft worden. Das hatte es in Schweden nie zuvor gegeben. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEO werde Inspektoren nach Forsmark schicken, um die Anlage zu untersuchen, teilte Vattenfall mit. Die IAEO hatte zuletzt 1991 einen schwedischen Atomreaktor überprüft.

Unterdessen begann die zuständige Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Kraftwerksbetreiber wegen Verdachts auf eine strafbare Verzögerung der Reaktor-Abschaltung im Juli. Der 1981 in Dienst genommene Siedewasserreaktor steht seit vergangener Woche wegen einer defekten Gummidichtung an der äußeren Reaktorwand erneut für unbestimmte Zeit still. Vorstand und Aufsichtsrat seien nun dabei, Konsequenzen zu ziehen. Er glaube aber nicht, dass die Debatte um Forsmark große Auswirkungen auf die Debatte um den Ausbau der Atomkraft haben werde, sagte Josefsson.

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junge Welt 07.02.2007

»Das läuft auf die totale Überwachung hinaus«

Antiatomkraftinitiativen klagen gegen Online-Durchsuchungen, die das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz erlaubt. Ein Gespräch mit Wilhelm Achelpöhler

Frank Brendle

Der Münsteraner Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler hat am Dienstag im Auftrag nordrhein-westfälischer Antiatomkraftinitiativen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen Online-Durchsuchungen geklagt.

Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz darf seit dem 1.Januar verdeckt auf Privatcomputer zugreifen. Wieso geht in NRW, was im Bund verboten ist?

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung am Montag gerügt, daß eine eindeutige Rechtsgrundlage für solches Vorgehen fehlt. Online-Durchsuchungen seien deshalb zur Zeit rechtswidrig. In Nordrhein-Westfalen ist die Möglichkeit der Online-Durchsuchung aber ausdrücklich im neuen Verfassungsschutzgesetz vorgesehen.

Befürworter der On?line-Ausspähung ziehen gerne den Vergleich zu herkömmlichen Hausdurchsuchungen, die ja bereits rechtlich geregelt sind.

Online-Durchsuchungen greifen viel tiefer in die Grundrechte ein. Bei einer Hausdurchsuchung sind Sie anwesend und damit gewarnt, aber von der Computerüberwachung kriegen Sie nichts mit. Der Verfassungsschutz kann durch alle Dateien auf Ihrem Rechner stöbern und Ihr Internetverhalten überprüfen. Was ihn interessiert, wird kopiert, ohne daß Sie Verbleib und Verwendung der Daten kontrollieren können. Das Gesetz sieht zwar vor, daß der Verfassungsschutz nach der Durchsuchung den Betroffenen benachrichtigen muß, es gibt aber so großzügige Ausnahmen, daß man sagen muß: Hier gibt es keinerlei effektive Kontrolle.

Bei der BGH-Entscheidung Anfang der Woche ging es um Strafverfolgung. Beim Verfassungsschutz sind dagegen ganz andere Personen im Visier.

Was dem Verfassungsschutz hier erlaubt wurde, läuft auf eine Komplettüberwachung all derjenigen hinaus, die der Staat für politisch unzuverlässig hält. In Nordrhein-Westfalen überwacht der Verfassungsschutz zum Beispiel schon seit Jahren die Anti?atomkraftbewegung und die Bürgerinitiative Ahaus. Auch andere linke und antifaschistische Gruppierungen wie die VVN-BdA finden sich regelmäßig im Verfassungsschutzbericht. Dazu zählen außerdem Teile der Linkspartei.PDS. Per Online-Durchsuchung kann der Verfassungsschutz feststellen, ob Sie E-Mails mit sogenannten Extremisten austauschen, deren Homepages aufrufen, und welche Zeitungen Sie online lesen. Der Geheimdienst erfährt, welches Flugblatt Sie gerade entwerfen und welche Aktion Sie planen, noch bevor Sie an die Öffentlichkeit gehen.

Das ist umso gravierender, wenn Sie an die Antiterrordatei denken. Die Politik zielt ja auf eine Verschmelzung aller Sicherheitserkenntnisse und auf einen munteren Datenaustausch von Geheimdiensten und Polizei. Da bleibt den Behörden nichts mehr verborgen.

Worauf stützen Sie Ihre Klage?

Das Gesetz entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Mindeststandards. Es muß Grenzen für staatliche Kontrollen geben, spätestens vor dem Kernbereich der Privatsphäre. Wenn der Geheimdienst erst einmal sein Spionageprogramm in den Computer eingeschleust hat, dann gibt es kein Halten mehr. Egal ob Sie einen politischen Text schreiben, Online-Einkäufe machen oder Ihr Tagebuch speichern, Sie müssen immer damit rechnen, daß der Staat alles erfaßt. Sie verlieren Ihre Privatsphäre. Das verstößt eindeutig gegen die freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das ist so, als ob jeden Tag ein Haufen Beamter Ihre Wohnung auf den Kopf stellt, nur daß Sie das gar nicht bemerken. Von der Qualität her sehe ich auch einen Verstoß gegen die Unverletzlichkeit der Wohnung.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will die vom Bundesgerichtshof geforderte Rechtsgrundlage schnell nachliefern. Hat Ihr Prozeß Auswirkungen auf die geplante Bundesgesetzgebung?

Auf jeden Fall. Nordrhein-Westfalen hat eine Art Pionierfunktion. Die Maßstäbe sind die gleichen, schließlich müssen sich sowohl Verfassungsschutz als auch die Generalbundesanwaltschaft an das Grundgesetz halten. Das Urteil, mit dem wir in etwa einem Jahr rechnen, muß dann auch von der Bundesregierung beachtet werden. Ich gehe davon aus, daß wir die Neuregelung komplett kippen. Für die heimliche Fernkontrolle von Computern kann es keine verfassungskonforme Regelung geben.

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dpa 07.02.2006 

Forsmark abgestellt

Stockholm (dpa) - Der Reaktor 1 im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark bleibt auf unbestimmte Zeit abgestellt. Der Kraftwerksbetreiber teilte mit, dass eine Gummidichtung an der äußeren Reaktorwand undicht ist. Die schwedische Strahlenaufsicht kündigte ebenfalls eine Untersuchung aller drei Forsmark-Reaktoren durch die Internationale Atomenergie-Organisation IAEO an. Das Kraftwerk steht seit einem Störfall im vergangenen Juli in der Kritik.

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Energieportal24, 6.2.07

Das Märchen vom sicheren Atomkraftwerk

Bundeskanzlerin Merkel und einige ihrer Landesfürsten können sich - angesichts einer immer unsicherer und teurer werdenden Versorgung mit Erdöl und Erdgas - immer mehr für längere Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke erwärmen. Einige von ihnen denken gar über neue AKWs nach. Dabei zeigt sich immer wieder, dass diese Technik nicht sicher ist und immer wieder zu kritischen Situationen führt.

Man muss gar nicht unbedingt die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl anführen, um auf die Risiken der Kernenergie aufmerksam zu machen. Im Sommer 2006 hatte es beispielsweise im AKW Forsmark in Schweden einen schweren Störfall gegeben. Für 20 Minuten war ein Teil der elektronischen Überwachung ausgefallen. In dieser Zeit stand der Reaktor kurz vor der Kernschmelze. Der Betreiber des Reaktors, der Energiekonzern Vattenfall, erklärte schnell, dass keine Sicherheitsmängel für den Zwischenfall verantwortlich gewesen seien.

Nun ist aber ein interner Sicherheitsbericht an die schwedische Presse durchgesickert, der genau diese Angaben des Konzerns widerlegt. Dort ist unter anderem die Rede von nachlässig durchgeführten Reparaturen, Zeitdruck und Trunkenheit im Dienst. Derartige Risikofaktoren können an jedem technischen Gerät, das von Menschen gewartet und betrieben wird, auftreten. Sie sind sicherlich keine Spezialität von Kernkraftwerken. Allerdings sind die Folgen bei einem Unfall in einem Kernkraftwerk weitaus verheerender, als bei allen anderen Anlagen. Daher erscheint es mehr als fahrlässig, davon zu sprechen, dass moderne AKWs sicher seien und kein Risiko darstellten.

Auch in einem russischen Atomkraftwerk ist es kürzlich wieder zu technischen Problemen gekommen. Ende Januar wurde das AKW Balakowskaja vom Netz geworden, nachdem ein Fehler im automatischen Reaktorschutzsystem aufgetreten war. Bei dem Kraftwerk handelt es sich nach Betreiberangaben um eines der größten und modernsten russischen Kernkraftwerke. Die russische Umweltorganisation Ecodefense hält die Ausrüstung des Kraftwerks jedoch für zu alt und riskant. Bereits im November 2004 war es am selben Standort auch zu einer Notabschaltung gekommen.

"Reaktoren in Russland sind heute genauso gefährlich wie zu Zeiten Tschernobyls", urteilt Vladimir Sliviak, Vorsitzender von Ecodefense. "Der WWER-1000 ist zwar Russlands modernster Reaktortyp, aber auch derjenige, der am häufigsten aufgrund von Vor- und Störfällen abgeschaltet werden muss. Dies ist besonders bedenklich im Licht der russischen Pläne, in den nächsten 13 Jahren 40 neue Reaktoren zu bauen. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Unfall wie in Tschernobyl in absehbarer Zukunft wiederholt."

Besonders riskant erscheint es dabei, dass Russland verstärkt Reaktoren dieser Bauart nach Indien, China und in den Iran exportiert. Auch Bulgarien möchte zwei Reaktoren dieses Typs errichten lassen. Im Oktober 2006 hatten sich deutsche Banken - auch auf Grund von Druck der Öffentlichkeit - von der Finanzierung des Projekts zurückgezogen. Nun versucht Bulgarien, Mittel in der Form von Euratomkrediten zu bekommen.

Umweltorganisationen warnen eindringlich vor diesem Schritt. "Der Vorfall in Balakowskaja zeigt einmal mehr die Gefahren der Atomkraft im Allgemeinen und russischer AKW im Besonderen", urteilt Regine Richter, Energieexpertin bei der Umweltorganisation urgewald. "Es wäre erschreckend, wenn Projekte, die die Sicherheit von EU-Bürger/inn/en gefährden, nun plötzlich mit europäischen Steuergeldern gefördert würden."

Dies sind nur einige besonders prominente Fälle, bei denen Sicherheitsmängel in Kernkraftwerken aufgetreten sind. Man kann sie stellvertretend für unzählige weitere Störungen nehmen. Angesichts von der unkalkulierbaren Gefahr, die von dieser Form der Energiegewinnung ausgeht, darf es keine Option für den weiteren Betrieb oder der Ausbau der AKW-Landschaft geben. Erneuerbare Energien stellen vor diesem Hintergrund die einzige Alternative zu den fossilen Energieträgern dar.

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Die Welt 06.02.2007

NACH BGH-URTEIL

NRW-Regierung beharrt auf Online-Durchsuchungen

In Nordrhein-Westfalen sollen weiterhin private Computer ausgespäht werden - allerdings vom Verfassungsschutz statt von der Polizei. Das NRW-Innenministerium sieht sich im Recht: Die Entscheidung des Bundesgerichtshof gegen solche Abhöraktionen habe nichts mit den Spähplänen zu tun.

Sonderweg: In NRW sollen Rechner weiter durchsucht werden können

Düsseldorf - „Das BGH-Urteil bezieht sich nur auf die Befugnisse der Polizei und hat nichts mit unserem Verfassungsschutzgesetz zu tun", sagte Ministeriumssprecherin Dagmar Pelzer in Düsseldorf. Das seit Januar geltende Gesetz erlaubt es dem Verfassungsschutz unter bestimmten Bedingungen, Computer extremistischer Terroristen heimlich zu kontrollieren.

Der BGH hatte am Montag entschieden, dass die Polizei Computer vorerst nicht heimlich ausspionieren darf, weil eine gesetzliche Grundlage fehle. Die Strafprozessordnung erlaube bei Durchsuchungen nur eine offizielle Vorgehensweise.

Das neue Gesetz in NRW biete dem Verfassungsschutz aber eine Rechtsgrundlage und regele genau, wann die Behörde tätig werden darf, betonte Pelzer. „Die Eingriffshürden und die Kontrollen sind sehr hoch." Das Gesetz dürfe nur als „Ultima Ratio" angewandt werden. In Frage komme dies etwa bei der Gefahr von Terroranschlägen, bei Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder bei Mord.

Die zuständige Landtagskommission müsse jede Online-Durchsuchung genehmigen und überwachen. „Gerade weil es sich um einen Eingriff in das informelle Selbstbestimmungsrecht handelt, haben wir die Hürden so hoch gelegt", sagte Pelzer. Bisher sei das Gesetz noch nicht angewandt worden.

Unterdessen haben Atomkraftgegner nach eigenen Angaben beim Bundesverfassungsschutzgericht Verfassungsschutzbeschwerde gegen das NRW-Gesetz eingelegt. Dieses sei so unspezifisch, dass es Missbrauch Tür und Tor öffne, erklärten Vertreter mehrerer Anti-Atomkraft- Initiativen.

Zuvor hatte schon der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) angekündigt, Verfassungsbeschwerde gegen die NRW-Regelung erheben zu wollen. Er sehe sich durch das BGH-Urteil bestärkt, dass Online-Durchsuchungen ein verfassungswidrig

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AFP 05.02.2007 

Heimliche Computer-Ausspähung ist unzulässig

Roland Magunia

Karlsruhe (AFP) - Nachdem der Bundesgerichtshof die heimliche Computer-Ausspähung durch die Polizei für unzulässig erklärt hat, wollen Union und SPD so rasch wie möglich eine Rechtsgrundlage für Online-Durchsuchungen schaffen. Es sei unerlässlich, dass die Strafverfolgungsbehörden diese Möglichkeit erhielten, erklärte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Berlin. Laut BGH fehlt für derartige amtliche Hacker-Angriffe bisher eine eindeutige Ermächtigungsgrundlage im Gesetz. Dies solle auch so bleiben, forderte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.

Mit ihrer Entscheidung lehnten die Richter den Antrag von Generalbundesanwältin Monika Harms ab, die den Computer eines mutmaßlichen Islamisten mit einem herkömmlichen Durchsuchungsbefehl heimlich auf Beweise durchforsten lassen wollte. Die Fahnder hatten vorgehabt, wie bei einem Hacker-Angriff ein Programm zu installieren, um den Inhalt der Festplatte des mutmaßlichen Islamisten komplett und online auf einen Computer der Fahnder zu kopieren. Danach sollte sich die Spionagesoftware de-installieren.

Laut BGH ist die verdeckte Online-Durchsuchung jedoch nicht durch die Vorschrift zu Hausdurchsuchungen gedeckt, weil diese laut Strafprozessordnung "offen" vorgenommen werden müssen. Der Beschuldigte hat dabei etwa das Recht, bei der Durchsuchung selbst anwesend zu sein und Zeugen daran zu beteiligen. Zwar könnten andere Ermittlungsmaßnahmen wie etwa das Abhören von Telefonaten oder ein Lauschangriff ohne Wissen des Beteiligten vorgenommen werden. Die formalen Anforderungen dafür seien aber sehr viel höher als bei einer Hausdurchsuchung.

Die Rechtsexperten von CDU/CSU und SPD, Wolfgang Bosbach und Dieter Wiefelspütz, kündigten in der "Frankfurter Rundschau" an, dass nun rasch eine Rechtsgrundlage für verdeckte Online-Ermittlungen geschaffen werde. Solch ein schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre solle aber nur erlaubt werden, wenn ein Richter sie angeordnet habe, sagten beide Politiker. Unions-Innenexperte Hans-Peter Uhl (CSU) forderte Online-Durchsuchungen auch bei Kinderpornografie.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, verlangte von der Bundesregierung eine schlüssige Begründung der Notwendigkeit solcher Ermittlungsmethoden. Schaar äußerte ebenfalls Bedenken und empfahl wegen "unlösbarer praktischer Fragen", das Projekt Online-Durchsuchungen nicht weiter zu verfolgen.

Bislang ist nur in Nordrhein-Westfalen ein heimliches Ausspähen von Computern zulässig, und dies auch nur zur "allgemeinen Gefahrenabwehr".

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TAZ 5.2.07:

Demo statt Atommüll

In Münster demonstrieren Hunderte gegen das Lager Ahaus - und geheime Atomtransporte aus Gronau

MÜNSTER dpa/taz Über 400 Atomkraftgegner haben am Samstag in Münster gegen eine geplante Nutzungserweiterung für das Brennelemente-Zwischenlager in Ahaus demonstriert. Die Sicherheitsbedingungen für die Erweiterung seien nicht ausreichend, sagte Matthias Eickhoff, Sprecher des Aktionsbündnisses Münsterland gegen Atomanlagen. Auch werde die Öffentlichkeit zu wenig über die Pläne informiert. Die Betreibergesellschaft des Zwischenlagers hatte beantragt, künftig neben hochradioaktiven Abfällen aus Kernreaktoren auch schwach- und mittelradioaktives Material lagern zu dürfen.

Mit der Nutzungserweiterung könnten etwa schwach strahlenbelastete Teile abgebauter Kraftwerke und mittelradioaktiver Abfall von Brennstäben deutscher Kraftwerke, die im französischen La Hague aufbereitet werden, nach Ahaus kommen. Es fehlten aber sichere Lagerplätze. Bei schwach belastetem Material sei geplant, auf die Aufbewahrung in Containern zu verzichten. "Zum Teil soll der Atommüll unverpackt gelagert werden", sagte Eickhoff.

Mit Pfiffen und Plakaten wandten sich die Atomkraftgegner auch gegen die mangelnde Information der Bürger. "Wir haben die Befürchtung, dass wir zum Endlager werden sollen", sagte eine Demonstrantin aus Ahaus. Es werde weder veröffentlicht, was genau eingelagert werden solle, noch woher das Material stammen könnte.

Der Protest richtete sich auch gegen regelmäßige Urantransporte quer durch NRW. Die Transporte zur Belieferung der einzigen deutschen Uran-Aufbereitungsanlage in Gronau würden völlig geheim gehalten und seien gefährlich, sagte Eickhoff. "Wenn man glaubwürdig aus der Atomenergie aussteigen will, muss man zuerst aus der Urananreicherung aussteigen."

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Westline 4.2.07:

Protest gegen Ausbau des Zwischenlagers in Ahaus

In weißen Schutzanzügen demonstrierten Atomkraftgegner in Münster gegen die Erweiterungspläne für das Brennelement-Zwischenlager Ahaus.

Münster/Ahaus (wl) &endash; Knapp 400 Atomkraftgegner haben am Samstag in Münster gegen eine Nutzungserweiterung für das Brennelemente-Zwischenlager in Ahaus demonstriert

Die Sicherheitsbedingungen für die Erweiterung seien nicht ausreichend, sagte Matthias Eickhoff, Sprecher des Aktionsbündnisses Münsterland gegen Atomanlagen. Die Betreibergesellschaft des Lagers hatte beantragt, künftig neben hoch radioaktiven Abfällen aus Kernreaktoren auch schwach- und mittelradioaktives Material lagern zu dürfen. .

Damit könnten auch schwach strahlende Teile abgebauter Kraftwerke und mittelradioaktiver Abfall von Brennstäben deutscher Kraftwerke, die im französischen La Hague aufbereitet werden, nach Ahaus kommen. Die Zukunft des Antrages aus Ahaus ist ungewiss. .

Erst am Donnerstag hatte die Bezirksregierung Münster mitgeteilt, der Antrag der Betreibergesellschaft sei unvollständig und eine Entscheidung könne sich jahrelang hinauszögern

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Junge Welt 5.2.07:

Demonstration gegen Urantransporte

Atomkraftgegner protestierten in Münster. Entsorgung von radioaktivem Müll nach Rußland in der Kritik

Reimar Paul

Rund 400 Menschen haben am Samstag in Münster für einen sofortigen Ausstieg aus der Atomkraft demonstriert. Sie wandten sich zudem gegen die neuerliche Einlagerung von Atommüll ins Zwischenlager Ahaus sowie gegen Urantransporte und den Betrieb der Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau. Die Atomkraftgegner waren unter anderem mit zwei Autokorsos aus Ahaus und Dortmund nach Münster gekommen. In mehreren Städten gab es Zwischenkundgebungen.

»Wir wollten mit den mobilen Demonstrationen zeigen, wie viele Orte der Region direkt von der Atomenergie betroffen sind«, sagte Felix Ruwe von der Bürgerinitiative »Kein Atommüll in Ahaus«. Allein die Uranzüge von und nach Gronau passierten regelmäßig rund 30 Städte und Gemeinden der Region.

Auf der Kundgebung in Münster sprachen Vertreter von Antiatomkraft-initiativen aus Frankreich, Gorleben, Neckarwestheim und Dresden. »Die Vernetzung der Initiativen untereinander &endash; auch über die Grenzen hinweg &endash; ist uns sehr wichtig«, so Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen. Auch die Atomindustrie arbeite international. Dagegen wolle man in Zukunft durch Kooperationen mit Initiativen aus Frankreich, den Niederlanden und Rußland Druck machen.

Erst am Mittwoch war wieder ein ?Urantransport mit rund 1000 Tonnen von Gronau über Münster nach Rußland gefahren. Dagegen hatte es an mehreren Orten spontane Proteste gegeben. „Die Urenco Deutschland schickt als Betreiberin der UAA Gronau ihren Uranmüll über Tausende von Kilometern nach Rußland zur Endlagerung. Das ist ein Skandal, weil die Menschen in Sibirien nun stetig wachsende Uranmüllberge made in Gronau vor der Tür liegen haben«, kritisierte Eickhoff. Im November 2006 hatten russische Umweltschützer deshalb bei der Staatsanwaltschaft Münster Strafanzeige gegen die Urenco wegen des Verdachts auf illegalen Atommüllexport gestellt.

In der Urananreicherungsanlage Gronau wird Uran für Atomkraftwerke angereichert. Grundsätzlich ist dort auch eine höhere Anreicherung möglich, so daß Uran für Atombomben genutzt werden könnte. Mit derselben Technologie arbeiten auch die iranischen Anreicherungsfabriken. Daß Deutschland deshalb bislang mit Sanktionen oder sogar militärischen Angriffen gedroht worden wäre, ist bislang nicht bekannt geworden.

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Westfälische Rundschau 04.02.2007

Protest gegen tödliche Transporte

Rund 40 Atomkraftgegner demonstrierten gegen die Urantrans-porte, die mitten durch Lünen rollen.

Lünen. (kes) Tödliche Gefahren können von den mit Uranhexafluorid beladenen Zügen ausgehen, die durch Lünen fahren und öfter auch stehen bleiben. Darauf machten am Samstag Mitglieder von Bürgerinitiativen aus Waltrop und Hamm zusammen mit besorgten Lüner Bürgern bei einer Demonstration vor dem Hauptbahnhof aufmerksam.

Es war nur eine kleine, 30 Minuten dauernde Zwischenkundgebung, denn die Initiatoren des Protestes waren auf dem Weg zu einer großen Demonstration in Münster. Die Lüner Grünen mit Erika Roß an der Spitze sowie Mitglieder des Friedenskreises unterstützten die Akteure. Auch die örtliche WASG war mit einem Transparent erschienen.

"Jede Stadt an der Strecke muss wissen, was passieren kann", rief Horst Blume von der BI Hamm ins Megaphon. Die Züge würden oft nachts in Bahnhöfen nicht einmal bewacht. "Kommt Uranhexafluorid mit Luft in Berührung, entsteht die gefährliche Flusssäure." Ein kleiner Spritzer auf die Haut sei tödlich, ergänzte Wolfgang Porrmann von der Initiative MEGA aus Waltrop.

Es sei das Ziel der Proteste, den Transport des Stoffes zur Unrananreicherungsanlage in Gronau zu stoppen.

"Die Anreichung ist sinnlos, wir haben den Atomausstieg und brauchen keine Brennstäbe." Viele Kommunen würden sich herausreden, aber der Lüner Bürgermeister Hans Wilhelm Stodollick nicht, lobte Porrmann. Er kümmere sich inzwischen um die Transporte. Einen Autokorso, wie er angekündigt war, gab es am Samstag in Lünen nicht. Die Akteure waren mit einigen Pkw von einer Demonstration vor der Firma Uhde in Dortmund, die für einen Atomreaktor in Südafrika arbeitet, zum Hauptbahnhof gekommen und fuhren kurz nach 11 Uhr schon weiter. Die Lüner Unterstützer der kurzen Kundgebung sind dann nicht mehr mit nach Münster gefahren, wo später am Samstag rund 400 Atomkraftgegner für den sofortigen Atomausstieg demonstrierten. "Schon gar nicht mit Autos", meinte die Parteivorsitzende Erika Roß. Das sei ja wohl mit der Parteilinie nicht vereinbar.  

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dpa 03.02.2006

Atomgegner demonstrieren gegen Nutzungserweiterung 

Münster/Ahaus (dpa) &endash; Mehrere hundert Atomkraftgegner haben am Samstag in Münster gegen eine Nutzungserweiterung für das Brennelemente-Zwischenlager in Ahaus demonstriert.

Die Sicherheitsbedingungen für die Erweiterung seien nicht ausreichend, sagte Matthias Eickhoff, Sprecher des Aktionsbündnisses Münsterland gegen Atomanlagen. Auch werde die Öffentlichkeit zu wenig über die Pläne informiert. Die Betreibergesellschaft des Zwischenlagers hatte beantragt, künftig neben hochradioaktiven Abfällen aus Kernreaktoren auch schwach- und mittelradioaktives Material lagern zu dürfen.

Mit der Nutzungserweiterung könnten etwa schwach strahlenbelastete Teile abgebauter Kraftwerke und mittelradioaktiver Abfall von Brennstäben deutscher Kraftwerke, die im französischen La Hague aufbereitet werden, nach Ahaus kommen. Es fehlten aber sichere Lagerplätze, kritisierte Eickhoff. Bei schwach belastetem Material sei geplant, auf die Aufbewahrung in Containern zu verzichten. "Zum Teil soll der Atommüll unverpackt gelagert werden", sagte Eickhoff.

Die Atomkraftgegner waren mit zwei Autokolonnen und einem Fahrradkorso zu einer Kundgebung in der Innenstadt zusammengekommen. Mit Pfiffen und Plakaten wandten sie sich auch gegen die mangelnde Information der Bürger. "Wir haben die Befürchtung, dass wir zum Endlager werden sollen", sagte eine Demonstrantin aus Ahaus. Es werde weder veröffentlicht, was genau eingelagert werden solle, noch woher das Material stammen könnte, kritisierte Eickhoff. "Das ist pure Geheimniskrämerei."

Die Zukunft des Antrages aus Ahaus ist derweil ungewiss. Am Donnerstag hatte die Bezirksregierung mitgeteilt, der Antrag der Betreibergesellschaft sei noch unvollständig und eine Entscheidung könne sich jahrelang hinauszögern.

Der Protest des Anti-Atom-Bündnisses richtete sich auch gegen regelmäßige Urantransporte quer durch das Münsterland. Die Transporte zur Belieferung der einzigen deutschen Uran-Aufbereitungsanlage in Gronau würden völlig geheim gehalten und seien gefährlich, sagte Eickhoff. "Wenn man glaubwürdig aus der Atomenergie aussteigen will, muss man zuerst aus der Urananreicherung aussteigen." 

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TAZ 03.02.2007

radioaktiver müll für nrw

Transporte müssen öffentlich sein

Gefährlich?! Iwo! Die Atomstandorte in NRW, vorneweg die Urananreicherungsanlage in Gronau und das Zwischenlager in Ahaus, waschen ihre Hände in reaktorwarmer Unschuld, wenn ihre Streben nach neuem Atommüll infrage gestellt wird. Um Proteste zu vermeiden, behält die Atomindustrie im Land die interessantesten Details über neue Transporte lieber für sich. Deshalb müssen ihnen wenigstens die Genehmigungsbehörden auf die Finger schauen. Denn wie gefährlich Atomlieferungen aus dem Ausland tatsächlich sind, ist umstritten, und somit für Laien umso wenig durchschaubar. In jedem Fall bleibt ein mulmiges Gefühl, wenn verstrahlte Behälter durchs Land rollen, und niemand weiß bescheid. Denn der erste große Unfall wird der letzte sein.

KOMMENTAR VON MORITZ SCHRÖDER

Erst durch Recherchen von Anti-Atom-Gruppen sind Anfang Dezember Uran-Züge aus Frankreich mit dem Ziel Gronau enttarnt worden. Luftige schwarze Folien sollten den Wagons einen harmlosen Anschein geben. Das Zwischenlager Ahaus will in einigen Jahren sogar gänzlich unverpackten Strahlungsmüll aus stillgelegten Atomkraftwerken aufnehmen. Aus welchen AKWs der kommen soll, wird nicht verraten. Gerade in Ahaus hat sich jedoch gezeigt, wie leichtfertig die Betreiber des Lagers mit ihrem Sondermüll umgehen. Dort regnete es durch Lüftungslöcher im Hallendach. Die Metallbehälter, die den strahlenden Inhalt daran hindern sollen, die Umwelt zu vergiften, fingen an zu rosten. Noch bis ins vergangene Jahr hinein mussten deren Schutzdeckel aufwändig geschliffen, neu grundiert und lackiert werden.

Für die Verwaltung des Zwischenlagers ist das eine unwesentliche Störung. Die Bevölkerung wüsste darüber wohl nichts, würden Umweltverbände nicht ständig ein kritisches Auge auf die Anlagen in Gronau und Ahaus werfen. Weil die Betreiber es nicht tun und auch UmweltaktivistInnen mal schlafen, sollten die Behörden dafür sorgen, dass jeder Transport, jeder Vorfall, jede Genehmigung bekannt werden.

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wdr Text 03.02.2007

Atomkraftgegner treffen sich in Münster

Mehrere Hundert Teilnehmer haben am Samstag in Münster gegen eine Nutzungs- erweiterung für das Brennelemente-Zwischenlager in Ahaus demonstriert. Die  Sicherheitsbedingungen für die Erweiterung seien nicht ausreichend,sagte Matthias Eickhoff, Sprecher des Aktionsbündnisses Münsterland gegen Atomanlagen.

Die Betreibergesellschaft hatte beantragt, künftig neben radioaktiven Abfällen aus Kernreaktoren auch schwach und mittelradioaktives Material lagern zu dürfen.

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wdr 03.02.2007

REGIONALNACHRICHTEN - SCHLAGZEILEN

Atomkraftgegner demonstrieren

In der Innenstadt von Münster demonstrieren am Samstag 300 Atomkraftgegner aus dem Münsterland. Sie wenden sich gegen die geplante Einlagerung weiteren Atommülls im Zwischenlager Ahaus und gegen den Ausbau der Urananreicherungsanlage Gronau. Da es immer noch kein Endlager für radioaktive Abfälle gibt, fürchten sie, dass der in Ahaus gelagerte Atommüll deutlich länger dort liegen wird als ursprünglich geplant.

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Reuters 03.03.2007

Wieder Störfall im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark

Stockholm (Reuters) - Im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark ist in der Nacht zum Samstag wieder ein Reaktor abgeschaltet worden.

Grund dafür seien Probleme mit einer Gummidichtung, teilte der schwedische Konzern Vattenfall

am Samstag mit, der das Kraftwerk zusammen mit dem deutschen Unternehmen E.ON und der Mellansvensk Kraftgrupp betreibt. Damit ist zum dritten Mal innerhalb einer Woche ein Atomreaktor in Schweden wegen technischer Probleme abgeschaltet worden.

Der betroffene Reaktor Forsmark 1 war bereits im vergangenen Jahr nach einem Kurzschluss für längere Zeit stillgelegt worden. Nach Angaben von Vattenfall hat die betroffene Gummidichtung keine keine sicherheitstechnische Funktion im Normalbetrieb. Sie sei aber nötig, um im Fall eines Rohrbruchs im Reaktorgehäuse einen bestimmten Druck aufrecht zu erhalten.

In der vergangenen Woche wurden die Reaktoren 1 und 3 im Kraftwerk Ringhals wegen technischer Probleme heruntergefahren. Damit setzte sich eine Serie von Störfällen in Schwedens Atomindustrie fort, die die Branche seit Monaten erschüttert.

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taz 03.02.2007

Raus gegen Ahaus!

Kein Lager in Ahaus, keine Aufbereitung in Gronau: Im Münsterland gehen heute Anti-Atom-Initiativen auf die Straße. Die Erweiterung der beiden Atomstandorte soll gestoppt werden

VON MORITZ SCHRÖDER

Wenn Atommüll durchs Land fährt, weiß die Bevölkerung meistens nichts. Verschiedene Anti-Atomkraftinitiativen demonstrieren daher heute in Münster gegen Erweiterungspläne des Brennelemente-Zwischenlagers (BZA) in Ahaus und der Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau, die NRW in Zukunft mehr Strahlungstransporte bescheren könnten.

Vor dem Auftakt der zentralen Demo um 13 Uhr vom münsterschen Prinzipalmarkt finden Kundgebungen in Altenberge, Dortmund, Lüdinghausen, Lünen und am Hauptbahnhof Münster statt. "So wollen wir zeigen, wie viele Orte in NRW inzwischen von der Atomwirtschaft betroffen sind", sagt Matthias Eickhoff von der Gruppe für den sofortigen Atomausstieg (SOFA). In Altenberge im Kreis Steinfurt werden etwa die Urantransporte aus der Gronauer Anlage nach Russland thematisiert, die den Ort passieren. Der Auftakt in Dortmund findet vor der Firma Uhde statt, die Anlagenteile für einen Hochtemperaturreaktor in Südafrika hergestellt hat.

In Zukunft könnte noch mehr Strahlungsmüll durchs Land fahren, befürchten die InitiatorInnen der Demonstration. Die Anreicherungsanlage in Gronau erweitert zurzeit ihren Betrieb, um in Zukunft statt 1.800 bald 4.500 Tonnen Uran verarbeiten zu können. Das Zwischenlager Ahaus hat bereits Genehmigungen für die Einlagerung von neuen mittelradioaktiven Abfällen aus der französischen Wiederaufbereitung und Anlagenteilen aus stillgelegten Atomkraftwerken gestellt. Die Ahauser Halle ist bisher nur zu zehn Prozent gefüllt.

Gestern wurde bekannt, dass einer der beiden Anträge aus Ahaus, der an die Bezirksregierung Münster ging, noch viele technische Lücken enthält. "Der Antrag ist rudimentär. Sowohl über die Art der Behälter, der zu lagernden Gegenstände und die Frage, wo und wie gelagert wird, muss noch mehr informiert werden", sagt Sigrun Rittich von der Bezirksregierung. Über mangelnde Informationen für die Öffentlichkeit haben sich die Protestgruppen in Ahaus und Umgebung in der Vergangenheit immer wieder beschwert. "Die Bürger werden mal wieder im Unklaren gelassen", sagt Eickhoff. Für die Menschen, die von den Transporten betroffen seien, sei nicht nachvollziehbar, was wirklich beantragt werde.

"Die Laufzeit des Zwischenlagers wird mit jeder neuen Genehmigung weiter verlängert", kritisiert außerdem Felix Ruwe von der Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus". Rüdiger Sagel, Atomexperte der Grünen im Landtag, befürchtet sogar, dass Ahaus zum Atom-Endlager werden könnte, weil die bisher diskutierten Lager in Gorleben und Salzgitter noch umstritten sind: "Es gibt berechtigte Befürchtungen, dass Ahaus dauerhaft zum Endlager wird", sagt Sagel.

"Das sind sprachliche Verirrungen", wehrt Michael Ziegler, Sprecher des BZA, die Kritik ab. Der gewünschte Strahlungsmüll werde maximal zehn Jahre lang in Ahaus stehen. "Im Jahr 2036 ist die Lagerung hier am Ende." Mit Blick auf die heutige Demo warnt Ziegler eher vor der "Erzeugung von Angstmechanismen".

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Münsterland Zeitung 02.02.2007

BZA muss Antrag ergänzen

Ahaus - Noch völlig offen ist die Dauer des Genehmigungsverfahrens für die Einlagerung von schwach- und mittelradioaktiven Stoffen im Ahauser Zwischenlager. Wie die Bezirksregierung Münster als Genehmigungsbehörde gestern mitteilte, muss der Antragsteller den Antrag noch "in erheblichem Umfang" ergänzen, vor allem um technische Unterlagen. Bevor die Bezirksregierung dann mit der Prüfung beginnt, wird sie voraussichtlich erst Stellungnahmen von einem unabhängigen technischen Gutachter einholen, der nach Bedarf weitere ergänzende Unterlagen anfordert. Bei vergleichbaren Verfahren haben sich die Ergänzungen über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckt. Die Bezirksregierung, so heißt es in einer Presseerklärung, "nimmt die Ängste und Besorgnisse der Bürger sehr ernst". Für die Einlagerung der schwach- und mittelradioaktiven Stoffe sind laut Antrag verschiedenartige Behälter vorgesehen. Soweit zulässig sollen größere, sehr gering strahlende Anlagenteile auch außerhalb von Behältern zwischengelagert werden und - wenn gefordert - in Folie verpackt oder versiegelt werden. Die Zwischenlagerung wird für maximal zehn Jahre beantragt. Ob bauliche Veränderungen am Lagergebäude nötig werden, soll im Rahmen des Genehmigungsverfahrens geprüft werden.

Atomkraftgegner aus Ahaus werden am morgigen Samstag um 10 Uhr ab Bahnhof in einem Autokorso zu einer Demonstration nach Münster aufbrechen. Die zentrale Kundgebung beginnt um 13 Uhr auf dem Prinzipalmarkt. >> www.bi-ahaus.de

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ddp 02.02.2007

Veranstalter erwarten am Samstag mehrere Hundert Teilnehmer

Atomkraftgegner demonstrieren in Münster

(PR-inside.com 02.02.2007 19:46:28) - Mehrere Hundert Teilnehmer werden am Samstag (13.00 Uhr) zu einer Demonstration gegen Atomkraft in Münster erwartet. Wie ein Sprecher der Anti-Atomkraft-Initiativen am Freitag mitteilte, machen sich zuvor zwei Autokorsos von Ahaus und Dortmund aus auf den Weg zu der Kundgebung. Zudem ist in Münster noch eine Fahrraddemo am Hauptbahnhof geplant.

Münster (ddp-nrw). Mehrere Hundert Teilnehmer werden am Samstag (13.00 Uhr) zu einer Demonstration gegen Atomkraft in Münster erwartet. Wie ein Sprecher der Anti-Atomkraft-Initiativen am Freitag mitteilte, machen sich zuvor zwei Autokorsos von Ahaus und Dortmund aus auf den Weg zu der Kundgebung. Zudem ist in Münster noch eine Fahrraddemo am Hauptbahnhof geplant.

Mit der Kundgebung wollen die Initiativen ihren Widerstand gegen den Betrieb des Brennelemente-Zwischenlagers in Ahaus und den Ausbau der Urananreicherungsanlage in Gronau zum Ausdruck bringen. Dabei soll Regierungspräsident Jörg Twenhöven (CDU) eine Resolution übergeben werden.

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Ruhr Nachrichten 02.02.07

Radioaktive Transporte auch durch Selm

Selm - Gehen von den zahlreichen Uranhexafluorid-Transporten durch das Stadtgebiet von Selm Gefahren für die Bevölkerung aus? Das ist die zentrale Frage einer mehrteiligen Anfrage, die die UWG-Fraktion in der nächsten Sitzung des Ausschusses für Feuer- und Zivilschutz der Stadt Selm von Bürgermeister Jörg Hußmann beantwortet haben möchte. UWG-Fraktionsvorsitzende Maria Lipke - (Foto) fragt weiter:

Gibt es Katastrophenschutzpläne und -kapazitäten im Falle eines Unfalls?

Ist die örtliche Feuerwehr auf die Bekämpfung eines Unfalls mit Freisetzung von Fluss-Säure und radioaktiven Substanzen in irgendeiner Weise vorbereitet?

Ist es möglich, einen Sachstandsbericht der Stadt Lünen einzuholen?

Der UWG-Fraktion, so Lipke, sei von der Stadtverwaltung bereits in der Ratssitzung vom 21. September 2006 bestätigt worden, dass Uranhexafluorid-Transporte per Güterbahn von Dortmund über Lünen und Selm nach Gronau zur Uranaufbereitungsanlage durchgeführt werden. Inzwischen sei bekannt, dass seit dem Jahr 2001 mehr als 1500 Züge mit über 2000 Tonnen des hochgiftigen und radioaktiven Giftes per Bahn durch Selm transportiert wurden. "Das sind 260 Urantransporte jährlich", betont Maria Lipke.

Die Stadt Lünen habe deshalb beim Bundesamt für Strahlenschutz angefragt, ob von diesen Transporten Gefahren für die Bevölkerung ausgehen. Darüber hinaus habe die Stadt Lünen mit Vertretern regionaler Anti-Atomkraft-Initiativen einen regelmäßigen Informations- und Meinungsaustausch vereinbart und arbeite einen Themenkatalog zum Thema ab.

Der Ausschuss für Feuer- und Zivilschutz der Stadt Selm tagt am 13. Februar um 17 Uhr im Feuerwehrhaus in Selm.

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WDR Text (125) 01.02.2007     

Initiativen: Ahaus nicht erweitern     

 Das Aktionsbündnis mehrerer Anti-Atom- 

 Initiativen im Münsterland hat sich ge-

 gen eine Nutzungserweiterung für das   

 Brennelemente-Zwischenlager in Ahaus   

 ausgesprochen. Die sichere Entsorgung  

 von Atommüll sei noch immer nicht ge-  

 währleistet, sagte Matthias Eickhoff   

 vom Bündnis in Münster.

 Die Betreibergesellschaft des Brennele-

 mente-Zwischenlagers hatte beantragt,  

 künftig neben den hoch radioaktiven Ab-

 fällen aus Kernreaktoren auch schwach- 

 und mittelradioaktives Material in     

 Ahaus lagern zu dürfen.

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junge Welt 02.02.2007

Uranzüge im Visier

Antiatominitiativen demonstrieren am Samstag in Münster

Reimar Paul

Gegen Urananreicherung, gegen neuen Müll im Zwischenlager Ahaus, gegen Atomtransporte und gegen längere AKW-Laufzeiten - Antiatominitiativen aus Nordrhein-Westfalen rufen für diesen Samstag zu einer Demonstration in Münster auf. Von Ahaus und Dortmund starten am Vormittag Autokonvois.

Erst in der Nacht zum Donnerstag war von der Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau ein weiterer Zug mit abgereichertem Uran Richtung Rußland gestartet. Der Transport habe aus 19 Waggons bestanden, berichteten Augenzeugen. In den Bahnhöfen von Burgsteinfurt und Münster demonstrierten Atomkraftgegner mit Mahnwachen. Das abgereicherte Uran ist ein Abfallprodukt der Anreicherung. Die Initiativen kündigten an, künftig noch stärker als bisher auf eine internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen die Urantransporte von und nach Gronau zu setzen. Die dortige Anlage soll auf das Dreifache ihrer bisherigen Kapazität ausgebaut werden, damit könnte die Fabrik auch Atomkraftwerke im Ausland mit »Brennstoff« versorgen.

Die Atomkraftgegner sind auch darüber empört, daß weiterer Atommüll ins Zwischenlager Ahaus gebracht werden soll. Die Bezirksregierung Münster habe angekündigt, künftig sogar radioaktiv verstrahlte Anlagenteile ungeklärter Herkunft einlagern zu lassen, erklärte die Bürgerinitiative Ahaus. Die AKW-Gegner fordern die Bezirksregierung Münster und das Bundesamt für Strahlenschutz auf, die Genehmigungsanträge abzulehnen. Die Demonstration beginnt am Sonnabend um 13 Uhr mit einer Kundgebung auf dem Prinzipalmarkt.

aktionsbuendnis-muensterland.de

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Wormser Zeitung 01.02.2007

Lage im AKW Forsmark war "dramatisch"

Mitarbeiter schildern Störfall vom Juli/Nach Kritik an "Verfall der Sicherheitskultur" Ausbaupläne gestoppt

STOCKHOLM (dpa) Der schwedische Vattenfall-Konzern hat eine geplante Kapazitätserweiterung des Atomkraftwerkes Forsmark wegen der öffentlichen Debatte über Sicherheitsmängel aufgeschoben. Das Unternehmen wechselte nach massiver, auch interner Kritik an einem "langfristigen Verfall der Sicherheitskultur" auch zwei leitende Mitarbeiter der Kraftwerksleitung aus.

Das Unternehmen war Anfang der Woche wegen Sicherheitsmängeln vor und nach einem als ernst eingestuften Zwischenfall am Forsmark-Reaktor 1 Ende Juli 2006 massiv attackiert worden. Experten aus dem Werk selbst sprachen von einem immer stärkeren wirtschaftlichen Druck bei der Arbeit.

Zudem gab es Berichte über unzulässigen Alkoholkonsum in dem Kraftwerk. Die staatliche Strahlenaufsicht SKI zeigte den Forsmark-Betreiber wegen des Verdachts strafbarer Handlungen bei dem Störfall bei der Staatsanwaltschaft an.

Im schwedischen Fernsehen berichtete eine Mitarbeiterin aus dem Forsmark-Kontrollraum, sie habe die Minuten nach dem Stillstand von Reaktor 1 als dramatisch erlebt. Dabei waren etwa 20 Minuten lang Computer zur Überwachung der Anlage ausgefallen. Wegen des Stromausfalles auch im Kontrollraum habe man auch nicht gewusst, ob es im Reaktor brenne. Auch einige der für diesen Störfall möglichen Maßnahmen zur Kühlung des stillstehenden Reaktors hätten wegen des Stromausfalls nicht ausgeführt werden können.

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WDR - 01. Feb 09:30

Das Aktionsbündnis mehrerer Anti-Atom-Initiativen im Münsterland hat sich gegen eine Nutzungserweiterung für das Brennelemente-Zwischenlager in Ahaus ausgesprochen. Die sichere Entsorgung von Atommüll sei noch immer nicht gewährleistet, sagte Matthias Eickhoff vom Bündnis in Münster.

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