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Ludwigsburger Kreiszeitung, 29.11.06

Gegenwind für die EnBW

Atomkraftgegner machen gegen längere GKN-Laufzeit mobil

Streit über Sicherheit von Neckarwestheim Keine Materialproben mehr im Atomreaktor Neckarwestheim - (pro) Die Haltbarkeit der beiden Reaktordruckbehälter des Atomkraftwerks Neckarwestheim kann künftig nicht mehr durch aktuelle Materialproben überprüft werden.

Wie Baden-Württembergs Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) dem Bietigheim- Bissinger Grünen-Landtagsabgeordneten Franz Untersteller bestätigte, wurde die letzte Materialprobe im Sommer bei Revisionsarbeiten aus dein Kraftwerksblock GKN II entnommen. Atomkraftgegner kritisieren, dass die tatsächliche Materialermüdung der Reaktoren somit nicht mehr kontrollierbar sei. Die Neckarwestheimer Meiler würden daher "im Blindflug" gefahren. Dagegen hebt Gönner hervor, dass alle bisher ausgewerteten Proben die Sicherheit des Atomkraftwerks Neckarwestheim bestätigt hätten.

 

NECKARWESTHEM. Ein neues "Sicherheitsdefizit" machen Atomkraftgegner im Atommeiler Neckarwestheim aus. Dagegen meint Umweltministerin Tanja Gönner (CDU), die Sicherheit der beiden Reaktoren sei "nachgewiesen".

VON STEFFEN PROSS

Noch vor Jahresende will Betreiber EnBW - unterstützt von der Landesregierung - bekanntlich eine längere Laufzeit für den älteren Neckarwestheimer Kraftwerksblock GKN I beantragen. Dass damit die Frage nach der verbleibenden "Lebenserwartung" des Reaktors neu gestellt wird, überrascht nicht. Doch er-hält sie unerwartete Brisanz. Denn Gönner ließ den Bietigheimer Grünen-Landtagsabgeordneten Franz Untersteller jetzt wissen, dass sich in beiden Neckarwestheimer Reaktoren keine Materialproben mehr befinden, die eine aktuelle Überprüfung der Versprödung der Druckbehälter durch Radioaktivität er-möglichen würden: Im älteren Block GKN I wurde die letzte Probe bereits 1984 entnommen, in

GKN II in diesem Sommer.

Für Atomkraftgegner ist damit klar: Die tatsächliche Materialermüdung der Druckbehälter sei fortan nicht mehrüberprüfbar, die baden- württembergische Atomaufsicht verlasse sich auf bloße Hochrechnungen. Die Neckarwestheimer Meiler würden mithin "im Blindflug" gefahren, GKN I sogar schon seit 22 Jahren, kritisieren der Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar und das Aktionsbündnis Castor-Widerstand das Stuttgarter "Weihnachtsgeschenk" an EnBW. Eine Laufzeitverlängerung für GKN I komme angesichts der neuen "Sicherheitsdefizite" erst recht nicht in Frage. Ganz anders stellt Tanja Gönner den Fall in ihrem Brief an Untersteller dar: Die vier bisher ausgewerteten Materialproben aus Neckarwestheim belegten die Sicherheit der Anlage, ein - zum "Gau" führender - Bruch der Reaktorbehälter sei somit auszuschließen. Der inzwischen 30 Jahre alte Kraftwerksblock I könnte "ohne weitere Maßnahmen" noch 40 Jahre, der 1988 in Betrieb genommene Block GKN II gar noch über 100 Jahre sicher betrieben werden. `

Gretchenfrage Materialermüdung

Neben der ungelösten Frage der Endlagerung des Atommülls steht die nach der Lebensdauer der Reaktoren im Zentrum der Debatte um die Sicherheit der Atomkraft. Denn die Reaktordruckbehälter sind ständiger Neutronenbestrahlung ausgesetzt, was zur Versprödung des Materials führt. Um zu überprüfen, ob die vorausberechnete "Lebenserwartung" des Materials dessen tat-sächlicher Ermüdung entspricht, werden Proben in die Reaktorblöcke gehängt, die durch ihre Anordnung einer höheren Bestrahlung ausgesetzt sind als die Reaktor-wand. Durch die Auswertung dieser Proben sollen dann "sichere" Gesamtlaufzeiten für die Reaktoren hochgerechnet werden.

Während Atomkraftgegner darauf verweisen, dass etwa beim abgeschalteten Atomkraftwerk Stade die Materialermüdung schneller erfolgt sei als angenommen, gehen Befürworter der Kernenergie davon aus, dass eine geschickte Beladung der Reaktoren deren Lebensdauer erheblich verlängert.

(pro)

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Reuters 27.11.06

Merkel bekennt sich zur Atomenergie

Dresden (Reuters) - Kanzlerin Angela Merkel hat sich auf dem Bundesparteitag der CDU in Dresden eindeutig zum Fortbestand der Atomenergie bekannt.

Vor den rund 1000 Delegierten bezeichnete es die Parteivorsitzende am Montag als umweltpolitisch unsinnig, technisch sichere Kernkraftwerke abzuschalten. Die Reaktoren leisteten einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz, weil sie kein unweltschädliches Kohlendioxid ausstießen. Merkel positionierte sich damit erneut gegen den Koalitionspartner in der Bundesregierung, die am unter rot-grün beschlossenen Ausstieg aus der Technologie festhalten wollen.

"Sie werden sehen, eines Tages werden die Sozialdemokraten das auch einsehen. Es dauert nur halt immer etwas länger", sagte die Kanzlerin unter lautstarkem Applaus des Parteitages. Sie erinnerte an die anhaltende globale Erwärmung. Im Jahr 2020 werde es keinen Gletscher mehr auf der Zugspitze geben. Die Zeichen seien in Deutschland nur ganz klein sichtbar. Aber in Afrika gebe es bereits jetzt mehr Migration aus Umweltgründen als durch Bürgerkriege. "Das müssen wir verändern und wir haben das Zeug dazu", sagte die Kanzlerin.

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Wirtschaftswoche, 23.11.06

Deutschland isoliert

Heftige Kritik am Atomausstieg Deutschlands übt der Präsident des Deutschen Atomforums, Walter Hohlefelder. Praktisch alle Industrienationen reagierten auf den wachsendenEnergiehunger mit Plänen für Neubauten. Mit ihrem Festhalten am Ausstieg isoliere sich die Regierung international. Hohlefelder fordert zudem, die Laufzeiten der bestehenden Kernkraftwerke zu verlängern.

"Weder Europa noch der Rest der Welt lassen sich vom deutschen Kernenergieausstieg beeindrucken", sagte Hohlefelder am Donnerstag auf einer internationalen Konferenz der Branche in Berlin. Seit dem vor sechs Jahren von der rot-grünen Bundesregierung und der Atomindustrie vereinbarten Ausstieg hätten sich die weltweiten Rahmenbedingungen entscheidend verändert. "Die weltweite Nachfrage nach Energie wächst rasant, gleichzeitig wachsen damit die Herausforderungen an die Klimavorsorge", sagte der Chef des Lobbyverbands. Länder wie Frankreich, Großbritannien, die USA und Japan reagierten darauf mit dem Bau neuer Kernkraftwerke.

Zudem drängt die Atomindustrie darauf, die Laufzeiten der bestehenden Atommeiler auf die weltweit üblichen 40 bis 60 Jahre zu verlängern. Bei deutschen Anlagen seien im Durchschnitt nur 32 Jahre vorgesehen, kritisierte Hohlefelder. Deutschlands zweitgrößter Energiekonzern RWE hatte im September eine Laufzeitverlängerung für den Reaktor Biblis A in Hessen gestellt. Der Konzern will den 32 Jahre alten Meiler bis 2011 am Netz halten, drei Jahre länger als vereinbart. Dafür sollen offen gebliebene Atomstrommengen des stillgelegten AKW Mülheim-Kärlich auf Biblis A übertragen werden.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat angekündigt, den Antrag unter Verweis auf das Atomgesetz abzulehnen. Abschaltkandidaten unter den 17 deutschen Atomkraftwerken sind bis 2009 neben Biblis A auch Block A des Meilers Neckarwestheim und Brunsbüttel. Die Betreiber dieser beiden Kraftwerke, EnBW und Vattenfall, wollen ebenfalls längere Laufzeiten beantragen.

Jährlich bis zu 2,6 Milliarden Euro und mehr als 100 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) brächte es, wenn der Aussstiegsbeschluss revidiert und die Laufzeit auf 60 Jahre erhöht würde. Das hat das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität Köln errechnet. Weiterer Effekt: Der durchschnittliche Stromerzeugungspreis von heute 3,3 Cent pro Kilowattstunde würde bis zum Jahr 2030 nur auf 3,5 Cent klettern, während bei einer Nichtverlängerung ein Anstieg von 4,4 Cent zu erwarten ist.

Dass zumindest CDU und FDP den Wiedereinstieg in die Atomkraft vorbereiten, zeigt ein Beschluss der nordrhein-westfälischen Landesregierung: Sie hat der Rheinisch-Westfälischen Hochschule Aachen (RWTH) zwei neue Professuren für Kerntechnik zugesagt. Die Universität und das benachbarte Forschungszentrum Jülich finanzieren mit Unterstützung der deutschen Energiekonzerne zwei weitere Professuren.

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taz, 20.11.06

Experten bestätigen den Beinahe-GAU

Die deutsche Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit bewertet den Störfall im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark offenbar ähnlich dramatisch wie ein ehemaliger Konstrukteur. Der Betreiber Vattenfall dementiert diese Version weiterhin

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLF

Der Reaktor 1 des nahe Stockholm gelegenen schwedischen AKW Forsmark soll einem neuen Expertenbericht zufolge am 25. Juli nach dem Ausfall der gesamten Stromversorgung nur noch 18 Minuten vor einem GAU gestanden haben. Dies gehe aus einem internen Report der deutschen Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) hervorgehen, aus welcher das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner heute erscheinenden Ausgabe berichtet. Damit würden die unabhängige und für die Bundesregierung tätige sachverständigen Organisation die Einschätzung des ehemaligen Forsmark-Konstruktionschefs Lars-Olov Höglund teilen, über welche die taz bereits am 3. August berichtet hatte. Eine Stellungnahme der GRS war gestern nicht zu erhalten.

Laut Höglund hatte es auf einem bloßen Zufall beruht, dass Notstromgeneratoren die Kühlung des Reaktorkerns wieder sicherstellen konnten, nachdem das Kühlwasserniveau im Reaktortank bereits um die Hälfte auf eine Höhe von 1,90 m gesunken war. Bei einem Fortgang des Kühlwasserverlusts wären nach der - seitens der GRS nun offenbar bestätigten - Einschätzung Höglunds 18 Minuten später erste Teile des Reaktorkerns freigelegt worden. Mit der Folge einer Kernschmelze einige Stunden später.

Der Forsmark-Betreiber Vattenfall, der bereits im August versucht hatte, die Kompetenz ihres ehemaligen Konstruktionschefs in Zweifel zu ziehen, reagierte nun auch auf den Spiegel-Bericht mit einem Dementi. Unternehmenssprecher Göran Lundgren erklärte: "Das ist einfach nicht wahr. Es hat niemals eine solche Gefahr bestanden." Auch die schwedische Atomaufsichtsbehörde SKI hatte in ihrem Störfallbericht die Gefahr einer Kernschmelze verneint. Allerdings von einem "schwerwiegenden Vorfall" gesprochen, da "auf Sicherheitssysteme zurückgegriffen werden musste, die dann zum Teil nicht funktionierten".

Wie die Welt am Sonntag gestern unter Berufung auf deutsche Regierungskreise zusätzlich meldete, hätten Forsmark-Ingenieure bereits bei dem damaligen Regierungschef Göran Persson die Genehmigung eingeholt, das "Wallmann-Ventil" öffnen zu dürfen, um im Falle einer Kernschmelze Druck und radioaktiven Dampf aus dem Atomkraftwerk ablassen zu können.

Auf Anfrage der taz konnten am Sonntag weder Forsmark-Informationschef Claes-Inge Andersson noch SKI-Pressesprecher Anders Bredfell einen solchen Vorfall bestätigen. Sie halten ihn aber schon deshalb für unwahrscheinlich, weil eine AKW-Bedienungsmannschaft in alleiniger Verantwortung über einen solchen Schritt entscheiden würde.

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Kölnische Rundschau, 20.11.06

Atomkraftwerk entging knapp Katastrophe

VON SIBYLLE QUENETT, 20.11.06

Der Betreiber Vattenfall weist die Feststellungen der Gesellschaft für Reaktorsicherheit zurück.

Berlin - Der Störfall in dem schwedischen Atomkraftwerk Forsmark sorgt auch knapp vier Monate nach dem Ereignis für Unruhe. In einem Bericht der deutschen Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) von Mitte September, der dem "Kölner Stadt-Anzeiger" vorliegt, heißt es, dass der Reaktor nach dem Ausfall der Eigenstromversorgung nur noch 18 Minuten von einem äußerst kritischen Zustand entfernt gewesen sei. Nach dieser Frist wäre das Kühlwasser bei Versagen aller Sicherungssysteme bis auf die Oberkante des Reaktorkerns abgesunken. Das gesamte Kühlwasser wäre nach fünf Stunden verdampft gewesen.

Die Belegschaft des Atomreaktors hatte 15 Minuten, nachdem der Strom ausgefallen und auch die Notstromversorgung nur teilweise angesprungen war, Vorkehrungen für eine Druckentlastung des Reaktordruckbehälters getroffen. Sie wollte den radioaktiv verseuchten Kühlwasserdampf in einen Sicherheitsbehälter ablassen.

Der Kühlwasserstand stabilisierte sich jedoch nach 22 Minuten bei 1,9 Meter und erreichte nach 30 Minuten wieder mehr als 4,7 Meter. Kritisch wird vermerkt, dass mehrere Sicherheitsmaßnahmen wie "Lastabwurf auf Eigenbedarf und Umschaltung auf ein Reservenetz" fehlschlugen. Auch von "Planungsfehlern" ist die Rede. Zugleich wird festgehalten, dass mit den verfügbaren Einrichtungen "eine Beherrschung des Ereignisablaufs offensichtlich möglich" war.

Der schwedische Energiekonzern Vattenfall wies die Interpretation zurück, der Reaktor habe kurz vor einer Kernschmelze gestanden. Unternehmenssprecher Göran Lundgren sagte in Stockholm: "Das ist einfach nicht wahr. Es hat niemals eine solche Gefahr bestanden. Ich verstehe nicht, wo solche Behauptungen herkommen." Nach dem Störfall wurden neben Forsmark noch drei weitere Reaktoren gleicher Bauart bis zu drei Monate stillgelegt. (mit dpa)

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Kölnische Rundschau, 20.11.06

Restrisiko Super-GAU

VON HORST SCHIFFMANN

Nord- und Mitteleuropa standen im Sommer 2006 offenbar unmittelbar vor einer verheerenden radioaktiven Verseuchung. Anders lässt sich der Untersuchungsbericht der deutschen Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) über die dramatischen Vorgänge im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark vom 25. Juli wohl kaum interpretieren. Der Reaktor war nicht mehr steuerbar, die Bedienungsmannschaft agierte wie im Blindflug. Schon damals hatte der ehemalige Forsmark-Konstrukteur und -Direktor Lars-Olov

Höglund davon gesprochen, dass die Atomanlage nur sieben Minuten von einem Super-GAU - dem größten anzunehmenden Unfall - entfernt gewesen sei. Jetzt ist von 18 Minuten bis zur Kernschmelze die Rede - so oder so eine beunruhigend kurze Spanne.

Wie damals beteuert der Betreiber der Anlage, der auch in Deutschland groß agierende Energiekonzern Vattenfall, von einem möglichen Super-GAU könne nicht die Rede sein, man verstehe die ganze Diskussion nicht. Ein altes Spielchen, das jedes Mal dann eine Neuauflage erfährt, wenn es um die Bewertung eines Störfalles in einem Atomkraftwerk geht. Dabei sind gewisse Angaben von Vattenfall wieder GRS erstaunlich ähnlich. Etwa die über den Kühlwasserpegel: noch mehr als zwei Meter über dem Reaktorkern, so Vattenfall, 1,90 Meter laut GRS.

Grundsätzlich bleibt die nicht erst seit Tschernobyl gültige Binsenweisheit festzuhalten: Es gibt keine zu 100 Prozent sicheren Atomkraftwerke, egal, welcher Bauart. Ein Restrisiko bleibt - wie bei anderen hochtechnischen Anlagen auch. Wenn sie dennoch betrieben werden, dann in der innigen Hoffnung darauf und dem tiefen Glauben daran, dass die Sicherheitseinrichtungen greifen, mögliche Havarien also beherrschbar bleiben. Das macht die Stromproduktion aus Kernenergie für die Befürworter "verantwortbar".

Die zivile Nutzung der Atomkraft ist also letztlich eine politische Entscheidung - auch in Deutschland, wo sich die große Koalition an den von Rot-Grün mit der Industrie ausgehandelten geordneten Ausstieg gebunden fühlt. Noch jedenfalls. Denn gerade in der Bundesrepublik wird - paradoxerweise fast parallel zum Forsmark-Störfall - seit Monaten darüber diskutiert, die Laufzeiten der bestehenden Anlagen zu verlängern. Die Debatte beginnt, die Bundesregierung zu spalten. Kanzlerin Angela Merkel - einst Umweltministerin - bedauert offen, dass es nicht zu solchen Verlängerungen kommt. Der Koalitionspartner SPD beharrt auf dem Status quo und konserviert so ein wenig grünes Bewusstsein.

Kernkraftbefürworter argumentieren gern, mit Strom aus Atom lasse sich die Erderwärmung vermindern, wenn nicht sogar verhindern. Der enttäuschende Ausgang des UN-Klimagipfels im kenianischen Nairobi mag sie in dieser Ansicht bestärken. Dennoch: Die Lösung liegt in einem dritten Weg. Und der ist seit langem skizziert und führt über die erneuerbaren Energien: Sonne, Wasser, Wind. Darin liegen die ökologischen wie ökonomischen Potenziale der Zukunft.

Wer dagegen die Atomkraft ausbauen will, wie es Russland mit zwei Anlagen pro Jahr angekündigt hat, treibt ein gefährliches Spiel: Er riskiert eine atomare Katastrophe. Und die hätte wohl noch schrecklichere Folgen als die Klimakatastrophe.

horst.schiffmann ät mds.de

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DUH 19.11.2006

Beinahe-Katastrophe in Forsmark - DUH fordert Schluss der Debatte über Laufzeitverlängerungen

Berlin (ots) - Nach den heute veröffentlichten neuen Erkenntnissen über die Beinahe-Katastrophe im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark fordert die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) die Atomkraftwerksbetreiber RWE, EnBW, Vattenfall und E.ON auf, die Debatte über Laufzeitverlängerungen ihrer Altreaktoren sofort zu beenden.

"Die deutschen Atomkraftwerksbetreiber müssen den Weckruf aus Schweden zum Anlass nehmen, ihre Strategie zu überdenken. Die Atomkraftwerke Biblis A, Brunsbüttel und Neckarwestheim 1, die die Atomkonzerne länger betreiben wollen als im Atomkonsens vereinbart, sind sämtlich älter als der 1980 in Betrieb gegangene Siedewasserreaktor Forsmark 1. Es ist vollkommen unverantwortlich, sicherheitstechnisch veraltete Atomkraftwerke länger betreiben zu wollen und im Gegenzug die Laufzeit von Reaktoren aus jüngeren Baureihen zu verkürzen", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Er forderte die Atomkraftwerksbetreiber auf, "die Schlachten von gestern zu beenden und alle Anstrengungen auf eine Klima schonende und risikoarme Energieversorgung der Zukunft zu richten. Die Konzerne haben das Know-how, sie haben die Mittel und sie hätten sicherlich die Unterstützung einer überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung für einen solchen Strategiewechsel."

Baake erinnerte an die Initiative "Atomausstieg selber machen!" (www.atomausstieg-selber-machen.de"), die führende Umweltverbände, Verbraucherschutzorganisationen und Anti-AKW-Initiativen als Reaktion auf die Laufzeitverlängerungspläne der Konzerne Ende September gestartet haben. Sie erfahre ständig wachsenden Zuspruch. "Wir werden unsere Kampagne ausbauen und jeden einzelnen Stromkunden der großen Konzerne auffordern, nicht länger Atomstrom aus veralteten Reaktoren zu beziehen und seine Elektrizität stattdessen bei Ökostromern zu beziehen."

Der SPIEGEL berichtet in seiner neuen Ausgabe, das schwedische Atomkraftwerk Forsmark 1 sei Ende Juli näher an einer Kernschmelze vorbeigeschrammt als bisher öffentlich bekannt.

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Stern 18.11. 2006

AKW Forsmark

Reaktor kurz vor der Kernschmelze?

 © Roger Wikstrom/DPA

Zwei Dieselgeneratoren verhinderten offenbar den GAU: Das AKW im schwedischen Forsmark

Einem Medienbericht zufolge ist das schwedische Atomkraftwerk in Forsmark bei dem Störfall im Sommer nur knapp an einem GAU vorbeigeschliddert. Der Betreiber Vattenfall dementiert.

Vattenfall-Sprecher Göran Lundgren sagte am Samstag in Stockholm: "Das ist einfach nicht wahr. Es hat niemals eine solche Gefahr bestanden. Ich verstehe nicht, wo solche Behauptungen herkommen."

Lundgren wies damit einen Bericht der deutschen Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit zurück, den der "Spiegel" veröffentlicht hatte. Demnach war der Reaktor in Forsmark wegen Defekten bei zwei von vier Notstromaggregaten nur noch 18 Minuten von einer Kernschmelze entfernt gewesen. Lundgren sagte dazu: "Auch die Aufsichtsbehörden haben bestätigt, dass es keine Gefahr einer Kernschmelze gegeben hat. Das Kühlwasserniveau lag immer stabil über zwei Meter, und die Stromproduktion ist 22 Minuten nach dem Kurzschluss wieder mit voller Kraft angesprungen."

Kühlwasser knapp über dem Kern

Bei dem Störfall am 25. Juli waren nach einem Stromdefekt zwei von vier Notstromaggregaten für das Kühlwasser nicht wie vorgesehen automatisch angesprungen. Die staatliche schwedische Atomaufsicht SKI hatte danach sowohl den Reaktor in Forsmark wie drei weitere Reaktoren gleicher Bauart bis zu drei Monaten stilllegen lassen. Sie zeigte Vattenfall später wegen an.

Die deutsche Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) beruft sich in ihrem Bericht unter anderem auf Untersuchungen und Analysen von Vattenfall und der schwedischen Atomaufsicht. "Nach circa fünf Stunden wäre das gesamte Kühlmittelinventar verdampft gewesen", heißt es. Obwohl zwei der vier Generatoren wie vorgesehen starteten, sei der Füllstand innerhalb des Reaktordruckbehälters weiter bedrohlich abgesunken.

Die Rettung: zwei Dieselgeneratoren

Dieser stabilisierte sich erst 15 Minuten nach dem Ausfall der ersten Systeme - noch 1,90 Meter oberhalb des radioaktiven Kerns. Da habe die Mannschaft bereits Vorkehrungen getroffen, radioaktiven Dampf in den Sicherheitsbehälter abzulassen. Nur die zwei Diesel- Generatoren retteten, so die Experten, das AKW vor dem GAU.

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Die Welt 19.11.2006

STÖRFALL FORSMARK

Nordeuropa stand vor atomarer Katastrophe

Der Störfall im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark im Sommer war offenbar dramatischer als bisher bekannt. Der größte anzunehmende Unfall (GAU) wurde nach Informationen von WELT.de nur durch das Anspringen von zwei der vier Diesel-Notstromaggregate verhindert.

Von Peter Dausend

Bei dem Störfall im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark wäre es im Juli beinahe zu einer Katastrophe gekommen. Die Verantwortlichen der Anlage hatten sich bei dem damaligen Regierungschef Göran Persson bereits die Genehmigung eingeholt, das sogenannte "Wallmann-Ventil" zu öffnen. Das erfuhr WELT.de aus deutschen Regierungskreisen. Mit dem Öffnen des Ventils soll im Falle einer Kernschmelze Druck aus dem Atomkraftwerk abgelassen werden, um ein Bersten des Reaktors zu verhindern. Das Anspringen von zwei der vier Diesel-Notstromaggregate verhinderte dann den größten anzunehmenden Unfall (GAU).

Bei dem Störfall am 25. Juli griffen nach einem Stromdefekt die Notfallmaßnahmen nur mangelhaft. Die Kühlflüssigkeit sank bedrohlich ab und stabilisierte sich erst 1,90 Meter oberhalb des radioaktiven Kerns. Laut einem Bericht der deutschen Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) hätte ohne diese Stabilisierung der obere Teil des Kerns 18 Minuten später freigelegen. Die schwedische Atomaufsicht ließ den Reaktor des von Vattenfall betriebenen Kraftwerkes für drei Monate stilllegen.

Sowohl der schwedische Betreiber des Atomkraftwerkes wie auch das deutsche Kernforschungszentrum in Garching haben den Störfall nach Angaben von deutscher Seite mehrfach am Computer simuliert, ohne die Ursache zu finden. Es sei außerdem nicht klar geworden, warum zwei der vier Notstromaggregate plötzlich wieder ansprangen und zwei nicht. Die Unsicherheit sei deshalb besorgniserregend, da in Brunsbüttel an der Elbe ein Atomkraftwerk gleichen Bautyps stehe. Ein ähnlicher Störfall wie der in Schweden sei dort nicht auszuschließen.

NGO-online, 16.11.2006

"Horrorgemälde"

2100 neue Atomkraftwerke für den Klimaschutz?

Erneut setzen sich Atomkraftgegner mit dem Klimaargument auseinander. Hintergrund ist die Forderung der Internationalen Energie-Agentur (IEA), der Atomkonzerne und der Industrie nach einem verstärkten Einsatz der Atomenergie. Der Deutsche Naturschutzring (DNR) veröffentlichte jetzt eine Studie mit dem Titel "Atomenergie - Retter des Klimaschutzes"? Die von Professor Klaus Traube verfasste Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass man zustätzlich zu den bisherigen 442 Atomkraftwerken noch weitere 2100 Atomkraftwerke mit einer Leistung von jeweils 1000 Megawatt hinzubauen müsste, um damit die Hälfte der globalen Stromversorgung zu decken. Für DNR-Präsident Helmut Röscheisen ist das "ein wahres Horrorgemälde".

Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW hatte unlängst eine ähnliche Rechnung aufgemacht: "Um nur 10 Prozent der fossilen Energie zu ersetzen, müssten größenordnungsmäßig 1000 zusätzliche Atomkraftwerke errichtet werden."

Im Szenario von Professor Traube müsste der größte Teil der 2100 Atomkraftwerke vor allem in den Entwicklungsländern gebaut werden. Das würde etwa 5000 Milliarden Euro kosten, so Traube. Heute seien in den Entwicklungsländern mit 80 Prozent der Weltbevölkerung nur 4 Prozent der Atomenergiekapazitäten installiert, überwiegend in China und Indien. Der Anteil des Atomstroms dort betrage aber weniger als 3 Prozent des Stromverbrauches.

Knapp zwei Drittel der derzeitigen Atomkraftwerks-Kapazität entfielen heute auf nur vier Staaten: USA, Frankreich, Japan und Deutschland. Atomexperte Traube verwies darauf, dass die heutigen 442 Atomkraftwerke 66.800 Tonnen Uran pro Jahr benötigten. Beim Zubau weiterer 2.100 AKW bis zum Jahre 2030 wären bei Berücksichtigung eines verbesserten Wirkungsgrades 260.000 Tonnen jährlich erforderlich. Die Reichweite der bekannten Uranvorräte würde sich von heute 70 dann auf nur noch 18 Jahre reduzieren.

In Deutschland habe der Anteil des Atomstroms an der Stromerzeugung im Jahr 2005 26,3 Prozent betragen. "Strom deckte aber nur 20,4 Prozent des Endenergieverbrauchs, Atomstrom mithin nur 5,4 Prozent des Endenergiebedarfs." Angesichts dieses geringen Anteils an der Energieversorgung kann laut Traube die Atomenergie "vor allem durch Effizienzmaßnahmen bei der Energieerzeugung und -verwendung problemlos ersetzt werden, wie etwa durch die Verdoppelung des Anteils der Kraft-Wärme-Koppelung an der Stromerzeugung von derzeit 11 auf 22 Prozent bis 2012."

Der Deutsche Naturschutzring fordert eine Energieeffizienzstrategie der Bundesregierung mit dem Ziel, den Energieverbrauch pro Jahr um mindestens 3 Prozent zu reduzieren. Bis 2020 könne der heutige "viel zu hohe Energieverbrauch" nahezu halbiert werden. Die restliche Energieversorgung könne dann vorwiegend mit erneuerbaren Energien gedeckt werden.

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Linkszeitung, 17.11.06

DNR lehnt "Horrorvision" von 2100 neuen AKW ab

Naturschützer: Atomstrom rettet das Klima nicht

Berlin (ppa). Mit der Vorstellung seiner Studie "Atomenergie - Retter des Klimaschutzes?" reagierte der Deutsche Naturschutzring (DNR) am Donnerstag in Berlin auf die Forderungen der Internationalen Energieagentur IEA, der Atomkonzerne und der Industrie nach einem verstärkten Einsatz der Atomenergie. "Damit Atomstrom die Hälfte statt der heutigen 16 Prozent der globalen Stromerzeugung übernehmen könnte, müssten zu den bisherigen 442 AKW weitere 2.100 AKW zu je 1.000 MW neu installiert werden, ein wahres Horrorgemälde", sagte DNR-Generalsekretär Helmut Röscheisen.

In seiner vom Atomexperten Prof. Klaus Traube verfassten Studie wies der DNR darauf hin, dass der größte Teil dieser Atomkraftwerke vor allem in den Entwicklungsländern gebaut werden und dafür etwa fünf Billionen Euro aufgebracht werden müssten. Heute sind in den Entwicklungsländern mit 80 Prozent der Weltbevölkerung nur 4 Prozent der Atomenergiekapazitäten installiert, überwiegend in China und Indien. Der Anteil des Atomstroms dort beträgt aber weniger als 3 Prozent des Stromverbrauches. Knapp 2/3 der AKW-Kapazität entfallen auf nur vier Staaten: USA, Frankreich, Japan und Deutschland.

Atomexperte Traube verwies darauf, dass die heutigen 442 AKW 66.800 Tonnen Uran pro Jahr benötigen. Beim Zubau weiterer 2.100 AKW bis zum Jahre 2030 wären bei Berücksichtigung eines verbesserten Wirkungsgrades 260.000 Tonnen jährlich erforderlich. Die Reichweite der bekannten Uranvorräte würde sich von heute 70 auf nur noch 18 Jahre reduzieren.

In Deutschland betrug der Anteil des Atomstroms an der Stromerzeugung im vergangenen Jahr (2005) 26,3 Prozent. Strom deckte aber nur 20,4 Prozent des Endenergieverbrauchs, Atomstrom mithin nur 5,4 Prozent des Endenergiebedarfs. Atomenergie kann vor allem durch Effizienzmaßnahmen bei der Energieerzeugung und -verwendung problemlos ersetzt werden, wie etwa durch die Verdoppelung des Anteils der Kraft-Wärme-Koppelung an der Stromerzeugung von derzeit 11 auf 22 Prozent bis 2012. Der DNR forderte eine Energieeffizienzstrategie der Bundesregierung mit dem Ziel, den Energieverbrauch pro Jahr um mindestens 3 Prozent zu reduzieren.

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Deutschlandfunk, 16.11.06

Klimaschutz durch Kernkraftwerke?

Naturschutzring gegen Bau neuer Atommeiler

Von Dieter Nürnberger

Bei der Stromerzeugung aus Atomkraft entstehen kaum Treibhausgase wie Kohlendioxid. In Zeiten der weltweiten Erwärmung ist das ein wichtiges Argument gegen den Atomausstieg. Der Deutsche Naturschutzring setzt eine Studie dagegen, nach der die Atomenergie mitnichten einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.

Der Deutsche Naturschutzring hat sich die gegenwärtige Situation der Energieversorgung weltweit angeschaut. und man hat anhand von Szenarien hoch- und nachgerechnet und kommt deshalb zum Ergebnis, dass global gesehen die Nutzung der Kernenergie keinen nennenswerten Beitrag zu einer Verlangsamung des Klimawandels wird leisten können. Geschrieben hat die Studie Klaus Traube, der ja bekanntlich jahrelang in der deutschen wie auch US-amerikanischen Atomindustrie arbeitete, dann aber nach seinem persönlichen Ausstieg zum Kronzeugen gegen diese Technologie wurde.

Allein schon die Dimensionen, die nötig seien, um dieses Klimaschutzziel zu erreichen, seien unglaubwürdig, so der Naturschutzring. Denn gegenwärtig gibt es 442 Kernkraftwerke auf der Welt, und ein für das Klima spürbarer Ausbau würde mehr als fünf Billionen Euro kosten. Klaus Traube hält dies aber nicht nur allein aus finanziellen Gründen für unrealistisch:

"Man müsste ungefähr sechsmal soviel Atomkraftwerke in der Welt installieren, wie man jetzt hat. Das wäre noch mal die Größenordnung von 2200 großen Meilern mit einer Leistung von jeweils 1000 Megawatt - eine völlig unvorstellbare Dimension, auch wenn man bedenkt, dass ja durch den Terrorismus neue Gefahren bezüglich der Sicherheit dazugekommen sind. In einzelnen Ländern mag das ganz anders aussehen. Wenn also beispielsweise Deutschland die Atomenergie ausbauen würde, dann würde dennoch diese globale Betrachtung hinsichtlich des Klimawandels nicht wesentlich gestört werden. Denn Klimaschutz geht nur, wenn sich die gesamte Welt daran beteiligt. Und da kann die Atomenergie auch in Zukunft nichts Nennenswertes beitragen."

Bei einem derartigen Zubau müsste man zudem berücksichtigen, dass auch die weltweiten Uranvorkommen nicht so langfristig reichen würden wie notwendig. Derzeit würden knapp 70.000 Tonnen Uran pro Jahr benötigt, komme dieses Szenario eines massiven Ausbaus, dann wären dies zusätzlich rund 260.000 Tonnen jährlich. Klaus Traube sagt, dann wären die heute bekannten Uranvorräte bereits nach 18 Jahren verbraucht, und nicht erst nach 70 Jahren wie heute angenommen. Zudem verweist der anerkannte Atomkritiker auch auf politische Risiken, die sich durch eine weltweite Nutzung ergeben würden:

"Es würde auch bedeuten, dass in unkontrollierbaren und politisch instabilen Entwicklungsländern eine Atom-Infrastruktur aufgebaut wird. Und wir kennen ja die Beispiele Iran und Nordkorea. Das bedeutet: Durch einen solchen Ausbau könnten sich solche Länder letztendlich auch die Atombombe holen. Das würden wohl die großen Atommächte auch gar nicht zulassen."

Generell werde die Nutzung der Atomkraft weltweit auch überschätzt, so der Deutsche Naturschutzring. Die Entwicklungsländer stellen heute 80 Prozent der Weltbevölkerung, doch hier sind derzeit nur vier Prozent der Atomkraftkapazitäten installiert. Die Technik sei zudem viel zu teuer, sagt der Geschäftsführer des DNR, Helmut Röscheisen:

"In den meisten Ländern dieser Erde gibt es gar keine Atomenergie - allein deswegen, weil sie nicht nur riskant, sondern auch sehr teuer ist. Man muss auch beachten, dass rund 1,6 Milliarden Menschen derzeit überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben. Da kann doch die Antwort nicht die kapitalintensive Atomkraft sein. Die Antwort wird sein, dass dort dezentrale und erneuerbare Energien zu installieren sind. Die müssen auch finanziert werden, und da haben wir folgenden Vorschlag: Hier müssen die Hauptverursacher der Klimaveränderungen, also die Industrieländer, durch eine Abgabe auf den Flug- und Schiffsverkehr die nötigen finanziellen Mittel aufbringen. Erneuerbare Energien müssen dorthin, wo sie weltweit gebraucht werden."

Es gibt also aus Sicht des Naturschutzrings viele gravierende Argumente gegen einen globalen und massiven Ausbau der Atomkraft. Weltpolitische, sicherheitspolitische ebenso, und vor allem finanzielle.

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Greenpeace PD 14.11.2006

AKW sind überall gefährlich - nicht nur in Schweden

Nach Brand in schwedischem AKW: Greenpeace fordert sofortiges Abschalten von Uraltreaktoren

AKW: Greenpeace fordert sofortiges Abschalten von Uraltreaktoren

Hamburg, 14. 11. 2006 - Als Reaktion auf den Unfall im schwedischen Atomkraftwerk Ringhals 3 fordert Greenpeace die Bundesregierung auf, den alten Atomkraftwerken in Deutschland sofort die Betriebserlaubnis zu entziehen und alle weiteren Atomkraftwerke so schnell wie technisch moeglich abzuschalten. Heute Morgen war in der schwedischen Anlage ein Transformator in Brand geraten. Aus Sicherheitsgruenden gab es eine Schnellabschaltung des Reaktors. Der Ausloeser des Transformatorenbrands ist noch voellig ungeklaert. Das Kraftwerk wird von Vattenfall und E.ON betrieben.

"Es liegt in der Natur einer so komplexen Technologie, dass sie nicht wirklich zu beherrschen ist. Weil die gesundheitlichen Auswirkungen von Nuklearunfaellen aber so gewaltig sind, duerfen Atomkraftwerke nicht betrieben werden", sagt Thomas Breuer, Atomexperte von Greenpeace. Ringhals 3 ist ein sehr altes Atomkraftwerk. 1973 startete der Bau und ging acht Jahre spaeter Ende 1981 in den kommerziellen Betrieb. Ein fuer Greenpeace Deutschland entwickelter Risikoindikator zeigt auf, dass generell alte Atomkraftwerke stoeranfaelliger sind und hoehere Risiken aufweisen.

Vattenfall und E.ON betreiben in Deutschland gemeinsam die Atomkraftwerke Brokdorf, Kruemmel und Brunsbuettel. Brunsbuettel ist gemessen an dem Risikoindikator noch vor Biblis A (RWE) das problematischste Atomkraftwerk in Deutschland und gehoert zu den aeltesten. Bis Ende 2005 gab es in den von Vattenfall und E.ON gemeinsam gefuehrten Atomkraftwerken ueber 900 meldepflichtige Ereignisse.

"Die Bundesregierung muss jetzt reagieren und die alten Atomkraftwerke endgueltig vom Netz nehmen", sagt Thomas Breuer von Greenpeace. Greenpeace fordert den Ausstieg aus der Atomindustrie und den massiven Einstieg in Erneuerbare Energien und Effizienz.

Erst im August war es in Schweden im Reaktor Forsmark (Vattenfall / E.ON) zu einem Stoerfall gekommen. Dort hatte die Notstromversorgung versagt. Darueber hinaus war fuer 20 Minuten ein Teil der elektronischen Ueberwachung des Reaktors ausgefallen.

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taz 14.11.2006

Castoren angekommen

146 Demonstranten bei Protesten im Wendland verletzt

GORLEBEN ap Begleitet von Protesten hat der zehnte Castor-Transport in das Zwischenlager Gorleben nach zweieinhalb Tagen Fahrt durch Frankreich und Deutschland gestern Morgen sein Ziel erreicht.

Nach Angaben der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg beteiligten sich vor der Ankunft 2.000 Menschen an Blockadeaktionen. Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sprach von insgesamt 3.500 überwiegend friedlichen Demonstranten über das gesamte Wochenende. Allerdings hätten 800 gewaltgeneigte Störer der Polizei erhebliches Kopfzerbrechen bereitet. 21 Beamte seien insgesamt verletzt worden, zwölf durch Fremdeinwirkung. Nach Angaben der BI wurden 146 Castor-Gegner verletzt, vier davon schwer.

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Focus-Online 14.11.06, 08:51 |

SCHWEDEN  

Riesige Rauchwolke über Atomreaktor

Ein Reaktor des Atomkraftwerkes Ringhals.

Neuer Nuklear-Zwischenfall in Schweden: Ein Brand im Atomkraftwerk Ringhals hat in der Nacht die Sofortabschaltung des Reaktors 3 ausgelöst.

Wie ein Kraftwerkssprecher am Dienstag mitteilte, kann der Reaktor erst in etwa drei Wochen wieder Strom liefern. Kurz nach Mitternacht war einer der beiden Haupttransformatoren des Reaktorblocks aus noch ungeklärter Ursache in Brand geraten. Menschen kamen bei dem nach zwei Stunden gelöschten Feuer nicht zu Schaden.

Weithin zu hörende Explosion

Sofort nach einer weithin zu hörenden Explosion wurde Großalarm ausgelöst. Nach Beginn des Brandes stieg eine riesige Rauchwolke aus dem Atomkraftwerk an der schwedischen Kattegat-Küste bei Varberg auf. Alle Sicherheitssysteme hätten einwandfrei funktioniert, erklärte eine Ringhals-Sprecher im Rundfunk. Das Kraftwerk wird gemeinsam von den Energiekonzernen Vattenfall und E.on betrieben und deckt 18 Prozent des schwedischen Strombedarfs.

Störfall im Juli in Forsmark

Ende Juli waren nach einem Störfall im Vattenfall-Atomkraftwerk Forsmark vier der insgesamt zehn schwedischen Kernreaktoren bis zu drei Monaten aus Sicherheitsgründen abgeschaltet worden. Die Bevölkerung des skandinavischen Landes hatte sich 1980 per Volksabstimmung für den Ausstieg aus der Atomkraft ausgesprochen. Von den insgesamt zwölf Atomreaktoren sind bisher lediglich die beiden Blöcke des Atomkraftwerkes Barsebäck bei Malmö auf Dauer abgeschaltet worden.

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SPIEGEL ONLINE - 13. November 2006, 06:50

ATOMMÜLL-TRANSPORT

Polizei räumt Weg für Castor frei

Bis zuletzt hatten Atomkraft-Gegner versucht, den Castor-Transport zu verzögern: mit Sitzblockaden und indem sie sich an Betonblöcke anketteten. Doch die Polizei griff hart durch. Am Morgen erreichte der Transport mit radioaktivem Müll das niedersächsische Zwischenlager Gorleben.

Gorleben - Nach insgesamt gut 58 Stunden Dauer passierte der erste mit einem Castor-Behälter beladene Tieflader um kurz nach 6 Uhr morgens das Tor des Zwischenlagers. Zuvor hatte die Polizei eine Sitzblockade von etwa 600 Atomkraft-Gegnern nahe des Verladebahnhofs auf der Transportstrecke geräumt.

Nach der endgültigen Verladung erhöht sich die Zahl der im Zwischenlager aufbewahrten Container mit hochradioaktivem Müll von 68 auf 80. Insgesamt soll das Zwischenlager knapp 140 Castor-Behälter aufnehmen. Für 2007 ist allerdings kein Transport geplant.

Am Sonntagnachmittag hatte der Atommüll-Zug aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague das Wendland erreicht. Die zwölf Castoren enthalten hochradioaktiven Müll. Während die Behälter bis nach Mitternacht auf Spezial-Lkw umgehoben wurden, blockierten Atomkraft-Gegner zwischenzeitlich die beiden möglichen Straßentransportrouten an drei Stellen. In Klein Gusborn, Langendorf und Splietau ketteten sich jeweils vier Aktivisten an Betonblöcke in Pyramidenform.

Nahe Seybruch ketteten sich am späten Sonntagabend ein halbes Dutzend Castor-Gegner in einem Wasserrohr unter der Straße an, verließen dies jedoch freiwillig wieder. Bereits der Schienentransport war von zahlreichen Protesten begleitet und zeitweise gestoppt worden. Gleich mehrmals hatten Castor-Gegner den Zug auf dem letzten Bahnstück zwischen Lüneburg und dem Verladebahnhof im Wendland behindert.

Lüneburgs Polizeipräsident Friedrich Niehörster sprach von rund vier Stunden Zeitverzug durch die Proteste entlang der Eisenbahnstrecke. Dabei hätten Beamte wegen der Gewaltbereitschaft einiger Demonstranten vereinzelt Wasserwerfer und Schlagstöcke eingesetzt, so Niehörster. Bei Rangeleien seien mehrere Beamte leicht verletzt, Polizeipferde attackiert und Einsatzkräfte mit Steinen beworfen worden. Niehörster bestätigte Fest- und Ingewahrsamnahmen von Atomkraftgegnern. Eine genaue Zahl nannte er nicht.

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Focus-Online 13.11.06, 06:48 |

ATOMMÜLL

Castor-Transport erreicht Gorleben

Begleitet von starken Protesten hat der zehnte Atommüll-Transport das niedersächsische Gorleben erreicht.

Nach insgesamt gut 58 Stunden Dauer passierte am Montag der erste mit einem Castor-Behälter beladene Tieflader um kurz nach 6 Uhr das Tor des Zwischenlagers. Zuvor hatte die Polizei eine Sitzblockade von etwa 600 Atomkraft-Gegnern nahe des Verladebahnhofs auf der Transportstrecke geräumt und die Demonstranten in Gewahrsam genommen. Bis zuletzt hatten Atomkraft-Gegner an mehreren Stellen versucht, den Transport auf dem letzten Streckenabschnitt vom Verladebahnhof Dannenberg nach Gorleben zu verzögern.

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TAZ, 13.11.2006

DER 10. CASTOR-TRANSPORT FÄHRT DURCHS WENDLAND

Wie oft Bauer Lambke gegen den Castor demonstriert hat, weiß selbst er nicht mehr genau. Das kann vorkommen, wenn man einer Bewegung angehört, die ins 30. Jahr geht. Auch diesmal wieder zieht die Anti-Atom-Bewegung Tausende ins Wendland. Aber ist allein das der Erfolg?

Adi Lambke will's wieder wissen

AUS DEM WENDLAND THOMAS GERLACH UND ANDREAS SCHOELZEL

"Ich habe 365 Krankheiten," behauptet Adi Lambke, "jeden Tag eine andere." Der 76-Jährige thront lächelnd in seinem Passat: rote Mütze auf dem Kopf, weißer Bart im Gesicht, Brille auf der Nase - die Krücken hat er auf den Rücksitz geschmissen. Im Autoradio läuft NDR1, Radio Niedersachsen. Adi Lambke sitzt auf der Beifahrerseite, nicht nur weil ihm das Gehen schwerfällt und die Ohren nicht mehr so recht wollen. Auch die Augen sind trübe geworden. Ein Auto wird er nicht mehr steuern. Einen Trecker auch nicht. Leider.

Mit seinem Trecker ist Adi Lambke berühmt geworden. 1996, als ihn die Polizei regelrecht aus seinem Gefährt herausgeprügelt hat, liefen die Bilder von dem blutüberströmten wendländischen Bauern in den Hauptnachrichten. Da war allen klar: Der Atomstaat schreckt vor nichts zurück. Bauer Adolf Lambke, genannt Adi, aus dem Dörfchen Jamel bei Lüchow wurde zur Ikone der Anti-Atomkraft-Bewegung.

Die Ikone mag inzwischen an vielen Krankheiten leiden, Überdruss am Castor-Protest. Deswegen ist Lambke mit seiner Frau heute nach Metzingen bei Dannenberg gefahren. Hier, wo zwischen die Höfe ein ganzer Acker passt, dicht an der Bahnstrecke, über die der Castor kommen wird - sicher kommen wird -, will er ein bisschen protestieren. Es soll, wie Lambke das nennt, "der Polizei ein bisschen Ärger bereitet" werden. Seine Frau ist vorgelaufen, sie guckt mal, was läuft, trifft Bekannte von der Bäuerlichen Notgemeinschaft, und Adi Lambke schaut durch die Windschutzscheibe zu, wie sich die Straße füllt.

Keine Kiffer - Bauern

Die Notgemeinschaft ist so etwas wie ein Pfahl auf dem platten wendländischen Acker. Als 1977 entschieden wurde, Gorleben zum "nationalen Entsorgungspark" für Atommüll zu machen, hat sich dieser Zusammenschluss der wendländischen Bauern gegründet, die gegen das Endlager sind. Keine langen Haare, keine verfilzten Bärte, keine Kiffer - wenn es die Bauern nicht gäbe, hätte so mancher am Fernseher daran geglaubt, dass es "unappetitliche Chaoten" seien, die da protestierten, wie es der frühere CDU-Innenminister Manfred Kanther behauptete. Wie oft Adi Lambke protestiert hat, kann keiner zählen. Nur eines ist klar: Angefangen hat alles am 22. Februar 1977, als der damalige niedersächsische CDU-Ministerpräsident Ernst Albrecht Gorleben als Standort für das Endlager verkündete. Drei Wochen später gab es die erste Demonstration in Gorleben, 20.000 kamen.

Längst sind die Traktoren Symbole des Protests geworden. Stark und gutmütig wie Tanzbären, sind sie immer mit dabei - bis vor ein paar Jahren noch mit Lambke hinterm Lenkrad. Wenn man ihm in seinem Auto zuhört, an dem gerade die Karawane der Jugendlichen vorbeizieht, liegen Stolz und Frust dicht beieinander.

Seine Augen leuchten, wenn er auf das Thema Beton zu sprechen kommt. Mit den Mischmaschinen der Bauern und den jungen Leuten, die sich dann an die Klötze ketten, die wiederum an den Treckern hängen - damit lasse sich was anstellen. Wenn die Rede auf Staat und Polizei kommt, poltert er los. Den Bauern würden von der Polizei stets die Trecker stillgelegt, "und" - jetzt schlägt er sich bei jedem Wort aufs Knie - "die Bauern haben nicht geklagt! Das liegt uns nicht so." Lambke selbst hat reichlich Erfahrung vor Gericht gesammelt, er hat manchen Advokaten kennengelernt. Einer von den damals Jungen hieß Schröder. Gerhard Schröder.

Lambke setzt seine Hoffnung inzwischen auf die ganz Jungen, die nachwachsen wie Luzerne im Sommer. "Elf junge Leute", und jetzt strahlt er schon wieder, "elf haben sich im vorigen Jahr an meinen Trecker gekettet!" Das war eine Aktion nach seinem Geschmack. "Ja, es ist Jugend gewachsen, die auch kämpfen will. Nich', Elli?" Lambke dreht sich zu seiner Frau um. Sie ist zugestiegen und nickt. Gleich wird sie den Wagen in den Wald lenken, den Jugendlichen hinterher, wie Großeltern manchmal den Enkeln folgen.

Vieles, was mit Gorleben zu tun hat, setzt sich inzwischen aus Erinnerungen zusammen - wie der Kampf um Adi Lambkes Trecker. Wenn eine Bewegung ins dreißigste Jahr geht, ist das eben so. Dann schreibt die örtliche Zeitung schon mal: "Die Schüler-Demo, traditionell der Auftakt zur heißen Protestphase, verlief ohne Zwischenfälle." Oder: "Pastoren kehren zum Castor-Einsatz ins Kreisgebiet zurück", gerade so, als thematisiere man den alljährlichen Vogelzug überm Wendland.

Danke, bis zum nächsten Mal "Verlässliche Ereignisse" - Auftaktkundgebung, Sitzblockade und, natürlich, Trecker. Wolf-Rüdiger Marundes Hof liegt nur vier Kilometer vom Zwischenlager Gorleben entfernt. Ihn einen Freund der Bauern zu nennen ist das Mindeste. Marunde ist Graphiker und hat mit seinen menschelnden Schweinen, seinen Hühnern und Gänsen als liebevollen Gesandten der wendländischen Dörfer den Weg in die großen Illustrierten gebahnt. Er ist auch schon lange in der Notgemeinschaft, besorgt den Web-Auftritt und berät in Sachen Medien. Allerdings seien die Bauern eher beratungsresistent, das sagt er gleich.

Das Addieren der Minuten und Stunden, die der Castorzug stehen muss, das immer neue Gießen von Betonquadern, das Blockieren von Gleisen und Straßen, um den Transport zu verzögern - das alles werde ausgekostet wie der erwartete Sieg der eigenen Fußballmannschaft. "Give me five. Einmal abklatschen nach dem Tag X. Und bis zum nächsten Mal", so hat Marunde seine Beobachtungen in einem Text zusammengefasst. Überschrift: "Wendländische Rituale". Wolf-Rüdiger Marunde führt in sein Atelier hinauf. Er zählt auf: Seit Anfang der Siebzigerjahre ist er im Widerstand, "noch vor Brokdorf". Da komme eine Menge Lebenszeit zusammen. Wenn man um die fünfzig ist, eröffnet man auch solche Bilanzen. Die einen machen "Latschendemo", die Bauern schmeißen ihre Trecker an, er selbst habe ja oft auf einem gesessen. Am Ende werden die Castoren ein paar Stunden gestoppt. Und solche Dinge gehen dann als Erfolgsmeldungen ins Land. Trotzdem glauben viele, dass die Castoren längst im Salzstock von Gorleben stecken. Auch das Interesse der Medien gehe zurück - keine neuen Bilder mehr.

Das Telefon klingelt. "Ja", sagt Marunde. "Mit Pfefferspray?", fragt er. Er kommt zurück. Es gab eine Blockade. Die Polizei hat geräumt. Marunde soll die Nachricht ins Netz stellen, wie er es bisher jedes Jahr getan hat. Er erzählt, dass ihm bei genau solch einer Arbeit seine Zweifel gekommen seien. "Ich mach das nicht mehr," sagt er. Außerdem gebe es ja für Informationen den zentralen Castor-Ticker. Neue Protestformen müssten her, meint er. Wie wär es denn, wenn mal kein einziger protestieren würde und die Straßen und Dörfer wären grün von Polizei? "Na ja, das geht sowieso nicht." Er winkt ab.

Diesel, Gummi, Mist

Am Abend, der Castorzug ist gerade aus La Hague abgefahren, ist es wieder so weit. An der Kreuzung beim Dörfchen Pudripp kommen sie aus allen vier Richtungen: die Trecker der Notgemeinschaft. Es lärmt, stinkt nach Diesel, Gummi und Mist. Männer, die Hände in den Taschen, stehen herum. Die Straße ist zu, und außer dass eine Mutter in ihrem Auto ausrastet, weil ihr Kind allein zu Hause ist, bleibt alles ruhig. Am Samstagmorgen meldet Radio Niedersachsen, dass die Polizei letzte Nacht in Pudripp etwa vierzig Trecker der Notgemeinschaft beschlagnahmt hat.

Die Großdemonstration in Gorleben droht ins Wasser zu fallen, es regnet. Dennoch sind mehrere tausend Castorgegner aus ganz Deutschland gekommen, die Polizei spricht von 2.000 Teilnehmern, die Veranstalter schätzen: 7.000. Die Erleichterung, auch der Stolz auf die gute Resonanz ist den Rednern anzumerken. Die "Zaunkönige" aus Münster heizen mit ihrer Musik so ein, dass der Bühnenwagen wackelt. "Beim nächsten Lied geht es um die Welt, die man retten kann. Herrliche Idee, was?", ruft der jugendliche Sänger herunter. Die Alten im Publikum, mit ergrautem Haar, schauen wehmütig und stoßen mit dem Regenschirm den Takt. Die Jungen hüpfen. Die Nachricht "Der Castor ist in Frankreich zwei Stunden aufgehalten worden!" wird mit Jubel quittiert. Die Clownsarmee, ein Trupp mit geschminkten Gesichtern und in alten NVA-Mänteln, stellt sich auf und wird von den Kamerateams dankbar gefilmt.

Zwischendurch werden mit der Digitalkamera Erinnerungsbilder geschossen, längst auch von manchem Polizisten. Jochen Stay, die zentrale Figur der Widerstandsbewegung "X-tausendmal quer", steigt auf die Bühne: "Ja, liebe Freundinnen und Freunde, dreißig Jahre Gorleben, der zehnte Castor-Transport rollt, wir haben Kanzler, Innenminister und Ministerpräsidenten kommen und wieder gehen sehen - aber wir, wir sind immer noch da!" Die Reminiszenzen werden auch bei ihm immer länger. Dann lädt er zur großen Sitzblockade an der Verladestation ein, zu der sich Prominenz angekündigt hat. "Reinhard Bütikofer will trotz Blockadeverbots auf die Gleise." Gejohle, keine Buhs. "Bütikofer ist mir willkommen", sagt Stay, "er zeigt, das er eines begriffen hat: Wenn es Erfolge gibt, dann nur auf der Straße, nicht im Parlament!" Und als würde er Wolf-Rüdiger Marundes Zweifel kennen, beschwört er seine Zuhörer: "Den Erfolg der Blockade-Aktion messen wir nicht in Minuten, wir wollen keinen sportlichen Wettkampf, sondern eine politische Aktion!"

Als Martin Ott, ein Schweizer, auf die Bühne steigt, bekommt auch die Bäuerliche Notgemeinschaft, die auf ihren Treckern herangerollt ist, ihre Anerkennung. Ott ist Bauer, unter seinem Acker soll demnächst das schweizerische Endlager gegraben werden. "Am meisten habe ich Freude an meinen Berufskollegen", sagt er ins Mikrofon, "dass das Ganze so getragen wird von den Bauern! Als ich hierhergefahren bin, habe ich scharenweise Trecker - ,Trecker' sagt man doch hier? - so viele Trecker gesehen!" Adi Lambke, der irgendwo unten in der Menge steht, dürfte bei diesen Worten sehr gelächelt haben.

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focus-online | 12.11.06, 23:11 |

Atomtransport &endash; Castor zeitweise aufgehalten  

Atomkraftgegner haben am Sonntagabend beide Strecken nach Gorleben blockiert. Damit wollen sie verhindern, dass der zehnte Castor-Transport wie geplant in der Nacht in das atomare Zwischenlager rollt. 

Die Behälter mit Atommüll aus der Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague (Frankreich) wurden am Abend im Verladebahnhof Dannenberg von der Schiene auf Tieflader umgesetzt. Außerdem maßen Fachleute die Strahlung. Die Castoren müssen die letzte, 20 Kilometer lange Etappe nach Gorleben über die Straße zurücklegen.

An Betonblöcke gekettet

Zwar waren die Nord- und die Südroute nach Gorleben durch starke Polizeikräfte auch mit Hubschraubern gesichert. Dennoch gelang es Demonstranten bei Klein Gusborn und Langendorf im Wendland sich an Betonblöcken festzuketten, um den Castor-Transport zu stoppen. Zum Schutz gegen die Kälte haben die Demonstranten sich in silberfarbene Thermofolie eingewickelt.

Auf der Bundesstraße 191 bei Dannenberg ketteten sich außerdem mehrere Demonstranten an einem unter der Straße gelegenen Abwasserrohr fest, um das Passieren des Schwertransportes zu verhindern. Die Polizei ist nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre jedoch auf derartige Blockaden und Störversuche vorbereitet.

(sl/ddp/dpa)

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yahoo Nachrichten Sonntag 12. November 2006, 12:55

Atommüll-Zug naht: Gegner verstärken Aktionen

Dannenberg (dpa) - Kurz vor Ankunft des Castor-Transportes mit Atommüll im niedersächsischen Wendland haben Atomkraftgegner am Sonntag ihre Protestaktionen verstärkt. In Dannenberg versammelten sich mehrere hundert Menschen zu einer angekündigten Sitzblockade an der Ausfahrt der Verladestation.

Die Anti-Atom-Initiative «X-tausendmal quer» sprach am Mittag von rund 1000 Teilnehmern. «Trotz des großen Polizeieinsatzes haben wir es wieder einmal geschafft, die Straße zu erreichen», sagte ihr Sprecher Jochen Stay.

Die Polizei löste inzwischen eine Sitzblockade in Harlingen bei Hitzacker auf. Rund 200 Demonstranten hatten dort kurzzeitig die Gleise besetzt und zum Teil mit Hölzern blockiert. Die Polizei sei bei dem Einsatz mit Hunden und Pferden gegen Teilnehmer vorgegangen, berichteten Atomkraftgegner.

Im Laufe des Nachmittags wird der Transport im Verladebahnhof Dannenberg erwartet. Dort werden die Castor-Behälter auf Tieflader umgesetzt, um die letzten 20 Kilometer bis ins Zwischenlager auf der Straße zurückzulegen. Atomkraftgegner wollen den Transport mit Sitzblockaden und anderen Protestaktionen so lange wie möglich aufhalten.

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Redaktion Aktuelles/Umwelt 12. November 2006 01:30 Uhr

CASTOR-Proteste in Südwestdeutschland erfolgreich

AtomkraftgegnerInnen halten CASTOR-Zug bei Oftersheim eine Stunde lang auf. Zahlreiche Proteste in ganz Südwestdeutschland. Auch in Frankreich Protestaktionen.

In der Nähe von Oftersheim (bei Schwetzingen) haben 10 Anti-Atom- AktivistInnen ab 20:20 Uhr den CASTOR-Transport eine Stunde lang aufgehalten. Inzwischen befinden sich die AktivistInnen wieder auf freiem Fuß, nachdem sie in Gewahrsam genommen worden waren.

In Darmstadt-Kranichstein musste der Zug ab 22:38 Uhr für 25 Minuten eine weitere ungeplante Zwangspause einlegen.

Am Bahnhof Wörth protestierten am Nachmittag etwa 100 Menschen mit einer Mahnwache gegen den Transport. "Wir freuen uns besonders über die große Zahl von Jugendlichen, die in diesem Jahr am Protest teilgenommen haben", so eine SprecherIn der südwestdeutschen anti-atom-Initiativen.

In der Nacht zuvor, gegen 1:25 Uhr, hatten Anti-Atom-AktivistInnen bereits in Frankreich den CASTOR-Transport in der Nähe von Serqueux mit auf den Schienen platzierten Strohpuppen und Transparenten für etwa 100 Minuten aufgehalten.

Vermutlich wegen des gestrigen Feiertags in Frankreich (Ende des 1. Weltkriegs) und der damit verbundenen hohen Anzahl an Sonderzügen hatte sich die Ankunft des Zuges in Deutschland weiter verzögert. Im pfälzischen Wörth war der Zug mit einer Verspätung von etwa zweieinhalb Stunden um 17:15 Uhr angekommen.

Zur Stunde befindet sich der Transport hinter Fulda.

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Pressemitteilung der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg e.V. 11.11.2006

Gorleben - Größerer Protest als erwartet

Zur Hauptdemonstration gegen die Castortransporte nach Gorleben haben sich mit 6000 Teilnehmern mehr Menschen beteilgt, als die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg (BI) erwartet hatte.

„Der Druck von der Strasse gegen ein unverantwortbares Endlager im maroden Gorlebener Salzstock wird nicht auifhören", fasst der BI-Sprecher zusammen. „Wir fordern die Bundesregierung auf, den Standort endlich zu schliessen. Die Polizei darf nicht zur Durchsetzung rein finanzieller Interessen der Atomindustrie auf die Grundrechte wahrnehmende Bevölkerung gehetzt werden!".

Auch der neue Landrat des Landkreises Lüchow Dannenberg, Jürgen Schulz, sprach sich in einem Grußwort an die Demonstranten gegen den Atomstandort Gorleben aus. Ursula Schönberger von der AG gegen das geplante Endlager für schwach-mittelradioaktiven Müll in Schacht Konrad bei Salzgitter: „Die Beispiele der beiden existierenden Endlager ASSE II und Morsleben zeigen, dass die Atomindustrie immer nur nach dem Motto gehandelt hat: Hauptsache, wir haben den Müll billig los - was kümmern uns die späteren Probleme. Wir dürfen nicht zulassen, dass dies so weiter geht. Der radioaktive Müll kann nicht sicher eingeschlossen werden. Deshalb müssen wir uns gerade vor dem Hintergrund der Debatte um die Verlängerung der Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke gegen jegliche Scheinlösung wehren. Erst müssen die AKWs abgeschaltet werden dann muss man die "beste" Lösung für den Müll suchen."

Mandy Rother aus der Vorbereitungsgruppe Energieforum vom Protest gegen den G8-Gipfel im nächsten Jahr in Heiligendamm hielt fest: " Seit 1975 treffen sich die G8 zu informellen Kamingesprächen und maßen sich an, die Energiepolitik für die ganze Welt zu bestimmen. Ihre Energiesicherheit heißt nicht die Energieversorgung für alle Menschen zu sichern, sondern zielt auf die Sicherung ihrer Herrschaft." Rother forderte zu einem bunten und fantasievollen Protest gegen den G8-Gipfel auf .

Martin Ott, Bio-Landwirt au dem vorläufigen schweizerischen Endlagergebiet Benken: „Eigentlich müsste nach dem Gesetz des Lebens, nach dem ich als Bio-Landwirt produziere, jeder Tag, an dem die Risikotechnologie Atomkraft Strom und in der Folge ewig strahlenedn Müll produziert, strafbar sein. Die Verantwortlichen und die, die das Ganze verteidigen, müssen nach meinem Rechtsempfinden zur Rechenschaft gezogen werden".

Jochen Stay von der Initiative Xtausendmalquer fasste in seinem Redebeitrag zusammen:" Die Anträge auf Laufzeitverlängerung sind eine Kampfansage . Wir antworten heute an die Adresse der Stromkonzerne. Wir nehmen die Aufforderung zum Tanz an. Der Streit um die Atomenergie beginnt von Neuem. "

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Berliner Morgenpost 11.11.2006

ATOMMÜLL

Castor-Transport rollt ohne größere Zwischenfälle

Der Sonderzug auf dem Weg ins niedersächsische Zwischenlager Gorleben hatte nach Protesten in Frankreich mit mehrstündiger Verspätung Deutschland erreicht.

Lüneburg - Der zehnte Castor-Transport mit Atommüll von der Wiederaufbereitungsanlage La Hague zum Zwischenlager in Gorleben hat am Sonnabend mit mehrstündiger Verzögerung die Grenze in Rheinland-Pfalz passiert. Das Präsidium der Bundespolizei in Lüneburg sprach am frühen Abend von einer „sehr, sehr ruhigen Lage". Es habe zunächst keine Zwischenfälle gegeben. In Gorleben demonstrierten mehrere tausend Atomkraftgegner am Samstagnachmittag gegen den Transport.

Der Sonderzug mit zwölf Atommüllbehältern war am Freitagabend planmäßig am Bahnhof Valognes unweit der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague gestartet. Der Zug war in Frankreich durch Protest- und Blockade-Aktionen aufgehalten worden. Nach Angaben der Organisation „Sortir du Nucleaire" besetzten Demonstranten in der Nacht bei Serqeux in den Ardennen die Gleise. Die Polizei habe die Blockade nach einer Stunde geräumt. Ein Sprecher der französischen Polizei berichtete von zwei friedlichen Blockade-Aktionen. Nach Angaben der südwestdeutschen Anti-Atom-Initiativen hatten Demonstranten in dort Strohpuppen und Netze auf die Schienen geworfen. Die Streckenführung in Frankreich sei geändert worden, so dass der Zug über Metz gefahren sei.

Die Ankunft an der Grenze war für 14.30 Uhr geplant. Gegen 17.15 Uhr traf der Zug nach Angaben der Initiativen im Bahnhof Wörth ein. Er habe zweieinhalb Stunden Verspätung gehabt, hieß es.

In Wörth seien die Lokomotiven gewechselt und das Begleitpersonal ausgetauscht worden. An den Gleisen demonstrierten Atomgegner mit Transparenten und Luftballons gegen den Castor-Transport. Um 18.55 Uhr sei der Zug Richtung Karlsruhe, Mannheim und Darmstadt abgefahren.

In Dannenberg, wo die Atommüllbehälter auf Straßentieflader umgesetzt werden, soll der Zug am Sonntag ankommen. Der Straßentransport nach Gorleben ist für Montag geplant.

Traktoren blockierten Bundesstraße

In der Nacht zum Samstag löste die Polizei eine Blockade der Bundesstraße 191 mit Traktoren bei Pudripp im Landkreis Lüchow-Dannenberg auf und stellte 36 Fahrzeuge sicher. Die Aktion habe zu starken Verkehrsbehinderungen geführt, teilte die Polizei weiter mit.

Am Samstagnachmittag demonstrierten nach Angaben der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg 6.000 Atomgegner, darunter 200 Bauern mit Traktoren. Nach Polizeiangaben nahmen 3.000 an der Kundgebung teil. Bei der friedlichen Protestaktion habe es keine nennenswerten Zwischenfälle gegeben, sagte ein Sprecher der Einsatzleitung. Landrat Jürgen Schulz sagte, 30 Jahre Widerstand gegen die Gorlebener Atomanlagen seien nicht umsonst gewesen, sondern hätten den Bau einer viel größeren Atomfabrik verhindert.

Der Sprecher der Bürgerinitiative, Francis Althoff, forderte, das Endlagerbergwerk müsse sofort geschlossen werden, da der Salzstock direkten Kontakt zum Grundwasser habe. „Jede weitere Lieferung von Castor-Behältern in das benachbarte Zwischenlager Gorleben zementiert die Vorfestlegung auf den für die Endlagerung ungeeigneten Salzstock", sagte Althoff. Sehr enttäuscht sei man darüber, dass Bundesumweltminister Sigmar Gabriel die Ausbauarbeiten wieder aufnehmen wolle.

Gabriel sagte in Mannheim, der Endlager-Standort sei 1977 unter anderen Bedingungen gewählt worden. Es sei vernünftig, Gorleben mit ein oder zwei anderen Standorten zu vergleichen und dann zu entscheiden.

Greenpeace erklärte bei der Präsentation eines neuen Gutachtens, es sei extrem riskant, in dem Salzstock Atommüll einzulagern. Der Experte der Umweltschutzorganisation, Thomas Breuer, sagte, Salzvorkommen würden durch die Aufnahme von heißem Atommüll in Bewegung geraten. Eine notwendige undurchlässige Gesteinsschicht über dem Salz fehle.

Im Zwischenlager befinden sich 68 Castor-Behälter. Mit dem zehnten Transport werden es 80. Vorgesehen sind noch sieben weitere Transporte. morgenpost.de/AFP/AP

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dpa-Meldung, 09.11.2006

Neuer Castor rollt nach Gorleben - Atomgegner rufen zum Protest auf

Gorleben - Der zehnte Castor-Transport mit radioaktivem Atommüll rollt am kommenden Wochenende auf Gorleben zu. Der Zug wird am Freitagabend (10.) in Frankreich starten und soll am Samstag in Rheinland-Pfalz die deutsche Grenze passieren. Mit der Ankunft des radioaktiven Mülls im Wendland rechnen die Atomkraftgegner frühestens am Sonntag. Voraussichtlich am frühen Montagmorgen werden die Castor- Behälter dann im Zwischenlager in Gorleben eintreffen. Zur Sicherung des Transportes waren im Vorjahr bundesweit fast 16 000 Polizeibeamte im Einsatz - 10 000 von ihnen allein in Niedersachsen.

Da die Castoren der Planung nach anders als im Vorjahr schon am Sonntag in Dannenberg ankommen sollen, hoffen die Atomkraftgegner, dass sich noch mehr Menschen als in früheren Jahren an den Protesten beteiligen können. "Wir werden mit ganzer Kraft für einen anti- atomaren Wochenendtrip ins Wendland werben", sagte der Sprecher der Anti-Atom-Initiative X-tausendmal quer, Jochen Stay.

Zur Auftaktkundgebung am Samstag in Gorleben rechnet die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg mit mindestens 3000 Demonstranten. Ein Sprecher des Innenministeriums betonte, es gebe keine Hinweise auf gewalttätige Proteste. Die Atomgegner kündigten unter anderem eine gewaltfreie Sitzblockade vor dem Castor-Verladekran in Dannenberg an. Die Polizei rechnet auch an der Bahnstrecke mit kleineren Sabotage-Aktionen.

Insgesamt werden 12 Castor-Behälter mit Atommüll nach Gorleben gebracht. Die genaue Transportroute durch Deutschland ist unbekannt. Der Müll kommt aus der Wiederaufarbeitungsanlage im französischen La Hague und stammt ursprünglich aus deutschen Kernkraftwerken.

Stichwort: Gorleben

Das atomare Zwischenlager in Gorleben wurde 1983 fertig gestellt. Langwierige Prozesse zwischen dem Bund und dem Land Niedersachsen führten aber dazu, dass der erste Castor-Behälter erst 1995 eingelagert wurde. Weitere 67 folgten bei den Transporten 1996, 1997, 2001, 2002, 2003, 2004 und 2005.

Das Lager besteht aus einer Stahlbetonhalle, die 182 Meter lang, 38 Meter breit und 20 Meter hoch ist. Das Gebäude enthält 420 Castor- Stellplätze. Die Halle dient nach Angaben des Betreibers des Zwischenlagers, der Brennelementlager Gorleben GmbH (BLG), nur als Wetterschutz. Die Genehmigung des Zwischenlagers ist bis Ende 2034 befristet.

In Gorleben steht aber nicht nur das Zwischenlager, dort ist auch nach wie vor der mögliche Standort für ein Atommüll-Endlager. Seit Jahrzehnten wurde der dortige Salzstock dafür erkundet. Seit mehr als sechs Jahren ruhen die Arbeiten aber. Damals einigte sich die rot- grüne Bundesregierung mit den Energieunternehmen auf den Atomausstieg.

Der Castor-Transport in Zahlen und Fakten

Der zehnte Castor-Transport nach Gorleben ist mit insgesamt 12 Behältern genauso groß wie der vorangegangene. Zuletzt war im November 2005 Atommüll aus der Wiederaufarbeitung La Hague in Frankreich in das niedersächsische Zwischenlager gerollt. Der neue Transport startet voraussichtlich am 10. November.

Castor

Castor ist die Abkürzung für die englische Bezeichnung "cask for storage and transport of radioactive material" (Behälter zum Aufbewahren und Transportieren von radioaktivem Material). Die in einem Stück aus Gusseisen gefertigten Behälter sind gut 6 Meter lang und haben einen Außendurchmesser von rund 2,5 Metern. Sie wiegen im beladenen Zustand 112 Tonnen. Verantwortlich für die Produktion der Behälter ist die Gesellschaft für Nuklear-Service (GNB).

Glaskokille

In jedem Castor befinden sich 28 hochradioaktive Glaskokillen. Sie enthalten die nicht verwertbaren Spaltprodukte abgebrannter Brennelemente aus deutschen Atomkraftwerken. Diese werden bei rund 1100 Grad mit einem Glasgranulat zu einer homogenen Glasmasse verschmolzen. Die Masse wird in einen Edelstahl-Zylinder gefüllt, der 1,34 Meter hoch ist und einen Durchmesser von 43 Zentimetern hat. Jeder Zylinder fasst 400 Kilogramm der Glasmasse. Die Temperatur an der Oberfläche kann bis zu 400 Grad betragen.

Bisherige Transporte

Der erste Castor-Behälter traf am 25. April 1995 in Gorleben ein. Er enthielt abgebrannte Brennelemente aus dem Atomkraftwerk Philippsburg in Baden-Württemberg. Beim zweiten Transport kamen 1996 erstmals Glaskokillen aus La Hague nach Gorleben. Von 1998 bis 2001 gab es eine Unterbrechung der Transporte, nachdem Verunreinigungen an der Außenhaut von Atommüllbehältern aufgetaucht waren. Beim ersten Transport 1995 waren bundesweit rund 15 000 Polizeibeamte im Einsatz, um den Castor zu schützen. 1997 sicherten sogar rund 30 000 Beamte die Transportstrecke. Inzwischen ist die Zahl der Einsatzkräfte rückläufig.

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taz NRW 9.11.2006

Anzeige für Urenco

Russische Umweltschützer erstatten Anzeige gegen Gronauer RWE-Tochter: Illegale Entsorgung von Atommüll

GRONAU/MÜNSTER taz Strafanzeige gegen den Betreiber der Urananreicherungsanlage Gronau werden russische Umweltschützer heute bei der Staatsanwaltschaft Münster stellen. Die Atomkraftgegner der russischen Umweltschutzorganisation Ecodefense wollen damit für ein Ende der Atommülltransporte von Gronau nach Russland sorgen. Der Anlagenbetreiber Urenco, eine Tochterfirma der Energieversorger RWE und Eon, hat bereits geschätzte 20.000 Tonnen radioaktives und hochgiftiges Uranhexaflorid nach Russland verschickt.

Hauptzweck der Transporte sei nicht die Wiederaufbereitung, sondern die kostengünstige Entsorgung, argumentieren die Atomkraftgegner. "Die Sicherheitsstandards in den russischen Atomkombinaten sind völlig unzureichend", so Vladimir Sliviak von Ecodefense. Teilweise lagerten die Fässer mit dem Atommüll aus dem Münsterland unter freiem Himmel und rosteten vor sich hin. In den von der Urenco belieferten russischen Atomfabriken sei es in der Vergangenheit immer wieder zu schweren Unfällen gekommen, sagt Ecodefense-Aktivistin Anna Parshina. So seien die 500.000 Einwohner der sibirischen Stadt Tomsk 1993 nur knapp einer Katastrophe entgangen, als aus dem nahe gelegenen Atomkombinat Sewersk eine radioaktive Wolke ausgetreten sei.

Unterstützt werden die Umweltschützer von den Grünen und der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG). "Diese illegale Abfallentsorgung ist ein Skandal. Urenco muss die Transporte sofort stoppen", so Reiner Priggen, Energieexperte der Grünen im Düsseldorfer Landtag. WASG-Landeschefin Katharina Schwabedissen erklärte, es sei "unerträglich, dass deutsche Atomkonzerne die ungelöste Endlagerfrage auf die Menschen in Sibirien abwälzen". WYP

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NGO online, 6.11.06

"Absurde Strategie"

Internationale Energie-Agentur fordert Atomkraftwerke wegen Klimaschutz

Vor Beginn der Weltklimakonferenz in Nairobi warb die Internationale Energie-Agentur (IEA) in Paris für den Bau neuer Atomkraftwerke in aller Welt. Ohne Atomstrom und neue Kernkraftwerke sei das Problem der Erderwärmung nicht in den Griff zu bekommen. Überdies sei ohne Nukleartechnik die weltweite Energieversorgung nicht sicher genug, heißt es in dem Papier der Agentur, einer Dachorganisation der westlichen Industrieländer. Diese Position der IEA stieß in Deutschland auf herbe Kritik. Atomstrom bewirke in der Klimapolitik praktisch nichts, sagte Bundesumweltminister Siegmar Gabriel am Sonntag im Deutschlandfunk. "Auch wenn man unsinnige Aussagen beständig wiederholt und dafür einflussreiche Organisationen einspannt, bleiben sie nichts anderes als Unsinn", kommentierte die Vorsitzende der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW, Angelika Claußen.

Gabriel sagte, Kernkraftwerke erzeugten Strom aber keine Wärme. Dies führe dazu, dass in der Umgebung eines Atomkraftwerks viele Wärmekraftwerke benötigt würden, die alle Kohlendioxid ausstießen. "Die sinnvolle Alternative sind Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, so Gabriel. Diese produzierten Strom und Wärme mit einem Wirkungsgrad um die 90 Prozent und erzeugten im Ergebnis weniger Kohlendioxid als Kernkraftwerke plus Wärmekraftwerke.

Die Wahl zwischen den Gefahren der Radioaktivität und denen von Kohlendioxid sei für ihn eine Wahl zwischen Cholera und Pest. Intelligente Politik bestehe nicht darin, zwischen zwei Übeln zu wählen. Wenn man auf mehr Energieeffizienz, auf erneuerbare Energien, aber auch auf moderne Kohletechnologien setze, seien weder eine Stromlücke zu befürchten, noch Probleme mit Kohlendioxid.

IPPNW: Wie will die Atomindustrie 1000 neue Atomkraftwerke bauen?

Die IPPNW-Vorsitzende sagte, dass es weltweit rund 440 Atomkraftwerke geb. "Um nur 10 Prozent der fossilen Energie zu ersetzen, müssten größenordnungsmäßig 1000 zusätzliche Atomkraftwerke errichtet werden, vom Ersatz der bestehenden Anlagen abgesehen. Das ist absolut unrealistisch. Und selbst wenn es gelänge, hätte man allenfalls 10 Prozent des Kohlendioxid-Problems vom Tisch", so Claußen.

Nach Darstellung der IPPNW gibt es für den Neubau von 1000 Atomkraftwerken "überhaupt nicht die industriellen Fertigungskapazitäten". Der Bau dieser Großanlagen würde mehrere Jahrzehnte dauern. Selbst in ihrem besten Jahr 1985 habe die Atomindustrie lediglich 34 Gigawatt, entsprechend 26 großen Atomkraftwerken, neu in Betrieb nehmen können. "Seitdem sind die Fertigungskapazitäten für neue Atomkraftwerke deutlich gesunken", so Claußen. "Der Zubau von 1000 neuen Atomkraftwerken würde also größenordnungsmäßig 40 Jahre Zeit beanspruchen." In Westeuropa sei derzeit gerade mal ein neues Atomkraftwerk in Finnland in Bau. "Und dort kommt es wegen des Pfuschs am Bau wie üblich zu nicht eingeplanten Verzögerungen."

Auch wegen der knappen Uranvorräte hält die IPPNW die weitere Nutzung der Atomenergie für den falschen Weg. "Bei einem forcierten Zubau von Atomkraftwerken wären die wirtschaftlich erschließbaren Uranvorräte aufgebraucht, noch ehe auch nur ein nennenswerter Teil der neuen Atomanlagen errichtet wäre", so Claußen und fragt: "Will die Internationale Energie-Agentur eine derart absurde Strategie tatsächlich empfehlen?"

Hinzu komme, dass zunehmend Kriege um die knappen Energie-Rohstoffe geführt würden, so Claußen. Schon jetzt streite man sich in Afrika und im Mittleren Osten mit China und anderen Ländern um den Zugriff auf die begehrten Erdöl und die Gasvorräte. Für die deutsche Bundeswehr sei mit dem neuen "Weißbuch" die Sicherung von Energierohstoffen offiziell als neue Aufgabe definiert worden. "Wenn der Uranbedarf aufgrund eines Zubaus von Atomkraftwerken sogar noch steigt, dann ist es nicht ausgeschlossen, dass schon in wenigen Jahren Kriege zum Beispiel in Kasachstan, im Niger oder in Namibia um die dortigen Uranvorräte geführt werden."

Ein Ausbau der Atomenergie ist nach Auffassung der internationalen Ärzteorganisation für die Verhütung des Atomkrieges auch deswegen nicht zu verantworten, weil dann zwangsläufig noch mehr Atomwaffenländer entstehen würden. Auch sei der Vorstoß der IEA wegen des weltweit ungelösten Atommüll-Problems "völlig unverständlich".

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Westfälische Nachrichten 08.11.2006

Russland darf nicht Atommüll-Lager sein

-kw- Gronau. Russische Atomkraftgegner wollen morgen (Donnerstag) wegen des Verdachts der illegalen Atommüll-Transporte nach Russland bei der Staatsanwaltschaft Münster Anzeige gegen das Gronauer Unternehmen Urenco erstatten. Das kündigte gestern Vladimir Slivyak, einer der stellvertretenden Vorsitzenden der russischen Umweltorganisation Ecodefense, während einer Pressekonferenz an. Slivyak und vier weitere Aktivisten sind derzeit (wie berichtet) zu Gast bei regionalen Atomkraftgegnern, um den gemeinsamen Widerstand gegen Urantransporte von Gronau nach Russland zu intensivieren.

Nur rund 10 Prozent des abgereicherten Urans aus Gronau, das in russischen Atomanlagen wieder angereichert wird, kehre nach Deutschland zurück. Der Rest, so Slivyak gestern weiter, lande als waste (Abfall) in russischen Lagern nahe Tomsk und Ekaterinburg unter freiem Himmel. Ecodefense kämpfe indes nicht nur gegen die Transporte von und nach Gronau, sondern gegen jeglichen Import von Atommüll nach Russland. Unsere Regierung ist nicht in der Lage, mit dem eigenen Atommüll zurecht zu kommen, geschweige denn mit dem Abfall, der aus Europa ins Land kommt, so Slivyak. Dass der Widerstand von Ecodefense durchaus Früchte trägt, belegt der russische Aktivist mit dem Hinweis, dass es der Organsiation bereits gelungen sei, Einfuhrprogramme von Atommüll aus Ungarn, Bulgarien, Japan und Südkorea zu stoppen.

Ein klare Absage erteilte Slivyak auch Plänen, Atomtransporte von Atommüll aus Rossendorf per Flugzeug nach Russland durchzuführen. Hierbei sei die potenzielle Gefahr einer Katastrophe noch größer einzustufen. Und: Selbst in Russland, wo Atomtransporte über weite Strecken erfolgen müssten, sei bisher niemand auf die Idee gekommen, dies auf dem Luftweg zu tun. Slivyak: Diese Pläne dürfen keinesfalls und niemals umgesetzt werden.

20000 Tonnen abgereichertes Uran aus Gronau wurden in den zurückliegenden zehn Jahren nach Novouralsk, einer geschlossenen Atomstadt in der Nähe von Ekaterinburg gebracht, berichtete während der Pressekonferenz Olga Podosenova. Wir sind hier, um deutlich zu machen, dass Russland nicht das Atommüll-Lager sein darf, betonte sie. Heute wollen die fünf Ecodefense-Mitglieder Gronaus Bürgermeister Karl-Heinz Holtwisch treffen und ihn nach Ekaterinburg einladen. Um ihm zu zeigen, dass das kein weißer Fleck auf der Landkarte ist, sondern eine reale Stadt mit realen Menschen,, so Olga Podosenova weiter. Wir wollen dort unsere Kinder großziehen und ihnen eine Zukunft bieten - eine Zukunft ohne weitere Tschernobyls.

Anna Parshina schilderte dann die Sitution in der geschlossenen Atomstadt Seversk, zehn Kilometer von Tomsk entfernt. Stacheldraht schirme auch diesen Ort ab, den keiner besuchen darf, wenn er nicht dort wohnt. Seversk sei der Sitz des sibirisch-chemischen Kombinats, der größten Atomanlage der Region. Die Menschen, die dort lebten, seien nie gefragt worden, ob sie mit der Errichtung der Atomanlagen und der Lagerung Hunderttausender Tonnen Atommüll einverstanden seien. Regierung und Leitung des Kombinats arbeiten nach Parshinas Aussagen Hand in Hand, um Probleme klein zu halten. In Novouralsk gibt es nach Darstellung von Olga Podosenova eine erhöhte Sterblichkeitsrate, ein Zusammenhang zwischen Erkrankungen beziehungsweise Tod und den Atomanlagen werde allerdings kategorisch verneint. Podosenova: Die wirkliche Situation ist auf dem Friedhof von Novouralsk zu beobachten.

Die Ecodefense-Mitglieder und die münsterländischen Atomkraftgegner kritisieren in diesem Zusammenhang, dass die Atomtransporte erst durch Vereinbarungen zwischen den Regierungen Deutschlands und Russlands ermöglicht werden.

Auf diese Zustimmung der Regierungen zu den Verträgen mit dem russischen Partnerunternehmen Tenex verweist auch die Firma Urenco und betont, dass die Geschäfte mit Tenex der Überwachung durch Euratom unterliegen. Über die Einzelheiten des Vertrages indes sei Vertraulichkeit vereinbart worden.

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Westfälische Nachrichten Gronau 07. 11. 2006

Russischer Protest vor Urenco-Tor

-kw- Gronau. Gesprochen wird Deutsch, Russisch, Englisch und mit Händen und Füßen. Trotz der unterschiedlichen Nationalitäten haben alle aber ein gemeinsam Ziel: die Urantransporte von Gronau nach Russland zu stoppen. Dafür gingen sie gestern Morgen zusammen auf die Straße. Rund ein Dutzend deutsche und russische Kernkraftgegner blockierten zwischen 8 und 9 Uhr die Zufahrt zur Urananreicherungsanlage. Transparente auch mit kyrillischen Schriftzeichen und ein orangefarbenes Seil als Zeichen des Widerstands.

Alisa Nikulina stammt aus Moskau. Sie ist zusammen mit vier weiteren Mitgliedern der russischen Umweltorganisation Ecodefense nach Gronau gekommen, um dagegen zu protestieren, dass der atomare Müll aus Gronau in russische Anreicherungsfabriken gebracht wird. Nach russischem Gesetz sei es verboten, Atommüll ins Land zu bringen, sagt sie dennoch geschehe das seit vielen Jahren. Die russische Staatsanwaltschaft ermittle zwar inzwischen, Ergebnisse lägen aber noch nicht vor.

Nur zehn Prozent des abgereicherten Urans aus Gronau, das in die Anreicherungsanlage in der Nähe von Ekaterinburg gebracht wird, kommt angereichert wieder nach Gronau zurück, sagt Vladimir Slivyak (Moskau), einer der stellvertretenden Vorsitzenden von Ecodefense. Der Rest bleibe als Abfall in Russland und werde in der Anlage bei Ekaterinburg unter freiem Himmel gelagert. Insgesamt vier solcher Anreicherungsanlagen gibt es nach den Worten von Slivyak in Russland drei in Sibirien und (die größte) in der Nähe von Ekaterinburg am Ural. Sie alle seien von der Öffentlichkeit hermetisch abgeriegelt.

Kritik kommt aber nicht nur von den russischen Kernkraftgegnern: Die Urenco nutzt die poststalinistischen Strukturen in den ,geschlossenen Atomstädten Sibiriens aus, um auf Kosten der russischen Bevölkerung ihren Atommüll unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit bequem loszuwerden. Wir finden es skandalös, dass die deutsche Bundesregierung zu dieser unverschämten St.-Florians-Politik auch noch ihren offiziellen Segen gegeben hat, so Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen gestern nach der Blockade in einer Pressemitteilung. Gleich mehrfach sollen die Atomtransporte nach Russland in dieser Woche von verschiedenen Umweltorganisationen thematisiert werden unter anderem heute Abend während einer Informationsveranstaltung ab 20 Uhr in der Concordia. Dort werden unter anderem Anna Parshina aus Tomsk, Olga Podosenova aus Ekaterinburg und Vladimir Slivyak über die katastrophalen Zustände in den geschlossenen Atomstädten in Sibirien berichten. Gestern Morgen war die Demo vor der Urananreicherungsanlage nach gut einer Stunde beendet Polizeibeamte forderten die Teilnehmer auf, die Zufahrt freizugeben, ansonsten drohten Ermittlungen wegen des Tatbestandes der Nötigung.

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taz 07.11.2006

Uranmüll blockiert

Atomkraftgegner aus Russland und Deutschland protestieren im Münsterland gegen Uranexport

GRONAU taz Russische und deutsche Atomkraftgegner haben gestern Vormittag die Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau blockiert, um gegen den Export von Uranmüll aus dem Münsterland nach Russland und für die sofortige Stilllegung der UAA zu demonstrieren. Die Umweltschützer versperrten nach Angaben des "Aktionsbündnisses Münsterland gegen Atomanlagen" mit Transparenten die Zufahrt zur UAA. Nach anderthalb Stunden habe die Polizei die Zufahrt geräumt und von 12 Personen die Personalien festgestellt. Mitarbeiter konnten passieren. Wie die Polizei mitteilte, verlief der Protest friedlich.

Das Aktionsbündnis und die Anti-Atom-Initiativen aus dem Münsterland bewerteten die Aktion in einer Stellungnahme als "vollen Erfolg". Man habe auf die wachsende Bedeutung des Exports von Atommüll aus Deutschland hinweisen wollen. "Die UAA-Betreiberin Urenco Deutschland handelt völlig verantwortungslos, indem sie ihren eigenen Atom-Abfall einfach in Sibirien endlagert", sagte der Sprecher des Aktionsbündnisses, Willi Hesters.

Bereits Mitte Oktober hatten russische und deutsche Atomkraftgegner vor der deutschen Botschaft in Moskau gegen den Export von Atommüll aus dem münsterländischen Gronau nach Russland protestiert. Fünf Demonstranten wurden damals festgenommen. Die Umweltschützer befanden sich vorübergehend im Polizeigewahrsam. Seit 1996 wurden rund 20.000 Tonnen hochgiftiges Uranhexafluorid nach Russland gebracht. Die Endlagerung dort ist nach Ansicht russischer Atomkraftgegner illegal.

Heute Abend nehmen die deutschen und russischen AktivistInnen an einer weiteren Anti-Atom-Mahnwache teil, die um 19 Uhr am Bahnhof in Ahaus beginnt. TEI/WYP  

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indymedia 06.11.2006

Russisch-deutsche Blockade der UAA Gronau

Aktionsbündnis Münsterland 06.11.2006 10:07 Themen: Atom

Heute morgen blockierten russische und deutsche AtomkraftgegnerInnen die Urananreicherungsanlage. Mit Transparenten versperrten sie die Zufahrt und anderthalb Stunden ging nix mehr. Dann räumte die Polizei die Einfahrt frei und nahm von zwölf Leuten die Personalien. Die Aktion verlief insgesamt sehr erfolgreich, denn die UAA-Betreiberin Urenco möchte den Export von Uranmüll nach Russland eigentlich komplett geheimhalten. Das funktioniert aber immer schlechter !!

Schon gestern demonstrierten 40 russische und deutsche AktivistInnen vor der UAA gegen den dreisten Atommüllexport aus Gronau. Die Urenco (in Deutschland stehen RWE und E.ON dahinter) hat bereits 20 000 Tonnen Uranmüll nach Russland gebracht. Dort soll es in den "Geschlossenen Atomstädten" Novouralsk bei Ekaterinburg und Seversk bei Tomsk endgelagert werden. Die Zustände sind dort katastrophal, die Städte sind mit Stacheldraht hermetisch abgeriegelt, Besuch ist nur mit Sondergenehmigung möglich und alles untersteht direkt der Regierung.

Die russische Umweltorganisation "Ecodefense!" fordert den kompletten Stopp der Atomtransporte nach Russland. Dazu ist momentan eine Delegation in Gronau, um die Öffentlichkeit zu informieren. Das ist mit der heutigen Aktion ziemlich gut gelungen, da auch einiges an Presse vor Ort war. Die Polizei war sichtlich überrascht, wollte zum Schluss aber natürlich die eigene Datensammlung etwas auffüllen.

Im Oktober war bereits eine deutsche Delegation in Russland, um u.a. an einer Aktion vor der deutschen Botschaft teilzunehmen (Fotos und Film auf: www.sofa-ms.de). Denn die deutsche Bundesregierung hat vor 10 Jahren mit einer dt.-russischen Regierungsvereinbarung den Weg frei gemacht. Offiziell geht es nicht um Atommülltransporte, sondern um "Wertstoff"-Transporte. Es kommt aber kaum wiederangereichertes Uran aus Russland zurück, das ganze ist ein klassischer Betrug!

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Verivox 01.11.2ßß6

Für den Inhalt der folgenden Meldung ist nicht die Verivox GmbH sondern der Autor SPD verantwortlich.

AG Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Begründung für die Nutzungsergänzung des Zwischenlagers Ahaus ist absurd

01. November 2006 - Anlaesslich des Antrags der Gesellschaft fuer Nuklear-Service mbH (GNS) und des Brennelement-Zwischenlagers Ahaus GmbH (BZA) auf Zwischenlagerung von schwach- bis mittelradioaktiven Abfaellen aus dem Betrieb und der Stilllegung deutscher Atomkraftwerke erklaeren die SPD-Bundestagsabgeordneten, Ingrid Arndt-Brauer und Christoph Pries:

Der Antrag auf Einlagerung schwach- bis mittelradioaktiver Stoffe im Zwischenlager Ahaus muss von den zustaendigen Landesbehoerden und dem Bundesamt fuer Strahlenschutz auf Grundlage der bestehenden rechtlichen Vorgaben geprueft werden.

Die wirtschaftlichen Interessen hinter dem Antrag sind klar. Das nur zu rund zehn Prozent seiner Kapazitaet genutzte Zwischenlager in Ahaus ist nach der Entscheidung fuer eine Zwischenlagerung der abgebrannten Brennelemente an den Standorten der Atomkraftwerke wirtschaftlich unrentabel. Dies soll nun durch die Einlagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfaelle geaendert werden.

Das Ansinnen ist aus Betreibersicht legitim. Der Versuch der Antragsteller, die Verantwortung fuer eine Nutzungsaenderung der Bundespolitik in die Schuhe zu schieben, ist allerdings absurd.

Erstens: Die standortnahe Zwischenlagerung der abgebrannten Brennelemente ist nicht Ergebnis einer "Verstopfungsstrategie" aus politischen Gruenden. Sie ist von den Kraftwerksbetreibern selbst gewuenscht worden, um auf Atommuelltransporte verzichten zu koennen

Zweitens: Die Behauptung, die deutschen Endlagerprojekte "Gorleben" und "Konrad" wuerden "bis heute aus politischen Gruenden behindert und verzoegert" ist schlichtweg falsch und wird von uns entschieden zurueckgewiesen.

Das Endlager fuer schwach- und mittelradioaktive Abfaelle "Schacht Konrad" ist zwar genehmigt. Der Ausbau kann aber erst beginnen, wenn Rechtssicherheit besteht. Deshalb muss die Entscheidung ueber die Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht ueber die Nichtzulassung einer Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Lueneburg abgewartet werden. Das gebietet die Rechtstaatlichkeit.

In diesem Zusammenhang hat Bundesumweltminister Gabriel in der Endlager-Debatte des Deutschen Bundestages am 19. Oktober 2006 unmissverstaendlich klargestellt, dass sich die Bundesregierung ohne weitere Verzoegerung exakt so verhalten wird, wie es durch den Gerichtsbeschluss vorgeschrieben wird.

Was Gorleben angeht, so haben sich Union und SPD im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, zuegig und ergebnisorientiert an einer Loesung fuer die Endlagerfrage zu arbeiten. Der Bundesumweltminister hat den Koalitionsspitzen im September ein Konzept zur Umsetzung eines Endlagers zugeleitet. Damit sind die Verhandlungen ueber die Endlagerfrage innerhalb der Koalition auf eine solide Grundlage gestellt worden. Von politischer Verhinderung oder Verzoegerung keine Spur.

Es draengt sich wieder einmal der Eindruck auf, dass die Begruendung der Antragsstellter Teil einer gezielten Eskalationsstrategie der Betreibergesellschaften in der Atomenergiedebatte ist.

Derartige Angriffe tragen nicht dazu bei, eine sachliche Gespraechsatmosphaere fuer die ohnehin schwierige Loesung der Endlagerfrage zu schaffen. 2006 SPD-Bundestagsfraktion

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Freie Presse 01.11.2006

Atomtransport nach Russland bereits im Januar beschlossen

Einzelheiten des Lufttransports sollen am Freitag bekannt gegeben werden

Dresden (ddp-lsc). Der umstrittene Lufttransport von radioaktivem Material aus dem ehemaligen DDR-Kernforschungszentrum Rossendorf bei Dresden nach Russland ist bereits Anfang des Jahres von der sächsischen Staatsregierung abgesegnet worden. Das Kabinett habe im Januar über den Transport von unbenutzten Brennelementen, Brennstäben und Brennstoffscheiben ins russische Forschungszentrum Podolsk entschieden, teilte das Wissenschaftsministerium am Donnerstag in Dresden mit.

Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) und der Direktor des Vereins Kernverfahrenstechnik und Analytik (VKTA), Udo Helwig, wollen am Freitag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz über Einzelheiten des Transports informieren.

Das radioaktive Material soll noch in diesem Jahr per Flugzeug in die Nähe von Moskau gelangen. Der Transport von etwa 200 Kilogramm hoch angereichertem Uran ist beim Bundesamt für Strahlenschutz zwar beantragt, aber noch nicht genehmigt worden. Die Grünen und die Umweltorganisation Greenpeace warnten vor den Risiken eines Lufttransports.

Das radioaktive Material enthält Uran mit einer Anreichung von bis zu 36 Prozent und muss laut VKTA anders als bestrahltes Material nicht in einem Castorbehälter transportiert werden. Der Abtransport mit dem Flugzeug ist aus Sicht des VKTA die wirtschaftlichste Lösung.

Der 1957 in Betrieb genommene Forschungsreaktor in Rossendorf wurde 1991 abgeschaltet. Für dessen Rückbau ist der Verein zuständig. Er wird vom Freistaat Sachsen mit derzeit jährlich 15 Millionen Euro unterstützt. Zu Forschungszwecken war von 1957 bis 1991 Brennstoff bestrahlt worden, den Rossendorf aus der damaligen Sowjetunion bezog. Mitte 2005 wurden nach monatelangem juristischem Streit zwischen Sachsen und Nordrhein-Westfalen insgesamt 18 Castoren mit insgesamt 951 Brennstäben in das Zwischenlager Ahaus gebracht.

(ddp)

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junge Welt, 01.11.2006

»Sicheres« Endlager mit Salzlauge

Bundesregierung kennt Risiken der Atommülldeponie Asse 2 bei Wolfenbüttel - und ignoriert sie

Von Josef Harnischmacher, AFP

Trotz eines jahrelangen Einbruchs von Salzlauge hält die Bundesregierung das Atommüll-Endlager Asse 2 in Wolfenbüttel für sicher. Rund 89000 Tonnen schwach- und »mittel«-radioaktive Abfälle - darunter auch 11,6 Kilogramm hochgiftigen Plutoniums - seien dort »dauerhaft sicher eingeschlossen«, heißt es in einer am Dienstag vom Bundestag veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen-Fraktion. Zugleich räumt die Regierung ein, daß der Eintritt der Flüssigkeit »nicht kalkulierbare gebirgsmechanische Vorgänge im Deckgebirge auslösen könnte«. Wenn nichts zur Sicherung unternommen würde, könnte es auch zur Kontaminierung von Grundwasser kommen. Um das zu verhindern, seien aber im Jahr 2004 Sicherungsarbeiten begonnen worden. Allerdings sei die gewählte Lösung - nämlich die Lagerstätten mit einer Schutzflüssigkeit aus Magnesiumchlorid zu fluten - noch nicht erprobt. Diese Art der Flutung sei aber »Standardverfahren bei der Schließung« von Salzbergwerken.

Für die umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Sylvia Kotting-Uhl, ist Asse 2 daher »ein Problemfall«. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß nach der angestrebten endgültigen Schließung der Anlage Radioaktivität ins Grundwasser gelange. Bereits seit 1988 tritt in das einzige westdeutsche Forschungsendlager Salzlauge ein. Dies ist die größte Gefahr für die Langzeitsicherheit unterirdischer Endlager, denn die Flüssigkeit kann die Radioaktivität aus der Tiefe ins Grundwasser befördern.

Schon 1965 wurde aus dem ehemaligen Salzbergwerk Asse ein Experimentierfeld für die Entsorgung von Atommüll: Gelagert wurde Atommüll aus kerntechnischen Forschungszentren wie Karlsruhe und Jülich, aus Kernkraftwerken und Landessammelstellen.

Nach der nun geplanten Flutung gibt es keine Möglichkeit mehr, die Endlagerung rückgängig zu machen. Eine Rückholbarkeit kommt nicht vor in den Plänen der staatlichen Gesellschaft für Strahlenforschung (GSF), die das Bergwerk 1965 im Auftrag des Bundes erwarb und seither betreibt. Die »Schutzflüssigkeit« soll als Strömungsbarriere zwischen den Atomabfällen und den mehr als zwölf Kubikmetern Salzlauge dienen, die täglich in die Anlage einströmen. Fachleute schätzen die Kosten des Gesamtprojekts bis zum anvisierten Abschluß im Jahr 2017 auf mehr als eine Milliarde Euro.

Allein für die Flutung fallen laut Bundesregierung Kosten von rund 70 Millionen Euro an. Die Atomindustrie wird demnach nicht an den Kosten der Endlagerung und den Folgekosten zur Behebung des Wassereintritts beteiligt.

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