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Hannoversche Allgemeine, 31.8.06

Niedersachsen

Vergessenes Atomlager in der Asse macht Probleme

Kaum jemand weiß, was sich unter dem sanften Hügelzug der Asse bei Wolfenbüttel verbirgt: In der Tiefe lagern hier in einem stillgelegten Salzbergwerk radioaktive Abfälle. Jetzt gibt es Probleme, weil es außer Kontrolle geraten ist.

Proteste wie in Gorleben hat es hier nie gegeben. Denn weitgehend unbekannt ist, dass in der Tiefe 125 000 Fässer mit schwach- und 1300 Behälter mit mittelradioaktivem Abfall. Darin verpackt sind so giftige Stoffe wie Uran, Plutonium und Thorium, die noch tausende Jahre strahlen werden. Zwischen 1967 und 1978 wurde der radioaktive Müll hier abgekippt - seither redet kaum noch jemand über die Asse. Doch dem Betreiber, der Gesellschaft für Strahlenforschung (GSF), und den Anwohnern macht die Deponie große Sorgen. Denn das Endlager Asse ist außer Kontrolle geraten.

"Wir sitzen hier auf einer Zeitbombe", sagt Seban Seehafer von der "Aktion Atommüllfreie Asse", der örtlichen Bürgerinitiative. Seit 16 Jahren dringt Salzlösung in das Bergwerk ein - das Schlimmste, was in einem Atommülllager passieren kann. Wenn die Fässer mit dem Strahlenmüll verrosten, werden die radioaktiven Teilchen frei und können langfristig ins Grundwasser gelangen. Die Grünen im Landtag sprechen von einem Skandal. "In der Asse ist die Endlagerung gründlich misslungen", kritisiert der Fraktionsvorsitzende Stefan Wenzel. Das werfe kein gutes Licht auf die Endlager-Pläne in Gorleben und dem Schacht Konrad in Salzgitter. "Wie will man garantieren, dass dort der Strahlenmüll über eine Million Jahre sicher eingeschlossen wird, wenn die Asse schon nach 30 Jahren abzusaufen droht?", fragt er.

Im Fall Asse geht es nach Ansicht der Grünen jetzt um Schadensbegrenzung. "Wichtig ist, dass das Endlager nach Atomrecht, und nicht wie geplant, nach Bergrecht geschlossen wird", fordern sie. Die Grünen fühlen sich durch ein neues Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes (GBD) des Landtages bestätigt, das sie selbst in Auftrag gegeben haben. Darin kommen die Landtagsjuristen zu dem Schluss, dass nach derzeitigem Erkenntnisstand bei der Schließung des Lagers das Atomrecht angewendet werden sollte. Überdies hätten die Anwohner die Möglichkeit, ein atomrechtliches Planfeststellungsverfahren einzuklagen.

Die Frage, welches rechtliche Verfahren zum Zuge kommt, ist von großer Bedeutung. Denn nach Atomrecht muss die Öffentlichkeit beteiligt werden, es müssen unabhängige Wissenschaftler gehört und verschiedene technische Verfahren geprüft und abgewogen werden.

Viele Anwohner fordern, dass der eingelagerte Abfall wieder aus dem Bergwerk herausgeholt wird. Der Betreiber GSF ist skeptisch. Das sei viel zu gefährlich, denn der Müll müsste von Arbeitern mit Hacke und Schippe freigeschaufelt werden, heißt es. Außerdem wisse man nicht, wie viel Zeit noch bleibe. Sollten die Laugenzuflüsse - derzeit sind es 12,5 Kubikmeter am Tag - plötzlich stark zunehmen, könnte das Bergwerk in kürzester Zeit absaufen.

Davor hatten Kritiker wie der Göttinger Geologe Prof. Günter Herrmann schon in den siebziger Jahren gewarnt. Obwohl genau dies beim Nachbarschacht Asse I passiert war, hatte die GSF diese Gefahr stets heruntergespielt. Das 1964 stillgelegte Kali- und Steinsalzbergwerk wurde als Stätte für Endlagerversuche ausgewählt. Verschiedene Einlagerungsmethoden wurden erprobt, zum Teil wurden die Atommüllfässer einfach in die Hohlräume gestürzt, wobei viele beschädigt wurden. Die wissenschaftlichen Arbeiten endeten 1992. Inzwischen arbeitet die GSF an einem Konzept für die Schließung der Deponie. Es sollte schon 2005 vorliegen, doch offenbar ist es schwierig, die Langzeitsicherheit nachzuweisen.

Das Bergwerk Asse gleicht einem Hochhaus unter Tage, das schon ziemlich baufällig ist. Die riesigen Hohlräume, von deren Decken große Salzbrocken abbrechen, werden derzeit mit Salz von der Kalihalde Ronnenberg stabilisiert. Die GSF plant, die Hohlräume zusätzlich mit Magnesiumchlorid zu verfüllen, damit der Müll nicht mit dem Grundwasser in Kontakt kommt.

Mit der Schließung der Asse werde erstmals die Endlagerung radioaktiver Abfälle tatsächlich vollzogen, sagt Umweltminister Hans-Heinrich Sander. Er will die Menschen in der Region umfassend informieren und anhören. Dies sei allerdings auch in einem bergrechtlichen Verfahren möglich, meint der Minister. Ein atomrechtliches Verfahren wäre erheblich teurer und aufwändiger.

Margit Kautenburger

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Frankfurter Rundschau, 29. 8. 06

Betreiber von Brunsbüttel unter Druck

Aus Angst vor Pannen fordern Kritiker Abschaltung des Atommeilers / Vattenfall widerspricht Grüne und Umweltschützer fordern die Stilllegung des Atomkraftwerks Brunsbüttel. Betreiber Vattenfall hingegen sieht die Sicherheit des Meilers belegt.

Berlin - Im Bundesumweltministerium wollte man noch keine endgültige Bewertung der Unterlagen vornehmen, mit denen Brunsbüttel-Betreiber Vattenfall auf ein Ultimatum der Atomaufsicht geantwortet hatte. Umweltminister Sigmar Gabriel hatte dem Konzern am Freitag eine Frist gesetzt. Bis Montag sollte Vattenfall nachweisen, dass es bei der Notstromversorgung nicht zu ähnlichen Ausfällen kommen könne wie im schwedischen Reaktor Forsmark. Andernfalls, so die indirekte Drohung, stünde die vorzeitige Stilllegung von Brunsbüttel an. Vattenfall antwortete am Montag fristgerecht auf den Fragenkatalog des Ministeriums.

Ob die Antworten den Atomaufsichtsbehörden als Sicherheitsnachweis ausreichen, ist offen. "Das Kernkraftwerk Brunsbüttel verfügt über eine gesicherte Notstromversorgung für alle denkbaren Störfälle", versicherte Vattenfall. Ausfälle der Wechselrichter bei der Notstromversorgung wie in Forsmark seien "ausgeschlossen". Enge Frist des Umweltministers Zuvor hatte Vatttenfall jedoch gegenüber den Behörden behauptet, Brunsbüttel setze gar keine vergleichbaren Wechselrichter ein. Erst Ende letzter Woche musste der Konzern einräumen, dass diese Aussage so nicht stimme. Das hatte zu heftiger Verärgerung bei den Atomaufsichtsbehörden geführt und zu der engen Fristsetzung des Bundesumweltministers. Ein Sprecher Gabriels stellte jedoch am Montag klar, der Minister verfolge mit seinen strengen Auflagen "nicht die Absicht aus Willkür heraus" Brunsbüttel oder andere Kernkraftwerke vorzeitig stillzulegen. Wenn das AKW sicher betrieben werde und wenn der Betreiber das nachweisen könne, dürfe das AKW, wie im Atomkonsens vereinbart, bis 2009 laufen.

Vattenfall sieht sich durch den Umweltminister "zu unrecht an den Pranger gestellt" und vermutet hinter den Auflagen den Versuch, die vom Konzern geforderte Laufzeitverlängerung zu erschweren.

Die Grünen forderten indessen die "unverzügliche" Abschaltung. Vattenfalls habe wochenlang schwere Sicherheitsmängel verschwiegen und so das Vertrauen in den ordentlichen Betrieb eines AKW verloren. Auch SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber kritisierte die Informationspolitik des Konzerns und zweifelte dessen Zuverlässigkeit an. Vera Gaserow

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Welt am Sonntag, 27.8.06

Netzwerk für Atomenergie

Wirtschaftsminister Erwin Huber und andere CSU-Politiker forcieren den Ausstieg aus dem Atomausstieg. Ihr Ruf nach längeren Laufzeiten erfreut die Versorgungskonzerne, facht den Streit um die Energiepolitik neu an und enttäuscht alternative Unternehmer

von Peter Issig

In der Debatte um die Energieversorgung setzt die CSU auf Wasserkraft: Nach dem Motto "steter Tropfen höhlt den Stein" ziehen Vertreter der Partei in regelmäßigen Abständen den Konsens zum Ausstieg aus der Atomkraft in Zweifel. Jetzt hat Wirtschaftsminister Erwin Huber erneut die Gelegenheit genutzt und - unter dem Eindruck des Unfalls im schwedischen Kraftwerk Forsmark - dem Streit um die Atomkraft in Bayern zu neuer Konjunktur verholfen.

Huber hat die Anträge der Energieunternehmen auf Preiserhöhungen zum Jahresbeginn 2007 um fünf bis sieben Prozent erneut zum Anlass genommen, eine Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke zu fordern. Schützenhilfe bekam Huber dabei von seinem Parteifreund, Bundeswirtschaftsminister Michael Glos. Er führt als Argument die steigenden Ölpreise an. CSU-Fraktionsvorsitzender Joachim Herrmann sprach sich kürzlich dafür aus, das Atomkraftwerk in Grafenrheinfeld noch 60 Jahre länger laufen zu lassen.

Für die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Ruth Paulig, sind diese Forderungen "dumme politische Gefälligkeitsgeschenke für Atomkonzerne". Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Susann Biedefeld, erinnerte an den schwarz-roten Koalitionsvertrag, der den Atomkonsens des Jahres 2000 bestätigt. Wirtschaftsminister Huber sieht sich dagegen als Verbraucheranwalt.

Längere Laufzeiten der Atomkraftwerke würden auf jeden Fall billigere Strompreise garantieren, sagt Huber. "Der Strom aus den Kernkraftwerken ist der billigste Strom, den wir haben. Wenn diese Quellen abgeschaltet werden, müssen wir diese Strommenge ersetzen. Aber die Ersatzquellen sind ausnahmslos teurer." Es sei "doppelzüngig", wenn die Grünen niedrige Strompreise forderten. "Wer aus der Kernenergie aussteigt, muss den Menschen auch sagen, dass sie dann mehr bezahlen müssen", sagt Minister Huber.

Bei aller Begeisterung für regenerative Energien erinnert der Wirtschaftsminister an die notwendige Wirtschaftlichkeit bei der Stromerzeugung. Strom aus Fotovoltaikanlagen wird zu 51 Cent pro Kilowattstunde eingespeist, der Kernenergiestrom koste bei der Herstellung drei bis vier Cent. Die Entwicklungskosten für die Atomtechnologie, die der Staat mit Milliardenbeträgen mitfinanziert hat, will Huber bis zum Letzten ausnützen. "Es wäre unsinnig, diese Investitionen nicht zu nutzen." Die politische Begrenzung der Laufzeit ist für Huber deshalb "eine Verschwendung von Kapitalvermögen im Milliardenbereich".

Neben den erwarteten Preissteigerungen sieht Huber auch Probleme bei der Versorgung, wenn es beim Atomausstieg bleibt. Weil regenerative Energie den Anteil von Kernkraft in Bayern nicht ersetzen kann, müsste vor allem die Gasnutzung ausgebaut werden. Der Energieversorger E.on baut bereits in Irsching bei Ingolstadt für rund 450 Millionen Euro ein Gaskraftwerk mit einer Leistung von 800 Megawatt. Der erste Strom soll hier im Sommer 2008 erzeugt werden

Selbst wenn sich die Versorger schon auf nachatomare Zeiten einstellen, ist das für Huber keine Lösung des Problems: "Bei Gas verzeichnen wir eine Preisexplosion, und es stellt sich die Frage der Abhängigkeit von Lieferländern wie beispielsweise Russland."

Trotz des Einsatzes für die längere Atomkraftnutzung geht die CSU aber nicht so weit, den Bau neuer Atomkraftwerke zu fordern. "Weil man sie in überschaubarer Zeit nicht braucht. Und uns ist natürlich auch klar, dass der Widerstand gegen Neubauten in Deutschland sehr groß ist. Es steht nur die Verlängerung der Laufzeit an", sagt Huber.

Planspiele für neue Reaktoren gibt es aber. Vor vier Jahren gaben Union und FDP im Bundestag eine Studie zur "Standortbestimmung für Kernkraftwerke" in Auftrag. Die von der Energietechnologie GmbH im nordrhein-westfälischen Lichtenau und der Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energien in Delbrück erstellte Studie nennt gerade für Bayern zahlreiche potenzielle Standorte, beispielsweise bei Leipheim, Fellheim, Neuburg an der Donau, Regensburg, Schwabach, Pfaffenhofen und Pleiting. Minister Huber betont aber, dass Bayern keine Standorte für neue Atomkraftwerke vorhalte.

Auch E.on versichert, dass es keine Überlegungen gibt neue Kernkraftwerke in Deutschland zu bauen, wie eine Sprecherin des größten Versorgers in Bayern sagt. Die neue Diskussion kommt hier aber gut an. Walter Hohlefelder, E.on-Vorstandsmitglied, wirbt für eine neue Diskussion. "Dazu gehört auch, dass durch Abschaltungen von Kernkraftwerken keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, bevor ein neues Energiekonzept und die dazugehörigen Umsetzungsschritte auf dem Tisch liegen."

An billigen Atomstrom und Versorgungssicherheit kann dagegen die Grünen-Politikerin Paulig nicht glauben. In allen Ländern mit hohem Atomstromanteil sei auch der Strompreis besonders hoch. Der Uranpreis habe sich seit 2001 verfünffacht, und auch hier sei Deutschland abhängig. Unabhängiger könnte nur die Nutzung erneuerbarer Energie machen. Hier sei Deutschland Spitzenreiter. Es werden zweistellige Zuwachsraten erreicht. Diese Branche müsse Huber unterstützen, fordert Paulig.

Karl Kiessling, Geschäftsführer der Senertec GmbH Schweinfurt, ist ein Vertreter dieser Branche, die sich andere energiepolitische Akzente der Staatsregierung wünscht. Zusammen mit 100 Mitarbeitern fertigt er seit zehn Jahren Blockheizkraftwerke für Einfamilienhäuser. Mittlerweile macht er damit 35 Millionen Euro Jahresumsatz.

Dennoch ist er von der Energiepolitik enttäuscht. "Kleine, dezentrale Varianten der Energieversorgung werden nicht genutzt und gefördert", sagt Kiessling. Der Unternehmer hat auch eine Idee zur Finanzierung: "Wenn die Laufzeiten verlängert werden, sollte Kernkraft mit einer Primär-Energiesteuer belegt werden, die könnte man für die Förderung erneuerbarer Energien abschöpfen."

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taz vom 25.8.2006

Atom: Störfall war doch ernst

STOCKHOLM taz Der Störfall im AKW Forsmark war "ernster als zunächst angenommen". Björn Karlsson, Chef des Reaktorsicherheitsausschusses bei der Strahlenschutzbehörde (SKI), erklärte zum Störfallbericht, "das Bild hat sich durch Klärung von Einzelheiten deutlich verschlechtert". Besonders beunruhigend sei, "dass ein und dasselbe Ereignis gleich mehrere Sicherheitssysteme außer Funktion gesetzt hat". Umweltministerin Leni Sommerstad kündigte gestern "praktische Konsequenzen" an. Die SKI hatte nach dem Störfall vier der zehn AKWs abschalten lassen. Über neue Betriebsgenehmigung soll erst nach den Untersuchungen entschieden werden. WOLFF

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Osnabrücker  Zeitung 24.08.2006

Nordwest

Lager für Atommüll in der Region?

hab  Osnabrück.

Bei der Suche nach alternativen Standorten für eine  Atommülldeponie gerät

auch die Region Osnabrück-Emsland ins Blickfeld. 

Aus dem unserer Zeitung vorliegenden Zwischenbericht einer Studie der 

Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover geht hervor, 

dass sowohl der Salzstock Wahn auf dem Hümmling als auch Tongesteinsformationen 

in den Kreisen Osnabrück, Emsland und Grafschaft Bentheim potenziell als 

Endlager für hochradioaktive Stoffe in Betracht kommen.

 

Dem Bericht  zufolge sollten nur noch Steinsalzvorkommen in Niedersachsen

sowie  Tongesteinsformationen in Nord- und Süddeutschland auf eine Eignung als 

Atommülldeponie untersucht werden. Zu den favorisierten Salzstöcken zählt neben

 Wahn auch Zwischenahn im Ammerland.

 

Die ins Visier genommenen  Tonvorkommen liegen im Wesentlichen auf einer

Achse von Bentheim über  Osnabrück/Diepholz bis nach Hannover/Braunschweig. Es

handelt sich dabei um eine  pauschale Kartierung; konkrete Standorte werden im

Gegensatz zu den Salzstöcken  nicht genannt. Eine tatsächliche Eignung müssten

auch erst Prüfungen ergeben. 

 

Weitere als untersuchungswürdig gekennzeichnete Gebiete mit Tongestein 

befinden sich im Münsterland, im nördlichen Bereich der neuen Bundesländer sowie 

auf der Schwäbischen Alb und im Allgäu.

 

Die Experten der Bundesanstalt  raten nach den bisherigen Erkenntnissen - die

Studie soll Ende 2006 fertig sein  - von einem Endlager in kristallinen

Formationen wie etwa Granit ab. Es gebe  kaum Vorkommen von ausreichender Größe und

Dichtigkeit.

 

Auch zwischen  Salz und Ton erfolgt in dem vom April stammenden

Zwischenbericht der Studie über  potenzielle Endlagerregionen eine deutliche Abstufung. So

wird darauf verwiesen,  dass Salzformationen "sehr gut geeignet" seien; Ton

hingegen weise eine hohe  Temperaturempfindlichkeit auf.

 

Dies führe dazu, dass der Atommüll bei  einem Ton-Endlager 15 bis 25 Jahre

länger zwischengelagert werden müsse, um  Überhitzungen im Berg zu verhüten.

Zudem seien im Vergleich zu Salz ein erhöhter  Platzbedarf, ein anderes

Behälterkonzept und aufwendige Sicherungsmaßnahmen  unter Tage vonnöten. 

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Die Welt 23.08.2006

Heftige Vorwürfe gegen Stromversorger

Hamburg (dpa) - Die Kritik an den Stromkonzernen wegen geplanter Preiserhöhungen wird schärfer. Nach Vorwürfen von Politikern und Verbraucherschützern kommen nun Angriffe von Unternehmensseite.

Der Vorstandschef von Europas größter Kupferhütte Norddeutsche Affinerie AG (NA), Werner Marnette, warf den Versorgern Willkür vor. «Die Preistreiberei der vier marktbeherrschenden Stromkonzerne ist für Privatverbraucher, Handwerk und Industrie unerträglich geworden», schrieb Marnette in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Vorsitzenden des Bundes der Energieverbraucher, Aribert Peters.

Der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) wies die Vorwürfe zurück. Hauptgeschäftsführer Eberhard Meller verteidigte die geplanten Preiserhöhungen mit gestiegenen Rohstoffpreisen. «In Deutschland können außerdem alle Stromkunden ihren Lieferanten frei wählen», sagte er der «Netzeitung».

Verbraucher müssen in weiten Teilen Deutschlands mit höheren Strompreisen von Januar 2007 an rechnen. In den meisten Bundesländern müssen die Stromanbieter allerdings ihre Grundtarife genehmigen lassen - zuständige Minister haben bereits Widerstand angekündigt. Von Oktober an sollen vielerorts die Gaspreise steigen.

Peters und Marnette meinten, das Energierecht habe versagt, da es dem Preisauftrieb offensichtlich keinen Einhalt gebieten könne. Die Strompreise sind nach Peters Worten auf einem «extrem hohen» Niveau: «Die deutschen Haushaltskunden müssen je nach Verbrauchsmenge durchschnittlich zwischen 7 und 2,4 Cent pro Kilowattstunde mehr bezahlen als ihre europäischen Nachbarn.»

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) sagte: «Hohe Strompreise sind ein Hemmnis für mehr Wachstum und Beschäftigung». Er will die Genehmigungspflicht für Strompreise verlängern. Ebenso äußerte sich die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert. Sie verlangt, dass die Bundesnetzagentur sämtliche Preise auf dem Strommarkt vorab prüft. «Noch besser wäre es, wenn eine entsprechende EU-Institution dies europaweit täte», sagte sie der «Berliner Zeitung». Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) forderte mehr Transparenz. Die Versorger würden ihrer Verantwortung für die Wirtschaftsstruktur des Landes nicht gerecht.

Unterdessen kündigte der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Hendrik Hering (SPD) an, das von den Energieversorgern erhobene Netzentgelt um zehn Prozent und mehr zu kürzen. Die Unternehmen erheben die Gebühr von anderen Versorgern für die Nutzung ihrer Stromnetze. Das Entgelt macht für den Verbraucher etwa ein Drittel des Preises aus. Das Landesministerium ist für 65 Versorger zuständig. Daneben kontrolliert die Bundesnetzagentur das Netzentgelt großer Unternehmen, die in mehreren Bundesländern aktiv sind.

In Baden-Württemberg kam es zu einem landespolitischen Streit: SPD-Generalsekretär Jörg Tauss forderte in einem dpa-Gespräch die CDU/FDP-Landesregierung auf, die Preise besser zu kontrollieren. In Baden-Württemberg gibt es keine Genehmigungspflicht für Strom- Grundtarife. Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) konterte: «Die Landesregierung steuert ihren Teil dazu bei, dass die Kunden Preiserhöhungen nicht schutzlos ausgeliefert sind.»

Pfister rechnet damit, dass die Gebühren für die Nutzung der Stromnetze um durchschnittlich mindestens zehn Prozent zurückgehen. Der Umweltexperte der Grünen im Landtag, Franz Untersteller, warf der Regierung vor, ohne Not auf die Preisaufsicht verzichtet zu haben. Übereinstimmend rieten die Politiker den Verbrauchern, notfalls den Anbieter zu wechseln. Den gleichen Vorschlag machte Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU). Er zeigte aber auch Verständnis für die Unternehmen. «Man kann nicht vom Tisch wischen, dass die Beschaffungskosten für Gas und Kohle stark gestiegen sind», sagte der Minister dem «Münchner Merkur».

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FAZ 22.08.2006

Energie

Strompreise in Deutschland sind europäische Spitze

Die Strompreise in Deutschland gehören zu den höchsten in Europa. Nach einer Vergleichsstudie des Hamburger Energie Informationsdienstes (EID) zahlte ein durchschnittlicher Privathaushalt in Deutschland im Juli 19,83 Cent je Kilowattstunde Strom. In Frankreich kostete der Strom durchschnittlich 12,2 Cent je Kilowattstunde und in der Schweiz 12,12 Cent.

Nur in Ländern mit extrem hohen Stromsteuern wie Dänemark, Italien und den Niederlanden mußte für den Strom mehr bezahlt werden als in Deutschland, berichtete der Informationsdienst unter Berufung auf das britische Marktforschungsunternehmen Energy Advice. Neben den Haushalten muß auch die Industrie für den Strom tief in die Tasche greifen. In der Leistungskategorie 50 Megawatt zahlen die deutschen Unternehmen mit 7,17 Cent je Kilowattstunde den dritthöchsten Preis unter den westeuropäischen Ländern.

Überzogene Strompreise

Für Strom müssen die Deutschen tief in die Tasche greifen

„Im Vergleich zum April 1998, dem Beginn der Liberalisierung, haben sich die anfänglichen Liberalisierungsgewinne nicht nur aufgezehrt, sondern sind zumeist über das Niveau von 1998 hinausgeschossen. Die deutschen Haushalte müssen heute über 25 Prozent mehr zahlen als vor sechs Jahren und die Industrie rund 15 Prozent mehr", schreibt der EID. Die Gaspreise liegen für die Haushalte im oberen Mittelfeld in Europa, während Industrieunternehmen mit geringen Abnahmemengen die höchsten Preise in Europa zahlen müssen, hat der EID errechnet.

Trotz des hohen Preisniveaus haben die meisten Stromanbieter in Deutschland bei ihren zuständigen Landesministerien Anträge auf Preiserhöhungen zum Jahreswechsel gestellt. Zum Beispiel wollen 41 hessische Unternehmen ihre Preise zwischen 7 und 20 Prozent anheben. Im Vorjahr hatten die Anträge der Unternehmen lediglich Preissteigerungen zwischen 6 und 7 Prozent enthalten, die dann aber allesamt nicht genehmigt wurden. „Wenn die Gewinne der Stromunternehmen hoch sind und gestiegene Beschaffungskosten durch sinkende Netzentgelte teilweise kompensiert werden, sind die Preiswünsche vieler Stromunternehmen überzogen", sagte der hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU).

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ND 21.08.2006

21.08.06

RWE will mehr Kernenergie

Konzern für längere Laufzeit von Biblis A und neue AKW im Ausland 

Von Reimar Paul 

Der Stromkonzern RWE hat die Debatte über mögliche Konsequenzen aus dem Störfall im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark mit einem besonderen Beitrag angereichert. Das Unternehmen will nicht nur längere Laufzeiten für das AKW Biblis A in Hessen erreichen, sondern auch beim Bau neuer Meiler im Ausland mitmischen.

Damit der Reaktor Biblis A nicht, wie im Atomkonsens geplant, 2008 vom Netz gehen muss, will RWE bei Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) beantragen, dass Stromkontingenten von anderen Reaktoren auf Biblis A übertragen werden. Dies kündigte RWE-Vorstandschef Harry Roels an. Ein entsprechender Antrag solle noch in diesem Sommer eingereicht werden. Ein Konzernsprecher bezeichnete den Reaktor als »nachgerüstete, optimierte Anlage mit einem Top-Sicherheitsstandard«. Auch der hessische Umweltminister Wilhelm Dietzel spricht sich für eine längere Laufzeit von Biblis A aus. Hessen begrüße ein Mehr an Laufzeit, wenn es mit noch mehr Sicherheit verbunden werde, erklärte Dietzel.

Die rot-grüne Bundesregierung hatte im Jahr 2000 mit den vier größten deutschen Energieunternehmen, darunter RWE, einen schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie vereinbart. Für jedes der damals noch 19 Atomkraftwerke wurde je nach Alter eine Restmenge noch zu produzierenden Stroms errechnet &endash; ist diese Menge verbraucht, wird der Meiler abgeschaltet. Vereinbart wurde auch, dass ein älteres Atomkraftwerk seine Restkontingente auf ein jüngeres übertragen kann. Sollen jedoch von einem neueren AKW Strommengen auf ein älteres übertragen werden, bedarf es der Genehmigung des Bundesumweltministeriums. Der amtierende Minister Gabriel ließ indes mehrfach durchblicken, dass er solche Anträge nicht genehmigen will.

Die hessische Landtagsfraktion der Grünen kritisierte die RWE-Ankündigung als »zynisch«. »Wenige Tage nach dem gravierenden Störfall im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark und vor dem Hintergrund der noch anstehenden detaillierten Prüfungen deutscher Atomkraftwerke auf die Zuverlässigkeit der Notsysteme kann diese Ankündigung nur als Provokation verstanden werden«, so der Parlamentarische Geschäftsführer, Frank Kaufmann. Immerhin sei Biblis A das älteste in Betrieb befindliche Atomkraftwerk Deutschlands mit einer fast unüberschaubaren Anzahl von Störfällen. Im Jahr 1987 schrammte das AKW Biblis sogar nur knapp an einem GAU vorbei.

Mit längeren Laufzeiten für den Uralt-Pannenreaktor Biblis lässt es RWE-Boss Roels aber nicht bewenden. »Wir prüfen derzeit Projekte für neue Kernkraftwerke im europäischen Ausland«, sagte er dieser Tage bei der Vorlage der Quartalszahlen seines Konzerns. »Wir tun dies auch, um international nicht den Anschluss bei dieser Technologie zu verlieren.« Wie viele neue Atommeiler in welchen Staaten mit RWE-Beteiligung entstehen könnten, wollte Roels nicht nennen. Die Planungen seien noch in einem sehr frühen Stadium.

Nach Roels Worten ist RWE der größte private Investor in Deutschland. Im ersten Halbjahr habe der Konzern 1,66 Milliarden Euro und damit 16 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum investiert. Bis 2011 werde man weitere elf Milliarden Euro in konventionelle Kraftwerke, Netze und den Braunkohletagebau investieren.

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Stern Shortnews 21.08.2006

CDU gegen Atomausstieg: Umfrage des Umweltministeriums "zweifelhaft"

Im Koalitionsvertrag zwischen der SPD und der CDU wurde der Atomausstieg Deutschlands bis 2021 festgeschrieben. Damit will sich die CDU nun offenbar nicht zufrieden geben, denn Unionsfraktions-Vize Reiche fordert zum Überdenken dieses Punktes auf.

Dabei nannte sie eine Umfrage des Umweltministeriums, in der sich rund zwei Drittel der Bevölkerung für eine Abkehr von der Atomenergie aussprachen, "zweifelhaft". Diese Umfrage wurde zwei Wochen nach dem Störfall in einem schwedischen AKW gestartet.

Reiche wies auf die immer höher werdenden Preise für Energie hin, vor diesem Hintergrund könne Deutschland vorerst nicht auf Atomenergie verzichten. Dabei sei die mit der SPD getroffene Abmachung "keine Aufforderung für ein Denkverbot".

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Die Welt, 19.8.06

Unionsregierte Länder wollen Ausstieg aus dem Ausstieg

Berlin (dpa) - Mehrere Unionsländer haben eine Initiative für einen Ausstieg aus dem Atomausstieg gestartet. Die energiepolitischen Rahmenbedingungen hätten sich seit der Vereinbarung im Jahr 2000 «deutlich verändert.»

Das zitiert das Magazin «Focus» aus dem internen Papier, das auf die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) zurückgehe. Ein Sprecher Thobens bestätigte der dpa, dass das Papier auf ihre Veranlassung im Ministerium im Vorfeld der Verhandlungen zu einem nationalen Energiekonzept erarbeitet wurde. Das Bundesumweltministerium attackierte die Unionsländer und warf ihnen Rückfall in altes Denken vor.

Als Gründe nennen die Länder dem Bericht zufolge den verschärften internationalen Wettbewerb um Öl und Erdgas sowie die «Offshore- Strategie» (Windparks auf dem Meer) der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung, die sich als überzogen optimistisch erwiesen habe.

Die Landesregierungen von Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Saarland fordern dem Bericht zufolge: «Kurzfristig muss eine Verständigung angestrebt werden, mit der die Abschaltung von Kernkraftwerken in den nächsten Jahren vermieden wird.» Der Vizeregierungssprecher von Sachsen-Anhalt, Theo Struhkamp, wies den Bericht zurück. Sachsen-Anhalt sei nicht involviert. «Keine Stellungnahme», hieß es aus Hamburg. Der niedersächsische Regierungssprecher, Matthias Sickert, sagte, das Papier decke sich mit den Positionen der Landesregierung. Ein Sprecher des hessischen Umweltministeriums sagte, das Papier gebe in etwa die Meinung der Landesregierung wieder.

Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Michael Müller (SPD), kritisierte, die «penetrante Forderung» nach einer Neubewertung der Atomkraft zeige «einen eklatanten Mangel» in der Fähigkeit, Zukunftsprozesse abzuschätzen. «Wulff, Koch und Oettinger haben offenkundig die Debatte der letzten Jahre gar nicht verstanden oder sie wollen Bundeskanzlerin (Angela) Merkel ärgern, die sich koalitionstreu verhält.» Deutschland verlöre bei einer Umkehr im Atomkurs seine Vorreiterrolle, «zumal viele Länder erkannt haben, dass nicht die Atomkraft, sondern die sparsamen und erneuerbaren Energieformen die Zukunftsmärkte bilden».

Angesichts von Rekordgewinnen der Energiekonzerne forderte das SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. «Seine Aufgabe bestünde darin, die dubiosen Kalkulationsmethoden offen zu legen», erläuterte Scheer in «Bild am Sonntag». Die Konzerne missbrauchten ihre marktbeherrschende Stellung und verstießen gegen das Wettbewerbsrecht.

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ZDF heute 19.08.2006

Unionsländer machen gemeinsam Front gegen Atomausstieg

Umweltministerium: Rückfall in altes Denken

Mehrere Unionsländer haben eine Initiative für einen Ausstieg aus dem Atomausstieg gestartet. Als Gründe nennen die Länder einem Zeitungsbericht zufolge den verschärften internationalen Wettbewerb um Öl und Erdgas sowie die "Offshore- Strategie" (Windparks auf dem Meer) der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung, die sich als überzogen optimistisch erwiesen habe. Das Bundesumweltministerium attackierte die Unionsländer und warf ihnen Rückfall in altes Denken vor.

Die energiepolitischen Rahmenbedingungen hätten sich seit der Vereinbarung im Jahr 2000 "deutlich verändert", zitiert das Magazin "Focus" aus dem internen Papier, das auf die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) zurückgehe. Ein Sprecher Thobens bestätigte der dpa, dass das Papier auf ihre Veranlassung im Ministerium im Vorfeld der Verhandlungen zu einem nationalen Energiekonzept erarbeitet wurde.

Die Landesregierungen von Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Saarland fordern dem Bericht zufolge: "Kurzfristig muss eine Verständigung angestrebt werden, mit der die Abschaltung von Kernkraftwerken in den nächsten Jahren vermieden wird."

Der Vizeregierungssprecher von Sachsen-Anhalt, Theo Struhkamp, wies den Bericht zurück. Sachsen-Anhalt sei nicht involviert. "Keine Stellungnahme", hieß es aus Hamburg. Der niedersächsische Regierungssprecher, Matthias Sickert, sagte, das Papier decke sich mit den Positionen der Landesregierung. Ein Sprecher des hessischen Umweltministeriums sagte, das Papier gebe in etwa die Meinung der Landesregierung wieder.

"Vorreiterrolle geht verloren"

Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Michael Müller (SPD), kritisierte, die "penetrante Forderung" nach einer Neubewertung der Atomkraft zeige "einen eklatanten Mangel" in der Fähigkeit, Zukunftsprozesse abzuschätzen. "Wulff, Koch und Oettinger haben offenkundig die Debatte der letzten Jahre gar nicht verstanden oder sie wollen Bundeskanzlerin (Angela) Merkel ärgern, die sich koalitionstreu verhält." Deutschland verlöre bei einer Umkehr im Atomkurs seine Vorreiterrolle, "zumal viele Länder erkannt haben, dass nicht die Atomkraft, sondern die sparsamen und erneuerbaren Energieformen die Zukunftsmärkte bilden".

Angesichts von Rekordgewinnen der Energiekonzerne forderte das SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. "Seine Aufgabe bestünde darin, die dubiosen Kalkulationsmethoden offen zu legen", erläuterte Scheer in "Bild am Sonntag". Die Konzerne missbrauchten ihre marktbeherrschende Stellung und verstießen gegen das Wettbewerbsrecht.

Mit Material von dpa

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MDR, 18.8.06

Umfrage: Deutsche befürworten Atomausstieg

Die Mehrheit der Deutschen misstraut offenbar der Atomkraft. Das ergab eine neue Umfrage, die das Bundesumweltministerium nach dem Störfall im schwedischen Forsmark in Auftrag gab. Demnach befürworten 62 Prozent der Bundesbürger das Tempo des Atomausstiegs oder wollen es sogar beschleunigen. Die Zustimmung ziehe sich durch alle Altersgruppen. Der Umfrage zufolge sieht jeder zweite Deutsche in der Atomkraft eine große oder sehr große Gefahr für sich selbst oder die eigene Familie. Das betreffe die Kraftwerke selbst, aber auch mögliche Anschläge und die Atomtransporte.

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business-wissen.de, 18.8.06

Umfrage: 62 Prozent der Deutschen wollen Atomausstieg beibehalten

Berlin (ddp.djn). Die Deutschen misstrauen der Kernkraft. Nach einer neuen Forsa-Umfrage wollen 62 Prozent der Bundesbürger das Tempo des Atomausstiegs beibehalten oder sogar noch beschleunigen. Nur 33 Prozent finden den Atomausstieg falsch oder wollen ihn zumindest verlangsamen, wie die "Berliner Zeitung" (Freitagausgabe) berichtet. Die Erhebung habe das Bundesumweltministerium zwei Wochen nach Bekanntwerden des Störfalls im schwedischen Kernkraftwerk Forsmark in Auftrag gegeben.

Die Zustimmung zum Atomausstieg zieht sich der Umfrage zufolge durch alle Altersgruppen. Nur bei den Befragten über 60 Jahre ist die Zustimmung mit 55 Prozent ein wenig niedriger. Bis auf die Anhänger der FDP sind die Anhänger aller im Bundestag vertretenen Parteien mehrheitlich dieser Auffassung. Sogar 53 Prozent der Unionswähler halten den Atomausstieg wie geplant oder sogar noch schneller für richtig. Bei der SPD sind es 70 Prozent, bei den Grünen 88 Prozent, bei der Linkspartei 71 Prozent, bei der FDP 40 Prozent.

Die meisten Deutschen gehen laut Umfrage zwar davon aus, dass sich die Sicherheit der Kernkraftwerke seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vor 20 Jahren verbessert hat. Dennoch ist 53 Prozent der Befragten das Unfallrisiko nach wie vor zu hoch. 18 Prozent sind sogar der Meinung, dass ein Vorfall wie in Tschernobyl heute noch genauso wahrscheinlich ist wie damals. 26 Prozent schätzen das Risiko eines Unfalls dagegen als so gering ein, dass sie bereit sind, es in Kauf zu nehmen. Zwei Prozent der Befragten halten Atomkraftwerke für absolut sicher.

ddp.djn/mar/hwa

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N24, 18.8.06

Zwei Drittel der Deutschen für Atomausstieg

Der vor allem von Unionsseite vorgebrachte Vorstoß, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern, stößt in der Bevölkerung auf Widerstand. 62 Prozent der Bundesbürger wollen das Tempo des Atomausstiegs beibehalten oder sogar noch beschleunigen, ergab eine Forsa-Umfrage unter 1000 Bundesbürgern, wie das Bundesumweltministerium am Freitag mitteilte.

Die Umfrage hatte das Ministerium zwei Wochen nach Bekanntwerden des Störfalls im schwedischen Kernkraftwerk Forsmark in Auftrag gegeben. Demnach finden 33 Prozent der Befragten den Atomausstieg falsch oder wollen ihn verlangsamen.

Auch Unions-Wähler für Ausstieg wie geplant

Die mehrheitliche Zustimmung zum Atomausstieg zieht sich der Umfrage zufolge durch alle Altersgruppen. Nur bei den Befragten über 60 Jahre ist die Zustimmung mit 55 Prozent ein wenig niedriger. Bis auf die Anhänger der FDP sind die Anhänger aller im Bundestag vertretenen Parteien mehrheitlich dieser Auffassung.

Auch 53 Prozent der Unions-Wähler halten den Atomausstieg wie geplant oder sogar noch schneller für richtig. Bei der SPD sind es 70 Prozent, bei den Grünen 88 Prozent. Die einstige Koalition der beiden Parteien hatte mit der Atomindustrie den Ausstieg vereinbart. Bei den Anhängern der Linkspartei liegt die Zustimmung zum Ausstieg bei 71 Prozent, bei der FDP bei 40 Prozent.

Debatte um AKW Brunsbüttel

Mit 52 Prozent sieht eine knappe Mehrheit der Befragten in der Atomkraft eine große oder sogar sehr große Gefahr für sich selbst oder die eigene Familie. Dies betreffe die Atomkraftwerke selbst, aber auch mögliche Anschläge auf die Meiler, die Atomtransporte oder den radioaktiven Müll, hieß es.

40 Prozent der Deutschen sehen dagegen nur eine geringe Gefahr, acht Prozent gar keine. Ende Juli hatte es im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark einen Störfall gegeben. Dabei hatte ein Kurzschluss außerhalb der Anlage das AKW vom Netz getrennt.

Das hatte auch in Deutschland zu einer Debatte über die Sicherheit von Kernkraftwerken geführt. Dabei geriet vor allem das AKW Brunsbüttel ins Visier. Nach Einschätzung der Deutschen Umwelthilfe sind die Sicherheitsmängel dort größer als in Forsmark. Die Notstromversorgung in Brunsbüttel sei auf Betriebsstörungen schlechter vorbereitet als die des Atomkraftwerks Forsmark.

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N24, 18.8.06

Atomkraft in Deutschland

Für 71 Prozent zu gefährlich

Nach dem Störfall im schwedischen Kernkraftwerk Forsmark halten 71 Prozent der Bundesbürger die Unfallgefahren durch Kernenergie weiterhin für zu hoch. 62 Prozent wollen das Tempo des Atomausstiegs entweder beibehalten oder gar beschleunigen, ergab eine Forsa-Umfrage im Auftrag des SPD-geführten Bundesumweltministeriums. Selbst 53 Prozent der Unions-Anhänger sind dafür, was der Absicht der CDU/CSU widerspricht, die vertraglich bis 2020/21 festgelegten Atomlaufzeiten zu verlängern. Dies will auch die FDP, deren Anhänger laut Forsa sich immerhin zu 40 Prozent dem offiziellen Parteiwillen entgegenstellen.

Kritik an dem von Minister Sigmar Gabriel (SPD) geführten Ressort kam aus der Union. Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer forderte wiederum: "Die Atompartei CDU muss umdenken." Die Mehrheit ihrer Wähler lehne den Parteikurs in der Atomfrage ab. "Forsmark war ein Menetekel. Frau (Angela) Merkel sollte es lesen können, aber wahrscheinlich wird Sie auch dieser Frage wieder ausweichen."

Unions-Fraktionsvize Katherina Reiche (CDU) erklärte: "Durch eine gezielte Fragestellung kann man ein interessengeleitetes Ergebnis auch vorwegnehmen. Dieser Verdacht drängt sich förmlich auf." Es sei unverantwortlich, die Sicherheit deutscher Kernkraftwerke permanent in Frage zu stellen. "Angesichts steigender Energiepreise und der immer spürbar werdenden Auswirkungen des Klimawandels werden wir auf längere Laufzeiten in Deutschland nicht verzichten können."

Forsa befragte im Auftrag des Ministeriums am 15. und 16. August - also drei Wochen nach dem Störfall in Schweden, bei dem das automatische Notstromsystem kurze Zeit ausfiel - 1002 Bundesbürger ab 18 Jahren. Danach wollen 33 Prozent am Tempo des Atomausstiegs festhalten, 29 Prozent ihn beschleunigen. Bei der SPD sind dies 70 Prozent, bei den Grünen 88 Prozent und bei der Linkspartei 71 Prozent. 15 Prozent aller Befragten sind für eine Verlangsamung (CDU-Anhänger: 22 Prozent) und 18 Prozent (CDU-Anhänger: 20 Prozent) sind der Meinung, Deutschland sollte nicht aus der Atomenergie aussteigen.

Für 18 Prozent ist die Unfallgefahr bei Atomkraftwerken weltweit genauso groß wie vor 20 Jahren, also zur Zeit der Katastrophe von Tschernobyl. 53 Prozent sehen die Atomkraftwerke heute weltweit als sicherer an, bewerten das Unfallrisiko für sich aber "noch als zu hoch". 26 Prozent sehen nur ein kleines Risiko, sind aber bereit, es "in Kauf" zu nehmen. Keine Unfallgefahr durch Kernkraftwerke sehen 2 Prozent der Befragten.

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Der Standard, 18.8.06

Umfrage: Mehrheit der Deutschen sieht in Atomkraft große Gefahr

62 Prozent wollen Tempo des Atomausstiegs beibehalten

Berlin - Zwei Wochen nach dem Störfall im schwedischen Forsmark sehen die meisten Deutschen einer Umfrage zufolge in der Atomkraft eine große Gefahr. Nach einer am Freitag veröffentlichten Befragung im Auftrag des Bundesumweltministeriums bewerten 51 Prozent der Deutschen die Atomenergie als eine große oder sogar sehr große Gefahr. Gefragt hatte das Forschungsinstitut Forsa nach der Gefahr der Atomkraftwerke selbst, möglicher Anschläge auf sie, nach Atomtransporten und radioaktivem Müll. Dabei schätzen Jüngere das Risiko geringer ein als Ältere.

Rund 18 Prozent glauben der Umfrage zufolge, dass die Unfallgefahr bei den Kraftwerken heute noch genauso groß ist wie vor 20 Jahren. Damals hatte es in Tschernobyl die größte Katastrophe in der Geschichte der Nutzung der Atomkraft gegeben. Mehr als die Hälfte der Befragten gaben an, dass die Kraftwerke zwar sicherer geworden sind, ihnen aber das Unfallrisiko dennoch zu hoch sei.

Tempo beibehalten

62 Prozent der 1000 Befragten wollten, dass das Tempo des Atomausstiegs in Deutschland beibehalten oder gar beschleunigt wird. Diese Auffassung teilten auch 40 Prozent der Anhänger der FDP. Die Partei setzt sich vehement für eine längere Nutzung der Atomenergie ein. Ein Drittel aller Befragten sprach sich für eine Verlangsamung oder einen Verzicht auf den Ausstieg aus.

Nach dem Atomkonsens soll in Deutschland das letzte Atomkraftwerk um das Jahr 2020 herum abgeschaltet werden. In der laufenden Wahlperiode müssen mindestens zwei Kraftwerke abgeschaltet werden, was die Betreiber mit Unterstützung aus Union und FDP aber verhindern wollen.(APA/Reuters)

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Berliner Zeitung, 18.8.06

Bürger misstrauen der Kernkraft

Umfrage: Zwei Drittel der Deutschen wollen Atomausstieg beibehalten

Jörg Michel

BERLIN. Vor drei Wochen ereignete sich im schwedischen Kernkraftwerk Forsmark ein folgenschwerer Störfall: Nach einem Kurzschluss sprangen die Notstrom- aggregate nicht mehr an. Der Meiler musste abgeschaltet werden. Und mit ihm zwei Reaktoren gleicher Bauart. Bis heute sind die Kernkraftwerke nicht wieder am Netz und die schwedische Atomaufsicht prüft, wie es zu dem Vorfall kommen konnte. In Deutschland hat der Störfall eine lebhafte Debatte um den hiesigen Atomausstieg ausgelöst. Die Befürworter der Kernenergie verweisen darauf, dass die Ereignisse auf deutsche Atomkraftwerke nicht übertragbar sind. Die Gegner dagegen sehen sich in ihrer Einschätzung bestätigt, dass die Atomkraft eine Risikotechnologie ist, deren Nutzung man beenden sollte.

Meiler sollen bis 2021 vom Netz

Erstmals nach den Ereignissen in Schweden hat nun das Meinungsforschungsinstitut Forsa die Deutschen im Auftrag des Bundesumweltministeriums nach ihrer Meinung zum Atomausstieg gefragt. Die Ergebnisse, die der Berliner Zeitung vorliegen, sprechen eine klare Sprache: Danach sind 62 Prozent der Bundesbürger der Auffassung, dass das Tempo des Atomausstiegs beibehalten oder sogar noch beschleunigt werden sollte. 33 Prozent finden den Atomausstieg falsch oder wollen ihn zumindest verlangsamen. Nach dem Atomkonsens sollen die 17 Meiler schrittweise bis zum Jahr 2021 vom Netz gehen.

Die Zustimmung zum Atomausstieg zieht sich dabei mehrheitlich durch alle Altersgruppen. Nur bei den Befragten über 60 Jahre ist die Zustimmung mit 55 Prozent ein wenig niedriger. Bis auf die Anhänger der FDP sind die Anhänger aller im Bundestag vertretenen Parteien mehrheitlich dieser Auffassung. Sogar 53 Prozent der Unions-Wähler halten den Atomausstieg wie geplant oder sogar noch schneller für richtig - obwohl CDU und CSU in ihren Programmen für den Erhalt der Kernkraftwerke plädieren.

Die meisten Deutschen gehen laut Umfrage zwar davon aus, dass die Sicherheit der Kernkraftwerke seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vor zwanzig Jahren verbessert hat. Dennoch ist 53 Prozent der Befragten das Unfallrisiko nach wie vor zu hoch. 18 Prozent sind sogar der Meinung, dass ein Vorfall wie in Tschernobyl heute noch genauso wahrscheinlich ist wie damals. 26 Prozent schätzen das Risiko eines Unfalls dagegen als so gering ein, dass sie bereit sind, es in Kauf zu nehmen. Zwei Prozent der Befragten halten Atomkraftwerke für absolut sicher, so dass gar keine Unfälle drohen.

Auffällig ist, dass junge Menschen die Sicherheit von Atomkraftwerken positiver einschätzen als der Rest der Befragten. Dies dürfte damit zu tun haben, dass viele von ihnen den Unfall im ukrainischen Tschernobyl nicht bewusst erlebt haben. Von den 18- bis 29-jährigen Bundesbürgern sind immerhin 36 Prozent bereit, das Risiko eines Unfalls in Kauf zu nehmen. Nur zehn Prozent von ihnen sind der Meinung, dass Unfälle so wahrscheinlich sind wie vor 20 Jahren.

Mit 52 Prozent sieht eine knappe Mehrheit der Befragten in der Atomkraft eine große oder sogar sehr große Gefahr für sich selbst oder die eigene Familie. Dies betrifft die Atomkraftwerke selbst, aber auch mögliche Anschläge auf die Meiler, die Atomtransporte oder den radioaktiven Müll. 40 Prozent der Bürger sieht dagegen nur eine geringe Gefahr, acht Prozent gar keine.

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Berliner Zeitung, 18.8.06

KOMMENTAR

Kein Klima für längere Akw-Laufzeiten

Jörg Michel

Als es vor gut zwanzig Jahren im Atomkraftwerk Tschernobyl zu einem atomaren Gau kam, reichten die Schockwellen bis nach Deutschland. Waren viele Bundesbürger vor der Katastrophe noch gleichgültig gegenüber den Risiken der Kernkraft, schlug dies danach in das Gegenteil um. Seit Tschernobyl sind zwei Drittel von ihnen für den Ausstieg aus der Kernenergie. Mal etwas mehr. Mal etwas weniger. Manche wollen ihn schneller. Andere langsamer. An der grundsätzlichen Haltung aber hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten kaum etwas geändert, wie die jüngste Umfrage von Forsa belegt. Und das trotz der Tatsache, dass die Erinnerung an den Gau in der Ukraine langsam verblasst.

Die Zahlen zeigen, dass die immer wiederkehrenden Debatten um längere Laufzeiten oder gar das Ende des Atomausstiegs bei den Bürgern kaum Eindruck hinterlassen haben. Vor dem Hintergrund steigender Öl- und Strompreise ist das eine bemerkenswerte Tatsache. Und so dürften sich Bundesumweltminister Sigmar Gabriel und die SPD bestätigt sehen. Beharrlich verweigern sie sich dem Ansinnen des Koalitionspartners von der Union, der den Ausstieg rückgängig oder zumindest verlangsamen will. CDU und CSU haben also allen Grund, die Daten einmal genauer zu studieren. Denn selbst unter ihren Anhängern findet sich eine solide Mehrheit für den Ausstieg. Auch den Energiekonzernen, die demnächst Anträge auf längere Laufzeiten stellen wollen, sollten die Zahlen zu denken geben. Ein gesellschaftliches Klima, das ihr Anliegen befördern könnte, ist derzeit jedenfalls nicht in Sicht.

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Deutschlandradion, 18.8.06

Nadeln im Heuschober

Wie man nach Schwachstellen in Kernkraftwerken suchen will

Von Arndt Reuning

Technik. - Der Zwischenfall im schwedischen Kernkraftwerk Forsmark hat in Deutschland die Diskussion über die Atomkraft wieder aufleben lassen. Ein Hochspannungsimpuls hatte dazu geführt, dass Notstromaggregate nicht angesprungen waren. Deshalb hat das Bundesumweltministerium, das BMU, eine detaillierte Überprüfung der deutschen Reaktoren angeordnet.

Durchgeführt wird die vertiefte Sicherheitsüberprüfung von den Atomaufsichtsbehörden der Länder, die mit eigenen und externen Gutachtern zusammen arbeiten, zum Beispiel vom TÜV.

"Wir sind mitten drin in der Überprüfung. Wir sind da abhängig vom BMU. Wir erwarten noch weitere Informationen. Der BMU hat die Funktion, dass alle Vorfälle bei Kernkraftwerken im Ausland er fachlich bündelt und an die Länder weitergibt, damit die Länder bezüglich ihrer Kernkraftwerkstandorten Übertragbarkeit und mögliche Konsequenzen überprüfen können."

Ein fachliches Ping-Pong-Spiel zwischen Bund und Ländern, nennt es Reiner Gessler vom baden-württembergischen Umweltministerium. Derweilen machen sich die Experten in Bonn schon Gedanken über einen detaillierten Zeitplan.

"Wir haben uns einen Zeitrahmen gesetzt von zirka sechs Monaten bis zum Abschluss der Prüfung. Wir haben als ersten Schritt die Länder eingeladen, und die Länder werden am 31. August zu uns kommen. In diesem Schritt werden wir das Untersuchungsprogramm festlegen."

Ministerialdirektor Wolfgang Renneberg. Er ist Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium. Das Untersuchungsprogramm festzulegen, genau das ist die Herausforderung. Denn ein Kraftwerk ist solch ein komplexes Gebilde, dass mögliche Mängel nicht offen zu Tage liegen. Ähnlich sehen es auch die Fachleute von der Gesellschaft für Reaktor- und Anlagensicherheit, GRS. Der Sprecher Horst May:

"Wenn man von vornherein Schwachpunkte wüsste, dann würde man die ja beseitigen. Aber es geht ja darum, Schwachpunkte zu finden. Und aufgrund der Fragestellungen, die man an die Betreiber und an die Gutachter richtet, sollen solche Schwachpunkte, eventuellen Schwachpunkte gefunden werden."

Beim BMU in Bonn möchte man daher verschiede Szenarien durchspielen. Renneberg:

"Forsmark hat gezeigt, dass wir einen Kurzschluss in einer Hochspannungsleitung außerhalb der Anlage hatten. Es sind aber auch andere Ereignisse denkbar, die zu elektrischen Impulsen in der Anlage führen können. Diese elektrischen Impulse könnten dann im Zweifelsfall auch technische Systeme beeinträchtigen, wenn die Anlage nicht hundertprozentig funktioniert. Insofern kommt es darauf an, zunächst mal festzulegen: Welche Ereignisse denken wir überhaupt? Welche Ereignisse müssen wir nach der Erfahrung denken, die die Sicherheit der Anlage beeinträchtigen."

Konstruiert wird dabei immer der schlimmste anzunehmende Unfall. Denn, so die Experten, wenn man den im Griff hat, dann deckt man damit auch die vielen anderen, weniger gefährlichen Szenarien ab, die man nicht im einzelnen durchspielen kann. Besonderes Augenmerk soll darauf liegen, ob unverzichtbare Systemen mehrfach vorhanden sind. In Forsmark beispielsweise konnten zwei zusätzliche Dieselaggregate Schlimmeres verhindern. Allerdings: Alle vier waren identisch aufgebaut, wiesen also alle denselben Schwachpunkt auf. Renneberg:

"Auch dies ist ein Punkt, der zu überprüfen ist. Wir müssen so genannte common mode Ereignisse ausschließen. Common mode heißt, dass aufgrund gleicher Ursache Bauteile zeitgleich ausfallen und damit die ganze Anlage lahm legen. Dies ist ein wesentlicher Prüfpunkt."

Geprüft werden zunächst Baupläne und andere Unterlagen. Das alleine reicht aber für eine umfassende Bewertung nicht aus. Horst May von der GRS: "Wichtig ist auch die Inaugenscheinnahme vor Ort von bestimmten Bauteilen oder auch von Leitungen und so weiter. Weil da Pläne ja nichts nützen, sondern da muss man vor Ort schauen: Wie sieht es dort aus."

Zum einen können Materialien altern und den Dienst versagen. Und außerdem: "In der Geschichte der Anlagen sind häufig Änderungen vorgenommen worden. Diese Änderungen müssen entsprechend dokumentiert werden. Und so ganz sicher kann man sich nie sein, ob all diese Änderungen richtig dokumentiert worden sind."

So Wolfgang Renneberg vom Bundesumweltministerium. Hundertprozentig sicher ist daher nur eines, nämlich: Hundertprozentig sicher ist nichts.

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FR online 17.08.2006

Deutsche Umwelthilfe

"Riskante Mängel" bei AKW Brunsbüttel

Das Atomkraftwerk Brunsbüttel weist noch gravierendere Sicherheitsmängel auf als der schwedische Pannenreaktor Forsmark. Das meint zumindest die Deutsche Umwelthilfe und stützt sich dabei auf bisher nicht veröffentlichte Dokumente.

 

Störfälle in deutschen Kernkarftwerken (dpa-Grafik)

Berlin - Nach dem Störfall im schwedischen AKW Forsmark hatten die Atomaufsichtsbehörden von Bund und Ländern in der vorigen Woche Entwarnung gegeben. Eine vergleichbare Sicherheitspanne sei in den 17 deutschen Atomkraftwerken nicht möglich.

Diese Behauptung, so glaubt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) anhand interner Unterlagen belegen zu können, sei zumindest für den Meiler Brunsbüttel "definitiv falsch". Was in Schweden geschah, lasse sich zwar wirklich nicht eins zu eins auf deutsche Meiler übertragen, so DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. "Aber die Notstromversorgung in Brunsbüttel ist auf Betriebsstörungen schlechter vorbereitet als der Reaktor in Forsmark." Tatsächlich belegen Protokolle der Gesellschaft für Reaktor- und Anlagensicherheit (GRS) und der Reaktorsicherheitskommission des Bundes (RSK), dass Sachverständige seit Jahren auf Mängel bei der Notstromversorgung in Brunsbüttel hinweisen. Der Störfall in Schweden vor drei Wochen war durch Ausfälle im Notstromsystem ausgelöst worden.

Im Brunsbüttel stellten die Experten schon 2002 anhand eines neuartigen Simulators fest, dass es offenbar beim Bau des Reaktors vor 30 Jahren Fehler bei der Planung und Steuerung mehrerer Notkühleinrichtungen gegeben hat. Diese lange nicht erkannten Fehler, konstatiert die Gesellschaft für Reaktorsicherheit, hätten bei unvorhersehbaren Störungen "zu hohen Unverfügbarkeiten im Sicherheitssystem" führen und "die Beherrschung der Anlage gefährden können". Auch die Reaktorsicherheitskommission stellte dem Reaktor 2002 ein verheerendes Zeugnis aus. Das Konzept der Anlage entspreche "nicht mehr dem Stand von Sicherheit und Technik". Selbst eine Nachrüstung könne die Sicherheitsdefizite kaum ausgleichen.

Dennoch erlaubte die schleswig-holsteinische Atomaufsichtsbehörde auch nach einem schweren Störfall vor vier Jahren den Weiterbetrieb - aus Sorge, so mutmaßt die DUH, vor millionenschweren Regressforderungen der Betreiber Vattenfall und Eon. Die dringen derzeit massiv auf Laufzeitverlängerung des Reaktors, der gemäß Atomkonsens im März 2009 vom Netz müsste.

Ein Vertreter des Bundesumweltministeriums wollte am Mittwoch der Pannenanalyse der Umwelthilfe in der Sache nicht widersprechen. In der Kieler Atomaufsichtsbehörde räumt man ein, dass der Brunsbütteler Meiler ein Problemkind ist. Das zeigte sich auch nach dem Störfall in Forsmark. Als Bundesumweltminister Sigmar Gabriel vor einer Woche die Ergebnisse der Sicherheitsüberprüfungen der Länder präsentierte, da hatte die Bilanz eine Lücke: Die Expertise zu Brunsbüttel fehlte, weil die Betreiber in der Kürze der Zeit einen "offenen Punkt" nicht hatten klären können. Pikant an der Sache: Der offene Punkt betraf einen Wechselrichter - das Teil, das in Forsmark versagt hatte.

Seit diesem Dienstag liegt auch für Brunsbüttel ein Sicherheitsgutachten des TÜV vor. Das attestiert keine Übertragbarkeit des Fehler aus Schweden. Nun will sich die Reaktorsicherheitskommission nächste Woche intensiv mit den Konsequenzen aus Forsmark befassen. Vera Gaserow

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ARD.Text Nachrichten tagesschau 16.08.2006

Große Mängel im AKW Brunsbüttel   

Die Sicherheitsmängel im schleswig-holsteinischen Atomkraftwerk Brunsbüttel sind nach Aussage der Deutachen Umwelthilfe gravierender als die schwedischen Störfall-Kraftwerk Forsmark.

DUH-Bundesgeschäftsführer Resch erklärte die Notstromversorgung sei auf Betriebsstörungen schlechter vorbereitet als Forsmark.

Das Bundesumweltministerium bezeichnete das Notstromsystem als „konzeptionell veraltet".

Der Energiekonzern Vattenfall wies die Vorwürfe zurück. Es gebe keine Mängel sagte Geschäftsführer Thomauske.

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Junge Welt, 14.08.2006

Nachhilfe für Kuhn

Atomgegner werfen Parteien Verharmlosung von AKW-Risiken vor

Reimar Paul

Atomkraftgegner aus dem Wendland haben die ihrer Ansicht nach »erschreckend verharmlosenden Reaktionen« der politischen Parteien auf den =Beinahe-GAU im schwedischen AKW =Forsmark kritisiert. Die Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg nahm dabei insbesondere den Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Fritz Kuhn, aufs Korn und schickte ihm am Freitag ein »Demo-Einsteiger-Paket« samt Farbsprühflaschen. »Die Selbstzufriedenheit des Grünen-Politikers mit der unter Rot-Grün vereinbarten Bestandsgarantie der Atommeiler ist schlicht zum Kotzen, weil damit das Risiko atomarer Katas=trophen in den nächsten Jahrzehnten in Kauf genommen wird«, sagte BI-Sprecher Francis Althoff. »Atomkatastrophen können nur verhindert werden, wenn die Reaktoren sofort abgeschaltet werden.«

Ein Kurzschluß hatte am 26. Juli den Reaktor 1 in Forsmark außer Betrieb gesetzt, nachdem zwei von vier Notstromaggregaten ausgefallen waren. Sie waren erst nach 20 Minuten manuell wieder in Gang gesetzt worden. Schweden hatte daraufhin sicherheitshalber vier weitere seiner insgesamt zehn Atomkraftwerke abgeschaltet. Die auch in der BRD aktiven AKW-Betreiber Eon und Vattenfall behaupteten nach der Beinahe-Katastrophe umgehend, die Reaktoren auf deutschem Boden seien viel sicherer. Die BI kritisiert, daß vor allem Unionspolitiker trotz des Störfalls weiter längere Laufzeiten für die deutschen Reaktoren fordern. Neben der täglichen Gefahr einer Katastrophe werde weiterhin hochbrisanter Atommüll produziert, der nirgendwo sicher gelagert werden kann. »Statt dessen wird politisch die Illusion einer Entsorgungsmöglichkeit aufrechterhalten und, wie das Beispiel Gorleben zeigt, polizeilich gegen die Bevölkerung durchgeboxt«, heißt es in einer Presseerklärung der Bürgerinitiative.

Dem Päckchen für Kuhn legten die Atomgegner eine speziell für den Grünen-Politiker ausgestellte »Demo-Berechtigungskarte für Plakatmaler«, Luftballons, Aufkleber, eine geknickte Sonnenblume und Sprühdosen sowie »zur Erinnerung« Informationen über die Gefahren der Atomenergie bei. »Wir sind gespannt, ob wir beim Castortransport im November Fritz Kuhn mit den geschenkten Utensilien auf einem Acker mit frisch angemaltem Transparent entdecken«, meint Althoff. Er bezog sich damit auf eine frühere Äußerung Kuhns, der einmal erklärt hatte: »Wenn Union und SPD auf die Idee kommen, wieder in die Atomwirtschaft einzusteigen, sehen wir uns auf dem Acker wieder. Die Transparente stehen noch auf dem Dachboden, die müssen nur frisch angemalt werden.«

Die Initiative »Ausgestrahlt« um den unermüdlichen Gorleben-Veteranen Jochen Stay rief unterdessen alle Atomkraftgegner dazu auf, E-Mails an die Bundesregierung und Leserbriefe an Zeitungen zu schreiben und auf diese Weise »Druck für einen wirklichen Ausstieg« zu machen. In den nächsten Tagen würden zudem Anzeigen mit dieser Forderung in großen Tageszeitungen geschaltet, kündigte Stay an. Die Ereignisse in Schweden machten die »Schrecken der Atomenergie auf einen Schlag wieder bewußt«, findet der Atomkraftgegner Stay. Sieben Minuten hätten Europa von einer Katastrophe wie in Tschernobyl getrennt.

»Ausgestrahlt« ist ein Zusammenschluß von Bürgerinitiativen und Umweltverbänden. Nach Einschätzung Stays wird in der BRD trotz der Ereignisse in Schweden der Druck der Atomlobby in Richtung Laufzeitenverlängerung zunehmen.

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Wiener Zeitung, 11.8.06

Wird Atommüll harmloser?

Deutscher Forscher: Drastische Verkürzung der Halbwertszeit für Radium 226 möglich

Nicht nur die Sicherheit von AKW bereitet Sorgen, sondern auch der Atommüll und seine Lagerung.

Von Anselm Bengeser

Theoretisch könnte es funktionieren.

Praktikable Methode steht noch aus.

Bochum. (ap) Der Schrecken, der von der Atomkraft ausgeht, nährt sich nicht nur aus der Sorge, ein Reaktor könnte versagen. Zusammen mit dem GAU und der Bombe ängstigt die Menschen vor allem die zum Teil Jahrtausende anhaltende radioaktive Strahlung des atomaren Mülls aus zurzeit 442 Kernkraftwerken weltweit.

Doch vielleicht naht schon bald Abhilfe: Ein deutscher Forscher will herausgefunden haben, wie die Strahlungsdauer eines der gemeinsten radioaktiven Stoffe im atomaren Abfall drastisch verkürzt werden kann. Erweist sich die Machbarkeit der Methode, kann die Suche nach einem unterirdischen Endlager für die gefährlichen Alphastrahler guten Gewissens eingestellt werden.

Claus Rolfs, ist 65 Jahre alt und arbeitet als Professor für Physik mit Ionenstrahlen an der Bochumer Ruhr-Universität. Seine Idee ist ein Jahr alt und seit einem halben Jahr weiß Rolfs, dass es funktioniert. Denn die Methode, mit der eines der drängendsten umweltpolitischen Probleme gelöst werden könnte, hat sich Rolfs bei den Sternen abgeschaut - genauer bei dem, was im Inneren von Sonnen geschieht.

Ausgangspunkt war der Versuch des Astrophysikers, Kernfusionsvorgänge im Leib von Sonnen in einem Teilchenbeschleuniger nachzuvollziehen. Und beim Beschuss von leichten Atomkernen mit Protonen und anderen Atomkernbausteinen stellte er fest, dass die Fusionsrate deutlich höher war, wenn die beschossenen Kerne in Metall statt in Isolatormaterial eingebettet waren oder die Umgebungstemperatur deutlich niedriger war.

Rolfs' Eingebung bestand darin, dass dieser Effekt auch umgekehrt funktionieren könnte. Wenn also die Temperatur hinreichend niedrig sei und das strahlende Objekt in Metall gelagert würde, sollten die radioaktiven Alpha-Teilchen weit schneller als üblich aus den Atomkernen geschleudert werden. Dadurch würde sich die Halbwertszeit für den Alpha-Zerfall senken.

Halbwertszeit von derzeit 1622 Jahren

Unter Halbwertszeit bezeichnet man die Zeitspanne, die statistisch gesehen verstreicht, bis die Menge eines bestimmten radioaktiven Nuklids auf die Hälfte reduziert ist, also sich in andere Atome umgewandelt hat. Sie kann extrem lang sein, etwa 14,05 Milliarden Jahre wie bei Thorium 232, oder wie bei Francium mit 22 Minuten extrem kurz. Über den Daumen gepeilt hat die radioaktive Kontamination eines Stoffes nach Verstreichen des Zehnfachen der Halbwertszeit bis zur Bedeutungslosigkeit abgenommen.

Der schädlichste Stoff im atomaren Abfall ist laut Rolfs Radium 226, ein Alphastrahler mit einer Halbwertszeit von 1622 Jahren - weshalb er für die Zeitspanne von weit mehr als 10.000 Jahren unterirdisch weggesperrt werden muss, mit allen damit verbundenen Risiken, von Erdbeben und Wassereinbruch bis hin zu politischen Unruhen mit der potenziellen Gefahr, dass der radioaktive Müll ausgebuddelt und als Waffe genutzt wird.

Der 65-Jährige aus Bochum, der noch ein Jahr forschen darf und für seine womöglich bahnbrechenden Ergebnisse keinerlei Fördermittel bezieht, ist sich ziemlich sicher, dass der Zerfall von Radium 226 durch seine Methode um das Hundertfache beschleunigt werden kann.

Auf die Frage, ob seine Methode jemals großtechnisch praktizierbar sein wird, sagte der Astrophysiker: "Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg", und ernsthafter fügte er hinzu: "Ich denke, in zehn Jahren könnte es so weit sein." Vor allem deshalb, so Rolfs, weil insbesondere China, aber auch andere Staaten wie Portugal, England oder Australien gewaltiges Interesse erkennen lassen und aktiv an dem Projekt mitarbeiten.

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dpa-Meldung, 11.08.2006 (18:38)

Gabriel will RWE-Atomantrag für längere Biblis-Laufzeit abschmettern

Berlin - Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) will den von RWE angekündigten Antrag des Stromkonzerns RWE auf Verlängerung der Laufzeit des alten Atomkraftwerks Biblis A (Hessen) abschmettern. "Solche Anträge werden wir gegebenenfalls nach Recht und Gesetz prüfen", sagte der Minister der "Westfälischen Rundschau" (Samstag). "Ich kenne aber keinen logischen Grund, der uns dazu veranlassen sollte, ein älteres Kraftwerk länger laufen zu lassen als ein jüngeres. Wenn die Kraftwerksbetreiber sich über die nächste Bundestagswahl retten und möglichst gar keinen Reaktor abschalten wollen, dann ist dies das Gegenteil dessen, was im Atomkonsens steht. Und deswegen würde ich einem solchen Antrag auf keinen Fall entsprechen."

Nach dem vertraglich festgelegten Atomgesetz werden die ältesten vier Kraftwerke Biblis A und B sowie Neckarwestheim und Brunsbüttel in dieser Wahlperiode bis 2009 abgeschaltet, Biblis A schon 2007. RWE-Chef Harry Roels hatte am Donnerstag den Verlängerungsantrag für den Sommer angekündigt. "Wir werden den Antrag stellen, weil wir für Biblis kämpfen möchten." Der 1200-Megawatt-Block trage zu rund 30 Prozent zur Stromproduktion Hessens bei. Auch der Karlsruher Konzern EnBW hat seit längerem eine Laufzeitenverlängerung angekündigt. Anträge liegen laut Ministerium aber bisher nicht vor.

Gabriel forderte die Konzerne dagegen auf: "Es wäre hilfreich, wenn die Stromkonzerne ältere Kraftwerke früher als geplant abschalten und diese Strommengen auf jüngere Anlagen übertragen, wie es der Atomkonsens vorsieht. Insgesamt beschleunigt das den Atomausstieg nicht, sorgt aber für mehr Sicherheit." Zum Hinweis, dass auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) für längere Atommeiler-Laufzeiten einträten, sagte der Umweltminister: "Die Koalition hat fest vereinbart: Es bleibt beim Ausstieg. Daran wird auch die Kanzlerin nicht rütteln."

Gabriels Forderung, nach dem Störfall im schwedischen Kernkraftwerk Forsmark sollten auch die deutschen Betreiber - neben den behördlichen Informationen - ein eigenes Schnellwarnsystem aufbauen, ist nach einem Bericht der "Financial Times Deutschland" (Freitag) auf Zurückhaltung gestoßen. Aufgeschlossen dafür habe sich nur EnBW geäußert. Gabriel erklärte: "Leider muss man feststellen, dass die Kraftwerksbetreiber immer sagen, sie haben alles im Griff. Störfälle zeigen jedoch immer wieder, dass das so nicht stimmt."

Die Grünen forderten Merkel auf, beim nächsten Energiegipfel im Herbst den Atomausstieg zu bekräftigen. "Die Energieriesen müssen gezwungen werden, die Spielchen mit dem Wiedereinstieg in die Risikotechnologie Atomenergie aufzugeben", verlangte Fraktionschefin Renate Künast. "Der Beinahe-GAU" in Forsmark dürfe nicht ohne Folgen bleiben. Dazu gehöre, dass "alte und störanfällige Reaktoren" wie Biblis A und B, sowie Neckarwestheim I und Brunsbüttel wie geplant vom Netz gehen.

Atomkraftgegner aus dem Wendland mahnten indessen Künasts Fraktionsvorsitz-Kollegen Fritz Kuhn zu mehr Engagement gegen die Atomkraft. Mit Farbsprüh-Aktionen beklagte die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg die "erschreckend verharmlosenden Reaktionen" der Parteien auf den Atom-Störfall in Schweden. Die "Selbstzufriedenheit" Kuhns mit der unter Rot-Grün vereinbarten "Bestandsgarantie der Atommeiler" sei nicht auszuhalten.

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WOZ vom 10.08.2006

Schwedens AKW

Pfusch lässt die Krone rollen

Von Reinhard Wolff, Stockholm

Der ehemalige Sicherheitschef des Atomkraftwerkes Forsmark macht die

Liberalisierung im Stromgeschäft für den Beinahe-Super-GAU verantwortlich.

 

Nach wie vor stehen fünf von zehn schwedischen Atomreaktoren still. Vier

davon sind wegen Sicherheitsbedenken auf bislang unbestimmte Zeit

abgestellt worden. Dies als Folge eines Stromausfalls im AKW Forsmark am

25. Juli (siehe WOZ Nr. 31/06). Dabei handelte es sich vermutlich um den

schwerwiegendsten Zwischenfall in einem Atomkraftwerk seit der

Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986. Nach einigen Tagen der

Sprachlosigkeit haben beide Firmen, welche die schwedischen AKW

betreiben, Vattenfall und E.ON, ihren Propagandaapparat angeworfen und

versuchen nun den Beinahe-Super-GAU als Argument für die Sicherheit der

Atomkraft zu verkaufen. Die Tatsache, dass letztendlich nichts passiert

sei, soll als Sicherheitsbeweis gelten. Unterstützung erhalten sie dabei

von verschiedenen KommentatorInnen der grossen bürgerlichen Zeitungen

Schwedens.

 

Obwohl nur die Hälfte der schwedischen AKW laufen, ist es bisher

nirgends zu Stromausfällen gekommen. Dafür stiegen die Preise. «Der

Zynismus der Stromproduzenten, die nicht eine Sekunde zögern, so etwas

auszunutzen, ist kaum zu übertreffen», sagt der Energieanalytiker Roger

Fredriksson. «Unter dem Strich wird die Geschichte wohl dazu führen,

dass Vattenfall & Co neue Rekordgewinne ausweisen können.»

 

Fehlersuche

 

Vattenfall, zu hundert Prozent im staatlichen Besitz, ist die

Betreiberfirma des AKW Forsmark. Dort, im 150 km nördlich von Stockholm

beim kleinen Ort Östhammar gelegenen AKW, und in einem Labor im

deutschen Warstein läuft die Suche nach der Ursache des «Störfalls» vom

25. Juli auf vollen Touren. Inzwischen scheint mittels

Computersimulation die Ursache der «Fehlfunktion» beim Gerät mit dem

langen Namen «Anlage zur unterbrechungsfreien Stromversorgung» (USV)

gefunden worden zu sein. Allerdings könnte laut Lennart Karlsson, Leiter

der Abteilung für Reaktorsicherheit bei der staatlichen

Atomaufsichtsbehörde SKI, zusätzlich auch im Systemaufbau ein Fehler liegen.

 

Die USVs werden in Warstein von der Firma AEG Power-Supply produziert.

Bislang wurden mehr als tausend Stück ausgeliefert, wie Firmenchef

Karl-Heinz Schulz sagt. Seines Wissens sei noch nie ein vergleichbarer

Fehler passiert. USVs selbst sind keine Notstromaggregate. Sie liefern

gerade mal genug Strom, um beispielsweise einen Fernseher versorgen zu

können. Eingesetzt werden sie überall da, wo die Stromversorgung keine

Sekunde ausfallen darf, sie sollen dafür sorgen, dass nach einem

äusseren Stromausfall die internen Hilfsaggregate, wie beispielsweise

Dieselgeneratoren, ohne Verzögerung anlaufen.

 

Vor dreizehn Jahren hat AEG nach Forsmark geliefert. Eine fehlerhafte

Installation schliesst Schulz aus: «Wir liefern ein geschlossenes

System, eine Art Blackbox, das sich nach den Vorgaben verhält, die wir

vom Kunden bekommen haben.» Dass gleich der Name AEG als mögliche

Fehlerquelle genannt wurde, sieht man in Warstein natürlich nicht gern.

Und betont, nach der Lieferung die Kontrolle über die Geräte verloren zu

haben. Man habe Vattenfall-Forsmark damals einen Servicevertrag

angeboten, dieser sei jedoch dankend abgelehnt worden. USVs enthalten

Batterien und andere Verschleissteile, die regelmässig ausgewechselt

werden müssen. Schliesslich erwarte auch kein Autobesitzer, dass er

dreizehn Jahre nach Kauf seines Fahrzeugs noch mit der ersten Batterie

fahren könne, lässt AEG wissen.

 

Schmutzige Vattenfall

 

Einzelheiten zu den Ergebnissen der Fehlersuche wollten zunächst weder

Vattenfall noch die SKI veröffentlichen. Wie auch immer: Die letzte

Verantwortung trägt in jedem Fall Vattenfall. Die Firma gehört mit ihren

Wasser-, Atom- und Kohlekraftwerken zu den europäischen Stromriesen. Im

letzten Quartal konnte sie eine Umsatzrendite von fünfzehn Prozent

erwirtschaften. Mit dem Gewinn, den Vattenfall in den letzten Jahren

machte, hätte das Unternehmen jeweils genug Anlagen zur Produktion von

Windstrom oder anderen ökologischen Kraftwerken errichten können, um pro

Jahr jeweils einen ganzen Atomreaktor überflüssig zu machen.

 

Sparmassnahmen im AKW

 

Doch Schwedens Strommarkt wurde vor zehn Jahren liberalisiert.

Vattenfall gibt sich seither genauso wie die Privatkonkurrenz als

Akteurin auf dem freien Markt. Die Profite wurden nicht für

umweltfreundliche Stromproduktion verwendet, sondern für den Kauf von

Elektrizitätsbetrieben in Hamburg und Berlin sowie von

Braunkohlekraftwerken in der ehemaligen DDR und Polen. Vattenfall hat

sich dadurch den Ruf als einer der schmutzigsten Stromproduzenten

Europas erworben. Und auch beim Betrieb von Atomreaktoren wie dem in

Forsmark herrschen seither die vom liberalisierten Markt diktierten

Prinzipien.

 

Diese Prinzipien haben zu Abstrichen beim Sicherheitsdenken geführt, ist

der ehemalige Konstruktionschef bei Vattenfall, Lars-Olav Höglund,

überzeugt. Höglund war es, der vergangene Woche mit seinem Alarmruf auf

die möglichen Folgen aufmerksam machte, welcher der 23 Minuten lange

Geisterbetrieb nach dem Stromausfall im Forsmark-Reaktor hätte haben

können. Den Bagatellisierungsversuchen der ReaktorbetreiberInnen machte

er damit einen Strich durch die Rechnung. Die Atomstromlobby tut sich

schwer, den Argumenten des Experten etwas entgegenzuhalten. Er ist

nämlich nicht etwa von einem Atomkraft-Saulus zum -Paulus konvertiert,

sondern sieht Atomkraft durchaus als eine derzeit noch hinnehmbare Art

der Stromproduktion an. Nur eben nicht so. Seit Mitte der neunziger

Jahre sei das Sicherheitsdenken immer mehr in den Hintergrund gerückt.

Die AKW-BetreiberInnen hätten ihre Sicherheitsabteilungen sträflich

ausgedünnt und aus Kostengründen auch «Betriebspersonal ohne tiefere

Einsicht in technische Zusammenhänge» in die Kontrollräume gesetzt.

 

In der Logik des Profitdenkens schlage sich jede Stunde Reaktorauszeit

als Verlust in der Bilanz nieder. Deshalb würden notwendige

Wartungsarbeiten auf die lange Bank geschoben oder möglichst ohne

Abschaltung des AKW vorgenommen. Dazu würden auch schon einmal

kurzerhand Sicherheitssysteme umgangen, obwohl das gegen die

Vorschriften verstosse. Vor einiger Zeit erhielten die

ReaktorbetreiberInnen die Genehmigung, über den Weg einer

«Effekterhöhung» durchschnittlich vierzehn Prozent mehr Strom aus ihren

Altanlagen «herauszuquetschen». Dies hatte eine Milliardeninvestition in

den Umbau von dreissig Jahre alten, technisch überholten Reaktoren zur

Folge. Höglund bilanziert die Aufrüstung nicht nur als «eine äusserst

bedenkliche Pfuscharbeit», sondern auch als eine Belastung für die

Grundkonstruktion der Reaktoren. «Kein Kunde in der Auto-, Flugzeug-

oder Computerbranche hätte das akzeptiert.» Die Folgen seien nicht

abschätzbar. Der Mythos der angeblich sicheren schwedischen Atomkraft

lasse sich gemäss Höglund auf ein Wort reduzieren: «Unsinn».

 

Wahlkampffutter

 

Höglund schlägt vor, alle schwedischen Reaktoren so schnell wie möglich

zu verstaatlichen und unter öffentliche Kontrolle zu stellen. Nicht nur

verspreche dies eine relativ bessere, da von den Zwängen der

Gewinnmaximierung abgekoppelte Sicherheitskultur, sondern Staat und

Gesellschaft hätten dann auch die Steuerungsmacht, um die

Voraussetzungen für einen schnellstmöglichen und geordneten

Atomkraftausstieg zu schaffen. Das tiefe Sicherheitsniveau, das die

gegenwärtige Organisation des Strommarkts bewirke, sei jedenfalls nicht

akzeptabel.

 

Welche Auswirkungen die Beinahe-Kernschmelze in Forsmark auf die

schwedischen Parlamentswahlen vom 17. September hat, ist noch nicht

abschätzbar. Die SchwedInnen gelten als sehr sicherheitsbewusst. So

sagten sie 1980 unter dem Eindruck des Unfalls im US-AKW Harrisburg in

einer Volksabstimmung mehrheitlich Ja zum Ausstieg aus der Atomkraft bis

zum Jahre 2010. Bislang wurden jedoch erst zwei der einst zwölf

Reaktoren abgeschaltet. Führende PolitikerInnen vor allem aus der

Sozialdemokratischen Partei haben den Ausstiegsbeschluss immer weiter

verzögert. Dabei bauten sie auf den Mythos der «sicheren» schwedischen

Atomkraft.

 

Damit dürfte es nun vorbei sein. Neben den Grünen hat jetzt auch die

Linkspartei das Atomthema wiederentdeckt. Beide Parteien benötigen die

SozialdemokratInnen für die Parlamentsmehrheit. Wie die Grünen fordert

die Linkspartei die Abschaltung mindestens eines weiteren Reaktors in

der kommenden Legislaturperiode. Zudem sollen ein detaillierter

Ausstiegsplan ausgearbeitet und Investitionen in die alternative

Energieproduktion erhöht werden. Die Grünen wollen den Atomausstieg bis

zum Jahr 2020 erreichen, die Linkspartei rechnet etwas vorsichtiger mit

2025. Die SozialdemokratInnen, die mit ihrem Parteichef und

Ministerpräsidenten Göran Persson in Sonntagsreden die Atomkraft gern

als überholte Technik geisseln, aber bislang kaum etwas für deren

Überwindung taten, könnten nun mächtig unter Druck geraten.

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Hamburger Abendblatt 10.08.2006

Schwedischer Bericht erwähnt ähnlichen deutschen Störfall

Von Frank Ilse

Hamburg -

Nach dem Bericht der schwedischen Atomaufsichtsbehörde (SKi) hat es ähnlich wie im Reaktor Forsmark I auch schon in einem deutschen Atomkraftwerk Probleme mit der Stromzuführung gegeben. In Forsmark sprangen zwei Notstromdiesel nicht an, weil die dazwischen liegenden Wechselrichter abgeschaltet waren.

Nach dem Bericht, der dem Abendblatt vorliegt, wird ein Störfall in einem deutschen Atomkraftwerk erwähnt, der den Hersteller der Wechselrichter AEG veranlaßt haben soll, die Bauteile so zu gestalten, dass dieses Problem nicht mehr auftritt.

"Wir wissen nicht, welches Kraftwerk gemeint sein könnte. Wir kennen die Aussage des schwedischen Berichts und überprüfen diesen Passage", so die Auskunft eines Sprechers der Gesellschaft für Anlagen und Reaktorsicherheit. Da in deutschen Kraftwerken die Notversorgung aus Batterien direkt auf die Dieselaggregate geleitet werde und nicht über den Umweg eines Wechselrichters, sei der Störfall aus Forsmark in keinem Fall direkt übertragbar.

Der schwedische Untersuchungsbericht weist auf mehrere Probleme hin, die durch den Ausfall der Stromversorgung ausgelöst worden sind. Er spricht ausdrücklich von einem "Common Cause Failure". Damit ist ein gleichzeitiger Ausfall von einander absichernden Systemen durch nur eine Ursache gemeint. "Dies ist ein schwerwiegenderer Fall als in den Sicherheitsanalysen angenommen", sagt der Bericht. Die Atomaufsicht mahnt eine andere Schaltung der Wechselrichter an, um derartige Störfälle für die Zukunft auszuschließen.

Zugleich stellt die Aufsichtsbehörde SKi die Sicherheit der gesamten Notstromversorgung im Kraftwerk Forsmark zur Diskussion und fragt, ob die Sicherung des elektrischen Systems im Kraftwerk insgesamt ausreichend ist.

Der Bericht bringt auch zum Ausdruck, dass die Besatzung der Leitzentrale in Forsmark I offensichtlich unter zu starker Anspannung stand, um die einzeln auftretenden Probleme sauber aufzulisten und zu dokumentieren. Hinzu kam, dass durch den Stromausfall wesentliche Anzeigen im Kontrollraum ausgefallen waren. Darunter die für den Wasserstand im Reaktor, der auf zwei Meter abgesunken war. Der kritische Wasserstand liegt bei 1,1 Meter. Allerdings arbeiten die Pumpen für das Reaktorkühlwasser auch unabhängig von dem Problem bei der Stromzuführung einwandfrei.

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ngo 10.08.2006

Notstromaggregat in Atomkraftwerk Gundremmingen im Mai ausgefallen

Im bayerischen Kernkraftwerk Gundremmingen ist am 26. Mai ein Notstromaggregat kurzzeitig ausgefallen. Das Umweltministerium bestätigte am Donnerstag in München entsprechende Informationen von Atomkraftgegnern. Eine Gefahr wie jüngst im schwedischen Reaktor in Forsmark, habe aber nie bestanden. "Ursache, Ablauf und Wirkung sind nicht im Entferntesten vergleichbar mit Forsmark", sagte der bayerische Ministeriumssprecher.

Er wies Vorwürfe zurück, dass dieser Zwischenfall der Öffentlichkeit vorenthalten worden sei. Es habe sich um ein Ereignis der niedrigsten Gefahrenstufe gehandelt. Deswegen sei es auch nur auf der Homepage des Ministeriums gemeldet worden.

Demnach kam es am 26. Mai in Block C des Atomkraftwerks bei einem Notstromdieselaggregat "zum unbegründeten Ansprechen des Aggregateschutzkriteriums 'Überdrehzahlschutz' aufgrund einer defekten Baugruppe in der Leittechnik. Dies hatte zur Folge, dass der Diesel bei einer Anforderung im Notstromfall nicht zur Verfügung gestanden hätte."

In Gundremmingen sind nur noch die Blöcke B und C in Betrieb. In Block A des Atomkraftwerks kam es am 13. Januar 1977 zum "Totalschaden", wie sich Atomkraftgegner ausdrücken. Ein Kälteeinbruch und offenbar auch ein Blitzschlag sollen zum Kurzschluss außerhalb des Kraftwerks geführt haben. Aufgrund von mehreren Fehlern in der Steuerung des Atomkraftwerks sei es zur Schnellabschaltung gekommen, was zu einem schnellen Druckanstieg und zur Dampfabblasung ins Reaktorgebäude geführt habe und in Folge dessen zu Rissen in Sicherheitsventilen und Rohrleitungen. Schon nach rund zehn Minuten stand offenbar im Reaktorgebäude das Wasser drei bis vier Meter hoch, die Temperatur sei auf brisante 80 Grad Celsius angestiegen. Das Atomkraftwerk sei nie wieder in Betrieb gegangen.

Nach Angaben der atomkritischen Ärztorganisation IPPNW kommt es in deutschen Atomkraftwerken regelmäßig zu Ausfällen von Notstromdieselaggregaten. Probleme mit der Notstromversorgung seien im Jahr 2005 für 17 Prozent aller offiziell gemelde

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Financial Times Deutschland 10.08.2006

 Gefährlicher Störfall im Sommerloch «

von Timm Krägenow

Sigmar Gabriel drängt es in die Schlagzeilen. Das SPD-Talent auf Bewährung löst mit einem Interview in seiner Partei eine Kandidatendiskussion aus und sorgt sich um die Sicherheit der Kernkraftwerke.

Der Mann weiß, wie man Schlagzeilen macht. "Gabriel unterbricht Urlaub nach Störfall in schwedischem Atommeiler", titelten am Dienstag die Nachrichtenagenturen. "Gabriel spricht sich für Beck als nächsten Kanzlerkandidaten aus", kabeln die Agenturen am Mittwochmorgen. Endlich Stoff fürs Sommerloch.

Und da ist er. Kurz vor halb zwölf steigt Sigmar Gabriel vor der Bundespressekonferenz aus seiner dunklen Limousine. Gut gebräunt vom Wandern in Tirol erklimmt er die Paradetreppe zum Pressesaal.

Es könne keine Rede davon sein, dass er Beck zum Kanzlerkandidaten der SPD ausgerufen habe, gibt das umstrittene SPD-Nachwuchstalent zu verstehen. Man müsse sein "Stern"-Interview nur im Original lesen.

Ein sprachliches Talent

So ein Interview wird nach dem Gespräch schriftlich zur Autorisierung vorgelegt. Jede Formulierung wird wohl gedrechselt. Und Gabriel ist ein sprachliches Talent. Er weiß, wie Schlagzeilen funktionieren. "Die Messlatte für den Parteivorsitzenden und den Kanzlerkandidaten der SPD ist das Wahlergebnis von Kurt Beck in Rheinland-Pfalz. Ich finde, wir sollten uns nicht mit 30 Prozent zufrieden geben", sagte Gabriel auf eine Frage nach dem Parteivorsitz: "Kurt Beck zeigt, dass mehr drin ist. Und deshalb ist er auch der richtige Mann."

Mit etwas Spitzfindigkeit kann Gabriel also behaupten, er habe Beck nicht als Kanzlerkandidaten vorgeschlagen. Andererseits hätte er die Wörtchen "und den Kanzlerkandidaten" einfach streichen können. Dann müsste er sich jetzt nicht mit dem Vorwurf rumschlagen, er wolle eine Kandidatendebatte lostreten.

Auf Bewährung

Eigentlich, so sind sich in Berlin alle sicher, sieht Gabriel nicht Kurt Beck als besten Kanzlerkandidaten. Sondern Sigmar Gabriel. Beweise dafür gibt es nicht. Aber es gibt auch kein hartes Dementi. Und es gehört zu den alten Weisheiten, dass einer kaum auf Grund eigener Talente und Vorzüge Kanzler wird. Sondern vor allem, weil alle Konkurrenten verfrüht vorgeschlagen und verbrannt wurden.

Nach einem erratischen Wahlkampf hatte Gabriel im März 2003 sein Amt als niedersächsischer Ministerpräsident verloren. Seither gilt er in der SPD als Polittalent auf Bewährung. Im vergangenen Herbst wurde er zum Bundesumweltminister gemacht. Und hielt sich seither mit allgemein politischen Äußerungen meist zurück. Bis zu diesem Sommerinterview.

Von der Realität überrascht

Aus seinem Urlaub nach Berlin geeilt ist Gabriel aber wegen seines Fachthemas. Nach einem Störfall im schwedischen Kernkraftwerk Forsmark vor gut zwei Wochen sieht der Minister für Deutschland zwar keine unmittelbare Gefahr. Aber er fordert den Nachweis, dass Blitzeinschläge und Kurzschlüsse deutsche Meiler nicht aus dem Tritt bringen können.

Fachkundig zählt Gabriel die Atomsicherheitsprobleme der Vergangenheit auf. Konziliant gesteht er den Kernkraftingenieuren zu, dass sie persönlich an die Sicherheit ihrer Anlagen glauben. Aber sie würden eben doch immer wieder einmal von der Realität überrascht. "Learning by Doing ist schon in der Politik ein gefährliches Verfahren", sagt Gabriel. "Bei den Risiken der Kernenergie ist es nicht akzeptabel."

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Financial Times Deutschland 07.08.2006

Amt rügt laxe Reaktion der Atomkonzerne

von Michael Gassmann (Düsseldorf) und Timm Krägenow (Berlin)

Aufsichtsbehörden und kernenergiefreundliche Wissenschaftler haben scharfe Kritik am Verhalten der deutschen Atomkraftwerksbetreiber nach dem Ausfall von zwei Notstromgeneratoren in einem schwedischen Kernkraftwerk geübt.

"Die deutschen Betreiber leisten ihrem eigenen Anliegen einen Bärendienst, wenn sie nach dem gravierenden Störfall im schwedischen Kernkraftwerk Forsmark für ihre Anlagen reflexartig Entwarnung geben", sagte der Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz, Wolfram König der Deutschen Presse-Agentur. Störfälle müssten wissenschaftlich fundiert und unabhängig bewertet werden.

Auch der Energie-Experte Bernhard Hillebrand, der generell für eine Verlängerung der Reaktorlaufzeiten in Deutschland eintritt, warnte die Branche davor, die Ereignisse zu verharmlosen. Der Störfall sei "ein deutlicher Hinweis darauf, dass mit dieser Technik nicht zu spaßen ist", sagte Hillebrand der FTD. Der Wissenschaftler forderte von den Konzernen eine genaue Analyse der Ursachen, um mögliche Schwachstellen an anderen Meilern auszumerzen. Bei sorgfältiger Aufarbeitung von Fehlern sei eine Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken gegenüber dem geltenden Ausstiegsbeschluss in Deutschland verantwortbar, so Hillebrand. "Mit einer Verlängerung schaffen wir uns acht Jahre mehr Spielraum zur Entwicklung regenerativer Energien."

Zuvor hatten die deutschen Kernkraftwerksbetreiber erweiterte Sicherheitsmaßnahmen für ihre Meiler als Reaktion auf den Störfall in Schweden kategorisch abgelehnt. "Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen über die Abläufe bei Forsmark kann ausgeschlossen werden, dass ein solcher Zwischenfall in deutschen Kernkraftwerken die gleichen Folgen hätte", sagte ein Sprecher des Deutschen Atomforums, der Vereinigung der Kernkraftwerksbetreiber. Umweltschützer forderten dagegen, am Atomausstieg in Deutschland festzuhalten und sprachen von einem "Beinahe-Gau in Schweden". Die Debatte macht deutlich, dass der Streit um den Atomausstieg in Deutschland auch die Erörterung von technischen Details der Anlagensicherheit überschattet.

Keine Unterstützung bei IAEA angefragt

Die deutschen Kraftwerksbetreiber, alarmiert durch Medienanfragen, starteten die Überprüfungen ihrer Anlagen erst Mitte vergangener Woche, also rund eine Woche nach dem Vorfall in Schweden. Grund für die langsame Reaktion war offenbar, dass der Forsmark-Betreiber Vattenfall, der auch in Deutschland Meiler betreibt, den Vorfall in Schweden auf der zweiten Stufe der siebenstufigen Störfall-Skala (INES) eingestuft hatte. Deshalb hat die Internationale Atomenergiebehörde IAEA die Informationen über den Störfall auch nicht aktiv an andere Länder weitergeleitet.

"Die schwedischen Behörden haben keinerlei Unterstützung der IAEA angefragt", begründete ein Sprecher in Wien die Passivität. Die Agentur könne die Einstufung durch den Betreiber allerdings nicht überprüfen. "Wir haben keine Gendarmerie, um festzustellen, ob die Einordnung stimmt", sagte er.

Ein Sprecher des Kraftwerkbetreibers EnBW betonte am Freitag, dass ein Ausfall von Teilen der Notstromversorgung in seinen Reaktoren auszuschließen sei. Es gebe "in wesentlichen Punkten" einen anderen Aufbau der Notstromversorgung. Um welche Unterschiede es sich handelt, konnte der Sprecher aber nicht sagen. Er betonte, dass es auch bei einem Problem mit der Notstromversorgung im Reaktor Philippsburg im Jahr 1992 "keinen Zusammenhang" mit dem aktuellen Störfall in Schweden gebe. Auch hier konnte er jedoch keine Details nennen.

Auch die übrigen Betreiber sehen keine Notwendigkeit, Konsequenzen aus dem Störfall zu ziehen. "Die Sicherheitskonzepte unterscheiden sich bedeutend, etwa in der Gerätetechnik und in der Dimensionierung", sagte eine Sprecherin von Eon Kernkraft. Man werde dies gegenüber den Aufsichtsbehörden detailliert erläutern. Eon betreibt auch Kernkraftwerke in Schweden. Auch RWE schloss eine Ereigniskette wie bei Forsmark für seine Meiler aus.

Die vier in Schweden nach dem Störfall abgeschalteten Reaktoren bleiben aus Sicherheitsgründen noch für mehrere Wochen vom Netz getrennt. Die Chefin der Kernkraftinspektion SKI kündigte eine "sehr umfassende" Untersuchung an.

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taz vom 7.8.2006

Atomdebatte bestimmt Wahlkampf

Experte fordert Verstaatlichung der schwedischen Atomindustrie. Grüne und Linke wollen Ausstieg forcieren

STOCKHOLM taz Den SchwedInnen wirft man eine fast krankhafte Sicherheitsmanie vor- gerade bei der Nutzung riskanter Technologien. Deshalb kam der Beinahe-GAU des Forsmarker Atomkraftwerks für sie wie ein Schock. Und den verstärkte der ehemalige Forsmark-Konstruktionschef Lars-Olov Höglund jetzt noch. Am Wochenende erklärte er, Sicherheitsdenken sei bei den Verantwortlichen seit der Liberalisierung des schwedischen Strommarkts vor zehn Jahren in den Hintergrund getreten. Konkret wirft Höglund den Atomkonzernen Vattenfall und Co. vor, nicht nur ihre Sicherheitsabteilungen sträflich ausgedünnt, sondern auch "Betriebspersonal ohne tiefere Einsicht in technische Zusammenhänge" eingestellt zu haben.

Höglund könnte sich damit zum Hauptfeind der schwedischen Atomwirtschaft machen. Hatte er doch den Betreiberfirmen und Aufsichtsbehörden schon nach dem Black-out des Forsmark-Reaktors einen Strich durch die Rechnung gemacht: Als sie versuchten, den Störfall zu bagatellisieren, hatte er publik gemacht, dass das Land nur knapp einer Atomkatastrophe entgangen sei.

Nun wirft er der staatlichen Atomaufsicht SKI vor, sich bei Problemen auf die Sicherheitsarbeit von Kraftwerkbetreibern und deren Unterlieferanten zu verlassen. Diese jedoch dächten vor allem in Profitkategorien: In dieser Logik schlägt sich jede Stunde Reaktor-Auszeit als Verlust in der Bilanz nieder. So würden notwendige Wartungsarbeiten während der Betriebszeit vorgenommen, auch wenn die Sicherheitssysteme dazu vorschriftswidrig abgeschaltet werden müssten. Die letzten Milliardeninvestitionen in die 30 Jahre alten und technisch überholten Reaktoren seien "ein Pfusch, den kein Kunde in der Auto-, Flugzeug- oder Computerbranche akzeptieren" würde, sagte Höglund. Auch einem Terrorangriff könnten die nur mit Drahtzäunen und unbewaffneten Sicherheitswächtern geschützten AKW kaum widerstehen. Diese Risiken seien nicht akzeptabel.

Ein Ausstieg aus der Atomkraft wäre jedoch nur auf gesetzlichem Weg und mit deftigen Schadenersatzleistungen an die Betreiberfirmen möglich. Deshalb schlägt Höglund vor, die Reaktoren direkt zu verstaatlichen. So könne die Sicherheit besser kontrolliert und der Atomausstieg zentral durch Staat und Gesellschaft gesteuert werden.

Da in Schweden am 17. September Parlamentswahlen anstehen, dürfte Atomkraft nun eines der beherrschenden Wahlkampfthemen werden. Schon früher haben die SchwedInnen bewiesen, wie wichtig diese Frage für sie ist. 1980 stimmten sie unter dem Eindruck des Unfalls im US-AKW Harrisburg in einer Volksabstimmung mehrheitlich für einen Atomausstieg bis 2010. Dass seither erst zwei der zwölf Reaktoren abgeschaltet wurden, ist vorwiegend dem Mythos der angeblich sicheren schwedischen AKW zu verdanken, auf den vor allem die Sozialdemokraten immer gebaut haben.

Der ist nun mächtig angekratzt. Und neben den Grünen hat mit der Linkspartei auch die zweite Partei, die Schwedens sozialdemokratische Regierung für eine Parlamentsmehrheit braucht, das Atomthema wiederentdeckt. Beide fordern, dass in der kommenden Legislaturperiode mindestens ein weiterer Reaktor abgeschaltet wird. Zugleich soll ein detaillierter Ausstiegsplan erarbeitet werden, der Investitionen in alternative Energieproduktion beinhaltet.

REINHARD WOLFF

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ND 07.08.06

Atomlobby spielt Störfall herunter

Konstruktionsschwächen waren bekannt - Experten warnten 

Von René Heilig 

Die Betreiber deutscher Atomkraftwerke schließen einen Störfall wie im schwedischen Forsmark aus. Atomstrom-Kritiker sehen das anders.

Die Atomstrom-Lobby ist sich einig: Die Technik ihrer Anlagen unterscheide sich von der in Schweden. Soweit ist das in vielen Details richtig. Doch daraus zu schlussfolgern, dass eine Gefahrensituation wie im schwedischen AKW Forsmark ausgeschlossen ist, scheint vielen Experten abenteuerlich. In Forsmark war am 26. Juli die externe Stromversorgung ausgefallen und konnte nicht durch installierte AEG-Notgeneratoren ersetzt werden. 23 Minuten war der Atomreaktor ohne Steuerungsmöglichkeit.

Der ehemalige Chef der Konstruktionsabteilung des schwedischen Vattenfall-Konzerns, Lars-Olov Höglund, hatte &endash; nachdem die Gefahrensituation tagelang verschwiegen worden war &endash; davon gesprochen, dass Europa haarscharf an einem neuen Tschernobyl vorbeigeschlittert ist. Das deutsche Bundesumweltministerium (BMU) ordnete die Überprüfung aller deutscher AKW an. Es soll festgestellt werden, ob ähnliche Teile wie in den schwedischen Reaktoren eingebaut wurden.

Verschiedene Medien berichteten, dass die Herstellerfirma der Generatoren des schwedischen Atomreaktors bereits seit den neunziger Jahren von der »Konstruktionsschwäche« gewusst und dieses Wissen erst nach einem Zwischenfall in einem deutschen AKW weitergegeben habe.

Die Pro-Atomenergie-Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) hat bereits 1992 in einer Arbeit für das Bundesumweltministerium vor »Überspannungen« gewarnt, berichtet Henrick Paulitz, Nuklearexperte der Vereinigung Ärzte für die Verhütung eines Atomkrieges (IPPNW). Praktisch würde ein Unwetter, ein Blitzschlag, Sturm, ein durch Schneelasten umfallender Strommast oder ein Sabotageakt reichen, um per Kurzschluss eine nuklear-gefährliche Situation zu erzeugen, warnt Paulitz. Er hält es vor diesem Hintergrund für unzureichend, dass das BMU angesichts des Beinahe-Unfalls in Schweden lediglich klären möchte, »ob die zugrunde liegenden sicherheitstechnischen Mängel auch in deutschen Atomkraftwerken vorliegen können«.

Unterschiedlich ist die Reaktion bundesdeutscher Umweltpolitiker auf den Störfall. Während sich Union und FDP zurückhalten, kommen von der SPD nur verhaltene Erklärungen. Die Grünen im Bundestag meinen: »Anders als uns die Atomindustrie immer glauben machen will, zeigen die Ereignisse, dass es keine völlige Sicherheit bei der Atomkraft gibt.« Die Umweltpolitikerin der Linkspartei, Eva Bulling-Schröter, meint: »Statt über weitere Laufzeiten zu phantasieren, ist eine Beschleunigung des Ausstiegs aus der Atomenergie dringend notwendig. Regenerative Energien sind sicher, erwärmen keine Flüsse und sparen Ressourcen.«

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dpa 06.08.2006

Bundesamt kritisiert Reaktion deutscher Kraftwerksbetreiber

Berlin (dpa) - Das Bundesamt für Strahlenschutz hat die Reaktion der deutschen Kernkraftbetreiber nach dem Störfall in einem schwedischen Atommeiler als zu voreilig kritisiert. Die deutschen Betreiber leisteten ihrem eigenen Anliegen einen Bärendienst, wenn sie für ihre Anlagen reflexartig Entwarnung geben, sagte Präsident Wolfram König in Berlin. Störfälle müssten wissenschaftlich fundiert bewertet werden. Die Kernkraftbetreiber hatten erklärt, dass der schwedische Störfall nicht auf deutsche Kraftwerke übertragbar sei.

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Oekonews.at 6.8.2006

Unwetter kann in Deutschland zum GAU führen

IPPNW: "Sicherheitsüberprüfungen allein reichen nicht!"

Nach Einschätzung der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW kann bereits ein Kurzschluss, beispielsweise infolge eines Unwetters, in Deutschland jederzeit zum Super-GAU führen. "Der Kurzschluss außerhalb des schwedischen Atomkraftwerks Forsmark hat dazu geführt, dass in der Anlage alles aus dem Ruder lief und nur wenige Minuten bis zum Super-GAU gefehlt haben", so Henrik Paulitz, Atomexperte der IPPNW.

In Biblis B habe am 8. Februar 2004 ein wetterbedingter Kurzschluss außerhalb der Anlage dazu geführt, dass es zum gefürchteten "Notstromfall" kam. "Hierbei handelt es sich um eine ganz grundlegende, nicht lösbare Sicherheitslücke."

Selbst die atomenergie-freundliche Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) habe schon 1992 in einer Arbeit für das Bundesumweltministerium (BMU) eindringlich vor "Überspannungen" gewarnt. "Praktisch bedeutet das: Es genügt schon ein Unwetter, ein Blitzschlag, Sturm, ein durch Schneelasten umfallender Strommast oder auch ein Sabotageakt, dass es zum Kurzschluss und infolge dessen in den deutschen Atomkraftwerken zu gefährlichen Situationen kommen kann. Laut GRS ist diese Problematik technisch nicht ausreichend verstanden und ein zuverlässiger Schutz ist schlichtweg nicht möglich", so Paulitz.

Immer wieder müsse man sich die Folgen eines derartigen Versagens vor Augen führen. "Ein Super-GAU in einem derart dicht besiedelten Gebiet wie Rhein-Main wäre eine unvorstellbare Katastrophe. Ungleich mehr Menschen als in Tschernobyl würden an den Folgen sterben, Aufräumarbeiten wären faktisch unmöglich, die Deutsche Wirtschaft läge am Boden."

Paulitz hält es vor diesem Hintergrund für unzureichend, dass das BMU angesichts des Beinahe-Unfalls in Schweden lediglich klären möchte, "ob die zugrunde liegenden sicherheitstechnischen Mängel auch in deutschen Atomkraftwerken vorliegen können". Seine Kritik: "Das geht nun schon seit fast 40 Jahren so: Behörden und Gutachter schauen sich an, was geschehen ist und versuchen dann, genau den gleichen oder ähnlichen Störfall-Ablauf in der Zukunft auszuschließen. Das Problem ist aber, dass noch immer ständig neue und überraschende Störfall-Abläufe auftreten, mit denen weder die Atomkraftwerksbetreiber noch die Gutachter noch die Behörden zuvor gerechnet haben." Nach Pannen heiße es in den gutachterlichen Stellungnahmen lapidar, die Steuerung des Kraftwerks habe zwar "konzeptgemäß" gearbeitet, doch aufgrund "der besonderen Konstellation der Störung" sei es zum Ausfall eines sicherheitsrelevanten Systems gekommen.

Darüber hinaus würden Atomindustrie und Atomaufsicht auch immer wieder damit konfrontiert, dass Sicherheitssysteme für eine bestimmte Störfall-Situation zwar richtig konzipiert wurden, diese aufgrund von falsch eingestellten Soll-Größen in der Steuerung aber dennoch versagen. "Da gibt es Fälle, dass Siemens falsch eingestellte elektrotechnische Komponenten geliefert hat. Da gibt es Fälle, dass sich Soll-Größen aus unbekannter Ursache oder aufgrund von Alterungserscheinungen verstellt haben. Und es gibt zahlreiche Fälle von Fehlern bei Wartungsarbeiten ", so Paulitz. "Man kann hier noch nicht einmal den Arbeitern einen Vorwurf machen. Es ist das Management von RWE, E.On, Vattenfall, EnBW und Siemens, das - um Kosten zu sparen - bei den Wartungsarbeiten einen unglaublichen Zeitdruck ausübt und zum Teil auch nicht hinreichend qualifizierte Mitarbeiter beschäftigt."

Die IPPNW fordert das Bundesumweltministerium vor diesem Hintergrund dazu auf, die deutschen Atomkraftwerke vorsorglich abzuschalten und die Öffentlichkeit uneingeschränkt und umfassend über den Vorfall in Schweden zu informieren. Die bisherigen "dürren" Pressemitteilungen des Ministeriums waren nach Auffassung der IPPNW mehr "Desinformation" als "Information"

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SPIEGEL ONLINE - 06. August 2006

STÖRFALL IN SCHWEDEN

Strahlenschützer rügt deutsche AKW-Betreiber

Deutsche Atomkraftwerke sind sicher, erklärten die Betreiber nach dem jüngsten Störfall in Schweden. Das Bundesamt für Strahlenschutz will sich mit solchen schnellen Erklärungen nicht zufrieden geben - und fordert umfassende Untersuchungen.

Berlin - "Die deutschen Betreiber leisten ihrem eigenen Anliegen einen Bärendienst, wenn sie nach dem gravierenden Störfall im schwedischen Kernkraftwerk Forsmark für ihre Anlagen reflexartig Entwarnung geben", sagte der Präsident des Strahlenschutzamtes Wolfram König. Die Akzeptanz für die "Hochrisikotechnologie" Atomkraft hänge vom Vertrauen in das Verantwortungsbewusstsein der Betreiber ab.

Dazu gehöre, dass Störfälle wissenschaftlich fundiert untersucht und bewertet werden. Bund und Länder prüfen derzeit, ob ein ähnlicher Fall sich in Deutschland zutragen könnte. Das Bundesumweltministerium rechnet mit ersten Ergebnissen Anfang dieser Woche.

Die Betreiber der 17 deutschen Atomkraftwerke hatten für ihre Anlagen einen Störfall ausgeschlossen, wie er sich am 25. Juli in Forsmark ereignet hatte. Nach einem Blitzschlag in eine Hochspannungsleitung war es dort zu einem Kurzschluss gekommen, nur zwei der vier Notstromaggregate des Kraftwerks waren angesprungen. Die schwedische Atomaufsicht hatte den Vorfall als sehr "ernst" eingestuft. Die Chefin der Kernkraftinspektion, Judith Melin betonte aber danach: "Es gab absolut nicht das Risiko einer Kernschmelze."

Kernkraftgegner sehen sich durch den Vorfall allerdings in ihrer Haltung bestätigt. So ermahnte der Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn die große Koalition: "Wenn Union oder SPD auf die Idee kommen, wieder in die Atomwirtschaft einzusteigen, sehen wir uns auf dem Acker wieder. Die Transparente stehen noch auf dem Dachboden, sie müssen nur frisch angemalt werden", sagte er der "Bild am Sonntag".

Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag den von Rotgrün beschlossenen Atomausstieg bestätigt. Unionspolitiker stellen diese Festlegung jedoch gegen heftigen Widerstand der SPD immer wieder in Frage.

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REUTERS Sa Aug 5, 2006 12:41 MESZ

Trittin stuft Kraftwerks-Unfall als sehr schweren Störfall ein

Berlin (Reuters) - Der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin hat den Atomkraft-Störfall im schwedischen Forsmark als "sehr schweren Störfall" eingestuft.

"Auf den letzten Drücker wurde mit einer Notkühlung verhindert, dass es zu einer unkontrollierten Kernschmelze, also zu einem einem Super-GAU mit allen katastrophalen Konsequenzen kam", sagte der Grünen-Politiker der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse" vom Samstag. Keines der weltweit laufenden Atomkraftwerke sei gegen eine Kernschmelze ausgelegt und damit sicher vor einem Unfall, wie er 1986 im ukrainischen Tschernobyl passiert sei.

In dem Reaktor Forsmark 1 waren am 25. Juli Probleme bei der Stromversorgung aufgetreten. In schwedischen Medienberichten hieß es, der Reaktor habe kurz vor der Kernschmelze gestanden. Infolge des Störfalls wurden vier der insgesamt zehn Reaktoren im Land vom Netz genommen. Die übrigen Anlagen durften nach einer Überprüfung in Betrieb bleiben.

Nach dem Vorfall in Forsmark forderten Atomkritiker in Deutschland ein Ende der Debatte um eine Abkehr vom vereinbarten Atomausstieg. Das Bundesumweltministerium kündigte eine Überprüfung deutscher Atomkraftwerke an.

Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn drohte der großen Koalition für den Fall eines Wiedereinstiegs in die Atomenergie mit massivem Widerstand. "Wenn Union oder SPD auf die Idee kommen, wieder in die Atomwirtschaft einzusteigen, sehen wir uns auf dem Acker wieder. Die Transparente stehen noch auf dem Dachboden, sie müssen nur frisch angemalt werden", sagte er der "Bild am Sonntag" laut Vorabbericht. Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag den von Rotgrün beschlossenen Atomausstieg bestätigt. Unionspolitiker stellen diese Festlegung jedoch gegen heftigen Widerstand der SPD immer wieder in Frage.

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SPIEGEL ONLINE - 04. August 2006

AKW-STÖRFALL IN SCHWEDEN

Der Mann, der den GAU verhinderte

Es war reines Glück, dass der Zwischenfall in einem schwedischen Atomkraftwerk nicht zum GAU wurde, sagen Experten. In letzter Sekunde sei die Welt vor einer Katastrophe bewahrt worden. Das lag daran, dass ein Mann sich über die Vorschriften hinwegsetzte.

Hamburg - Forsmark ist ein kleiner schwedischer Ort in der Provinz Uppland. Nur etwa sechzig Menschen leben in Forsmark. Dass überhaupt jemand den Namen des Dorfes kennt, liegt nur an dem Atomkraftwerk, das dort steht - eines von drei Kernkraftwerken und insgesamt zehn Reaktoren in Schweden.

AKW Forsmark: "Näher kann man an eine Kernschmelze nicht rankommen"

Seit ein paar Tagen ist das Dorf in aller Munde, und Forsmark hat einen Helden: Nicklas Sjulander. Der 34-Jährige arbeitet im Atomkraftwerk Forsmark, in dem es vergangene Woche zu einem schweren Störfall gekommen ist. Experten bezeichneten den Zwischenfall als den gefährlichsten nach Tschernobyl und Harrisburg. Näher könne man an eine Kernschmelze nicht herankommen. Dass es dazu nicht gekommen ist, sei reines Glück gewesen, sagte der Kernkraftexperte Lars-Olov Höglund dem "Svenska Dagbladet."

Glück - vielleicht auch Geistesgegenwärtigkeit. Denn hätte Nicklas Sjulander nach der Vorschrift gehandelt, erst 30 Minuten nach dem ersten Alarm einzugreifen, wäre Forsmark vielleicht als neues Tschernobyl in die Geschichtsbücher eingegangen. Sjulander sagte der schwedischen Zeitung "Expressen": "Ich hatte keine Angst, ich wusste, dass schnell gehandelt werden musste."

Es war 13.21 Uhr am letzten Dienstag, als der Alarm im Kontrollraum von Reaktor 2 des Kernkraftwerks ertönte. "Ich habe mitbekommen, dass es mit Reaktor 1 ein Problem gab", sagte Sjulander. Nach einem Kurzschluss und anschließendem Stromausfall war der Reaktor kaum mehr zu kontrollieren. Das Personal im Kontrollraum habe ihm bedeutet, es bekomme die Situation nicht mehr alleine in den Griff.

Zusammen mit seinem Kollegen Joakim Karlsson eilte Sjulander seinen Mitarbeitern zur Hilfe. "Als wir ankamen, waren knapp acht Minuten vergangen, seit der erste Alarm ertönt war. Es herrschte fiebrige Aktivität, wir sind ja trainiert darin, schwierige Situationen zu meistern", wird Sjulander in "Expressen" zitiert.

In den Sicherheitsanweisungen des Atomkraftwerks heiße es, das Personal solle in den ersten 30 Minuten nach dem Alarm keine manuellen Maßnahmen ergreifen. Zunächst müsse das Personal die Situation sorgfältig analysieren, erklärte Sjulander.

Aber wenn ein Zwischenfall in dieser Größenordnung passiere, breche eben Chaos aus, so Sjulander. Es gebe niemanden, der direkte Anweisungen erteile, zunächst werde eine Krisensitzung einberufen. Ein Problem könne schließlich mehrere Ursachen haben.

Resultat der Beratungen am Dienstag der vorherigen Woche war, dass Sjulander nach genau 21 Minuten und 41 Sekunden - also gut acht Minuten bevor die Mitarbeiter eigentlich in Aktion treten sollen - handelte. Sjulander ging in den Kontrollraum und drückte einen Knopf, der die fehlerhafte Schaltanlage steuert. "Ich habe Strom aus einem externen Netz angekoppelt, und dadurch sind die beiden Dieselgeneratoren wieder angesprungen", sagt Sjulander. Forsmark war gerettet. "Nicklas stoppt die Katastrophe", titelt "Expressen".

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SPIEGEL ONLINE - 04. August 2006, 17:17

Atomkraftwerk-Störfall

Rätselraten um Notstrom-Aggregat

Von Sönke Klug

Nicht einmal der Hersteller AEG weiß, warum die Notstrom-Aggregate im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark versagt haben. Dennoch melden deutsche Kraftwerksbetreiber, ein solcher Störfall sei hier nicht möglich. Die Bundesregierung will das genauer prüfen.

Nur wenige Tage nach der Panne am schwedischen Reaktor Forsmark-1 geben sich deutsche Kraftwerksbetreiber unbeirrt, was die Sicherheit in ihren Atommeilern betrifft. Der Vorfall in Schweden - bei dem die Dieselaggregate für die Notstromversorgung kurzzeitig ausgefallen waren - sei nicht auf Deutschland übertragbar. E.on-Sprecherin Petra Uhlmann erklärte, in den deutschen Kraftwerken des Konzerns gebe es einen anderen Stromversorgungs-Plan als im Fall Forsmark. Daher könne E.on einen solchen Vorfall ausschließen, obwohl die Untersuchungen in Schweden noch nicht beendet seien.

Knapp an der Katastrophe vorbei: Das Atomkraftwerk Forsmark

"Natürlich haben wir auch AEG-Bauteile", sagte Uhlmann, "aber die sind in ein ganz anderes Konzept eingebaut - mit ganz anderer Wirkung bei Notfällen." E.On ist in Deutschland am Betrieb der Kraftwerke Isar-1 und -2, Brunsbüttel, Grohnde, Brokdorf, Krümmel, Unterweser, Grafenrheinfeld sowie Gundremmingen-B und -C beteiligt.

"Erstaunlich" findet Heinrich Otterpohl solche frühen Beteuerungen. Otterpohl ist Geschäftsführer von AEG Industrial Engineering - der Firma, in der die in Schweden eingesetzten Notstrom-Aggregate hergestellt wurden. Er bestätigte, dass sowohl die Anlage zur unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) als auch die Diesel-Notstromaggregate von AEG hergestellt und an das Kraftwerk Forsmark geliefert wurden. "Aber was da passiert ist, weiß ich nicht", sagt Otterpohl. Er kenne bisher nicht einmal die Typnummer der in Schweden eingesetzten Geräte, vom schwedischen Kraftwerk sei noch keine Anfrage gekommen.

Ohnehin wollte sich Otterpohl nur zu den USV-Geräten äußern, die im Unterschied zu den wuchtigen Diesel-Aggregaten "gerade mal genug Strom für einen Fernseher liefern". Die USV-Geräte stellen die Funktion von elektrischen Kontrollen sicher. Nach dem, was er wisse, "ist da bei Reparaturarbeiten ein Kurzschluss ausgelöst worden", so Otterpohl. "Wenn man die USV kurzschließt, ist das ja nicht die Schuld des Geräts."

Einzelanfertigungen, ohne Wartung von AEG

Dass die für die Stromversorgung des Reaktors wichtigen Dieselaggregate dann offenbar nicht angesprungen sind, wollte Otterpohl nicht kommentieren. Diese Anlagen seien extra für das Kraftwerk einzeln angefertigt worden, und die zuständige Abteilung bei AEG gebe es nicht mehr. Einem Bericht der "taz" zufolge soll die AEG die schwedischen Kraftwerke gewarnt haben, nachdem im Jahr 2004 das deutsche Kernkraftwerk Isar-2 einen Defekt an der Notstromanlage gemeldet hatte.

Allerdings seien von AEG aus Wartungen in vielen europäischen Kraftwerken unternommen worden, "aber aus Forsmark hatten wir keine Serviceorder. Wir wurden nicht gerufen", sagt Otterpohl.

Das deutsche Umweltministerium will trotz der Beteuerungen der Kraftwerksbetreiber weiter prüfen, ob in Deutschland die Aggregate eingesetzt wurden, die in Schweden möglicherweise versagt haben. Beteiligt an der Untersuchung sind die Gesellschaft für Reaktorsicherheit, das Bundesamt für Strahlenschutz und die Atomaufsichtsbehörden der Länder.

Schnelle Aufklärung unmöglich

Greenpeace hat bereits gestern gefordert, sämtliche deutschen Notstromaggregate unabhändig vom Hersteller zu überprüfen. Heinz Smital, Atomexperte der Umweltorganisation, sagte, bei derart vielen Unterkomponenten in einer solchen Anlage sei unmöglich so schnell zu klären, wo der Fehler lag und welche Komponente wo in Deutschland eingebaut sei.

In den vergangenen Jahren hatte es mehrere Zwischenfälle mit Notstromsystemen in deutschen Atomkraftwerken gegeben. Im Juli 2004 führte ein Elektronikfehler zu einer Panne im Notstromaggregat der Anlage Biblis. Ein Riss an einem Dieselaggregat im AKW Philippsburg konnte im Dezember 2003 schnell repariert werden und hatte nach Angaben des Stuttgarter Umweltministerium keine schwerwiegenden Folgen. Einen ähnlichen Riss hatte man dort erst ein halbes Jahr zuvor entdeckt. Beide Vorfälle wurden in die geringste Gefährdungsstufe eingeordnet.

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FOCUS 04.08.2006

ENERGIE

Deutsche Atommeiler auf dem Prüfstand

Nach einem Störfall in einem schwedischen Atomkraftwerk prüft das Bundesumweltministerium, ob ähnliche Probleme auch in deutschen Atomkraftwerken auftreten können.

„Das Bundesumweltministerium ermittelt zur Zeit den genauen Sachverhalt und wird so schnell wie möglich klären, ob die zu Grunde liegenden sicherheitstechnischen Mängel auch in deutschen Atomkraftwerken vorliegen können", teilte das Ministerium am Donnerstagabend mit. Der Vorfall im schwedischen Forsmark werde als „sicherheitstechnisch ernstes Ereignis" eingestuft. Als Konsequenz aus dem Störfall in Forsmark im Juli waren zuvor für Sicherheitstests zwei Reaktoren im Südosten Schwedens vom Netz genommen worden, an denen die E.ON-Tochter Sydkraft die Mehrheit hält. Zu der Lage in Deutschland war von E.ON Kernkraft in Hannover zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

Ende Juli waren in dem Atomkraftwerk Forsmark Probleme mit der Stromversorgung aufgetreten. Die Medien berichteten unter Berufung auf einen Angestellten des Kraftwerks, dass ein Reaktor kurz vor der Kernschmelze gestanden habe. Auch zwei von insgesamt vier Generatoren, die die Anlage im Notfall mit Strom versorgen sollten, sprangen nicht an. Der betroffene Reaktor wurde am 25. Juli abgestellt.

Baujahr 1972 und 1974

Die in Schweden für die Reaktorsicherheit zuständige Behörde SKI teilte mit, die Reaktoren Oskarshamn I und II seien am Donnerstag vorübergehend für Sicherheitstests abgeschaltet worden. Der dritte Reaktor habe Tests bestanden und bleibe am Netz. Die E.ON-Tochter Sydkraft hält an den drei Reaktoren 54,5 Prozent, die übrigen Anteile besitzt der finnische Versorger Fortum. Reaktor I und II wurden 1972 beziehungsweise 1974 in Betrieb genommen. Der dritte ging erst 1985 an das Netz.

In einem ersten Bericht zu dem Vorfall in Forsmark befand die SKI, dass die Betreiber in der Situation richtig gehandelt hätten. „Meiner Ansicht nach wurde die Angelegenheit von den Medien übertrieben", sagte Jan Blomstrand, Mitglied des SKI-Gremiums für Reaktorsicherheit. Die zwei übrigen Generatoren hätten falls nötig ausreichend Strom für den Reaktor erzeugt. Ein ausführlicher Bericht wird in den kommenden Tagen erwartet.

Warnung vor „katastrophalen Folgen"

In Deutschland forderten die Grünen von der Bundesregierung eine sofortige Aufklärung über den Störfall im Atomkraftwerk Forsmark. Eine Kernschmelze hätte katastrophale Konsequenzen für Nord- und Mitteleuropa haben können, teilte ihr energiepolitischer Sprecher Hans-Josef Fell mit. Er forderte zudem, dass auch deutsche Atomkraftwerke auf ähnliche Konstruktionsfehler geprüft würden. Auch Greenpeace forderte eine Überprüfung der Notstromsysteme in Deutschland.

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Münchner Merkur 04.08.2006

AKW-Chefkonstrukteur: Störfall hätte schlimmer ausgehen können

Atom Schweden

Münster (dpa) - Der Störfall im schwedischen AKW Forsmark ist nach Ansicht eines schwedischen Experten einer der schwersten Zwischenfälle seit Tschernobyl und Harrisburg. Der Störfall Ende Juli hätte schlimmer ausgehen können, sagte Lars-Olov Höglund, einstiger Chefkonstrukteur des Atomkraftwerks, den «Westfälischen Nachrichten». Er schloss nicht aus, dass es bei dem Zwischenfall zu einer Kernschmelze hätte kommen können, wenn nicht nur zwei, sondern alle vier Notstromaggregate des Werks ausgefallen wären.

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Hamburger Abendblatt 04.08.2004

Störfall: Schweden schaltet Atomkraftwerke ab

Stromausfall: Stand ein Gau kurz bevor? Reaktor war 23 Minuten lang nicht unter sicherer Kontrolle. E.on prüft Anlagen.

Hier kam es am 25. Juli zu dem Kurzschluss: das Kernkraftwerk Forsmark. Radioaktivität trat nicht aus. Foto: DPA

Stockholm/Hamburg -

Aus Angst vor einem schweren Atomunglück sind in Schweden vier Reaktoren vom Netz genommen worden. Die Aufsichtsbehörde reagierte damit auf einen Störfall, der sich bereits am 25. Juli im Kernkraftwerk Forsmark nördlich von Stockholm ereignet hatte. Dabei kam es nach Einschätzung von Umweltschützern nur durch Glück nicht zu einer Kernschmelze und einem GAU (größter anzunehmender Unfall). Inzwischen wurde auch in Oskarshamn 200 Kilometer südlich von Stockholm ein baugleicher Reaktor abgeschaltet.

"Wir können keine Sicherheit garantieren, dass Oskarshamn mit einem Fehler wie in Forsmark fertig werden würde", sagte Anders Osterberg vom schwedischen Kraftwerkbetreiber OKG, an dem auch der deutsche Konzern E.on beteiligt ist. Umweltministerin Lena Sommestad lässt den Vorfall untersuchen: "Die Fehler sind inakzeptabel. Sie zeigen, wie komplex und verwundbar die Atomenergie ist."

Atomstrom trägt zur Hälfte des Stromverbrauchs in Schweden bei. Als Folge der Reaktorschließungen schossen die schwedischen Strompreise gestern auf Rekordhöhe.

Nach einer vorläufigen Rekonstruktion der schwedischen Atomaufsichtsbehörde SKI hat ein Kurzschluss zu dem Zwischenfall in Forsmark geführt. Das Kraftwerk wurde vom Stromnetz getrennt, die Stromversorgung versagte. Von den vier Diesel-Notstromaggregaten sprangen nur zwei an. Zwischenzeitlich habe die Betriebsmannschaft 23 Minuten lang nicht alle Informationen über den tatsächlichen Zustand der Anlage gehabt. Teile des Notkühlsystems und die Schnellabschaltung hätten aber funktioniert, hieß es.

Nach schwedischen Medienberichten zeigte sich im Verlauf der Störung ein bisher unbekannter technischer Fehler, mit dem offenbar in allen schwedischen Atomkraftwerken gerechnet werden muss.

Die Umweltorganisation Greenpeace sieht den Zwischenfall in Forsmark als besorgniserregend an. "Das Atomkraftwerk ist durch den Störfall 20 Minuten lang im Geisterbetrieb gefahren, bis die Belegschaft den Betrieb des Kraftwerks manuell wieder in den Griff bekam", so Heinz Smital, Atomexperte bei Greenpeace. Auch das Bundesumweltministerium stufte den Zwischenfall als "sicherheitstechnisch ernstes Ereignis" ein. Man prüfe, ob die Mängel auch in deutschen Kraftwerken vorliegen könnten. Vattenfall-Sprecher Ivo Banek versicherte gegenüber dem Abendblatt: "Es ist ausgeschlossen, dass es in unseren Anlagen zu solch einem Störfall kommen kann."

Heute hat Vattenfall wegen der Kernkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel einen Gesprächstermin im Kieler Energieministerium. Dort soll ausgelotet werden, ob weiterer Handlungsbedarf wegen des Vorfalls in Schweden notwendig ist.

Auch bei E.on wird nach Abendblatt-Informationen geprüft, ob es Maßnahmen gegen ähnliche Vorfälle in den deutschen E.on-Kraftwerken geben müsste.

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FR online 04.08.2006

Stromausfall in schwedischem AKW

Haarscharf am GAU vorbei

VON KARL-HEINZ KARISCH

Gellend schrillen die Alarmglocken. Geigerzähler registrieren einen rapiden Anstieg der radioaktiven Strahlung. Der hochmoderne schwedische Atomreaktor Forsmark an Upplands Küste wird sofort heruntergefahren. Doch die Radioaktivität steigt weiter an. Schnell wird klar, dass die Strahlung nicht aus dem Meiler selbst stammt. Auf Grund der Windrichtung wird nun errechnet, woher die giftige Wolke tatsächlich kommt. Schwedens dringende Anfragen in Moskau jedoch werden ignoriert. Erst am Abend des 28. April 1986 bricht die Sowjetunion ihr Schweigen.

"Im Kernkraftwerk Tschernobyl hat sich eine Havarie ereignet", wurde damals in dürren Worten mitgeteilt. Es sollte die größte Katastrophe in der friedlichen Nutzung der Atomkraft werden. Jetzt am 25. Juli, gut 20 Jahre später, wurde erneut Alarm ausgelöst in Forsmark. Doch diesmal war es keine radioaktive Wolke von außerhalb. Das Kraftwerk Forsmark selbst schrammte nur haarscharf und mit viel Glück an einem Super-GAU vorbei. Und wie auch nach Tschernobyl dauert es erneut Tage, bis die Öffentlichkeit umfassend informiert wurde.

Was war geschehen? Massive Stromschwankungen im äußeren Netz, verursacht durch einen Kurzschluss, hatten die Stromerzeugung im Kraftwerk Forsmark 1 bedroht. Die sofort eingeleitete Abtrennung vom Netz löst das Herunterfahren des Reaktors aus. In diesem Fall übernehmen normalerweise Batterien und vier Notstromgeneratoren die Versorgung. Doch zwei der Generatoren versagten, auch die Batterien lieferten durch Schaltfehler nur teilweise Strom, das Computersystem stürzte ab. Die Anlage geriet für 23 Minuten außer Kontrolle. Die Bedienungsmannschaft wusste in dieser Zeit nicht einmal, ob die Kühlung des Reaktors überhaupt noch in Betrieb war, weil die Anzeigen ausfielen.

Nur Zufall, dass nichts passierte

"Das ist der Albtraum für einen Sicherheitsexperten", sagt der Atomexperte des Öko-Instituts, Michael Seiler. Im Nachhinein könne man zwar feststellen, dass nichts passiert sei, das aber sei reiner Zufall. Durch die Spannungsspitze seien lediglich zwei von vier Umformern zerstört worden, die Gleich- in Wechselstrom umwandeln. "Es hätte aber auch alle vier Umformer treffen können, das wäre dann der Super-GAU samt Kernschmelze gewesen", sagt Seiler, der bis März Vorsitzender der deutschen Reaktorsicherheitskommission war. Bislang sei noch unklar, warum auch die Anzeigen im Kontrollraum nicht mehr funktioniert hätten. Der frühere Forsmark-Konstruktionschef Lars-Olov Höglund äußerte in der Zeitung Svenska Dagbladet die Befürchtung, der Reaktor sei nur um wenige Minuten an einer Kernschmelze vorbeigeschrammt.

Dieser Darstellung widersprachen die schwedische Atomaufsicht SKI und die Betreiberfirma Vattenfall. "Dadurch, dass zwei der Dieselgeneratoren die ganze Zeit funktioniert haben, gab es keine Probleme bei der Kühlung", erläutert Forsmark-Sprecher Anders Markgren. Auch die anderen Sicherheitsfunktionen seien nicht gefährdet gewesen. SKI-Direktor Anders Jörle bescheinigt nach einer ersten Bestandsaufnahme der Betreiberfirma, sie habe korrekt gehandelt. Die Bedienungsmannschaft habe die Notkühlung aktiviert und sei für weitere Schritte präpariert gewesen. Nachdem die Pumpen wieder gelaufen seien, habe die Notkühlung abgeschaltet werden können.

Von den anderen AKW-Betreibern hatte die SKI Garantien verlangt, dass bei ihnen kein ähnlicher Störfall auftreten könne. Daraufhin wurden vier Anlagen vorübergehend vom Netz genommen, eine wird gerade gewartet. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace attestierte der schwedischen Atomaufsicht, sie habe rasch und richtig gehandelt. Der Vorfall sei "schwerwiegend", sagt Greenpeace-Experte Heinz Smital. "Das Atomkraftwerk ist fast 20 Minuten im Geisterbetrieb gefahren, bis die Belegschaft den Betrieb manuell wieder in den Griff bekam", kritisiert er. "So etwas darf in einem Atomkraftwerk nicht passieren."

Noch im Mai hatte die schwedische Atomaufsicht SKI in ihrem Jahresbericht die hohe Sicherheit der Atomanlagen gelobt. Lediglich an zwei Pumpen hatte es 2005 Kühlmittelverluste gegeben, die aber sofort entdeckt worden seien. Jetzt wurden nach dem Störfall fünf der zehn schwedischen AKW abgeschaltet, um sie zu überprüfen. Im Verdacht stehen die von der Firma AEG gelieferten Notstromsysteme. Für Schweden, das rund die Hälfte seines Stromes aus der Atomkraft gewinnt, ist das eine schwierige Situation. Die schwedische Umweltministerin Lena Sommestad kündigte eine gründliche Sicherheitsüberprüfung aller AKW an.

Mängel bekannt

Die Mängel in Forsmark waren möglicherweise seit langem bekannt. Denn im vergangenen Jahr war an die US-Firma "General Electric Energy" der Auftrag erteilt worden, für mehrere Millionen Euro die Forsmark-Reaktoren mit einem neuen Sicherheits- und Kontrollsystem auszustatten. Reaktor 2 wurde in diesem Jahr neu bestückt, die beiden anderen - darunter Forsmark 1 - sind im kommenden Jahr dran.

Die drei Siedewasserreaktoren von Forsmark waren 1980 bis 1985 nach modernsten Erkenntnissen gebaut worden. Für den Atomexperten Seiler gehörte "die damalige Auslegung mit einem vierfachen Sicherheitssystem technisch zur Weltspitze". Der Störfall jetzt aber zeige, dass selbst bei extrem hohen Standards Fehler auftreten könnten, "die ein Sicherheitssystem, und sei es noch so gut, aushebeln können".

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Hamburger Abendblatt 4. August 2006

Grüne fordern Konsequenzen aus Störfällen in Schweden

Anders Bredfell von der Atomaufsicht SKI sagte: "Rein theoretisch hätte der Reaktor schmelzen können, und das hätte zu einer Atomkontamination geführt. Aber es gibt noch eine Reihe von Sicherheitsvorrichtungen, die das verhindern."

SKI-Sprecher Anders Jörle sagte gegenüber dem Abendblatt: "Fest steht, daß es einen Ausfall der elektronischen Systeme gab. Welche Folgen das hätte haben können, wissen wir noch nicht genau, aber deswegen findet ja auch die Untersuchung in allen heruntergefahrenen AKW statt."

Der Atomexperte Lars-Olov Höglund, der leitender Konstrukteur in Forsmark war, sagte: "Das war die schlimmste Situation bisher, wenn man Tschernobyl und Harrisburg nicht mitrechnet. Es hätte auch sein können, dass keiner der vier Dieselgeneratoren startet." Der Experte der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW, Henrik Paulitz, sagte: "Wären noch mehr Fehler in der automatischen Steuerung aufgetreten, dann hätte die Welt in der vergangenen Woche möglicherweise ihren zweiten Super-Gau nach Tschernobyl erlebt."

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer verlangte von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, die Konsequenzen aus dem schwedischen Reaktorunfall zu prüfen und die Öffentlichkeit umfassend zu informieren. Nach seinen Worten gibt es "nur einen ansatzweise sicheren Umgang mit Atomkraft: schnellstmöglich abschalten." Zwei von zwölf Rekatoren hat Schweden im Rahmen seines Atomausstieges bereits stillgelegt. Eine wachsende Zahl der Bürger will laut einer jüngsten Umfrage jedoch an der Nukleartechnologie festhalten.

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dpa 04.08.2006

Streit um Sicherheit deutscher Atomkraftwerke

Nach dem Atom-Störfall in Schweden ist ein heftiger Streit um die Sicherheit der deutschen Kernkraftwerke entbrannt.

Berlin -

Während die Energiekonzerne eine vergleichbare Panne in einem der 17 deutschen Meiler ausschlossen, warnten Atomkraftgegner vor unzumutbaren Risiken und forderten einen raschen Ausstieg. Das Bundesumweltministerium sprach von einem „sicherheitstechnisch ernsten Ereignis" im Atomkraftwerk Forsmark, das zur vorsorglichen Abschaltung von 4 der 10 Kraftwerke in Schweden geführt hatte. Nun werde geprüft, ob die Notstromversorgung der deutschen Kraftwerke fehlerfrei arbeite.

Eine Ministeriumssprecherin sagte, es müsse rasch geklärt werden, ob in den deutschen Atomkraftwerken Notstromsysteme oder Komponenten vom Hersteller AEG geliefert worden seien, „die in Schweden möglicherweise Ursache der gravierenden Auswirkungen des Kurzschlusses waren". An der Prüfung beteiligt sind die Gesellschaft für Reaktorsicherheit, das Bundesamt für Strahlenschutz und die Atomaufsichtsbehörden der Länder. Nach dpa-Informationen sind in mehreren Kraftwerken Notstrom-Komponenten von AEG eingebaut, die allerdings nicht baugleich mit dem Forsmark-System sein sollen.

Die Umweltschutzorganisation BUND forderte nach dem „Beinahe-GAU in Schweden" die Regierung auf, den gesetzlich vereinbarten Atomausstieg zu beschleunigen. Im Februar 2004 und im Oktober 2005 habe es in Biblis ähnliche Ausfälle der Notstromaggregate gegeben. Im Kraftwerk Forsmark, das vom Energiekonzern Vattenfall betrieben wird, waren am 26. Juli nach einem Ausfall der Stromversorgung zwei der vier Dieselaggregate zur Notstromversorgung nicht wie geplant automatisch angelaufen. Medienberichten zufolge soll der Reaktor rund 20 Minuten außer Kontrolle gewesen sein, bis die Ingenieure das Problem in den Griff bekommen hätten.

Die deutschen Kernkraftbetreiber teilten mit, erste Analysen in den 17 Kraftwerken hätten ergeben, dass der schwedische Störfall nicht übertragbar sei. Falsch sei, dass in Forsmark eine Kernschmelze gedroht habe. Die Kühlung habe zu keiner Zeit versagt, hieß es weiter. Der Störfall habe auf der internationalen Skala von 0 bis 7 den Faktor 2 erreicht. Erst ab Stufe 4 gehe eine Gefahr für Menschen und Umwelt aus.

Eine Sprecherin des größten deutschen Energiekonzerns E.ON, der in Schweden am Atomkraftwerk Oskarshamn beteiligt ist, sagte, das Konzept der Stromversorgung und die verwendeten Wechselrichter (Stromumwandler) in den sechs deutschen E.ON-Meilern unterschieden sich signifikant vom schwedischen Forsmark-Reaktor. Die schwedische E.ON-Tochter hat zwei von drei Reaktoren in Oskarshamn abgeschaltet.

Die stellvertretende BUND-Vorsitzende Brigitte Dahlbender sagte, die von den Stromkonzernen angedachte Laufzeitverlängerung für das störanfällige AKW in Biblis dürfe nicht genehmigt werden. Die Reaktoren in Biblis, Neckarwestheim und Brunsbüttel müssten binnen vier Jahren abgeschaltet werden.

Nach Ansicht der Grünen-Politikerin Bärbel Höhn ist die Atomkraft auf Dauer nicht beherrschbar. „Wir sind um rund sieben Minuten an einem möglichen Super-GAU vorbeigeschliddert, der weite Teile Skandinaviens atomar verseucht hätte und von dem auch Deutschland stark betroffen gewesen wäre." Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW erklärte, bereits ein Unwetter könne in einem AKW einen folgenschweren Kurzschluss auslösen.

Schleswig-Holsteins Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD), die die Aufsicht über die von Vattenfall betriebenen Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel hat, kritisierte die Informationspolitik des schwedischen Konzerns. „Ich hätte erwartet, dass der Betreiberkonzern uns unverzüglich über ein solches Ereignis in einer von ihm in Schweden betriebenen Anlage informiert", sagte sie. Das Ministerium habe von dem Störfall aus der Presse erfahren.

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ORF-News 04.08.2006

Super-GAU drohte: Schwerer AKW-Störfall in Schweden

Schweden ist knapp an einer großen Nuklearkatastrophe, einem "Super-GAU", vorbeigeschrammt. Nach einem schweren Betriebsfehler im Atomkraftwerk Forsmark letzte Woche wurden nun Details bekannt: Eine Reaktorschmelze konnte nur knapp vermieden werden.

Nach 30 Minuten wäre die Temperatur so hoch gewesen, dass niemand die Katastrophe verhindern hätte können, so der ehemalige Direktor der Anlage jetzt. Am Mittwochabend mussten im AKW Oskarsham baugleiche Reaktorblöcke nach einem schweren Störfall vom Netz genommen werden. Eine Untersuchung soll Aufklärung bringen.

Unterdessen wurde erneut ein Störfall aus dem südböhmischen Atomkraftwerkes Temelin bekannt. Mittwochnachmittag seien demnach "mehrere Tausend Liter von mäßig radioaktivem Wasser" ausgetreten, wie Temelin-Sprecher Milan Nebesar nun bestätigte.

Wird etwas verheimlicht?

Wie schwer ist der Störfall in dem schwedischen Atomkraftwerk Forsmark vorige Woche wirklich gewesen? Der ehemalige Direktor hatte am Donnerstag davon gesprochen, dass eine Katastrophe, ein "Super-GAU" nur knapp verhindert werden konnte. Es ging um 30 Minuten. Andere Experten widersprechen nun: Das sei eine Dramatisierung der Sachlage, so die finnische Strahlensicherheitsbehörde STUK. Allerdings habe es sich "keinesfalls um einen alltäglichen Zwischenfall" gehandelt.

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ZEIT online, Tagesspiegel | 04.08.2006

Nach dem Störfall: Debatte um Atomenergie

Nach dem schweren Störfall in einem schwedischen Atomkraftwerk haben Politiker der SPD und der Linksfraktion vor den Gefahren der Atomenergie gewarnt.

Dortmund/Berlin - Die schwedischen Atomkraftwerke hätten einen "immens hohen" Technikstandard, erklärte der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Marco Bülow, in Dortmund. Der Zwischenfall in Schweden habe deutlich gemacht, dass die Kernkrafttechnik "doch nicht beherrschbar" sei. Das Atomkraftwerk im schwedischen Forsmark sei Medienberichten zufolge 20 Minuten lang außer Kontrolle gewesen; der Atommeiler sei durch einen Kurzschluss vom Stromnetz getrennt worden.

"Nur weil zwei der vier Dieselaggregate glücklicherweise doch noch ansprangen, konnte ein Teil der Notkühlung wieder in Betrieb genommen werden", erklärte Bülow. "Wäre keine ausreichende Kühlung zu Stande gekommen, hätte sich der Reaktorkern überhitzt". Im schlimmsten Fall wäre er durchgeschmolzen oder hätte explodieren können. Fachleuten zufolge handele es sich um "den schwersten Zwischenfall seit Tschernobyl und Harrisburg". Die SPD-Bundestagsfraktion setze sich deshalb weiterhin für den Atomausstieg in Deutschland ein, erklärte der Sprecher. Es dürfe nicht darüber diskutiert werden, die Laufzeiten von Atomkraftwerken zu verlängern. "Jeder Tag, an dem wir uns dem unvermeidbaren Risiko aussetzen (...), ist ein Tag zuviel".

Lafontaine erteilt Atomenergie eine Absage

Der Vorsitzende der Linksfraktion, Oskar Lafontaine, warnte die Regierung davor, die Atomenergie wieder in den Mittelpunkt ihrer Energiepolitik zu rücken. Der Vorfall in Schweden zeige, "wie fahrlässig und gesellschaftlich unverantwortlich die große Koalition in Deutschland handelt, wenn sie, wie zumindest von Unionspolitikern verlautbart, die Atomenergie wieder ins Zentrum ihrer Energiepolitik rückt", erklärte Lafontaine in Berlin. Zu den wesentlichen Fragen der Energiepolitik gehörten "die unverhältnismäßig hohen Preise und die gefährdete ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit"; die richtige Antwort darauf sei es, "die Monopolmacht der Energiekonzerne zu brechen und zum anderen alternative Energien wie die Solar- und Windenergie zu fördern".

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte die Bundesregierung auf, den Atomausstieg zu beschleunigen und "die gefährlichsten deutschen Atomreaktoren in Biblis, Neckarwestheim und Brunsbüttel" sofort abzuschalten. Der "Beinahe-GAU" im schwedischen AKW Forsmark habe die Störanfälligkeit aller Atomanlagen erneut deutlich gemacht. "Wir fordern die Stromkonzerne auf, sich aus der Atomkraft zurückzuziehen", erklärte die stellvertretende BUND-Vorsitzende Brigitte Dahlbender. "In den nächsten vier Jahren müssen zunächst die riskantesten vier Reaktoren vom Netz".

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Kölner Stadt-Anzeiger 03.08.2006

ANALYSE: Der langsame Abschied von der Atomenergie

VON MANFRED KRIENER, 03.08.06, 21:01h

Trotz milliardenschwerer Subventionen konnte sich der Strom aus nuklearen Meilern nie durchsetzen.

Sie war der Menschheitstraum der 50er Jahre. Die „friedliche Nutzung der Atomenergie" sollte zur Wiedergutmachung für die Leichenberge von Hiroshima und Nagasaki werden. Dort hatte die Atombombe ihren ganzen Schrecken demonstriert. Jetzt sollten die gezähmten atomaren Kräfte, die unversiegbare Energie der Uranmaschinen, wie es damals hieß, der Menschheit ein großartiges Geschenk bereiten.

Ein halbes Jahrhundert und drei Katastrophen später sind die Träume zerplatzt. Atomkraft ist eine ungeliebte Risikotechnologie, ohne Akzeptanz und Wirtschaftlichkeit, belastet von Entsorgungsnöten und militärischem Missbrauch. Trotz milliardenschwerer Alimentierung über Jahrzehnte deckt die Atomenergie weltweit nur einen bescheidenen Anteil von sechs Prozent am Primärenergieverbrauch. Nur 31 von 191 Nationen verfügen über Atomkraftwerke, in nur fünf Staaten stehen mehr als zwei Drittel der globalen Kapazität von 443 Reaktoren. US-Stromversorger haben ihr letztes Atomkraftwerk 1973 in Auftrag gegeben. In ganz Europa ist seit der Tschernobyl-Katastrophe von 1986 nur ein einziger Meiler neu geordert worden: der Reaktor Olkiluoto 3 in Finnland.

Atomkraft ist teuer, zu teuer. Die Internationale Energie Agentur (IEA) in Paris kalkuliert für neue Atomkraftwerke Kapitalkosten von 2000 Dollar je Kilowatt Leistung. Moderne Erdgaskraftwerke kosten dagegen nur 500 Dollar / KW. Atomkraftwerke haben zwar niedrigere Betriebskosten, weil der eingesetzte Uran-Brennstoff relativ günstig ist. Doch dieser Vorteil kann die hohen Baukosten und die technologischen und politischen Risiken nicht wettmachen. Die ökonomische Misere, verbunden mit den drei historischen Katastrophen in Windscale (1957), Harrisburg (1979) und Tschernobyl (1986), hat dafür gesorgt, dass sich die Energie aus gespaltenen Urankernen nie durchsetzen konnte. Bereits Mitte und Ende der 70er Jahre waren in den USA, dem wichtigsten Energiemarkt der Welt, die Versorger panisch aus der Nuklearenergie geflüchtet. Mehr als die Hälfte der Atomprojekte wurde aufgegeben. Das Wirtschaftsmagazin Forbes sprach vom „größten Desaster der US-Wirtschaftsgeschichte" und verglich das „Atomabenteuer" mit dem Vietnamkrieg. Viele Industriestaaten folgten dem amerikanischen Beispiel. Nach den Attentaten des 11. September geriet die Gefahr eines gezielten Flugzeugabsturzes auf Atomkraftwerke in den Blickpunkt. Ein einziger schwerer Unfall kann die gesamte Atomindustrie in eine neue Krise stürzen. Schon Harrisburg und Tschernobyl haben gezeigt, wie teuer solche Unfälle auch außerhalb der betroffenen Länder werden können. Reaktorkonzepte wurden verändert, neue Sicherheitselemente vorgeschrieben, und die Bauzeiten wurden immer länger.

Die 22 aktuell im Bau befindlichen Atomkraftwerke weltweit haben Bauzeiten von teilweise mehr als zehn Jahren. Da setzen die Betreiber lieber auf längere Laufzeiten bestehender Reaktoren. Mit veralteten, technisch überholten Meilern soll möglichst lange Geld verdient werden. Eine neue Studie des Öko-Instituts beziffert die „Zusatzgewinne" durch Laufzeitverlängerungen auf 300 Millionen Euro pro Reaktor und Jahr

Verständlich, dass bei solchen Summen Druck gemacht wird. Dabei wird gern vergessen, dass sich Laufzeitverlängerungen, selbst wenn sie genehmigt würden, nicht so einfach umsetzen lassen. Bisher haben weltweit nur vier Atomkraftwerke eine Lebenszeit von 40 Jahren erreicht - die bisher übliche maximale Lebensdauer.

Und die werden dieses Jahr in Großbritannien stillgelegt. Atomkraftwerke lassen sich nicht beliebig lange in Betrieb halten, Verschleiß und Rissbildungen begrenzen die Lebenszeit. Zu der in den USA angepeilten Betriebsdauer von bis zu 60 Jahren liegen keinerlei Erfahrungen vor.

Ob die Meiler dieses Alter tatsächlich jemals erreichen, ist ungewiss. Zugleich sollen längere Laufzeiten das „dicke Ende des Atomzeitalters" verzögern. Gemeint sind Stilllegung und Abriss der großen Meiler. Leonardo Maugeri, Vizepräsident des Energiekonzerns Eni, schrieb dazu im Magazin Newsweek: „Ein Atomkraftwerk zu schließen kostet ungefähr dasselbe, wie es zu errichten." Inzwischen hat der weltweite Reaktorpark ein Durchschnittsalter von 22 Jahren erreicht. 79 Kraftwerke sind bereits seit mehr als 30 Jahren am Netz. Um die Zahl der Atommeiler auch nur konstant zu halten, müsste in den nächsten 20 Jahren ein sprunghafter Zubau erfolgen. Der ist nicht erkennbar. So wird die weltweite Atomkapazität in den nächsten zehn Jahren deutlich zurückgehen. Selbst die Prognosen der Wiener Atombehörde IAEO werden kleinlauter. Immer wieder hatte sie ein goldenes Atomzeitalter heraufdämmern gesehen, immer wieder hat die Realität ihre Hochrechnungen als Wunschdenken entlarvt. Der Blick in die Kraftwerkstatistik zeigt die nackte Wirklichkeit: Die wichtigste Zutat einer „Atom-Renaissance" fehlt, der Zubau neuer Reaktoren. Die Zahl der Kraftwerke stagniert seit Ende der 80er Jahre, und die Zahl der im Bau befindlichen Meiler geht sogar zurück: 1990 waren weltweit noch 83 Reaktoren im Bau, 1998 waren es noch 36, heute sind es 22.

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Heise-Online 01.08.2006

Methode zur Entschärfung von radioaktivem Abfall vorgestellt

Forscher der Ruhr-Universität-Bochum haben offenbar ein Verfahren gefunden, mit dem sich die Langlebigkeit radioaktiver Substanzen aus Kernreaktorabfällen verringern lassen soll. Wie sie im Journal of Physics G ausführen, könnte die Halbwertszeit von Alpha-Strahlern &endash; Stoffen, die während des Kernzerfalls Heliumkerne emittieren &endash; dadurch verkürzt werden, indem diese in Metall eingeschlossen und anschließend auf wenige Grad Kelvin heruntergekühlt werden.

Ausgangspunkt war der Versuch des Astrophysikers Claus Rolfs, Kernfusionsvorgänge im Inneren von Sternen in einem Teilchenbeschleuniger nachzuvollziehen. Beim Beschuss von leichten Atomkernen mit Protonen und Deuteronen (Kerne, die ein Proton und ein Neutron enthalten) stellte er fest, dass die Fusionsrate deutlich höher war, wenn die beschossenen Kerne in Metall statt in Isolatormaterialien eingebettet waren oder die Umgebungstemperatur niedriger lag.

Laut Rolfs könnte die umgekehrte Reaktion ebenfalls auftreten: Unter denselben Bedingungen könnten Alpha-Teilchen schneller als üblich aus den Atomkernen geschleudert werden. Dadurch würde sich die Halbwertszeit für den Alpha-Zerfall senken. Sie gibt an, nach welcher Zeit die Hälfte der Atomkerne eines radioaktiven Elements oder Isotops zerfallen ist.

In weiteren Experimenten konnte die Gruppe um Rolfs für die beschriebenen Bedingungen eine verkürzte Halbwertszeit für das radioaktive Metall Polonium-210 beobachten. Derzeit untersuchen sie, ob dieser Effekt auch bei Radium-226 auftritt, das eine Halbwertszeit von etwa 1600 Jahren hat und in Reaktorabfällen vorkommt. Nach Rolfs Berechnungen müsste sich diese Spanne auf höchstens 100 Jahre reduzieren lassen. "Wir müssten den radioaktiven Müll dann nicht unterirdisch lagern", sagt er.

Andere Physiker sind allerdings skeptisch, weil Rolfs' Hypothese der herkömmlichen Festkörperphysik widerspreche. Der Bochumer Astrophysiker räumt ein, dass zunächst weitere Forschungsarbeit nötig sei, um aus dem Ansatz ein praktikables Verfahren zu machen. (nbo-tr/Technology Review)

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