Presseauswahl ab Juli 2006 Presseauswahl der BI bis Juni 2006

weitere Artikel zum Thema bei Google-News - Yahoo-Schlagzeilen - RRS - ausgestrahlt

 

ND vom 28.07.06

Geheim gehaltene Urantransporte

Anreicherungsanlage Gronau als Schnittstelle 

Von Reimar Paul 

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) warnt vor einer Zunahme geheimer Atomfuhren in Deutschland.

Bevor Uran in Atomkraftwerken zum Einsatz kommt, durchläuft es mehrere Produktions- und Veredelungsstufen. Der Urangehalt der abgebauten Erze beträgt im Schnitt 0,2 Prozent. In energieintensiven Aufbereitungsfabriken &endash; meist in der Nähe der Minen oder Tagebaue &endash; wird das Uran konzentriert. So entsteht das Handelsprodukt »Yellow Cake«, das in der Regel 70 bis 75 Prozent Uran enthält. Davon benötigt ein 1300-Megawatt-Atomkraftwerk vom Typ Biblis für eine Ladung Brennelemente etwa 400 Tonnen, wofür mehrere hunderttausend Tonnen Uranerz abgebaut werden müssen. Dieses und auch das »Yellow Cake« weisen die natürliche Isotopenzusammensetzung von rund 0,7 Prozent spaltbarem Uran (U) 235 &endash; zudem 99 Prozent U 238 sowie (in Spuren) U 234 &endash; auf. Leichtwasserreaktoren benötigen aber einen U-235-Anteil von etwa drei Prozent. Das Uran muss also angereichert werden. Davor wird es in Konversionsfabriken wie in Pierrelatte in die chemische Verbindung Uranhexafluorid (UF 6) umgewandelt. Von der südfranzösischen Stadt geht das giftige und radioaktive UF 6 per Bahn zu den Anreicherungsanlagen in Gronau und im niederländischen Almelo &endash; dort wird der Anteil von U 235 auf drei bis vier Prozent erhöht. Die Transportstrecke führt über das Rhonetal und das Rheinland. Die Züge passieren Saarbrücken, Trier, Koblenz, Bonn, Duisburg und Lünen.

In einem Offenen Brief an die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann warnt der BUND vor der steigenden Zahl von Atomtransporten. Nach Recherchen des Umweltverbandes passieren Züge mit UF 6 alle zwei Wochen den Bonner Bahnhof. Dabei versuchten Behörden und Betreiber, die Transporte »unter völliger Geheimhaltung durchzuführen«.

Der BUND vermutet, dass weder Anliegerkommunen noch örtliche Rettungsdienste und Feuerwehren informiert sind. Ende Juni löste im Trierer Güterbahnhof ein wartender UF 6-Transport aus Pierrelatte laut Medienberichten Großalarm aus, nachdem ein Strahlendetektor in einem benachbarten Industriebetrieb erhöhte Radioaktivität anzeigte. Beamte der Trierer Polizei und der Bundespolizei sperrten das Gelände weiträumig ab, während ein ABC-Erkundungszug der Feuerwehr und Spezialisten des Eisenbahnbundesamts mit Messgeräten anrückten.

 ------------------------------------------------

taz 28.7.2006

Atommüll auf dem Bahnhof

MÖNCHENGLADBACH taz Greenpeace in Russland hat am Mittwoch auf dem Bahnhof von Kapitolovo bei St. Petersburg einen Güterzug mit radioaktivem Uran-235 und Uran-236 entdeckt. Die radioaktive Belastung an der Containeroberfläche habe die zulässige Norm 100-fach überschritten, erklärte Greenpeace. Am Bahnsteig lagen die Werte 40-mal über dem Grenzwert. Die Wagons hätten unbeaufsichtigt auf dem Gleis gestanden. Der Internetzeitung Fontanka zufolge befindet sich nahe beim Bahnhof ein Zwischenlager für hoch angereichertes Uran. BC

--------------------------------------

 taz 28.7.2006

Die Reaktoren beginnen zu schwitzen

Wegen der Hitze müssen die Kraftwerke ihre Kapazitäten runterfahren. Das treibt die Preise in die Höhe. Die Anbieter der erneuerbaren Energie sehen sich als Alternative, obwohl auch die Windkraft schwächelt. Denn Biogasanlagen laufen weiter

VON DANIEL BÖHM

Schwitzend und ohne Strom: so mussten vorgestern mehrere tausend Pariser den Nachmittag verbringen. Wegen der Hitze war ein Verteiler ausgefallen, woraufhin die Stromversorgung eines ganzen Bezirks zum Erliegen kam. Doch nicht nur in Frankreich leidet die Stromindustrie unter den hohen Temperaturen. Auch in Deutschland sind die Auswirkungen zu spüren: "Die Hitze ist eine Herausforderung für unsere Branche", sagt Frank Brachvogel vom Verband der Elektrizitätswirtschaft VDEW.

Die Hälfte aller Atomreaktoren laufen zurzeit auf Sparflamme, ebenso mehrere Kohlekraftwerke. Der Grund: Die Kühlsysteme können wegen der Trockenheit nicht ausreichend mit Wasser versorgt werden.

Die zunehmende Knappheit drückt sich zurzeit in höheren Preisen aus. Der Preis für Strom aus konventionellen Kraftwerken in Deutschland ist innerhalb weniger Tage um 600 Prozent gestiegen. Vor einem Monat kostete eine Kilowattstunde knapp 4 Cent. Gestern waren es 30 Cent. Zu ernsthaften Versorgungsengpässen ist es aber bisher noch nicht gekommen. "Die Lage in Deutschland ist derzeit stabil", sagt Brachvogel. "Sollten die heißen Temperaturen ohne Niederschläge aber noch längere Zeit anhalten, dann könnte das Auswirkungen haben." Für diesen Fall gibt es aber Notfallpläne.

Beim Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) sieht man das anders. "Ich denke, die Rekordhitze dient den Stromerzeugern als Argument, um die Preise in die Höhe zu drücken", sagt VIK-Sprecher Roland Schmied. Die Kraftwerkbetreiber würden nicht an ihre Kapazitätsgrenzen gehen. "Und wenn es dieses Jahr tatsächlich besonders schlimm ist, weshalb wurde dann seitens der Kraftwerkbetreiber nicht schon vorher etwas unternommen?" Schließlich sei das Phänomen keineswegs neu: "Die Tendenz zu Kapazitätsengpässen und höheren Preisen gibt es jeden Sommer", sagt Schmied. Daher rechnet er auch nicht mit ernsthaften Versorgungsproblemen: "Der Grundbedarf ist gedeckt. Falls das nicht reicht, dann sollen die Stromerzeuger zusätzliche Reserven mobilisieren."

Diese Reserven könnten aus alternativen Energiequellen stammen. "Der Anteil der erneuerbaren Energie am Stromverbrauch hat sich in den letzten sechs Jahren verdoppelt", sagt Milan Nitzschke vom Bundesverband Erneuerbare Energie. Wind, Biogas oder Solarenergie produzieren derzeit 11,8 Prozent des Stroms. Zudem sei der Alternativstrom mit einem Preis von etwa 11 Cent pro Kilowattstunde relativ billig. "Dieser Sommer zeigt, dass Atomstrom weder kostengünstig noch unbegrenzt verfügbar ist", sagt Cornelia Ziehm von der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

Dabei könnte der Atomstrom mittelfristig durch solchen aus erneuerbaren Energiequellen ersetzt werden. "Bis 2016 werden wir mehr Strom produzieren als die AKWs", sagt Nitzschke. Was aber, wenn - wie dieses Jahr - die Windenergie unter der Sommerhitze einbricht? "Dann springt das Biogas in die Bresche", sagt Nitschke.

-----------------------

WDR 26.7.06:

Urenco meldet Betriebsstörung

In der Urananreicherungsanlage in Gronau hat es gestern eine Betriebsstörung gegeben. Nach Angaben der Betreibergesellschaft Urenco waren wegen einer Undichtigkeit 15 Liter uranhaltiges Wasser ausgelaufen. Es sei aufgefangen und abgepumpt worden. Die Raumluft sei nicht verseucht worden. Der Vorfall wurde als sogenanntes meldepflichtiges Ereignis der niedrigsten Kategorie eingestuft.

---------------------------------

Westfälische Nachrichten 26.07.2006

Wasser mit abgereichertem Uran ausgelaufen

Gronau. In der Urananreicherungsanlage der Urenco Deutschland hat sich am Dienstag (25. Juli) in der Behälterreinigung eine Betriebsstörung ereignet. Der Vorfall wurde als meldepflichtiges Ereignis der niedrigsten Kategorie N (Normalmeldung) eingestuft und der zuständigen Aufsichtsbehörde, dem Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie in Düsseldorf mitgeteilt.

Nach Angaben der Urenco sind durch eine Undichtigkeit aus einem Rohrleitungssystem für Waschwasser, das bei der Reinigung von Uranhexafluorid-Transportbehältern anfällt, etwa 15 Liter Wasser mit abgereichertem Uran ausgelaufen, welches in der dafür vorgesehenen Bodenwanne der Behälterreinigungsanlage aufgefangen wurde. Das uranhaltige Wasser wurde aus der Bodenwanne beseitigt und in einen Behälter gepumpt.

Messungen der Raumluft ergaben keine erhöhte luftgetragene Aktivität, so die Urenco weiter. Auch an die Umgebung wurde keine Aktivität abgegeben. Mit der Reinigung oder kontaminierten Bodenwanne wurde sofort begonnen. Von dem Ereignis wurden keine weiteren Anlagenteile betroffen.

Ereignisse der Kategorie N gelten als besondere Vorkommnisse von untergeordneter sicherheitstechnischer Bedeutung. Auf der achtstufigen Bewertungsskale für meldepflichtige Ereignise in kerntechnischen Anlagen wurde die Betriebsstörung in die Kategorie 1 eingestuft.

-------------------------

WM TV: 26. Jul 2006, 15 Uhr 40

Gronau: Zwischenfall in der Urananreicherungsanlage Urenco

Bei der Urananreichungsanlage in Gronau hat es einen Unfall gegeben. Durch eine Undichtigkeit seien aus einem Rohrleitungssystem rund 15 Liter Wasser mit angereichertem Uran ausgelaufen, teilte der Konzern heute Nachmittag mit. Die Flüssigkeit sei von einer Bodenwanne aufgefangen und anschließend umgepumpt worden. Messungen der Raumluft hätten keine erhöhten luftgetragenen Aktivitäten gezeigt, hieß es weiter. Der meldepflichtige Zwischenfall der niedrigsten Kategorie N wurde dem zuständigen Landesministerium mitgeteilt. Dabei kamen laut Unternehmenssprecher Raimund Weber keine Menschen zu Schaden

-------------------

Die Welt 25.07.2006 

WINDKRAFT

Branche verteidigt Weltmarktführerschaft

Anlagen-Hersteller steigern Exporte deutlich - Anlagen-Betreiber dagegen klagen über schlechte Erträge.

Berlin - Die Betreiber von Windkraftanlagen in Deutschland müssen in diesem Jahr erneut mit schlechten Erträgen rechnen: Sie stecken in einer Flaute, die mittlerweile sechs Jahre anhält. Nach den Zahlen des Instituts für Solare Energieversorgungstechnik (ISET) der Universität Kassel liegt das Windaufkommen in der ersten Jahreshälfte 2006 um 22 Prozent unter dem langjährigen Mittelwert. Bereits in den vergangenen fünf Jahren war das Windangebot in Deutschland deutlich unterdurchschnittlich.

Die schlechte Windernte der Anlagenbetreiber hindert die Hersteller jedoch nicht daran, im Ausland neue Erfolge zu feiern: Die deutsche Windkraftindustrie hat im vergangenen Jahr vor allem dank eines kräftigen Geschäfts mit den USA erheblich mehr exportiert. Die Ausfuhrquote sei auf 71 Prozent von 59 Prozent im Jahr 2004 geklettert, teilte der Verband des Deutschen Maschinen und Anlagenbaus (VDMA) in Berlin mit. Damit liege sie nun in gleicher Höhe wie im übrigen Maschinen- und Anlagenbau. Wesentlicher Grund sei die starke Nachfrage in den USA nach Windrädern, die nach den Umweltkatastrophen am Golf von Mexiko verstärkt ausgebaut werde. Während normalerweise nur Turbinen und Rotoren ins Ausland gingen, würden in die USA sogar die Stahltürme verschifft, sagte VDMA-Windenergie-Experte Norbert Giese. "In den USA gibt es dafür noch keine ausreichende Produktion."

Die deutsche Industrie profitiere davon, daß der weltweite Markt für Windmühlen jährlich um etwa 25 Prozent wachsen werde: "Wir erleben weltweit alle drei Jahre eine Verdopplung des Windparks", sagte Ralf Bischof, Geschäftsführer des Bundesverbandes Windenergie. Deutschland habe am weltweiten Umsatz im Jahr 2005 einen Anteil von 38 Prozent gehabt und damit seine Weltmarktführerschaft verteidigt. Allerdings sinkt der deutsche Anteil am Weltmarkt beständig: Im Jahr 2004 hatte er noch rund 50 Prozent betragen. Nach Ansicht von Norbert Giese liegt das vor allem daran, daß andere Länder wie Brasilien, Indien oder die USA "aufgewacht" seien und nun ebenfalls den Aufbau einer Windkraft-Industrie stark vorantrieben.

Auch im Inland wachse das Geschäft weiter: Im ersten Halbjahr 2006 seien im Vergleich zum Vorjahr 73 Prozent mehr Windanlagen aufgestellt worden. "Diese Entwicklung ist auf Sondereffekte zurückzuführen", sagte Bischof: "Durch das enorme Wachstum des Weltmarktes wurden im Inland viele Projekte auf Grund von Lieferengpässen in der Beschaffungskette auf 2006 verschoben." Marktführer in Deutschland ist die Firma Vestas mit 41 Prozent der neu installierten Leistung, gefolgt von Enercon (31 Prozent) und General Electric (8,9 Prozent).

Ende Juni diesen Jahres waren bundesweit 18 054 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 19 299 Megawatt installiert. Dieser Anlagenbestand kann in einem durchschnittlichen Windjahr rund 35,4 Terrawattstunden Strom erzeugen und damit 6,8 Prozent des deutschen Strombedarfs decken. Da das Windaufkommen jedoch seit sechs Jahren unterdurchschnittlich ist, rechnet der Bundesverband mit einem realen Beitrag von zur Zeit nur und fünf Prozent zur deutschen Stromversorgung.

"Im Gesamtjahr 2006 werden wohl ähnlich viele wie im Vorjahr errichtet", sagte Thomas Neumann vom Deutschen Windenergie-Institut (DEWI): "Wir gehen von einer neu installierten Leistung zwischen 1600 und 1800 Megawatt aus."

Ziel der Bundesregierung ist es, bis zum Jahr 2020 mindestens 20 Prozent der Stromerzeugung aus Ökostrom zu produzieren. Dabei spielt Wind die entscheidende Rolle. Die zuletzt großen Hoffnungen in Windräder auf hoher See ("Offshore") würden sich in den nächsten Jahren aber wohl nicht erfüllen, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes, Ralf Bischof. Es fehlten Genehmigungen. Die Technik für Großanlagen sei noch nicht ausgereift, und zudem sei noch die Finanzierung der Netzanbindung unklar. "In den nächsten Jahren wird der Windstrom von Windmühlen an Land kommen", sagte Bischof. Es müsse jetzt aber endlich zumindest ein Pilotprojekt umgesetzt werden.

Um die Zeit bis zum Bau der Offshore-Windparks zu überbrücken, will die Branche verstärkt für den Ersatz von Altanlagen im Binnenland werben ("Repowering"). Viele Windparks könnten durch das Aufstellen neuer und höherer Windräder ihre Anlagenzahl halbieren, dabei aber die Leistung verdoppeln und den dreifachen Stromertrag produzieren.

dgw/rtr

----------------

Frankfurter Rundschau 21.07.2006

Totgesagte Meiler sollen länger leben

Mit allerlei Tricks wollen deutsche Konzerne jene vier AKW über den

Ausstiegstermin retten, die 2009 vom Netz müssten

VON VERA GASEROW (BERLIN)

"Nein", versichert der deutsche Umweltminister, "die innenpolitische Lage ändert sich dadurch überhaupt nicht. Wir sehen unseren Kurs nicht beeinträchtigt. Im Gegenteil". Gerade hat die Mehrheit der wichtigsten Industrienationen beim G-8-Gipfel ein unverhohlenes Votum für die globale Nutzung der Atomkraft abgegeben, aber Sigmar Gabriel wahrt die eigene Deutung: "Der Gipfel hat auch beschlossen, dass es erhebliche Investitionen in Erneuerbare Energien geben soll." Deutschland habe erreicht, dass es "keine eindeutigen und ausschließlich auf Kernkraft bezogenen Beschlüsse gegeben hat".

Womöglich glaubt Gabriel an die Kraft des positiven Denkens. Und noch ist die weltweite Renaissance der Atomkraft wenig konkret. Auch das jüngste Signal vom Nachbarn Polen, man erwäge den Einstieg in die Kerntechnik, ist nur Ankündigung. Doch die Einschläge in Richtung des deutschen Atomausstiegskurses kommen näher - geografisch und innenpolitisch. Kernkraftbefürworter in der CDU/CSU spüren Oberwasser und erhöhen den Druck auf den Koalitionspartner. Diese Legislaturperiode, so orakeln Umweltschützer, dürfte der Damm noch halten, mit dem die SPD den Atomausstieg verteidigt. Was danach kommt - keine Gewähr.

*Brisanter RWE-Antrag erwartet*

Auch die Strategie der Energiekonzerne zielt auf die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl. Ihr Hauptinteresse ist, die vier Atommeiler, die qua Ausstiegsbeschluss bis 2009 vom Netz müssten, über diese Legislaturperiode zu retten. Im nächsten Monat dürfte deshalb ein brisanter Antrag auf dem Tisch Gabriels landen. Darin wird RWE eine Übertragung von Reststrommengen auf Biblis A fordern. Mit dieser Stromtransfusion von einem konzerneigenen neuen Kraftwerk ließe sich die Lebensdauer des ältesten noch laufenden deutschen Meilers über den Ausstiegstermin 2008 verlängern. Doch für dieses Verschieben von Reststrommengen auf ein älteres Kraftwerk ist die Genehmigung des Bundesumweltministers einzuholen. So steht es im Ausstiegskonsens und im Atomgesetz. Mit dem Antrag für Biblis A wollen die Konzerne daher auch den Ausstiegskonsens einem ersten politischen und juristischen Belastungstest unterziehen.

Ihr Argument: die Regierung dürfe die Strommengenübertragung von neu auf alt nur dann verweigern, wenn das ältere AKW unsicherer sei als ein neues. Das aber sei nicht erwiesen. Im konkreten Fall wird das Ministerium also Biblis A einem genauen Sicherheitsscheck unterziehen müssen. Der kann Monate dauern - Monate, in denen die Atomlobby womöglich trommeln wird, der SPD-Minister spiele auf Zeit und verzögere die Entscheidung. Doch Biblis A ist für die AKW-Betreiber zugleich ein Fall fürs Glashaus. Die Auflagen für den störanfälligen Meiler sind bisher wegen des nahen Abschalttermins niedrig ausgelegt. Eine Laufzeitverlängerung mit Symbolwert könnte also mit neuen Sicherheitsauflagen teuer erkauft sein. Gut möglich also auch, dass die Kontroverse in langem Rechtsstreit endet.

Auch eine zweite Strategie der Energieriesen könnte ein Justiz-Fall werden. Sie denken über einen lebensverlängernden Ringtausch von Strommengen ohne nötige Zustimmung von oben nach. Der Deal: Ausstiegskandidat Nummer zwei, Biblis B, der Anfang 2009 vom Netz müsste, streckt seine Laufzeit mit fiktiven Strommengen aus dem nie ans Netz gegangenen AKW Mühlheim-Kärlich, wie es eine Sonderregelung im Atomkonsens erlaubt. Zugleich gibt Biblis B einen Teil seines Stromkontingents an den dritten "Aussteiger" im Bunde ab: an das AKW Brunsbüttel. Das gehört zwar der Konkurrenz, aber gegen gutes Geld könnte die Atomlobby so gleich zwei weitere Meiler über die Zeit hieven. Ob dieser Ringtausch auch legal wäre, ist umstritten.

-----------------------------------------------------------------

Frankfurter Rundschau 21.07.2006

Kein strahlender Boom

Energiehunger in vielen Staaten, Nuklearfreunde an der Macht: Die

Renaissance der Atomkraft wird herbeigeredet

VON JOACHIM WILLE

Das Signal hieß "Olkiluoto". An dem Kraftwerkstandort in West-Finnland legte der Energiekonzern TVO im September 2005 den Grundstein für einen Atomreaktor, den ersten Neubau in Europa seit Tschernobyl 1986. Kosten: drei Milliarden Euro. Finnlands Regierung argumentiert, nur mit mehr Atomstrom seien die Klimaschutzziele des Kyoto-Protokolls zu erreichen. Sogar über ein weiteres AKW, es wäre das sechste im Land, wird in Helsinki debattiert.

Bei der Atomlobby knallten nach der langen Durststrecke die Korken. Inzwischen ist die Freude bei den Konzernen Areva und Siemens, die den neuen Druckwasser-Reaktor zum Festpreis anboten, etwas gedämpfter. Pannen in Planung und Bauausführung führten dazu, dass die Fertigstellung um ein Jahr auf 2010 verschoben werden musste. Auch dass das Projekt nur dank staatlicher Hilfen und Stromabnahme-Garantien flottgemacht werden konnte, trübt das Bild.

Trotzdem nutzt die Atomlobby Olkiluoto gern als "Signal für die weltweite Renaissance" der Kernkraft. Zuletzt beschwor der G-8-Gipfel in Petersburg den AKW-Ausbau als Mittel der Wahl, um global der drohenden Energieknappheit zu begegnen, aber gleichzeitig den Klimawandel im Zaum zu halten. Besonders US-Präsident George W. Bush und Großbritanniens Premier Tony Blair outeten sich als Nuklearfreunde.

Das politische Klima hat sich gedreht. Das ist eindeutig. Die Frage, ob die propagierte "Renaissance" der Atomkraft sich auch in einem Bauboom wie in den 70er Jahren niederschlägt, hingegen ist noch offen. Weltweit arbeiten derzeit 443 AKW, verteilt auf 31 Länder. Sie liefern 16,5 Prozent der globalen Stromerzeugung und 6,5 Prozent des Gesamt-Energiebedarfs. 23 Anlagen sind im Bau, fast alle als Umsetzung älterer Atomprogramme. Konkret geplant werden 38 AKW, Vorplanungen gibt es für weitere 113. Der Schwerpunkt liegt hierbei in Indien, China, Russland und Japan. Westeuropa und USA, einst Vorreiter der zivilen Atomnutzung, halten sich trotz nuklearen Wortgeklingels in der Praxis noch zurück. In Europa ist neben dem Finnen-AKW erst ein Reaktor so gut wie beschlossen. Atom-Mekka Frankreich will 2007 mit dem Bau des Areva/Siemens-Typs "Europäischer Druckwasser-Reaktor" mit 1600 Megawatt beginnen, der auch in Olkiluoto entsteht und dank dickerer Betonkuppeln und eines "Kernfängers" für den Fall des Super-Gau sicherer als bisherige AKW-Generationen sein soll. London indes hat mit dem jüngst verabschiedeten Energiereport erst die Option auf neue AKW als Ersatz für die betagten Meiler auf der Insel geöffnet. Sicher ist der Bau noch nicht, denn die Blair-Regierung legte fest, dass neue Anlagen ohne jede Subvention auskommen müssen. In Osteuropa gibt es derweil mehr oder minder konkrete Pläne für AKW in der Ukraine (11), Bulgarien (2) und Tschechien (2).

Ambitionierte Ausbauprogramme haben die Boomländer China und Indien angekündigt. Peking plant 32 neue, selbstentwickelte AKW. Sie sollen die Atomstromproduktion vervierfachen, die damit aber beim Gesamtverbrauch deutlich unter der Zehn-Prozent-Marke bliebe (Vergleich: Frankreich 80 Prozent, Deutschland: 30). Neu Delhi hat 30 neue Reaktoren angekündigt. Weitere wichtige Player sind das ressourcenarme G-8-Land Japan, das den Ausbau trotz seiner vielen AKW-Pannen vorantreibt, und das technologisch aufstrebende Südkorea.

Auch Russland hat weitreichende Pläne: Verdoppelung der AKW-Kapazität auf 50 Gigawatt bis 2020 und 40 neue Meiler bis 2030, der Atomstromanteil soll so von 16 auf 25 Prozent hochgeschraubt werden. West-Experten raten jedoch, solch vollmundige Ankündigungen mit Vorsicht zu genießen: Es gab schon zu viele von ihnen, ohne dass etwas daraus wurde.

Eine Renaissance, gar ein strahlender Boom? Die Internationale Atomenergie-Organisation in Wien erwartet, dass 2020 rund 500 statt derzeit 443 AKW Strom liefern. Der Anteil an der wachsenden globalen Stromproduktion würde dadurch leicht, auf 17 Prozent, steigen. Kritische Experten wie Thomas Breuer von Greenpeace halten dies für unrealistisch: "Der Anteil dürfte eher sinken." Das Argument: Viele der in den 70er Jahren gebauten Meiler kommen ans Ende der normalen Laufzeit. Der Neubau von entsprechend vielen Ersatz-AKW aber sei in liberalisierten Strommärkten unrealistisch.

Die Atomfans in Konzernen, Politik und Behörden greifen in der Tat zu einem anderen Mittel: Sie verlängern die Laufzeiten der Uralt-Meiler. In den USA, dem Land mit weltweit den meisten AKW, dürfen sie nun statt 40 volle 60 Jahre am Netz bleiben.

---------------------------------------------------------------------------

Frankfurter Rundschau 21.07.2006

GASTBEITRAG

Deutschland wird zum Innovationsmotor

Deutschlands Energiepolitik steht nicht im Abseits. Sie ist Innovationsmotor. Der "deutsche Weg" ist für Entwicklungs- und Schwellen länder gangbar, der amerikanische und russische keinesfalls.

VON PETER HENNICKE

Der Petersburg-Gipfel hat festgestellt, dass "die G 8-Mitglieder unterschiedliche Wege eingeschlagen haben, um Energiesicherheit und die Klimaschutzziele zu erreichen". Unterschiedliche Wege? Zweifellos, aber was sagt dies über die angebliche Vorteilhaftigkeit der "nuklearen Option", über die Erreichbarkeit der genannten Ziele? Denn eigentlich müsste es heißen: Deutschland hat - weit mehr als die USA und Russland - demonstriert, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien schon heute zur Energiesicherheit, zur C02-Reduktion, zu mehr Arbeitsplätzen und Exporterfolgen beiträgt. Das gälte erst recht, wenn der "deutsche Weg" konsequent weiter verfolgt und energischer mit einer Effizienzstrategie im Strom- und Wärmemarkt verbunden würde. Dieses Innovationsmodell mit den drei Säulen "sparsamere Energienutzung, rationellere Umwandlung und erneuerbare Energien" findet breite Akzeptanz und ist auf Entwicklungs- und Schwellenländern übertragbar. Der amerikanische und russische Weg ist es keinesfalls.

Energiesparen durch effiziente Nutzung ist für nahezu alle energiebedingten Probleme die schnellste und wirtschaftlichste Lösung. Es ist für die Verbraucher zumeist erheblich billiger, Energie durch bessere Technik und verändertes Verhalten einzusparen, als Energie einzukaufen. Die EU-Kommission stellt fest: Es kostet im Schnitt nur zwei bis vier Cent pro Kilowattstunde, Strom bei gleicher Energiedienstleistung durch wirksamere Gerätetechnik zu sparen. Eine Studie des Wuppertal-Instituts im Auftrag des Ernergiekonzerns Eon hat 70 technische Optionen identifiziert, durch die bis 2015 etwa 25 Prozent des C02-Ausstoßes mit Gewinn (oder ohne Zusatzkosten) durch bessere Elektrotechnik oder Substitution durch Gas vermieden würden. Unsere volkswirtschaftliche Energierechnung könnte bei vollständiger Umsetzung der Einsparpotenziale um 80 Milliarden Euro pro Jahr sinken.

Die "gefühlten" Risiken der Nutzung der Kernenergie sind dagegen nur subjektiv kleiner geworden, objektiv sind sie eher größer. Weiter laufende AKW veralten, verschärfen das Müllproblem, reizen nationale Begehrlichkeiten und im schlimmsten Fall Atom-Terroristen. Nur wenn es keine risikoärmeren Alternativen gäbe, könnte die Forderung nach Inkaufnahme dieser Risiken durch Laufzeitverlängerung oder neue Atommeiler überzeugen.

Doch auch Gründe der Innovations- und Investitionsdynamik sprechen für den unveränderten Vollzug des deutschen Atomausstiegs: Die Stromkonzerne hätten sonst einen noch geringeren ökonomischen Anreiz, sich am ökologischen Umbau des Kraftwerkparks zu beteiligen, aber zusätzliche Mittel, um Newcomern den Marktzutritt zu erschweren. Der Abbau marktbeherrschender Stellungen und die Förderung des Wettbewerbs durch Anbietervielfalt würde erschwert.

Die Atomenergie ist nur dort wirtschaftlich, wo nicht streng nach dem Verursacherprinzip und marktorientierter Kosteneffizienz vorgegangen wird. Die geplanten Kapazitäten beim weltweiten Kraftwerkspark für das Jahr 2010 zeigen daher einen Netto-Zuwachs von weniger als ein Gigawatt für Kernenergie, aber von 65 bis 87 Gigawatt bei umweltfreundlichen, dezentralen Anlagen. Analysten schätzen, dass sich der Markt für Windkraft und Fotovoltaik bis 2015 mehr als verfünffachen wird. Die Nutzung von Biomasse, solarthermische Stromgewinnung im Sonnengürtel der Erde und die Energieeffizienz-Märkte (vor allem für "grüne Gebäude") werden enorm expandieren.

Kernenergie ist dagegen im günstigsten Fall nur für zehn Prozent des künftigen Primärenergiebedarfs eine denkbare Option. Es spricht also alles dafür, dass der "Exportweltmeister Deutschland" Forschungskapazitäten, Innovations- und Wirtschaftskraft auf die Weltmärkte für 90 Prozent des Energieverbrauchs konzentriert. Es besteht nicht die Gefahr, dass Deutschland mit seiner Vorreiterrolle bei Klimaschutz und Atomausstieg seine Wettbewerbsfähigkeit in Frage stellt. Eher das Gegenteil ist der Fall: Deutschland wird zum Innovationsmotor.

-------------------------------------------------------------------

FR online 20.07.2006 um 17:24:49 Uhr

Hintergrund

Cool bleiben

Keine Hitzekrise in Kraftwerken

VON PETER RUTKOWSKI*

Es ist - obwohl das Tradition hat - nicht so sehr die Angst, in Deutschland könnten die Lichter ausgehen. Eher die Angst um die Klimaanlagen. Die /Welt/ berichtete am Donnerstag, der Energiekonzern Eon habe tags zuvor sein Atomkraftwerk Unterweser auf bis zu 30 Prozent Leistung gedrosselt. Und auch Kraftwerksbetreiber Steag fuhr die Produktion eines großes Steinkohlekraftwerks in Voerde um rund ein Drittel zurück. Ansonsten würde das Kraftwerk den Rhein, der ihm Kühlwasser beschert, viel zu sehr aufheizen, erklärte Unternehmenssprecher Peter Rzeznitzeck den Medienvertretern.

Der Norden der Republik scheint anfällig: Bei Vattenfall Europe, die in Berlin und Hamburg Energie liefern, wurde ebenfalls auf Sparflamme umgestellt, wenn auch nicht so drastisch. Das Kernkraftwerk Brunsbüttel fuhr um 20 Prozent zurück, das ebenfalls in Schleswig-Holstein liegende Werk Krümmel um 25 Prozent. Die Elbe ist durch die Hochsommersonne ordentlich aufgeheizt, normale Entnahmemengen für den Betrieb könnten dann den Naturraum Fluss beschädigen. Vattenfall-Sprecher Marco Bayer versicherte, die anderen Braunkohle-Kraftwerke würden weiter voll produzieren. Bei denen nämlich kann man auf Wasser aus dem konzerneigenen Tagebau zurückgreifen. "Und das hat das ganze Jahr über eine gleichbleibende Temperatur."

Auch die RWE kann den wahrscheinlichen Höhepunkt des Sommers '06 tendenziell entspannt genießen. RWE-Kraftwerke wie beispielsweise Biblis werden per Kühlturmtechnik auf Betriebstemperatur gehalten. Konzern-Sprecher Manfred Lang erklärt das so: "Kraftwerke wie Unterweser sind direkt flusswassergekühlt und dementsprechend auch anfälliger. Im Kühlturm kann die nötige Temperatur produziert werden." Allerdings sei auch die RWE, so Lang, "nicht per se gefeit gegen die Hitze: Wenn das noch ein paar Wochen so weitergeht, müssen wir auch was überlegen." So weit aber reichen die Wetterprognosen nicht.

Eine nochmalige Nachfrage bei der Eon schließlich lässt die Situation völlig anders erscheinen, als erst mal angenommen. "Wir fahren Unterweser jedes Jahr so runter", erklärt Eons Sprecherin Petra Uhlmann. Denn dem Werk fehlt der Kühlturm. Warum? Uhlmann muss passen: "Irgendwas werden die sich dabei gedacht haben."

Und so gibt die Weser das Wasser ab, das KKW aber gibt es um ein paar Grade erwärmt zurück. Im Sommer würde dieses wärmere rückgeführte Wasser aber die Flusstemperatur über das rechtlich genehmigte Maß erhitzen. Also fährt Eon den Betrieb runter. "Das Fehlen von Strom von ein, zwei Werken merkt man nicht", meint Uhlmann. Die Angst um die Klimaanlagen scheint unbegründet. Uhlmann: "The same procedure as every year."

-------------------------

Frankfurter Rundschau 18.07.2006

Kommentar Energiepolitik

Dogma Atomkraft

VON JOACHIM WILLE

Es gibt ein Menschenrecht auf eine Steckdose. Das haben die Chefs der Industrienationen zwar nicht so formuliert, aber doch richtig erkannt. In ihrem "Aktionsplan" für globale Energiesicherheit, jetzt auf dem G-8-Gipfel in St. Petersburg verabschiedet, beschreiben Bush, Putin, Merkel und Co. die gigantische Herausforderung, die in den nächsten Jahrzehnten zu bewältigen ist: dramatisches Wachstum des Energiebedarfs in Schwellen- und Entwicklungsländern, starke Abhängigkeit von den endlichen Energien Öl, Gas und Kohle und deren Produzenten, rasant steigende Energiepreise, drohende Destabilisierung des Weltklimas.

Die Lage auf dem Welt-Energiemarkt spitzt sich zu. Grund: Noch nie in der Geschichte sind so viele kilowatt-hungrige Strom-, Sprit- und Gasverbraucher in so kurzer Zeit hinzugekommen. Um bis zu 50 Prozent, so die Analyse der G 8, könnte der globale Energiekonsum bis 2030 wachsen. Experten halten sogar eine Verdoppelung bis 2050 für möglich.

Die Boom-Ökonomien wie China, Indien und Brasilien nehmen sich ganz selbstverständlich das Recht heraus, am Energiereichtum der Erde zu partizipieren wie die "alten" Industrieländer. Doch damit nicht genug: Wer wollte den rund zwei von sechs Milliarden Menschen auf der Erde, die bislang keinen Zugang zu Elektrizität haben, also keinen Kühlschrank, kein komfortables Licht in der Nacht, kein Radio, keinen Fernseher, kein Internet, diese mehr oder minder notwendigen Grundvoraussetzung für ein besseres Leben verwehren? Daraus folgt: Mit den alten Strukturen des Energiesystems, wie es sich im 20. Jahrhundert herausgebildet hat, sind diese Herausforderungen nicht zu meistern. Doch die Antworten, die die G-8-Chefs darauf geben, mit ihrem Aktionsplan genauso wie mit ihren Taten, zeigen: Sie sind selbst Teil der alten Strukturen, so dass sie nicht wirklich umdenken können. Oder wollen.

Beispiel Atomkraft. Bush, Putin und die Mehrheit der restlichen G-8-Führer fordern die Renaissance dieser umstrittenen Technologie, um Energiewachstum und Klimaschutz global vereinbaren zu können. Wer die Grundrechenarten beherrscht, wundert sich: Denn die Strategie, einen explodierenden Energiekonsum zu einem großen Teil mit Nuklearstrom befriedigen zu wollen und das Klima so zu stabilisieren, ist ganz offensichtlich zum Scheitern verurteilt. Derzeit decken die weltweit rund 450 AKW rund 6,5 Prozent des globalen Energiebedarfs. Um bei verdoppeltem globalen Energieverbrauch 2050 ein Drittel davon per Atom zu decken, wären über mehrere tausend AKW und wegen sinkender Uran-Verfügbarkeit der Übergang zur gefährlichen Schnellen-Brüter-Technologie mit Plutonium als Brennstoff nötig. Das wäre nicht nur extrem teuer. Die Risiken würden sich potenzieren. Die aktuellen Probleme, Teheran zur rein zivilen Atomnutzung zu bekehren, sollten Warnung genug sein. Auch der Vorschlag aus Washington und Moskau, internationale, kontrollierte Zentren zur Urananreicherung und Brennstoff-Wiederaufarbeitung zu bauen, löst das Problem nicht wirklich. Der Aktionsplan liefert, eher wolkig, auch andere Stichworte. Fossile

Energien umweltfreundlicher machen, Erneuerbare Energien fördern. Das liegt auf der Hand. Die Frage ist, wie ernsthaft der Umstieg zum post-fossile Zeitalter umgesetzt wird, ob man effektive Instrumente zur Markteinführung neuer Technologien einsetzt oder nur ein paar grüne Girlanden über Ölfässer drapiert. Weitere Voraussetzung für ein zukunftsfähiges Energiesystem ist, dass die Nutzer ihre Verschwendung mindern. Ein US-Bürger verbraucht im Schnitt pro Kopf doppelt so viel Energie wie ein EU-Europäer, ohne dass der Lebensstandard signifikant höher ist.

Es gibt zu denken, dass ausgerechnet die Ober-Verschwender die Atomkraft am heftigsten preisen und ansonsten den fossilen Showdown anheizen: mit neuen Pipelines, neuen Ölfeldern zum Beispiel in Alaska sowie mit Bremsklötzen für den Kyoto-Prozess. Von ihnen ist für den nötigen Umstieg auf die drei "E" der zukunftsfähigen Energiepolitik - Effizienz, Einsparung, Erneuerbare - wenig zu erwarten. Froh kann man da schon sein, dass sie Deutschland gnädigst erlauben, bei Atompolitik und Klimaschutz eigene Wege zu gehen. Bisher waren die gesetzten Wegmarken, bei aller Kritik im Detail und trotz des deswegen schwelenden Koalitionsstreits, ja schließlich zielführend.

-----------------------

Reuters Di Jul 18, 2006 5:52 MESZ8

Union startet neuen Vorstoß für längere AKW-Laufzeiten

Berlin (Reuters) - Die Union startet angesichts der steigenden Ölpreise einen neuen Vorstoß für längere Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke.

"Die Kernenergie ist immer noch unverzichtbarer Bestandteil der Energieversorgung", sagte CSU-Generalsekretär Markus Söder am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. "Ein dauerhafter Ausstieg belastet das Klima und führt zur massiven Verteuerung von Energiepreisen." Ohne die Kernenergie wäre Deutschland international völlig isoliert. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Reinhard Göhner warnte vor den Negativfolgen eines andauernden Ölpreisanstiegs für die deutsche Konjunktur und forderte einen Ausbau der Energiegewinnung hier zu Lande. "Dies erfordert auch eine Renaissance der Kernkraft", sagte er Reuters. "Wenn die Energieanlagen sicher sind, gibt es keinen Grund zur vorzeitigen Abschaltung." Alles andere sei volkswirtschaftlich Verschwendung und für die Umwelt eine unnötige Belastung. Ähnlich hatte sich am Wochenende Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) geäußert.

Über die künftige Nutzung der Atomenergie gibt es Streit zwischen Union und SPD. Während Spitzenpolitiker von CDU und CSU die Kernenergie nicht aufgeben wollen, beharrt die SPD auf den vor Jahren beschlossenen Atomausstieg. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD festgelegt, an der Ausstiegsvereinbarung der rot-grünen Vorgängerregierung festzuhalten.

Die Ölpreise waren im Zuge der jüngsten Eskalation im Nahost-Konflikt auf einen Rekordwert von mehr als 78 Dollar je Barrel angestiegen, zum Wochenauftakt stoppte der Höhenflug. Von einer echten Entspannung konnte wegen der anhaltenden Gewalt im Libanon und der damit verbundenen Ängste vor Lieferproblemen der ölreichen Region keine Rede sein. Händler rechneten damit, dass über kurz oder lang die Marke von 80 Dollar für ein Barrel (knapp 159 Liter) der europäischen Leitsorte Brent erreicht werden könnte. Dies dürfte dann auch an den Zapfsäulen die Benzinpreise auf neue Rekordhöhen treiben.

----------------------

AFP 16. Juli 2006

G8 über Nutzung der Atomenergie uneins

St. Petersburg (AFP) - Die G-8-Staaten haben sich wegen der deutschen Festlegung auf den Atomausstieg nicht auf eine gemeinsame Haltung zur Nutzung der Atomenergie einigen können. In den Beschlüssen der Staats- und Regierungschefs beim Gipfel in St. Petersburg hieß es, es werde anerkannt, dass die G-8-Staaten "bei Energiesicherheit und Klimaschutz unterschiedliche Wege" verfolgten. Damit ist vor allem Deutschland gemeint.

Ausdrücklich wurde darauf verwiesen, dass die Atomkraft zu Sicherheit der weltweiten Energieversorgung beitrage und zugleich das Klima nicht belaste.

Die Bundesregierung hatte bereits im Vorfeld des Gipfels bekräftigt, dass nur eine Erklärung unterschrieben werde, die dem Koalitionsvertrag Rechnung trage. In dem Vertrag hatten SPD und Union vereinbart, an dem zwischen der rot-grünen Vorgängerregierung und der Industrie ausgehandelten Atomausstieg festzuhalten.

Darüber hinaus verpflichteten sich die G-8-Staaten in ihrer Erklärung zu "offenen und transparenten" Energiemärkten.

Bei einem anderen Wirtschaftsthema hatte der G-8-Gipfel mit einer herben Enttäuschung für den Gastgeber begonnen. Trotz stundenlanger Verhandlungen konnten sich Russland und die USA überraschend nicht auf ein Abkommen verständigen, das Moskau den Weg in die Welthandelorganisation WTO geebnet hätte. In den vergangenen Tagen hatte es übereinstimmend geheißen, die Verhandlungen über ein bilaterales WTO-Abkommen zwischen Moskau und Washington stünden kurz vor dem Abschluss. Nach einer nächtlichen Marathonsitzung teilten die Verhandlungsführer dann mit, es gebe keine Einigung. Das Abkommen sei "fast" fertig, sagte US-Präsident George W. Bush nach einem Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Es bleibe aber "noch Arbeit zu tun". Putin betonte, trotz der freundschaftlichen Beziehungen zu den USA werde Russland bei den Verhandlungen weiter seine nationalen Interessen verteidigen. Für den Beitritt Russlands zu der 149 Mitglieder zählenden WTO, den Moskau bereits 1993 beantragt hatte, fehlt nur noch ein bilaterales Abkommen mit den USA.

-----------------------

Frankfurter Rundschau, 13. Juli 2006

Interview (Dank an Ingeborg Kleinhans für den Hinweis)

Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energie-Agentur

"Wir brauchen nicht mehr Kernkraft"

Frankfurter Rundschau:Herr Kohler, auf dem am Samstag beginnenden G-8-Gipfel wollen die großen Industriestaaten eine globale Renaissance der Atomkraft einläuten. US-Präsident Bush zum Beispiel sagt: Sie ist zentral, um die Probleme der Energieversorgung und des Klimawandels zu lösen.

Stephan Kohler: Das Gegenteil ist richtig: Man würde der heutigen Energiewirtschaft weltweit zusätzliche große Risiken hinzufügen. Es drohen beim Atomausbau weiterhin schwere Unfälle mit massiver Freisetzung von Radioaktivität. Das Atommüll-Problem wird noch größer. Und die Staatengemeinschaft wird immer stärker erpressbar, wenn die Atomtechnik in immer mehr Hände kommt. Siehe Iran und Nordkorea.

Aber die Industrieländer wollen das Risiko senken. Sie versuchen, die Länder auf rein zivile Atomtechnik festzulegen, in dem sie AKW und Wiederaufarbeitungskapazitäten anbieten.

Natürlich versucht man jetzt, die Krisen zu entschärfen. Aber in eine Technologie weiter einzusteigen, die ein permanentes Krisenmanagement erfordert, macht doch keinen Sinn. Die Atomkraft befriedigt derzeit nur rund 6,5 Prozent des weltweiten Energiebedarfs. Soll sie das Klima retten, muss sie massiv ausgeweitet werden - und das ist nicht beherrschbar. Man würde zur Plutoniumwirtschaft mit Schnellen Brütern übergehen müssen, wie auch Präsident Bush richtig feststellt. Die ist hochgefährlich und teuer.

Aber der Energiebedarf wächst global weiter, in Schwellenländern wie China, Indien, Brasilien und Südafrika sogar mit zweistelligen Raten.

Richtig. Aber es gibt eine risikoarme Lösung, die den Atom-Ausbau überflüssig macht: Energieeffizienz in allen Bereichen. In den genannten Ländern, aber auch etwa in Russland, besteht ein großes Einsparpotential. In Megastädten wie Peking oder Shanghai findet eine Energieverschwendung ohne Ende statt. Dort liegt der Pro-Kopf-Verbrauch höher als in den USA, die ja unter den Industrieländern bekanntermaßen die größten Verschwender sind. Dort ist mit heutiger Technik - Wärmedämmung, bessere Motoren, sparsame Elektrogeräte, solare Klimatisierung - eine wirtschaftliche Einsparung ohne Komfortverlust möglich.

Trotzdem setzt China auf Atomkraft.

Weil es dem bisherigen Denken entspricht. Aber das bringt keine zukunftsfähige Energieversorgung. Die richtige Strategie heißt: Effizienz. Zudem: In China leben 900 Millionen Menschen in ländlichen Gebieten, hier kann Atomkraft gar keinen Beitrag leisten. Dort braucht man eine dezentrale Energieversorgung mit einem hohen Anteil von Windkraft, Solar- und Biomasse-Energie.

G-8-Gastgeber Moskau will im eigenen Land viele neue Atomkraftwerke errichten und bietet Endlagerkapazitäten auch für ausländischen Atommüll an.

Hier gilt Ähnliches wie in China. Zuerst sollte Russland die Verschwendung bekämpfen. Das Energieministerium in Moskau hat vorgerechnet, dass das Land ohne Komfortverlust 50 Prozent seines Verbrauchs einsparen könnte. Hier käme es auch darauf an, konventionelle Kohle- und Gaskraftwerke durch effiziente Anlagen zu ersetzen, die gleichzeitig Strom und Wärme liefern - in Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).

Wie stehen also die Zeichen für eine Renaissance der Atomkraft?

Es ist nur eine Renaissance in den Medien. Es wird viel über Atomkraft geschrieben, doch der prophezeite dramatische Ausbau findet nicht statt. Russland und China arbeiten an AKW-Baustellen, die vor vielen Jahren begonnen wurden. Der einzige neue Meiler, der in den letzten 15 Jahren bestellt wurde, soll in Finnland ans Netz gehen. Zum Vergleich: 2006 werden weltweit neue Windkraftwerke mit 14 000 Megawatt Leistung aufgestellt. Das ist ein echter Aufschwung.

Den Europäern geht es bei dem Petersburg-Gipfel auch darum, die Energiesicherheit zu verbessern. Wie weit sollte man Russland entgegenkommen, um verlässliche Gas- und Öllieferungen abzusichern?

Es macht Sinn, die Zusammenarbeit bei Energieeffizienz und Atomsicherheit weiter zu verbessern. Aber es darf nicht darum gehen, über ein internationales Atommüll-Lager in Sibirien zu verhandeln, wie es manche wollen. Hier würde der Westen sich in eine neue Abhängigkeit begeben. Das wäre fatal.

Sie haben keine Angst, dass wir dereinst im Winter frierend vor kalten Heizkörpern sitzen, weil Moskau den Erdgashahn zudreht - wie zuletzt den Ukrainern?

Diese Sorge habe ich nicht. Russland liefert seit 30 Jahren verlässlich Gas in den Westen. Auch im Kalten Krieg wurden die Verträge immer auf Punkt und Komma eingehalten. Wir brauchen das Gas, aber Russland braucht die Devisen-Einnahmen, um seine Wirtschaft zu entwickeln. Die Ukrainer hatten die Probleme, weil sie keine Weltmarkt-Preise für das Gas zahlen wollten.

War Gerhard Schröders Ostsee-Pipeline-Projekt richtig?

Die Pipeline ist richtig und wichtig: Vorteilhaft ist, dass das Gas zukünftig auf mehreren Wegen zu uns kommen kann. Diversifizierung bringt mehr Sicherheit. Zudem wird der Gasverbrauch steigen, also braucht man mehr Kapazitäten.

Aus Klimaschutz-Gründen ist ein verstärkter Umstieg auf Gas sinnvoll. Machen sich Europa und Deutschland dadurch aber nicht zu stark von Russland abhängig - mit der Gefahr starker Preissprünge?

Mehr Gas ist in Ordnung, solange es effizient eingesetzt wird, zum Beispiel in KWK-Anlagen, bei denen Strom und Wärme gleichzeitig genutzt werden. Dadurch wird die Versorgung preiswerter als in Großkraftwerken auf der grünen Wiese, und die Versorgungssicherheit steigt. Daneben müssen die regenerativen Energien effizient ausgebaut werden, wir benötigen aber auch weiterhin Kohlekraftwerke. Nur: Die müssen "sauber" gemacht werden, also klimaverträglich.

Kann es ein CO2-freies Kohlekraftwerk zu konkurrenzfähigen Preisen geben?

Technisch ist das klimaverträgliche Kohlekraftwerk möglich. Die Kosten sind derzeit zwar noch hoch, aber das gilt auch für Solarstrom. Den fördern wir, weil er eine Zukunftstechnik ist. Das CO2-freie Kohlekraftwerk darf das auch für sich beanspruchen.

Interview: Joachim Wille

------------------

Berliner Zeitung 13.07.06

G 8 beenden Atomstreit

Gipfelerklärung nimmt auf Deutschland Rücksicht

Rouven Schellenberger und Jörg Michel BERLIN. Im Streit um die künftige Nutzung der Kernenergie haben sich die acht führenden Industriestaaten vor dem G 8-Gipfel von St. Petersburg auf einen Kompromiss verständigt. Das geht aus dem Entwurf der Petersburger Abschlusserklärung zum Thema Energie hervor, der der Berliner Zeitung vorliegt. In dem elfseitigen Papier mit dem Titel "Globale Energiesicherheit" heißt es unter dem Punkt Kernenergie: "Wir erkennen an, dass die Mitgliedstaaten der G 8 verschiedene Wege verfolgen, um eine sichere Energieversorgung und die Ziele des Klimaschutzes zu erreichen." Damit nehmen die G 8 Rücksicht auf den innerdeutschen Streit über die Atomkraft.

In dem Papier gehen die G 8-Länder zudem davon aus, dass der weltweite Energiebedarf bis zum Jahre 2030 um 50 Prozent steigen wird. Davon würden weiterhin 80 Prozent durch fossile Energieträger wie Öl und Gas gedeckt, die nur begrenzt verfügbar sind. Um die Energieversorgung bis 2030 sicher zu stellen, seien "Billionen von US-Dollar" schwere Investitionen in die Energieinfrastruktur notwendig. Der überwiegende Teil müsse in die Entwicklungsländer fließen.

Die Investitionen sollen vor allem die Verbrennung fossiler Energieträger effizienter und umweltverträglicher machen. Außerdem sollen erneuerbare Energien "im großen Stil" ausgebaut werden.

Der Atom-Kompromiss bewahrt die schwarz-rote Bundesregierung vor einer Zerreißprobe. Unionspolitiker hatten den Vorstoß von US-Präsident George W. Bush aufgegriffen, der sich für einen weltweiten Ausbau der Kernenergie stark gemacht hatte. Die SPD hingegen betonte, am Atomausstieg werde nicht gerüttelt. Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD und Union nicht auf eine gemeinsame Linie zur Atompolitik verständigen können. Sie vereinbarten deshalb, am Ausstieg aus der Kernenergie festzuhalten.

In dem Energie-Entwurf weisen die Befürworter der Atomkraft allerdings ausdrücklich auf die Vorteile dieser Energieform hin. Sie "glauben, dass ihr Ausbau zur weltweiten Energiesicherheit beitragen wird, während gleichzeitig die schädliche Luftverschmutzung reduziert und den Herausforderungen des Klimawandels begegnet wird." Deutschland ist das einzige G 8-Land, das den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen hat. In Großbritannien hingegen gibt es zurzeit Pläne, neue Kraftwerke zu errichten.

---------------------

Berliner Zeitung 15.07.06

RWE fordert offene Debatte zur Kernenergie

Nutzung der Atomkraft auch Thema des G8-Gipfels

Ewald B. Schulte

BERLIN. Unmittelbar vor dem G8-Gipfel zu Energiefragen in St. Petersburg hat der Energiekonzern RWE eine unvoreingenommene Diskussion über die Nutzung der Kernenergie in Deutschland gefordert und vor einer internationalen Isolation Deutschlands gewarnt. Der Chef der Kraftwerksparte RWE Power, Jan Zilius, sagte der Berliner Zeitung: "Die Tatsache, dass der G8-Gipfel Energiefragen und dabei auch die Rolle der Kernenergie auf seine Tagesordnung setzt, zeigt, welche Bedeutung das Thema hat." Dies geschehe "aus Gründen des Klimaschutzes und der Versorgungssicherheit und führt zu einem ausgewogenen Energiemix". Zilius betonte: "Wir müssen das Thema auch in Deutschland ideologiefrei diskutieren, sonst laufen wir Gefahr international isoliert zu werden."

----- --------------------

taz-Kommentar 15.07.06

Hängen im Atomschacht

Der G-8-Gipfel wird sich stark machen für die dümmste Art, Kaffee zu kochen - mit Hilfe von Atomstrom. Doch das wird nichts nutzen. Das wissen die Konzerne schon lange

Es waren zwei strahlende Schlagzeilen, die diese Woche die energiepolitische Debatte anheizten. "Bush: Wir brauchen mehr Kernkraft" und "Blair setzt auf Atomenergie". Unmittelbar vor dem G-8-Gipfel, auf dem ein neuer Kompromiss zum weltweiten Ausbau der Atomkraft verabschiedet werden soll, zeichnete sich eine politische Offensive ab für die dümmste Art, Kaffee zu kochen: mit Hilfe der Spaltung von Urankernen.

Kann die Atomenergie nach Jahrzehnten der Depression doch noch ein Comeback feiern - angeschoben von der Klimaerwärmung und einem explodierenden Ölpreis auf historischem Hoch? Wird die viel beschworene "Renaissance der Atomkraft" doch mehr als ein Papiertiger?

Fangen wir mit Bush an. Sein Interview im Handelsblatt, das voreilig als kraftvolle Werbung für die Atomenergie interpretiert wurde, enthält nichts wirklich Neues. Bush hat die "Ölsucht" der Amerikaner, die ein Viertel der weltweiten Ölproduktion verprassen, mehrfach problematisiert. Er weiß aber auch, dass Autos nicht mit Atomkraft fahren und Atommeiler nur einen kleinen Teil des horrenden Ölverbrauchs ersetzen könnten.

Seine Vorschläge beginnen deshalb nicht mit einem flammenden Atom-Plädoyer. Bush redet stattdessen über Wasserstoffantrieb, Brennstoffzellen und Biosprit. Er fordert "neue Batterietypen" und "Autos, die mit Äthanol fahren". Das klingt eher wirr und lässt die schlichte Erkenntnis vermissen, dass die US-Autoflotte nach einer Abrüstung bei Gewicht und Motorisierung bequem mit einem Drittel des Sprits auskäme.

Das Thema Atomkraft wird Bush von den Interviewern aufgedrängt. Der US-Präsident nennt sie artig ein "wichtiges Thema" und einen "guten Weg" gegen die Erderwärmung. Er lobt die Ausbaupläne von China und Indien, sagt aber kein Wort zu den Atomplänen im eigenen Land. Aus gutem Grund. Es gibt sie nicht! In den USA wurde 1973 der letzte Atommeiler geordert. Seitdem ist Hängen im Schacht, und allen vollmundigen Ankündigungen zum Trotz ist keine Wende in Sicht.

Die USA haben in den letzten Jahren riesige Kraftwerkskapazitäten zugebaut. Allein zwischen 1999 und 2002 gingen 144.000 Megawatt neu ans Netz. Das entspricht mehr als 100 großen Atommeilern. Doch es befand sich kein einziges Atomkraftwerk unter den neuen Energiezentralen. Es hat nicht einmal zu einem Bauantrag gereicht. Und die Zukunft auf dem Energieleitmarkt der Welt bleibt trübe für die Atomiker. Die Forscher der Energieinformationsagentur der US-Regierung schreiben in ihrem Energie-Ausblick 2005 im Referenzszenario zur Entwicklung in den USA kurz und schmerzhaft: "Es wird nicht erwartet, dass bis 2025 neue Nuklearreaktoren ans Netz gehen." Any questions?

Die US-Stromversorger haben immer wieder signalisiert, dass sie staatliche Hilfen brauchen, um neue Atommeiler zu bauen. Atomkraft rechnet sich nicht, die technologischen, finanziellen und politischen Risiken sind immens. Und je größer der zeitliche Abstand zu den letzten gebauten Atomkraftwerken wird, desto unsicherer ist die Lage. Wegen der jahrzehntelangen Dauerflaute existieren keine AKW-Baureihen westlicher Technologie, an die man anknüpfen könnte. Jedes neue Atomkraftwerk ist mit exorbitanten Anfangsinvestitionen und unkalkulierbaren Bauzeiten von mehr als zehn Jahren ein Abenteuer.

Weltweit sind derzeit 27 Atomkraftwerke im Bau. Streicht man die Bauruinen, an denen schon seit zwanzig Jahren herumgewerkelt wird, bleiben etwa 20 Projekte. Die beruhen vor allem auf russischer, indischer und chinesischer Technologie. Die westlichen Industriestaaten müssten - ein halbes Jahrhundert nach der Atomeuphorie der 50er-Jahre - fast wieder von vorn anfangen. Das tun sie derzeit auch. In Finnland begann vergangenes Jahr der Bau von Olkiluoto III, dem ersten europäischen Reaktorbau seit Tschernobyl. Hier soll ein Prototyp der dritten Generation entstehen: der europäische Druckwasserreaktor EPR, der angeblich alle Störfälle beherrschen soll.

Dieses Projekt wurde aber nur mit staatlichen Hilfen, Stromabnahmegarantien und entsprechender Alimentierung möglich. Schon kurz nach Baubeginn zeigt sich die alte Krankheit: Der Bau läuft katastrophal; er wird viel später fertig als geplant und wird erheblich mehr kosten. Das Wirtschaftsmagazin Forbes verglich das Abenteuer der Atomenergie einmal mit dem Vietnamkrieg und sprach vom "größten Desaster der Wirtschaftsgeschichte". Diesem Desaster könnte in Finnland ein neues Kapitel zugefügt werden.

Und Tony Blair? Sein neuer Energiebericht, der diese Woche vorgelegt wurde, kann nicht als Atomprogramm missverstanden werden. Er bleibt vage, was neue Atomprojekte angeht, bekennt sich aber dazu, dass Atomkraft eine Rolle im künftigen Energiemix spielen soll. Neue Atommeiler, dies macht der Bericht unmissverständlich klar, müssten aber "von der Privatwirtschaft vorgeschlagen, entwickelt, konstruiert, betrieben" - und vor allem finanziert werden!

Inoffiziell ist zu erfahren, dass allenfalls 2007 ein erster Bauantrag kommen könnte. Nach Genehmigung und Baubeginn 2008 wäre der Meiler im günstigsten Fall Mitte des nächsten Jahrzehnts am Netz. Bis dahin werden aber die meisten derzeit laufenden britischen Meiler aus Altersgründen abgeschaltet sein. Das ist zugleich ein weltweiter Trend: Der Anteil der Atomkraft an der weltweiten Stromversorgung geht deutlich zurück. Und der globale Atompark ist mit einer durchschnittlichen Laufzeit von 23 Jahren überaltert. Um die Zahl von 442 Atommeilern weltweit auch nur konstant zu halten, müssten neue AKWs bis 2020 wie Pilze aus dem Boden schießen. Doch ein relevanter Zubau ist außerhalb Asiens nicht in Sicht.

Auch die G 8 werden mit ihrer vermutlich weichen Resolution zur Atomkraft die Talfahrt dieser Technologie nicht stoppen. Ebenfalls auf dem G-8-Programm stehen pikanterweise die Themen Irak, Iran und Nordkorea. Und schon zeigt sich die bedrohliche Kehrseite der friedlichen Nutzung: der militärische Missbrauch zum Bombenbau. Atomenergie ist schon deshalb nie eine weltweite Option. Sie hat keine Akzeptanz, ist unwirtschaftlich, die Entsorgung der strahlenden Hinterlassenschaften ist ungelöst. Und ein einziger Unfall - egal wo - kann das endgültige Aus bedeuten.

Die friedliche Nutzung der Atomenergie sollte einst zur Wiedergutmachung für die Leichenberge von Hiroschima und Nagasaki werden, ein Geschenk für alle Staaten, die auf die Atombombe verzichten. Ein halbes Jahrhundert später wird die Erlöserutopie der 50er-Jahre immer noch künstlich beatmet. Und genau das ist das größte Hindernis für eine echte Energiewende, die nur jenseits des atomar-fossilen Komplexes möglich ist - mit Sonne, Wind und Co. Dort findet die eigentliche Renaissance statt: die Wiederentdeckung der Ur-Energie der Erde. MANFRED KRIENER

--------------------

taz-Kommentar 13.07.06

G 8: POLITIKER MÜSSTEN CO2-STEUER ATOMFREUNDLICH GESTALTEN

Mit AKWs das Weltklima retten Das Weltklima wird durch neue Atomkraftwerke gerettet. So US-Präsident George W. Bush im Vorfeld des G-8-Gipfels in St. Petersburg und so auch die soeben vorgestellte neue Energiepolitik von Premierminister Tony Blair. Es gab den üblichen Aufschrei von Umweltschützern und SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel sowie die übliche Zustimmung der Stromkonzerne und ihrer Büttel - die teilweise ebenfalls in der SPD sitzen. Letztlich wird von den sinnvollen Argumenten gegen nukleare Energie - gefährliche Reaktoren, marginaler Anteil des Atoms an der weltweiten Energieerzeugung, Weitergabe von Atomwissen an so genannte Schurkenstaaten - nur ein Argument stichhaltig bleiben, wie meist bei Großprojekten der Wirtschaft: Rentiert es sich, Atomkraftwerke zu bauen, oder nicht?

Hier sieht es derzeit schlecht aus für die AKW-Bauer. Die Stromerzeugung aus Kohle und wohl auch aus Erdgas wird noch für Jahrzehnte billiger sein als Atomenergie. Und dabei sind die Endlagerungskosten und die Milliarden für die Demontage von AKWs gar nicht einberechnet. Die Atomkraftwerke bieten allerdings eine Hintertür für die Stromkonzerne, falls sie eine wirksame und damit teure Kohlendioxid-Steuer auf Dauer nicht verhindern können. Mit einer CO2-Steuer hätten Kohle und Gas vielleicht ein so hohes Handicap, dass sich ein AKW - natürlich versehen mit den üblichen staatlichen Garantien - für die Konzerne doch noch rechnen könnte. Denn die Alternative hieße dezentrale Stromerzeugung durch regenerative Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung. Und das wäre eine Gefährdung der milliardenschweren Monopolgewinne von Strom- und anderen Energiekonzernen. Das wird in die AKW-Kalkulation eingepreist.

Auf die Ausgestaltung der Kohlendioxidsteuer und die Zuweisung von Emissionsrechten für AKWs sollten die Umweltschützer und -lobbyisten also eher das Augenmerk richten als auf Ankündigungen zum AKW-Neubau. Denn letztlich werden Politik- und Umweltargumente weniger zählen als die Bilanzrechnungen der Stromkonzerne. Das zeigt die Geschichte. Leider. REINER METZGER

------------------------

Bundesverband Erneuerbare Energien e.V 17.07.2006 - 17:04 Uhr [Pressemappe]

Berlin (ots) - "Die Position der deutschen Bundesregierung zum Ausbau Erneuerbare Energien auf dem G8 Gipfel ist die einzig vernünftige Alternative zur globalen Energiesicherheit." sagt Johannes Lackmann, Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energie. "Der Bau neuer Atomkraftwerke kann den weltweit steigenden Energiebedarf nicht decken."

Kernenergie wird derzeit nur zur Stromproduktion eingesetzt und leistet damit keinen Beitrag zur Reduzierung der Abhängigkeit von Öl und Gas. Auch der geringe Anteil am gesamten Endenergieverbrauch von derzeit weltweit 2,3% wird weiter abnehmen, denn selbst bei einem massiven Neubau von Reaktoren können maximal die ersetzt werden, die aus Altersgründen in den nächsten Jahren abgeschaltet werden.

Lackmann: "Erneuerbare Energien sind mittlerweile so leistungsfähig, dass sie nicht nur den Atomausstieg kompensieren, sondern auch einen großen Teil der fossilen Stromerzeugung ersetzen können." Nach einem Szenario von Shell können Erneuerbare Energien 2060 bereits mehr als 2/3 des weltweiten Energiebedarfs decken. Um diese Energiemenge mit Atomkraft bereitstellen zu können, müssten 75.000 Atomkraftwerke gebaut werden.

Beim gegenwärtigen Ausbautempo können Erneuerbare Energien in Deutschland in zehn Jahren soviel Strom produzieren wie derzeit alle Atomkraftwerke zusammen. Prognosen der Branche zufolge können Erneuerbare-Energien-Kraftwerke im Jahr 2023 - wenn gemäß Ausstiegsbeschluss der Bundesregierung alle Atomkraftwerke abgeschaltet sein werden - jährlich mehr als 200 Terawattstunden Strom aus Sonne, Wind, Wasserkraft, Bioenergie und Erdwärme liefern. Das entspricht mehr als einem Drittel des deutschen Stromverbrauchs heute.

----------------------------------

dpa-Meldung, 01.07.2006 (14:02)

60 mögliche Plätze für Atomlraftwerke in Deutschland

Studie: Auch Gelsenkirchen als Standort geeignet

Berlin - Für den Bau von Atomkraftwerken eignen sich einem Zeitungsbericht zufolge in Deutschland 60 Standorte. Das gehe aus einer Studie hervor, die Union und FDP im Bundestag bereits 2002 in Auftrag gegeben hätten, schreibt die "Welt am Sonntag". Im Westen seien unter anderem Gelsenkirchen-Scholven, Hamburg, Leverkusen, Ludwigshafen, Paderborn, Philippsburg, Regensburg oder Pfaffenhofen geeignet, im Osten Fürstenwalde, Greifswald, Pirna, Rostock und Stendal. Als Kriterium gilt unter anderem gute Anbindung zum Brennstäbetransport.

Die große Koalition hat sich darauf verständigt, dass der noch von der rot-grünen Regierung vereinbarte Atomausstieg bis 2020 umgesetzt wird. Die CDU-Umweltpolitikerin Katherina Reiche betonte, der Neubau von Kernkraftwerken stehe in Deutschland nicht auf der Tagesordnung. Dies lasse das Atomgesetz nicht zu.

Mehrere Unions-Politiker wie Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sprechen sich für eine längere Nutzung der Atomkraft aus. Bei einem Verzicht auf die Kernenergie drohten höhere Strompreise. Die Laufzeiten neuerer Kernkraftwerke können nach Zustimmung auf ältere Meiler übertragen werden. Medienberichten zufolge prüfen die Stromkonzerne, über einen Ringtausch Restlaufzeiten des bereits stillgelegten Meilers Mülheim-Kärlich untereinander auf andere Kraftwerke zu übertragen, die bis 2009 abgeschaltet werden müssten.

------------------------

Welt am Sonntag 2.07.06

Viel Platz für neue Meiler

Innovationsminister Pinkwart (FDP) fordert mehr Atom-Forschung, dementiert aber Pläne für einen Reaktorneubau. 2002 trat er, wie die CDU, noch deutlicher für Kernkraft ein

von Peter Lamprecht und Wolfgang Pott

Die Laufzeit der Atomkraftwerke in NRW ist beendet. Der Thorium-Hochtemperaturreaktor (THTR) Hamm-Uentrop ging 1989 vom Netz, der "Schnelle Brüter" in Kalkar wurde nie angeschlossen. Mit einem einzigen Satz aber hat Innovationsminister Andreas Pinkwart (FDP) den Atomstreit im Land wieder aufgeheizt. Pinkwart sagte der "Westfälischen Rundschau": "Ich halte den Thorium-Hochtemperaturreaktor für eine zukunftsweisende Technologie." Und weiter sagte er: Im Forschungszentrum Jülich, wo dieser Reaktortyp entwickelt wurde, stehe "eine Menge Sachverstand zur Verfügung. Es wäre dumm, den nicht zu nutzen."

Pinkwarts Worte wurden von SPD und Grünen als Ankündigung eines neuen Forschungsreaktors interpretiert. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hat allerdings mehrfach betont, es gebe keine Pläne für neue Kernkraftwerke. Nun ließ auch Pinkwart erklären: "Das Land NRW plant keinen Neubau eines Forschungsreaktors".

Das ist Teil eins der Wahrheit. Teil zwei hat Pinkwart der "Welt am Sonntag" erläutert. Es geht ihm um die sofortige Sicherung zweier Lehrstühle, die an der RWTH Aachen und in Jülich angebunden sind, mittelfristig um neue Forschungs-Vereinbarungen mit der Bundesregierung - und langfristig darum, bei der Forschung neue Entwicklungen der Kernenergie nicht einfach auszuklammern.

Teil drei der Wahrheit reicht vier Jahre zurück. Damals gaben CDU/CSU und FDP im Bundestag eine Studie zur "Standortbestimmung für Kernkraftwerke" in Auftrag. Die Studie zeigt denkbare Bauplätze. Sie liegt der "Welt am Sonntag" vor. Hintergrund des Auftrages war ein Sondervotum von Vertretern der damaligen Opposition in einer Kommission, die sich mit nachhaltiger Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung auseinandersetzen sollte. CDU/CSU und FDP verlangten, das Neubauverbot für Kernkraftwerke aufzuheben, ebenso ein Ende der Laufzeitbeschränkungen und höhere Hilfen zur Erforschung sicherer Reaktorlinien. Denn ausreichender Klimaschutz erfordere neue Kernkraftwerke. Dafür aber würden neue Standorte benötigt.

Pinkwart stimmte damals als FDP-Bundestagsabgeordneter für die Forderungen. Vor diesem Hintergrund kann sein jüngster Vorstoß auch als vorsichtiger Versuch verstanden werden, Wege für seine damalige Überzeugung zu öffnen.

Die Untersuchung für die Bundestagsfraktionen, durchgeführt durch die Energietechnologie GmbH in Lichtenau und die Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energien in Delbrück, brachte Überraschendes zum Vorschein. Demnach ist ganz Deutschland übersät mit denkbaren Standorten für neue Atommeiler (siehe Grafik). Bundesweit erfüllen 60 Orte alle Voraussetzungen. Laut Thorsten Gundelach, einem der Autoren der Studie, müssen die Standorte ein gutes Verkehrsnetz (vor allem Schiene und Straße) für den Transport von Brennstäben vorweisen.

Für die Kühlung muß die Nähe zu Flüssen gewährleistet sein. Und der Energietransport muß durch die Nähe zu Höchstspannungsleitungen gesichert sein. In NRW eignen sich danach Leverkusen, Hamm-Uentrop, Gelsenkirchen-Scholven, Rees, Datteln, Paderborn, Würgassen für Atom-Neubauten, Leverkusen, Datteln und Gelsenkirchen bieten zudem Anlagen zur Nutzung von Nahwärme.

Der neue Atomstreit in NRW betrifft zunächst keine dieser Städte, wohl aber das Forschungszentrum Jülich mit 4100 Beschäftigten. Eine Debatte über Schwerpunkte ist dort im Gange, ein neuer Präsident kommt erst im Herbst.

Seit Rot-Grün Ende der 80er Jahre den Atomausstieg für NRW besiegelte, hatten sich in Jülich alle daran gewöhnt, daß dieses einst führende Entwicklungszentrum für Kerntechnik und Atomsicherheit umgesteuert wurde. Die Einrichtung blieb zwar im Netz der deutschen Kernforschungszentren gemeinsam mit Karlsruhe, München und Dresden. Aber nun gehören erneuerbare Energien, superschnelle Rechner und die physikalische Materialforschung zu den Spezialitäten der Einrichtung.

Nur drei Lehrstühle blieben im Verbund von Aachen und Jülich mit Kernenergie befaßt. Es sind der Lehrstuhl für Reaktorsicherheit und -technik des Professors Kurt Kugeler, der Lehrstuhl für Abfallentsorgung mit Schwerpunkt Nukleare Entsorgung unter Professor Reinhard Odoij und der Lehrstuhl für Strahlenschutz und Strahlenforschung von Professor Hans Berska. Zwei der Wissenschaftler nähern sich dem 68. Lebensjahr. Reinhard Odoij ist 62 Jahre alt.

Ihr Etat liegt bei vier Millionen Euro im Jahr - nur ein Bruchteil des Gesamthaushalts von 350 Millionen. "Ich setze mich dafür ein, daß zwei Professorenstellen zeitnah neu ausgeschrieben und die Lehrstühle angemessen ausgestattet werden. Ich will außerdem erreichen, daß die vier Millionen Euro Forschungshilfen wieder ausschließlich der Forschung zur Reaktorsicherheit und zur Atomentsorgung dienen", sagt Pinkwart.

Dazu muß er Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) überzeugen. Schließlich zahlt ihr Haus 90 Prozent des Jülicher Etats, das Land zehn Prozent. Pinkwart bestätigt Gespräche mit dem Bund. Und er streitet weiter "für die Freiheit, ohne Barrieren zu denken, gerade in der Energieforschung".

Kurzstudie:Standortbestimmung für Kernkraftwerke

gemäß dem von CDU/CSU und FDP definierten Szenario „fossil-nuklearer Energiemix" der Enquete-Kommission „Nachhaltige Energieversorgung unter denBedingungen der Globalisierung und der Liberalisierung" des Deutschen Bundestages Autoren: Dipl. &endash; Ing. Günter Benik Thorsten GundelachDatum 28.08.02

-----

Darum geht es im neuen Atom-Streit

von Peter Lamprecht

Deutschlands Problem, Pinkwarts Lösung

- Deutscher Strom kommt zu 30 Prozent aus Kernkraftwerken. Doch die sollen alle bis 2022 abgeschaltet sein. Gestritten wird über eine Verlängerung der Frist. Unklar bleibt, woher der Strom danach kommt. Minister Pinkwart will NRW-Forscher in ein weltweites Rennen schicken, das längst begonnen hat: Es geht um die Frage, ob kleine Hochtemperaturreaktoren den Zukunfts-Brennstoff Wasserstoff erzeugen könnten. Auch zur Entsorgung des Atommülls muß weiter geforscht werden.

zurück