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wdr 28.05.2006

Atomkraftgegner vereinbaren internationale Zusammenarbeit

Die Anti-Atomkraft-Initiativen des Münsterlandes teilten am Sonntag (28.05.06) mit, dass sich am Tag zuvor französische, russische und deutsche Atomkraftgegner in Münster getroffen haben, um gemeinsame Aktionen gegen künftige Uran-Transporte zwischen den Ländern zu beraten. Damit soll der Widerstand gegen die Urananreicherungsanlage (UAA) in Gronau auf internationaler Ebene koordiniert werden.

"Wo die Atomindustrie international arbeitet, müssen sich auch die Anti-Atomkraft-Initiativen stärker auf internationaler Ebene vernetzen", sagte Matthias Eickhoff, Sprecher des Aktionsbündnisses "Münsterland gegen Atomanlagen". Die Gruppen wollen deshalb ihre Arbeit ab jetzt stärker aufeinander abstimmen. Zu ihren Plänen gehören unter anderem Proteste gegen den nächsten Uran-Transport von Gronau nach Russland, der nach Angaben der Initiativen in den kommenden Tagen erwartet wird.  

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Junge Welt 28.05.2006

Proteste an der Bahnstrecke

Atomgegner wollen gegen Urantransport von Gronau nach Rußland demonstrieren

Reimar Paul

Nach Informationen von Bürgerinitiativen soll diese Woche in Gronau erneut ein Urantransport nach Rußland starten. Der Sonderzug mit mehreren hundert Tonnen Uranhexafluorid werde die bundesweit einzige Urananreicherungsanlage in Gronau (Nordrhein-Westfalen) voraussichtlich am Mittwoch verlassen, teilte der örtliche Arbeitskreis Umwelt (AKU) am Montag mit. Die Waggons für den Transport würden bereits seit Wochen zusammengestellt. Arbeitskreis-Sprecher Udo Buchholz kündigte für Mittwoch eine Mahnwache vor dem Fabrikgelände an. Auch in anderen Städten an der Transportstrecke soll es Protestaktionen geben. Das abgereicherte Uranhexafluorid, wird zunächst von Gronau aus durch die Niederlande bis nach Rotterdam gekarrt und anschließend dort auf ein Schiff geladen.

Ähnliche Transporte nach Rußland gab es bereits mehrfach. Der AKU und weitere Antiatomkraft-Initiativen in der BRD, in den Niederlanden und in Rußland lehnen diese Transporte ab. »Der Verbleib des Materials in Rußland ist mit verschiedenen Gefahren verbunden. Beim Transport sind zahllose Menschen an der Strecke hochgradig gefährdet«, sagte Buchholz.

Bevor es angereichert werden kann, muß Uran in die gasförmige Verbindung Uranhexafluorid umgewandelt werden, das radioaktiv und sehr giftig ist. Bei einem Transportunfall mit Freisetzungen müßte die Bevölkerung in einem weiten Umkreis evakuiert werden, erklärte Buchholz. Eine Evakuierung sei aber kaum durchführbar, da Polizei und Feuerwehr entlang der Transportstrecke »überhaupt nicht über die Zeitpunkte der Transporte informiert sind«.

Die Bürgerinitiativen erneuerten auch ihre Kritik am ungeklärten Verbleib des abgereicherten Uranhexafluo?rids in Rußland. »Nach offiziellen Angaben soll das Material in Rußland neu angereichert werden. An dieser Version werden aber immer mehr Zweifel laut«, so die Einschätzung von Buchholz. In jedem Fall werde Uranmüll »irgendwo in Rußland endgelagert«.

Nach Angaben der Atomkraftgegner häufen sich die Hinweise, daß das abgereicherte Uran aus Gronau auch zur Produktion panzerbrechender Uranmunition verwendet wird. »Diese Optionen halten wir für völlig inakzeptabel. Wir fordern deshalb den sofortigen Stopp der Urantransporte nach Rußland«, erklärte Buchholz. Statt ständig neuen Atommüll quer durch Europa zu transportieren, sollte die Urananreicherung komplett gestoppt werden, damit sie nicht zur weiteren Atommüllproduktion beiträgt. Buchholz erinnerte daran, daß der Iran gerade wegen der Urananreicherung international seit Jahren scharf kritisiert und mit einem Angriffskrieg bedroht wird.

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yahoo 28.05.2006

Widerstand auf internationaler Ebene

Münster (ddp-nrw). Der Widerstand gegen die Urananreicherungsanlage (UAA) in Gronau soll auf internationaler Ebene koordiniert werden. Wie die Anti-Atomkraft-Initiativen des Münsterlandes am Sonntag mitteilten, trafen sich am Samstag in Münster französische, russische und deutsche Atomkraftgegner, um gemeinsame Aktionen gegen künftige Uran-Transporte zwischen den Ländern zu beraten.

«Wo die Atomindustrie international arbeitet, müssen sich auch die Anti-Atomkraft-Initiativen stärker auf internationaler Ebene vernetzen», sagte der Sprecher des Aktionsbündnisses «Münsterland gegen Atomanlagen», Matthias Eickhoff. Deshalb wollen die Gruppen ihre Arbeit nun stärker aufeinander abstimmen. Geplant sind unter anderem Proteste gegen den nächsten Uran-Transport von Gronau nach Russland, der nach Angaben der Initiativen in den kommenden Tagen erwartet wird.

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Borkener Zeitung 23. 05 2006

Kreis Borken

Castorgegner müssen Bußgeld zahlen

-job- Kreis Borken. Die Bußgeldbescheide, die die Kreispolizei an rund 150 Castorgegner geschickt hat, sind rechtens. Das hat gestern - zumindest in einem Fall - das Amtsgericht Borken entschieden. Das wies den Widerspruch des Ahauser UWG-Fraktionsvorsitzenden Dieter Homann ab. Der war gemeinsam mit vielen weiteren Atomkraftgegnern beim Castortransport nach Ahaus am 30. Mai vergangenen Jahres einer Versammlungsauflösung auf der Kreuzung Schorlemer Straße/Schöppinger Straße nicht nachgekommen. Wenig später war ihm und vielen anderen Demonstranten - darunter auch Grünen-MdL Rüdiger Sagel - ein Bußgeldbescheid in Höhe von 100 Euro ins Haus geflattert. Bereits beim ersten Verhandlungstag vor knapp zwei Wochen hatte sein Verteidiger argumentiert, dass die Räumung der Kreuzung nicht verhältnismäßig gewesen sei, weil zu diesem Zeitpunkt klar gewesen sei, dass die Castorbehälter einen anderen Weg - den über Heek - nehmen würden. Er sagte gestern, die Räumung sei reiner "Selbstzweck" gewesen.

Demgegenüber hegte die Vorsitzende Richterin gestern keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versammlungsauflösung. Sie sagte, die "Versammlungsfreiheit als Rechtsgut" sei sehr wohl beachtet worden. Zuvor hatten ein damals in Ahaus eingesetzter Abteilungsführer der Bereitschaftspolizei und sein damaliger Vorgesetzter, der ranghöchste Polizeibeamte im Kreis, Alfred Bernitzke, den Ablauf der Dinge aus ihrer Sicht geschildert. Beide sagten aus, dass die favorisierte Route für den Castortransport über besagte Kreuzung führen sollte. "Wir wollten weder durch Heek noch durch Legden fahren", so der Abteilungsführer. Kurz vor 3 Uhr seien die auf der Kreuzung befindlichen Demonstranten aufgefordert worden, diese zu räumen. 3 Uhr sei dann die Versammlung aufgelöst worden, man habe mit der Räumung begonnen. Weniger Minuten später sei dann entschieden worden, eine andere Route für den Castortransport zu wählen. "Der Castor kam schneller, als angekündigt", erinnerte sich der Beamte.

Ähnlich verlief das Geschehen nach Erinnerung von Alfred Bernitzke. Er sagte, man habe vom Versammlungsleiter der Demonstranten die Zusicherung bekommen, dass die Versammlung beendet werde, wenn die Auflösung verfügt werde. Er habe zudem vom Abteilungsführer zunächst die Einschätzung erhalten, dass die Kreuzung binnen einer halben Stunde geräumt werden könne. Erst als der Castor-Konvoi bereits an der Abfahrt A-31-Gescher gewesen sei und klar geworden sei, dass die Kreuzung nicht mehr rechtzeitig geräumt werden könne, habe man sich für die letztlich gewählte Route über Heek entschieden.

"Man kann das minutengenau auseinanderdröseln", sagte die Vorsitzende Richterin in ihrer Urteilsbegründung - machte aber deutlich, dass aus ihrer Sicht die Argumentation der damaligen Polizei-Einsatzleitung schlüssig sei. Wie sie unserer Zeitung sagte, seien derzeit noch rund 150 ähnliche gelagerte Verfahren anhängig. Die werden - sofern die Castorgegner ihren Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nicht zurückziehen - in den kommenden Wochen verhandelt werden müssen. Homanns Anwalt kündigte an, die nötigen Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.

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taz 22.05.2006

Geheimsache Atompolitik

Umweltminister Gabriel und Vertreter der vier großen Atomkonzerne haben sich an der Öffentlichkeit vorbei zu Gesprächen getroffen. Dass es dabei um einen Deal über Endlager und Laufzeitverlängerung ging, wird im Ministerium strikt dementiert

VON BERNWARD JANZING

Zwischen Vertretern der deutschen Atomindustrie und Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat es vergangenen Dienstag ein bisher geheim gehaltenes Gespräch über die Atompolitik gegeben. Ein Sprecher des Ministeriums bestätigte dies am Wochenende. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel hatte das Treffen am Wochenende zuvor publik gemacht.

Umweltminister Gabriel und die Spitzenvertreter der vier deutschen Atomkonzerne Eon, EnBW, RWE und Vattenfall hätten demnach "vertrauliche Gespräche über eine Alternative zum Endlager Gorleben und die Restlaufzeiten von Atommeilern aufgenommen". Gabriel habe dabei "den Stromkonzernen erstmals eine einvernehmliche Lösung in der Endlagerfrage in Aussicht gestellt" und dafür Probebohrungen auch in anderen Bundesländern angeregt. Gabriel wolle Gorleben dann als Standort zu akzeptieren, wenn keine andere, bessere Lösung gefunden werde.

Diese Aussagen sind allerdings nicht neu. Die Bundesregierung erklärte seit Amtsantritt mehrfach, ergebnisoffen prüfen zu wollen, wo künftig der Atommüll gelagert werden soll. Das heißt, dass nach einem Endlager bundesweit gesucht werden soll. "Da wird etwas als Neuigkeit verkauft, was längst bekannt ist", hieß es am Wochenende in Gabriels Ministerium.

Brisanter ist vielmehr ein Zusammenhang, der in dem Spiegel-Bericht zwar nicht explizit hergestellt, aber dennoch indirekt nahe gelegt wird. Demnach wurde in der Gesprächsrunde von Umweltminister und Stromkonzernen auch über mögliche Verlängerungen der Laufzeit der deutschen Atomkraftwerke beraten. Auf diese Weise wird der Eindruck erweckt, das Umweltministerium bringe beide Punkte in ein gesamtes Verhandlungspaket ein, um am Ende Kompromisse zu schließen.

Im Bundesumweltministerium wurde ein solcher Zusammenhang entschieden zurückgewiesen: Anders als vom Spiegel behauptet, könne "von einem irgendwie gearteten Deal keine Rede" sein, sagte Ministeriumssprecher Michael Schroeren. Ein solcher Vorschlag ergebe schon deshalb überhaupt keinen Sinn, weil "zwischen den Laufzeiten von Atomkraftwerken und der Lösung der Endlagerfrage keinerlei Zusammenhang" bestehe. Die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke seien im Einvernehmen mit den Energieversorgern im Atomgesetz klar festgelegt und daher "nicht verhandelbar".

Wie schon mehrfach in den vergangenen Monaten bekräftigte das Ministerium erneut: "Der Atomausstieg gilt."

Die sichere Endlagerung des Atommülls hingegen sei ein ganz anderes Thema, über das beraten werden müsse. Die große Koalition habe das Ziel, dieses Problem in der laufenden Wahlperiode zu lösen. Dass hier nun "von interessierter Seite" versucht werde, "die ersten Gespräche in diesem Zusammenhang durch Verbreiten von Gerüchten zu belasten, ist wenig hilfreich", sagte Schroeren.

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Netzwerk Regenbogen 17.05.2006

50 Jahre GKSS und Deutschlands Streben nach der Atombombe

Das Kernforschungszentrum GKSS feiert heute 50-jährigen "Geburtstag"

Die Gründer der GKSS forschten bereits in der Nazi-Zeit an der Atombombe

War der Brand am 12. September 1986 auf dem Gelände der GKSS Folge von Atombomben-Experimenten?

Daß Wissenschaftler auch heute in Deutschland an der Atombombe forschen, wird offiziell geleugnet. Dennoch gibt es eine Vielzahl ernst zu nehmender Hinweise, daß eine solche Forschung seit Beginn der Bundesrepublik bis heute nicht nur geduldet, sondern mit öffentlichen Mitteln gefördert wird. So wurde bekannt, daß am IPP Garching bei München mit atomwaffenfähigem Uran hantiert wird.

Die Internationale Atomenergie-Organisation IAEO hatte - noch unter ihrem früheren Vorsitzenden Hans Blix - von der deutschen Bundesregierung gefordert, auf den Einsatz hochangereicherten Urans im Forschungsreaktor Garching 2 zu verzichten. Dieser Forderung schloß sich der heutige Vorsitzende der IAEO, Mohammed al-Baradei, vor wenigen Jahren an. Doch selbst der Protest der USA an die deutsche Bundesregierung, in dem von einem Bruch des Non-Proliferations-Abkommens die Rede ist, blieb wirkungslos. Und wo überall in Deutschlands Forschungszentren an der Atombombe geforscht wird, ist selbst vielen Wissenschaftlern nicht bekannt.

In unmittelbarer Nähe des AKW Krümmel rund 30 Kilometer vor den Toren Hamburgs liegt das Kernforschungszentrum Geesthacht, kurz: GKSS. Heute feiert diese nach eigener Darstellung zivile Forschungseinrichtung mit etlichen Veranstaltungen ihren 50. Geburtstag. Zu einem Festakt in der Hamburger Fischauktionshalle sind laut GKSS "über tausend Gäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft" geladen. In einer offiziellen "Information zur Geschichte des GKSS-Forschungszentrums" findet sich kein einziges Wort zu Waffen-Forschung oder militärischen Verbindungen. Die Broschüre erweckt den Eindruck, bei der GKSS handele es sich um eine Forschungseinrichtung der Umweltbewegung.

 

Und gerade in jüngster Zeit hat die Bundesregierung allen Grund, jegliche Atomwaffen-Forschung geheim zu halten. Denn internationale Brisanz erhält dieses Thema durch die Kriegsdrohungen gegen den Iran. Der iranischen Führung wird vorgeworfen, nicht allein am Bau "friedlicher" Atomkraftwerke, sondern auch am Bau einer Atombombe interessiert zu sein. Dabei ist längst nachgewiesen, daß sämtliche Staaten, die in den Besitz des Know-hows zum Bau von Atomkraftwerken gelangten, auch Ambitionen zeigten, in den "Club der Atommächte" aufzurücken.

Nicht zuletzt die USA selbst haben längst in aller Öffentlichkeit eingeräumt, den Atomwaffensperrvertrag mißachtet zu haben, indem sie innerhalb der letzten zehn Jahre Mini-Atomwaffen ("Mini-Nukes") entwickelten. Groß ist offenbar die Versuchung, diese nun auch zu testen. Jetzt drohen die US-Regierung ebenso wie der französische Präsident Chirac dem Iran mit einem atomaren Erstschlag, um so angeblich zu verhindern, daß das iranische Regime sich die Besitzer von Massenvernichtungsmitteln zum Vorbild nimmt.

Daß auch Deutschland bis in die jüngste Vergangenheit Ambitionen zeigte, die in der Folge des Ersten Weltkriegs auferlegte Beschränkung in der Atomwaffen-Forschung zu beseitigen, zeigt sich nicht nur am Beispiel Garching. Auf der Ebene internationaler Vertragswerke werden beachtliche Verschiebungen deutlich. Seit 1990 das Kriegswaffenkontrollgesetz geändert wurde, ist es der Bundesrepublik nunmehr erlaubt, im "Rahmen der NATO" Atomwaffen-Forschung zu betreiben. Doch wo in Deutschland wird solche Forschung betrieben?

Am 12. September 1986 wurde bei einem Brand auf dem Gelände der GKSS in Geesthacht radioaktives Material freigesetzt. Immer mehr Fakten deuten darauf hin, daß es sich um einen Unfall bei Experimenten zur Entwicklung von Mini-Atombomen ("Mini-Nukes") handelte. Über Jahre hin wurde von Atom-Lobby, Behörden und Politik versucht, diesen Unfall zu vertuschen. Nach der für Leukämie typischen Latenzzeit von vier Jahren mußte ab 1990 in einem engen Kreis um die Atom-Anlagen eine eklatante Häufung von Leukämie-Erkrankungen überwiegend bei kleinen Kindern registriert werden. Eine Häufung von Leukämie-Fällen in dieser Konzentration ist bisher weltweit sonst nirgendwo beobachtet worden.

Durch international anerkannte Wissenschaftler einer Untersuchungskommission, mit Hilfe der atomkritischen Ärzte-Organisation IPPNW, der 'Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch' und nicht zuletzt durch einen couragierten Dokumentarfilm im Auftrag des ZDF, gesendet am 2. April 2006 um 23.30 Uhr, kommt nun allmählich Licht ins Dunkel eines "Skandals, der in Deutschland seinesgleichen sucht" (Frankfurter Rundschau). Zeugen meldeten sich erstmals öffentlich zu Wort, die den Brand beobachtet hatten. Radioaktive Kügelchen, die sich an einer Vielzahl von Stellen um die GKSS fanden, erwiesen sich - nachdem sie mehrfach durch Institute in staatlichem Auftrag als völlig harmlos qualifiziert worden waren - als industriell gefertigt und in ihrer Zusammensetzung hochgefährlich.

Diese sogenannten Mikrosphären enthalten Plutonium, Americium, Curium und Thorium in Konzentrationen, die so in der Natur nicht vorkommen. Eine Untersuchung an der Minsker Sacharow-Universität durch den international renommierten Experten für Plutoniumverortung Professor Mironov ergab zudem, daß es sich weder um Fall-Out früherer oberirdischer Atomwaffenversuche, noch um Spaltprodukte aus der Wolke der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl handeln kann. Diese Mikrosphären sind mit einer Titan-Ummantelung versehen. Art und Aufbau der Mikrosphären verweisen darauf, daß sie aus einer Hybridanlage stammen, bei der Kernreaktionen zur Energiefreisetzung genutzt werden sollten. Wurden an der GKSS Experimente durchgeführt, die der Entwicklung von Mini-Atombomben dienten?

In der schleswig-holsteinischen Landesregierung ist das Sozialministerium für die Reaktorsicherheit zuständig. Die GKSS mit ihrem Forschungsreaktor fällt in dessen Zuständigkeit. Auf Anfrage erklärte die Pressesprecherin des Sozialministeriums Randy Lehmann, es seien keine weiteren Untersuchungen der an der Sacharow-Universität Minsk untersuchten Mikrosphären vorgesehen. Im übrigen sei die Übergabe von Proben von Seiten der Bürgerinitiative 'Leukämie in der Elbmarsch' sowohl dem Ministerium als auch der GKSS verweigert worden. Die Umweltschützer verweisen darauf, daß diese Kügelchen ohne großen Aufwand in der Umgebung der Atomanlagen zu finden seien. Im übrigen wurden die Proben, die an der Sacharow-Universität untersucht wurden, in Anwesenheit eines Notars genommen.

Das Kernforschungszentrum bei Geesthacht mit dem Tarnnamen GKSS, "Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt GmbH", ist bereits seit seiner Gründung in die Entwicklung von Militär-Technologie verwickelt. 1989 erschien eine Dokumentation mit dem Titel 'Atomforschung in Geesthacht - Schleichwege zur Atombombe?' Eine fünfköpfige Redaktionsgruppe deckte auf, daß die GKSS mit anderen Kernfoschungszentren zusammen eine Infrastruktur aufgebaut hatte, die Plutoniumwirtschaft im Labormaßstab ermöglichte. Der frühere SPD Forschungsminister Volker Hauff wird mit der Äußerung zitiert, es handele sich dabei um eine ausreichende Infrastruktur zum Bau einer Atombombe. Die Geesthacher Forscher beschäftigten sich demnach bereits seit den 50er Jahren mit Atombomben-Technologie.

Atomtransporte aus Geesthacht fuhren unter anderem direkt in die militärische "Wiederaufarbeitungsanlage" im französischen Marcule. Ein weiterer in dieser Schrift dokumentierter Transport erweist sich aus heutiger Sicht als weitaus brisanter: Im Zeitraum zwischen dem 15.9.1986 - also drei Tage nach dem Brand - und dem 14.9.1987 wurden "bestrahlte Brennstabsegmente" ins bayerische Karlstein verfrachtet (oder handelte es sich um Karlstein am Main, dem Sitz der KWU?). Von "Segmenten" ist in Transport-Protokollen sonst nie die Rede. Brennstäbe sind versiegelt und unterliegen der Spaltstoffkontrolle der IAEO. Auch der Zielort Karlstein ist als "Endlager" reichlich dubios. Eigentlich ein Fall für die Staatsanwaltschaft.

Gegründet wurde die GKSS 1956 von den Kernphysikern Erich Bagge und Kurt Diebner. Wer sich mit der Geschichte der Entwicklung einer deutschen Atombombe in der Nazi-Zeit befaßt hat, kennt diese Namen. Sie stehen neben Otto Hahn, Carl Friedrich Freiherr von Weizsäcker und Werner Heisenberg auf der Liste der zehn deutschen Kernphysiker, die von den Alliierten vom 3. Juli 1945 bis zum 3. Januar 1946 im englischen Farm Hall interniert wurden.

Kurt Diebner war von Beginn an Leiter der NS-"Uranprojekts" und Gründer einer Forschungseinrichtung in Gottow auf dem Gelände der Heeresversuchsstelle Kummersdorf. Im Herbst 1944 begann Diebner in Gottow mit einem neuen Reaktorversuch, in dessen Verlauf es zu einem Unfall kam. Die Umstände sind bis heute nicht eindeutig geklärt, aber es müssen bei diesem Unfall mehrere Mitarbeiter verstrahlt worden sein.

Nachgewiesen sind Versuche Diebners zwischen 1943 und 1944 mittels Implosion thermonukleare Reaktionen einzuleiten. Ein "Verfahren zur Verwertung der Fusionsenergie von Deuterium und Tritium mit Hilfe konvergenter, periodischer Verdichtungsstöße" hat Diebner nach dem Zweiten Weltkrieg alsbald zum Patent angemeldet (Patent 1414759). Diese später als ICF-Verfahren (Inertial Confinement Fusion oder Trägheitseinschlußfusion) bekannte Methode hat Jahrzehnte später bei der US-amerikanischen Entwicklung von Mini-Atombomben, den sogenannten Mini-Nukes, zum Durchbruch geführt. Forschungsschwerpunkte auf dem ICF-Gebiet existierten in den 80er Jahren nicht nur im GKSS, sondern auch im Kernforschungszentrum Karlsruhe, der GSI in Darmstadt und am IPP Garching.

1947 gründete Diebner in Hamburg die Firma Durag. Ab Mai 1955 meldete er auch gemeinsam mit Professor Erich Bagge zahlreiche Reaktorpatente an. Darunter befinden sich unter anderem Patente zum Schnellen Brüter sowie zur Plutoniumgewinnung und -separation. Zwei Patentanmeldungen erfolgten 1955 zusammen mit Dr. Friedwardt Winterberg zu thermonuklearen Bomben (Mini-Nuke, boosted weapon).

Am 4. März 1957 erschien Diebners Name in der deutschen Presse mit der Ankündigung, er habe das "Geheimnis der Kernverschmelzung" enträtselt. Das Nachrichtenmagazin 'spiegel' brachte am 20. März 1957 ein größerer Artikel hierüber, doch die wissenschaftlichen Erwartungen konnten nicht erfüllt werden. Die Erforschung der Fusion blieb dennoch weiterhin Diebners Spezialgebiet und führte zu weiteren Patentanmeldungen.

Erich Bagge arbeitete in der NS-Zeit in der "Gruppe Diebner", benannt nach dem Leiter des Kernforschungsreferats in Hitlers Heereswaffenamt, Dr. Kurt Diebner. Die mit großem Enthusiasmus vorangetriebene Aufgabe dieser Gruppe bestand in der Entwicklung einer deutschen Atombombe. 1939 war das Jahr, in dem der globale Wettlauf um den Erstbesitz der Atombombe begann. Von den Nazis wurde bereits Anfang 1939 der Präsidenten der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt und Mitglied im Reichsforschungsrat, Prof. Abraham Esau, mit der Organisation einer Geheimkonferenz beauftragt. Auf dieser Konferenz zum "Uranproblem", die in Berlin am 29. April 1939 stattfand, wurden eine Reihe von wichtigen Festlegungen getroffen. So wurden umgehend die in den böhmischen Gruben von Joachimsthal geförderten Uranerze der alleinigen deutscher Nutzung unterstellten. Das NS-"Uranprojekt" wurde ins Leben gerufen und deutsche Kernphysiker in Forschungsgruppen zusammengefaßt, um effektiv an der Entwicklung der Atombombe zu arbeiten.

Parallel arbeiteten im Nazi-Deutschland Forschergruppen um Paul Harteck an der Uni Hamburg (später in Celle: Isotopentrennung!), um Heisenberg und Döpel an der Uni Leipzig, um Bothe am Kaiser-Wilhelm-Institut für Medizin Heidelberg, und um von Weizsäcker und Wirtz am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik in Berlin an derselben Zielsetzung. Das Heereswaffenamt beschlagnahmte in der Folgezeit das KWI in Berlin und setzte dort Diebner als Leiter ein. Ziel der ab 1939 im "Uranprojekt" koordinierten Forschergruppen war - wie eine Reihe erhaltener Unterlagen beweist - die Schaffung der technischen Grundlagen zum Bau der Atombombe. Bereits im März 1943 hatte die Gruppe um Harteck herausgefunden, daß durch die Hintereinanderschaltung mehrerer Zentrifugen die nötige Anreicherung von Uran-235 erreicht werden kann.

Bagge bestritt zwar in späteren Jahren gelegentlich, jemals etwas mit der Entwicklung der NS-Atombombe zu tun gehabt zu haben. Doch seine eigenen Schriften legen Zeugnis darüber ab, daß er eine zentrale Rolle bei dieser "kriegswichtigen Forschung" gespielt hatte. Zusammen mit Diebner veröffentlichte er 1957 ein Taschenbuch, in dem auch sein Tagebuch über diese Zeit veröffentlicht ist (Bagge/Diebner/Jay: Von der Uranspaltung bis Calder Hall, Reinbek 1957). Zwischen 1941 und 1943 entwickelte Bagge die Isotopenschleuse, ein Gerät zur Anreicherung des Urans bis zu einem bombenfähigen Grad.

Auch Erich Bagge faßte nach dem Zweiten Weltkrieg in der jungen Bundesrepublik schnell wieder Fuß. Bereits 1948 wurde Bagge zum Außerordentlichen Professor und Abteilungsleiter des Physikalischen Staatsinstituts in Hamburg berufen. Er gründet das Institut für Reine und Angewandte Kernphysik der Uni Kiel. Durch Professor Bagge bestand von Anfang an eine enge Verbindung mit dem Forschungsreaktor Geesthacht, der später durch die Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt (GKSS) als Trägerorganisation betrieben wurde.

Als Publikations-Organ gab Professor Erich Bagge die Zeitschrift 'Atomkernenergie' heraus. Mitherausgeber war Professor Kraut von der Bundeswehrhochschule in Neubiberg. Im erweiterten Herausgeberkreis sind die Namen Friedwardt Winterberg und Prof. W. Seifritz zu finden. Letzterer ein Schweizer Atomwaffenspezialisten vom Atomzentrum Würenlingen. Winterberg veröffentlichte in dieser Fachzeitschrift 1956 einen Beitrag, der technische Details verschiedener thermonuklearer Reaktionen behandelt und spezifische Kenntnisse von der Funktionsweise der Wasserstoffbombe verrät. Bei der Wasserstoffbombe handelt es sich um eine Atombombe, deren Wirkungsweise auf der Energiefreisetzung durch Kernfusion beruht.

Bagge unterhielt auch immer enge politische Kontakte. Nach dem Zweiten Weltkrieg sicherte ihm sein Sitz in der Atomkommission Einfluß im Atomministerium. Er konnte sich zudem freundschaftlicher Beziehungen zu Franz Josef Strauß rühmen.

Neben Diebner und Bagge waren beim Aufbau des GKSS weitere Personen mit unrühmlicher Vergangenheit beteiligt. So Paul Harteck (auch er stand auf der Liste der zehn brisantesten deutschen Kernphysiker und gehörte während der NS-Zeit zur "Gruppe Diebner") und der zum Generaldirektor der AG Weser aufgestiegene Heinrich Schliephake, der 1944 als Direktor bei Blohm + Voss maßgeblich bei der Einrichtung eines KZ-Außenlagers mitgewirkt hatte.

Nachgewiesen werden können darüber hinaus Auftragsarbeiten der GKSS für die Bundeswehr in den 60er Jahren. Franz Josef Strauß, 1955 und 1956 Atomminister, von 1956 bis 1962 Rüstungsminister und von 1966 bis 1969 Finanzminister in einer "schwarz-roten" Bundesregierung bekannte in seiner Autobiographie stolz: Bereits 1958 hatten der deutsche, der französische und der britische Außenminister bei einem Geheimtreffen ein Abkommen zur geheimen Produktion von Atomwaffen unterzeichnet.

Die wissenschaftlichen Einrichtungen und Erkenntnisse der GKSS wurden insbesondere von der deutschen Industrie genutzt. Darunter befanden sich prominente Rüstungs-Konzerne wie MTU München, Rheinmetall, Rohde & Schwarz, HDW Kiel und das durch seine U-Boot-Blaupausen bekannte Ingenieurkontor Lübeck (IKL). Mehrfach arbeitete die GKSS auch direkt mit militärischen Einrichtungen zusammen, so mit den Bundeswehruniversitäten in Hamburg und München. In den 80er Jahren führte die Wehrwissenschaftliche Dienststelle der Bundeswehr für ABC-Schutz Bestrahlungsversuche in den Forschungsreaktoren der GKSS durch.

Im November 2004 äußerte der Münchner Strahlenmediziner Edmund Lengfelder, Mitglied der Leukämie-Kommission, gegenüber der 'Süddeutschen Zeitung' (2.11.2004) den Verdacht, daß es sich bei den gefundenen Mikrosphären um PAC-Kügelchen handele. Die Bezeichnung PAC leitet sich ab von den drei Isotopen Plutonium, Americium und Curium. Solche Kügelchen wurden als Bestandteile der Brennstoffkugeln des Hochtemperaturreaktors (THTR) in Hamm-Uentrop produziert, der nach nur zweijährigem Betrieb im Jahr 1989 stillgelegt werden mußte.

Die im THTR eingesetzten Brennelementkugeln mit einem Durchmesser von rund 6 Zentimeter enthalten jeweils mehrere tausend PAC-Kügelchen. Diese oder ähnlich aufgebaute Mikrosphären könnten - so Lengfelder - auch benutzt werden, um damit unter Laser-Beschuß nukleare Mini-Explosionen auszulösen. Etlichen Physikern aus dem Umfeld des GKSS veröffentlichten Publikationen in Fachzeitschriften, die ihr Interesse an eben solchen Experimenten belegen. Lengfelder vermutet, daß es am 12. September 1986 bei solchen illegalen Experimenten zu einem schweren Unfall kam. Ein solcher Hintergrund des Unfalls wäre ein plausibles Motiv für die hartnäckige "Mauer des Schweigens" (ZDF). Darüber hinaus ist es naheliegend, daß mit einem solchen Skandal 1986 in Deutschland - nur ein halbes Jahr nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl - ein tatsächlicher Ausstieg aus der Atomenergie, wie er in Italien zu jener Zeit realisiert wurde, auch in Deutschland besiegelt gewesen wäre. "Das Geständnis eines Unfalls (...) hätte den Atomenergie-Konzernen das Geschäft vermutlich auf Dauer verdorben", so die 'Frankfurter Rundschau'.

Ein weiterer Fund bestätigt die Vermutung Lengfelders: Der Berliner Physiker Sebastian Pflugbeil von der 'Gesellschaft für Strahlenschutz' stieß auf Stasi-Dokumente über bundesdeutsche Nuklearforschungen. In diesen Unterlagen der Abteilung 5 der Hauptabteilung XVIII von 1987 ist tatsächlich von "Mininukes" die Rede, an denen in der BRD gearbeitet werde und die man mit Hilfe eines Röntgen-Lasers zur Explosion bringen könne. Darin heißt es: "Interessanterweise sind in der letzten Zeit die Erfolg versprechendsten Fusionskonzepte in einer ganz anderen Richtung angelegt worden", die ergeben haben, daß bei "Fusions-Fissions-Kügelchen eine andere Anwendung wesentlich interessanter ist". Das werde "durch die Zielrichtung der US-amerikanischen Atompolitik unterstützt", bei der "das Streben der Kernwaffenforschung eindeutig zu kleineren und leichteren Kernladungen (...) geht". Weiter ist in diesem MfS-Dokument die Rede von Kügelchen mit Abmessungen im Millimeter- bis Zentimeter-Bereich, die gigantische Sprengstärken entwickeln. Gegen diesen Dokumenten-Fund des früheren DDR-Bürgerrechtlers Pflugbeil wird auffallend schnell das Totschlag-Argument in Stellung gebracht, sämtliche Stasi-Unterlagen seien allein zur Desinformation produziert worden.

Der Brand in der GKSS war nicht der einzige größere Unfall in jener Zeit, der unter den Teppich gekehrt werden sollte. Im Januar 1987 ereignete sich eine Explosion im NUKEM-Werk in Hanau, die nicht völlig vertuscht werden konnte. Nach offiziellen Angaben wurde bei der "Panne" lediglich eine Person durch Freisetzung von Plutonium aus einer kleinen Probe kontaminiert. Laut Aussagen eines mit der Untersuchung der Betroffenen betrauten Wissenschaftlers seien jedoch tatsächlich 36 Arbeiter einer Strahlendosis weit über dem zulässigen Grenzwert ausgesetzt gewesen. Viele dieser Arbeiter seien heute an Krebs erkrankt, doch sie würden nicht an die Öffentlichkeit gehen, weil sie um ihre Betriebsrente fürchteten.

Als das von der Explosion zerstörte Gebäude in Hanau 2003 abgerissen und nach den entsprechenden Entsorgungsrichtlinien abgetragen wurde, war die Beteiligung der örtlichen Behörden unvermeidbar. NUKEM-Ingenieur Paul Börner äußerte während dieser Arbeiten gegenüber einem Beamten: "Jetzt, wo es verjährt ist, kann ich es ihnen ja sagen: Das ist das Gebäude, das uns damals hochgegangen ist." Protokolliert ist diese Aussage in den Akten der Hanauer Staatsanwaltschaft. Anfang 1987 war Joseph Fischer "Umwelt"-Minister in Hessen. Laut Zeugen war er vom Ausmaß des Unfalls in Hanau, sowohl von den Hintergründen als auch von den Folgen, umfänglich informiert. Auch er hielt dicht.

In der Umgebung der Unfallstelle in Hanau fanden sich ebenfalls ominöse Brennstoffkügelschen. Im Unterschied zu jenen in der Umgebung von Geesthacht hatten sie jedoch keine auffällige Häufung von Leukämie-Fällen zur Folge. Wurde in Geesthacht und in Hanau an verschiedenen Konzepten zur Entwicklung der Mini-Atombombe geforscht? Eine genauere Untersuchung der verschiedenen Mikroshären mit Durchmessern von 5, 20 und 50 Mikrometern hätte längst darüber Aufschluß geben können. Doch eine Aufklärung konnte bislang von einer gemeinsamen Front aus Atom-Mafia, Behörden und Politikern jeglicher Couleur blockiert werden.

Klaus Schramm

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Borkener Zeitung 11.05.2006

Demonstranten verbuchen die erste Runde für sich

-job- Kreis Borken. Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler war zufrieden - auch wenn sein Mandant Dieter Homann noch mal wieder vorm Amtsgericht Borken erscheinen muss. Dort musste der UWG-Fraktionsvorsitzende im Ahauser Stadtrat gestern ebenso antreten wie Rüdiger Sagel, Landtagsabgeordneter der Grünen. Beide sollen sich - wie 140 weitere Personen auch - einer Versammlungsauflösung der Polizei beim ersten von drei Castortransporten nach Ahaus im Mai vergangenen Jahres widersetzt haben. Daraufhin hatten die 142 Atomkraftgegner einen Bußgeldbescheid von der Kreispolizeibehörde in Höhe von 100 Euro erhalten - den Sagel, Homann und viele andere aber nicht bezahlten.

Die Demonstranten hatten damals bis gegen drei Uhr nachts auf der Kreuzung Schorlemer/Schöppinger Straße gegen den anrückenden Castortransport demonstriert. Die Kreuzung war eine mögliche Route des Transportes. Auch nach mehrmaliger Aufforderung, die Kreuzung zu räumen, seien die Castorgegner damals nicht fortgegangen, erinnerte sich gestern der als Zeuge geladene Führer einer Polizeihundertschaft. Daraufhin sei die Straße geräumt worden und man habe die Personalien der Demonstranten aufgenommen. Der Castor hatte unterdessen einen anderen Weg ins Brennelemente-Zwischenlager genommen.

Was Achelpöhler optimistisch stimmte, war die Tatsache, dass beim nächsten Termin der ranghöhere Abteilungsführer der Bereitschaftspolizei Wuppertal erklären soll, ob die geräumte Kreuzung zum Zeitpunkt der polizeilichen Aufforderung überhaupt noch als Route für den Castortransport in Betracht kam. Sei schon vor der Räumung die über Heek genommene Route klar gewesen, wäre aus seiner Sicht eine Versammlungsauflösung auf der Kreuzung nicht verhältnismäßig gewesen - und die Grundlage für die Bußgeldbescheide nicht gegeben. Auch sei klar geworden, dass der im Bußgeldbescheid genannte Tatbestand nicht erfüllt sei, so der Rechtsanwalt.

Homann und Achelpöhler hatten zudem in der Verhandlung darauf aufmerksam gemacht, dass die angemeldete Demonstration als "zeitoffen" angemeldet gewesen sei - sprich deren Ende nicht vorgegeben sei. Der Hundertschaftsführer hatte ausgesagt, dass er die Atmosphäre bei der Demonstration als "relativ entspannt" empfunden habe. Einzelheiten darüber, wer wann von der Festlegung der Ausweichroute wusste, will das Gericht beim nächsten Termin binnen drei Wochen klären.

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Netzeitung 11.05.2006

Staat muss «Hoheit» bei Atom-Endlager haben

Die Öffentliche Hand, nicht die Atomwirtschaft muss ein Atommüll-Endlager finden, fordern die Grünen-Politiker Fell, Loske und Harms in einem Beitrag für die Netzeitung. Die Kosten sollten aber die AKW-Betreiber tragen.

Von Hans-Josef Fell, Rebecca Harms und Reinhard Loske

Es sind nun gut sechs Wochen vergangen, seit es in der grünen Bundestagsfraktion zu einer heftigen Auseinandersetzung über die Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle gekommen ist. Der Arbeitskreis Umwelt der Fraktion hatte einstimmig vorgeschlagen, die Suche nach einem Endlager in die Obhut der öffentlichen Hand zu geben und gleichzeitig die Verursacherfinanzierung der Atomkraftwerksbetreiber über Beiträge sicherzustellen.

Demgegenüber hatte Jürgen Trittin der Fraktion einen während seiner Amtszeit als Umweltminister erarbeiteten, aber nicht eingebrachten Entwurf für ein Endlagersuchgesetz als Alternative präsentiert. Dieser Entwurf, der das Suchverfahren in die Hand eines Zweckverbandes der AKW-Betreiber legt und dem Staat lediglich die Rolle der Rechtsaufsicht zuweist, erhielt in der grünen Bundestagsfraktion eine Mehrheit.

Nach dieser Entscheidung haben zahlreiche Parteimitglieder, Kreisverbände, Bundesarbeitsgemeinschaften, Landesverbände, Landesvorstände und grüne Mitglieder von Kommunal- und Landesparlamenten sowie der Europafraktion dafür plädiert, den Beschluss der Bundestagsfraktion so nicht in den Deutschen Bundestag einzubringen, sondern der Partei die Möglichkeit zu geben, sich an der Diskussion zu beteiligen, um erst dann zu entscheiden.

Wir teilen die vielfach vorgetragene Kritik. Auch wir sind der Meinung, dass die Suche nach einem Endlager für Atomabfälle eine staatliche Hoheitsaufgabe ist und nicht in die Hand der Energiekonzerne gegeben werden darf.

Suche nache Endlager muss transparent sein

Einvernehmen besteht innerhalb der Grünen darüber, dass die Suche nach einem potenziellen Endlager für radioaktive Abfälle transparent und ergebnisoffen verlaufen muss, um öffentliche Akzeptanz zu ermöglichen. Auch ist jedem klar, dass der dauerhaft sichere Abschluss von Jahrhunderttausende strahlendem Atommüll vor der Biosphäre eine der größten Herausforderungen der Gesellschaft überhaupt ist. Deshalb muss die Standortauswahl streng nach wissenschaftlichen Kriterien erfolgen.

Die Kosten oder politische Opportunitäten sind hier gegenüber geologischer Eignung und größtmöglicher Sicherheit absolut nachrangig. Und im Grunde weiß auch jeder, dass mit dem Thema Atommüllendlager politisch kaum Meriten zu verdienen sind, denn an jedem Standort, und sei er vermeintlich noch so geeignet, ist mit nachvollziehbarem Widerstand zu rechnen. Gerade weil das so ist, benötigt der Suchprozess ein Höchstmaß an demokratischer Rationalität und die weitestgehende Beteiligung der Bürger.

Nimmt man all diese Punkte ernst, so verbietet sich das Modell einer Trägerschaft durch die Atomkonzerne. Sie wollen definitiv keine ergebnisoffene Suche, sondern sind auf die Standorte Schacht Konrad (für schwach- und mittelaktiven Abfall) und Gorleben (für hochaktiven Abfall) festgelegt, weil sie dort schon eine Menge Geld vergraben haben. Dass diese Standorte wegen ihrer früheren Zonenrandlage und aus regionalwirtschaftlichen Gründen ausgewählt wurden und berechtigte Zweifel an ihrer Eignung bestehen, ist für die Konzerne offenbar kein Problem. Ihr Interesse ist die Kostenminimierung, nicht der Standortvergleich.

Bund muss über Endlager bestimmen

Kann man sich vorstellen, dass betroffene Bürgerinitiativen in RWE und Eon einen fairen Moderator sehen, der interessenfrei das Gemeinwohl vertritt und die eigenen Interessen zugunsten der Sicherheit zurückstellt? Nein, man kann es nicht. Und genau deshalb gehört das Verfahren in die öffentliche Hand. Das allein garantiert noch kein gutes Verfahren, wie die Vergangenheit zeigt. Aber wenn der Staat sich moderner Dialog- und Kooperationsformen bedient, dann darf er prinzipiell mit Akzeptanz rechnen.

Bleibt das Argument von Jürgen Trittin, die staatliche Trägerschaft der Endlagersuche und die Verursacherfinanzierung durch die Atomkonzerne schlössen sich aus, weshalb in diesem Modell der Steuerzahler zur Kasse gebeten werde. Diesem Argument ließe sich zunächst politisch begegnen: Hätte die Bundesregierung zwischen 1998 und 2005 nicht alle Versuche &endash; selbst der EU-Kommission - abgeblockt, Kernbrennstäbe und die Atomrückstellungen der Konzerne angemessen zu besteuern, hätte sie die Zertifikate im Rahmen des Emissionshandels nicht verschenkt, sondern zum Teil versteigert, und hätte sie beim Stromwettbewerb mehr Dampf gemacht, wäre beim Staat und beim Stromkunden zehnmal mehr Geld gelandet als für die Endlagersuche benötigt wird. Insofern wird hier ein Pappkamerad aufgebaut. Es ist doch unstrittig, dass die Endlagersuche von den AKW-Betreibern zu zahlen ist.

Aber fragwürdig ist das Argument auch juristisch. In einem Rechtsgutachten, das die Bundestagsfraktion im Februar 2006 bei der Berliner Anwaltskanzlei Gaßner, Groth, Siederer & Coll. in Auftrag gegeben hat, wird argumentiert, dass die alternative Standortsuche nach Paragraph 21 Atomgesetz grundsätzlich über Beiträge und Vorausleistungen der Atommüllverursacher finanziert werden kann. Allerdings wird für eine Präzisierung im Atomgesetz plädiert, die die Endlagersuche noch einmal explizit als beitragsfähigen Tatbestand auflistet.

Grüne Energiepolitik ist ökologisch

Verfassungskonformität können also beide Wege, das öffentliche Trägerschaftsmodell und das Verbandsmodell, für sich beanspruchen, was die Atomkonzerne aber sicher nicht davon abhalten würde, gegen jedes dieser Modelle zu klagen, so es denn Gesetzeskraft erlangen sollte. Gerade wenn rechtliche Argumente nicht eine Präferenz für dieses oder jenes Modell der Endlagersuche nahe legen, dann rücken die politischen Argumente ins Zentrum.

Und hier sollte die Antwort der Grünen eindeutig ausfallen: Grüne Energiepolitik ist ökologisch und anti-monopolistisch. Sie setzt auf dezentrale Akteure, Transparenz und fairen Wettbewerb. Den Staat sieht sie in der Rolle desjenigen, der einen verlässlichen Ordnungsrahmen schafft, Zukunftsverantwortung und Garantien für Sicherheit übernimmt, unabhängig von Konzerninteressen.

Vom energiepolitischen Korporatismus, also der Bevorzugung der großen Stromkonzerne durch den Staat, die es leider auch unter der rot-grünen Bundesregierung noch viel zu sehr gegeben hat, halten wir gar nichts. Ausgerechnet die großen Atomkonzerne zu den Trägern des Verfahrens für die Endlagersuche zu machen, halten wir für falsch. Angesichts der Offensive der Atomindustrie für längere Laufzeiten von Atomkraftwerken sollte sich diese Idee erst recht erledigt haben.

Rebecca Harms ist Europaabgeordnete, Hans-Josef Fell und Reinhard Loske Bundestagsabgeordnete für Bündnis 90/Die Grünen. Loske hatte erst mitte März seinen Posten als Fraktionsvize der Grünen im Bundestag im Streit um die Atom-Entlager aufgegeben.

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verifox 10.05.2006

Schindler: "Biokraftstoffe sind Deutschlands Öl der Zukunft"

Den Preisanstieg fossiler Kraftstoffe über Biokraftstoffe senken

Berlin, den 10.05.2006 - "Mit Biokraftstoffen wie Biodiesel, Bioethanol oder Biogas wurde in Deutschland führend in der Welt eine zukunftsorientierte und wettbewerbsfähige Branche entwickelt, in der noch erhebliches Zukunftspotential für Investitionen, Arbeitsplätze und Klimaschutz steckt." Dies betonte der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Norbert Schindler, auf der heutigen Demonstration "Reinkraftstoffe über 2009 sichern" in Berlin, mit der für die weitere Verwendung von reinem Biodiesel und Rapsöl zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit gewerblicher Fuhrparks und Speditionen gekämpft wird. Zur Kundgebung vor dem Brandenburger Tor kamen auch Landwirte und Erzeugergemeinschaften u.a. aus Schleswig-Holstein, Hessen und Brandenburg. Am Vortag der Demonstration hatte die Biokraftstoffbranche ihre Positionen zum Energiesteuer- und Biokraftstoffgesetz der Öffentlichkeit in einer Pressekonferenz dargelegt.

Für die Umsetzung der Strategie "weg vom Erdöl" sei die Initiative der Regierungskoalition für ein Biokraftstoffgesetz ein wichtiger Schritt. Mit ordnungspolitischen Maßnahmen, vor allem mit dem Mindestanteil an Beimischung für versteuerte Biokraftstoffe und mit dem bisherigen Instrument des Steuersondersatzes würde eine flächendeckende und nachhaltige Markteinführung der Biokraftstoffe gelingen. Über die Pflichtbeimischung mit Besteuerung sei die Biokraftstoffbranche als erster Sektor der Bioenergie sogar in der Lage, die bisherige Anschubfinanzierung an den Staat zurückzuzahlen.Die verstärkte Verwendung von heimischer Bioenergie wie -kraftstoffen verringere nicht nur die Klimabelastung, sondern auch die Importabhängig von fossilen Energieträgern, die angesichts der schon protektionistischen Entwicklungen starker Öl fördernder Länder wie Russland oder Bolivien besondere Bedeutung erhalten würde.

Um die bisher erfolgreiche Markterschließung weiter ausbauen zu können, forderte Schindler im Energiesteuer- und Biokraftstoffgesetz die richtigen Weichenstellungen: "Hierzu gehört, dass keine überhöhten Steuersätze für reine Biokraftstoffe geschaffen werden und dass die Steuerbegünstigung für alle Reinkraftstoffe mindestens bis 2015 erhalten bleiben. Alle Biokraftstoffe einschließlich Biogas sind in die Steuerbegünstigung einzubeziehen." Die Steuerbefreiung für reine Biokraftstoffe in der Land- und Forstwirtschaft einschließlich umweltsensibler Bereiche ohne zeitliche Begrenzung seien notwendig, da Landwirtschaft wie die übrige Wirtschaft darauf angewiesen seien, mit preiswerten Energie- und Kraftstoffen versorgt zu werden. Die bisherige Agrardieselregelung habe zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Landwirtschaft geführt. Schindler bezeichnete Aussagen des Mineralölwirtschaftsverbandes, wonach eine Beimischung von Biokraftstoffen preissteigernd sei, als falsch. Genau das Gegenteil sei der Fall, über Biokraftstoffe würden die Tankrechnungen der Verbraucher stabilisiert und sogar verringert.

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taz vom 6.5.2006

Atomfreund soll RSK leiten

BERLIN taz Erstmals seit 1999 soll auf Betreiben von Umweltminister

Siegmar Gabriel (SPD) wieder ein Befürworter der Atomkraft die

Reaktorsicherheitskommission (RSK) der Bundesregierung leiten. Wie der

Tagesspiegel meldet, hat der zuständige Abteilungsleiter des

Ministeriums Wolfgang Renneberg am Donnerstag den früheren

Siemens-Mitarbeiter Klaus-Dieter Bandholz als Nachfolger des bisherigen

Vorsitzenden Michael Sailer benannt. Sailer war vom damaligen grünen

Umweltminister Jürgen Trittin ernannt worden. Er ist ein ausgewiesener

Kritiker der Atomkraft. Er leitet den Fachbereich Reaktorsicherheit des

Öko-Instituts in Darmstadt. Bandholz arbeitete bis 1990 über 20 Jahre

beim Siemens-Konzern in der Reaktorentwicklung und ist seitdem bei der

Firma Energiesysteme Nord Gutachter für verschiedene Aufsichtsbehörden.

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Telepolis 04.05.2006

Noch mehr Geld für Atomforschung?

Brigitte Zarzer

Die EU will das Budget auf 4,1 Milliarden Euro anheben, für erneuerbare Energien und Energieeffizienz sind nur 770 Millionen vorgesehen

Wenige Tage vor dem 20. Jahrestag des Reaktorunfalls in Tschernobyl wurden Pläne der EU bekannt, wonach die Mittel für Atomforschung für die Jahre 2007 bis 2011 erheblich aufgestockt werden sollen. Ein Großteil davon dürfte in Forschungen zur Kernfusion fließen, die im Vergleich zur Kernspaltung weniger umstritten ist. Die österreichischen Grünen bemängeln aber, dass gegenüber den 4,1 Milliarden Euro nur etwa 770 Millionen Euro für die Bereiche erneuerbare Energien und Energieeffizienz im EU-Forschungsbudget veranschlagt wurden. Sie wollen jetzt, dass die konservative österreichische Regierung im Sinne der atomkritischen Bevölkerung agiert und gegen den EU-Plan notfalls ein Veto einlegt.

Bei einer informellen Tagung des EU-Wettbewerbsrats Mitte April in Graz starteten die Budget-Verhandlungen zum 7. EU-Rahmenprogramm Forschung für die Jahre 2007 bis 2013. Dieses soll von 19,2 Milliarden Euro (2002 &endash; 2006) auf 54,2 Milliarden aufgestockt werden. Zur Diskussion steht nun, wer wie viele Mittel erhält. Inmitten des Verteilungspokers ließen die österreichischen Grünen aufhorchen, die Zahlen zu einer geplanten Mittelaufstockungen für den Atombereich vorlegten. Das europäische EU-Atomforschungsprogramm (Euratom) wird zwar nur für fünf Jahre aufgelegt (2007 &endash; 2011) aber im allgemeinen EU-Forschungsbudget mitverhandelt. Unter Berufung auf Angaben der EU-Kommission soll laut der österreichischen Öko-Partei das Budget folgendermaßen aussehen:

Was der Partei besonders aufstößt, ist, dass auch Mittel für die Entwicklung neuer Reaktorkonzepte vorgesehen sind. In den Unterlagen zu einer Pressekonferenz der Oppositionspartei heißt es dazu:

Konkret sind im Bereich Kernspaltung im Vorschlag der EU-Kommission folgende Ziele und Aktivitäten genannt:

- Ressourceneffiziente und wettbewerbsorientierte Nutzung der Kernenergie

- Entwicklung neuer Technologien für die Wiederaufbereitung von Atommüll ("Trennungs-und Transmutationstechnologie ")

- Forschung an neuen Reaktorsystemen

- Entwicklung von Materialtestreaktoren

Es geht bei der Forschung im Bereich Kernspaltung auch um die Erforschung neuer Atomreaktoren (so genannte Reaktoren der Generation 4).

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 Münsterland Zeitung 01.05.2006

"Abschalten, jetzt sofort"

Ahaus - "Warum wir heute hier sind? Wir wollen nicht, dass so etwas wie Tschernobyl noch mal passiert", stellt Judith, 15 Jahre, mit Nachdruck fest.

Obwohl die Jugendliche aus Ahaus und ihre 14-jährige Freundin Hanna zum Zeitpunkt der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl noch nicht einmal geboren waren, demonstrierten sie am Samstag gemeinsam mit rund 350 Atomkraftgegnern anlässlich des 20. Tschernobyl-Jahrestages am Ahauser Bahnhof.

Häufig waren ganze Familien dem Aufruf der Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus" und weiterer Anti-Atomkrafinitiativen gefolgt, um ihre Solidarität mit den Opfern von Tschernobyl zu bekunden. So wie Brigitte Willbrand: "Ich bin heute mit meiner Tochter da, um den Menschen zu danken, die vor 20 Jahren zum Einsatz gerufen wurden. Sie haben sich für uns eingesetzt", erklärt die Steinfurterin ihr Anliegen. In einem Punkt war sie sich mit allen Demonstranten einig: "Atomkraft ist eine nicht zu kontrollierende Gefahr."

Eine Gefahr, die nach Ansicht von Dr. Angelika Claußen, Vorsitzende der deutschen Sektion der Internationalen Ärzte zur Verhinderung eines Atomkrieges (IPPNW), heute verharmlost werde. Lediglich der politische Wille zur Umsetzung alternativer Energien fehle. Eine friedliche Verwendung der Atomenergie lehnte sie mit Hinweis auf die immer vorliegende Möglichkeit der militärischen Nutzung ab.

Licht in Abläufe bringen

Burkhard Hohmeyer, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft "Den Kindern von Tschernobyl", forderte die Teilnehmer auf dazu beizutragen, Tschernobyl zu demokratisieren und weiter Licht in die Abläufe zu bringen. In Gedanken sei man heute nicht nur bei den Opfer, sondern auch bei den Menschen in Weißrussland, die "die aufstehen gegen ein schweigendes Verbrechen" .

"Abschalten, jetzt sofort!" Mit dieser Forderung brachte Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen Bewegung in die Menge. Der Widerstand zeige Erfolge. So sei es den Initiativen zu verdanken, dass auch die Transporte nach Russland öffentlich bekannt geworden seien. Er plädierte dafür, die Gronauer Urananreicherungsanlage verstärkt in den Blick zu nehmen: "Ahaus darf nicht die Müllkippe für den deutschen, Russland nicht die für den Gronauer Atommüll werden." Als Baustein für zukünftige Energieformen, der keine dauerhaften Altlasten hinterlasse, stellte Heinrich Wenning, stellvertretender Vorsitzender des "Windparks Schöppinger Berg", die Windkraftanlage vor.

Nicht nur in den direkt betroffenen Ländern, auch in Deutschland seien Menschen, die sich wehrten, Repressionen ausgesetzt, kritisierte Stefan Kubel die Reaktionen der Polizei bei den Demonstrationen im vergangenen Jahr. Der Protestzug durch die Ahauser Innenstadt verlief friedlich, aber lautstark. Klaus der Geiger rüttelte per Lautsprecher, wie vorher die Band "Unfounded Truth", durch nachdenklich stimmende Zeilen auf: "Nie vergessen, sonst kommt's wieder." - kh

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