GRÜNE verabschieden sich auch vom Atomausstieg

Anmerkungen der BI zum Landesparteitag der Grünen am 27.02.2005 in Köln

Nachdem Joschka Fischer einige Unzulänglichkeiten bei der Visa-Vergabe in den Jahren 1999 bis 2002 eingestanden hatte und die Grünen Ihr "Aushängeschild" mit viel Beifall verwöhnten, wurde das gesamte Partei-Programm ohne große Diskussionen im Schnelldurchgang verabschiedet und dann der Parteitag kurzerhand vorzeitig beendet. Kritische Stimmen hätten die gute Stimmung der Deligierten und der Parteioberen empfindlich gestört und sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Mindestens zwei sehr kritische Redebeiträge von Willi Hesters als Sprecher vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen und Burkhard Helling, Vorsitzender der Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus" waren ursprünglich auf dem Parteitag der NRW-GRÜNEN eingeplant, wurden aber offensichtlich aus taktischen Gründen durch die vorzeitige Beendigung dieses Parteitages verhindert. Keine negativen Schlagzeilen sollten das Image der GRÜNEN noch mehr belasten.

Wir meinen jedoch, dass diese beiden Beiträge unbedingt veröffentlicht werden müssen, weil sie die augenblickliche Situation Grüner Atompolitik sehr klar darstellen. Viele Delegierte können oder wollen sich offensichtlich nicht mehr an die ursprünglichen Prämissen der GRÜNEN erinnern, sondern nur noch weiter einer Regierungspartei angehören.

Das Wahlverhalten vieler Münsterländer bei der NRW-Wahl am 22.5.05 wird durch diese Haltung der GRÜNEN nachdrücklich beeinflußt. In der Opposition waren die Grünen für die Antiatom-Bewegung wesentlich wertvoller.

 

Nachstehend die zwei Reden, die auf der Landeskonferenz der Grünen NRW nicht erwünscht waren:

Vorgesehene Rede von Willi Hesters, Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen.

Hallo Ihr Mitglieder der Grünen Partei,

als ich gestern am Fernsehen beim Auftritt von Joschka Fischer in die Augen einiger Delegierter schaute, sagte ich mir, was willst Du denen erzählen. Sie jubeln einem Aussenminister zu und tun so als hätte es seit 1998 keine Kriege mit deutscher Beteiligung gegeben, als gebe es keine Frauen in der Bundeswehr, als gebe es keine Massenabschiebungen, als gebe es keine Armut im Lande.

Was willst Du denen noch von Castortransporten, von Atompolitik erzählen. Die sind doch so weit weg von den wirklichen Problemen dieses Landes, denen kannst Du höchstens noch ein schlechtes Gewissen einreden.  

Ich komme aus dem Münsterland und spreche hier für rund 15 Bürgerinitiativen. Da lese ich bei Euch" Wir stellen uns eine  ökologische Innovationsoffensive für NRW vor.", so Euer Vorsitzender in der Welt.

Und im Eurem Wahlprogramm lese ich: „Wir Grüne sind treibende Kraft, die der Modernisierung des Landes durch beharrliches Drängen eine ökologische Richtung gegeben hat. Unsere Arbeit war sehr erfolgreich."  

Und weiter „Dazu gehört auch eine Politik, die den Ausstieg aus der Atomenerige unumkehr macht.".  

Was  für Märchen wollt Ihr denn da in den nächsten Wochen verbreiten?  

Die Urananreicherungsanlage wird mit dem Segen von Rot-Grün verdreifacht!

Was hat das mit Atomausstieg und ökologischer Offensive zu tun? Es ist das genaue Gegenteil und das wisst Ihr auch!

Das Ahauser Zwischenlager soll jetzt nach dem Willen von Trittin mit weiterem Atommüll aus dem Rossendorfer Zwischenlager 18 Castoren per Straßentransport, deren gefährliche Ladung mit 2 Kilogramm Plutonium ganz NRW mit einem Schlag auslöschen kann, bestückt werden.

Wenn es nach Euch gegangen wäre, wäre das Thema längst vom Tisch, der Atommüll schon Ende 2003 eingelagert worden.

Aber da gibt es  noch die Bürgerinitiativen, die Euch darauf aufmerksam gemacht haben, das Ihr einen Fehler begeht.  Allein im Münsterland hat es seit Dezember 2003  zwei Blockaden, zwei Widerstandscamps, rund 20 Demonstrationen (die größte davon mit 700 Leuten und 80 Treckern), viele Mahnwachen gegeben, mit dem erklärten Ziel, das Rollen der Castoren zu verhindern bevor sie losfahren. Dabei ist es uns gelungen, nicht weniger als drei Transporttermine zu kippen und die Transporte inzwischen um 18 Monate zu verzögern.

Ich höre Euch schon sagen, wir haben doch auch alles versucht aber die SPD will nicht. Blödsinn, die Wahrheit ist, das Ihr vertuscht, dass Ihr gar keinen Einfluß habt. Bärbel Höhn erklärte noch im Herbst in Ahaus, Sie habe immer noch ein Ass im Ärmel. Und jetzt? Die Landesregierung hat alle Gegenaktivitäten eingestellt und bereitet sich intensiv auf die Straßentransporte vor. Innenminister Behrens will allein 3000 Beamte in Ahaus einsetzen, um zu gewährleisten das die Castoren nach Ahaus kommen.

Schon jetzt gibt es kaum eine Widerstandsaktion, bei der nicht gezielt Atomkraftgegnern herausgepickt werden, um sie zu kriminalisieren und um die Bewegung einzuschüchtern.

Rüdiger Sagel musste unter Buh-Rufen am letzten Sonntag in Ahaus zugeben, Ihr seit bei der Entscheidung über die Genehmigung für Gronau gar nicht mit eingebezogen worden,

Horstmann hätte Euch nicht informiert, geschweige denn gefragt. Deutlicher kann man nicht machen, wie unwichtig es ist, dass ihr im  Parlament seid.

Das schlimme ist, dass ihr vielen Menschen im Lande Sand in die Augen streut. Sie verlassen sich auf euch und bleiben deshalb dem Widerstand fern oder beschäftigen sich mit  kommunalpolitischen Dingen und haben keine Zeit mehr für Widerstand.  

Euer Wahlprogramm umfasst 3750 Zeilen. In ganzen 14 Zeilen beschäftigt Ihr Euch mit dem Castortransporten von Rossendorf nach Ahaus und nur ein Satz ist zur Urananreicherungsanlage in Gronau zu finden. Das sagt etwas über den Stellenwert aus, den Ihr der Atompolitik in diesem Lande zuteilt.

Und in dem Antrag zur LDK aus dem Münsterland: Ihr wollt prüfen ob juristische Schritte gegen die UAA Erweiterung möglich sind. Und ihr wollt einen Energie- gipfel in Gronau veranstalten. Das wars. Das ist doch nichts substantielles. Damit tut ihr doch niemanden weh. Das ist nichts anderes als eine Bankrotterklärung und der Antrag steht auch in keinem Verhältnis zur Begründung in dem ja vieles richtige steht z.B. zum Uranabbau und zur militärischen Bedeutung für zukünftige Kriege. Wenn Ihr wirklich etwas erreichen wollt für den Widerstand, dann kann es aus unserer

Sicht nur 2 Dinge geben, die etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun haben.

1. Stellt die Koalitionsfrage. Wenn die SPD die Aufrüstung der Atomanlage in Gronau betreibt und die Castoren nach Ahaus befördert könnt ihr nicht in der Regierung bleiben.

2. Beteiligt Euch stattdessen am außerparlamentarischen Widerstand. Blockiert die Uranzüge, stellt Euch den Castoren auf der Straße und Schiene in den Weg, beteiligt Euch an in den Bürgerinitiativen ich weiss, dass ist für viele von Euch ein Umstellung nicht mehr in den bequemen Rats- und Ausschussstühlen sitzen, stattdessen wie in der kommenden Woche bei minus10 Grad mit einer Mahnwache gegen den Urantransport aus Gronau nach Russland zu demonstrieren.

Wir sehen jedenfalls was die Atompolitik angeht keinen großen Unterschied zur CDU-FDP Politik in diesem Land. Doch es gibt einen: Ihr erweckt des Eindruck als sei Eure Politik Anti-Atompolitik in Wirklichkeit haltet Ihr nur die Menschen vom Widerstand ab!

Bei der CDU FDP weiß jeder wie er wirklich dran ist. Die Atomindustrie hat Euch jedoch viel lieber in der Regierung, denn da weiß auch sie was sie hat.

Der sofortige Atomausstieg und die Schließung der Atomanlage in Gronau das sind weiterhin unsere maximalen Kernforderungen. Das ist ehrliche Politik und nur sie mobilisiert die Menschen.  

Willi Hesters, Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen

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Vorgesehene Rede von Burkhard Helling (Vors. BI "Kein Atommüll in Ahaus")

Hallo,

gleich zu Anfang erkennen wir an, das euch mit Vollmer und Fischer der Einstieg in die kommerzielle Politik gelungen ist. Das zeigen auch die atompolitischen Beschlüsse, die ihr zur Zeit bedenkenlos mittragt, in aller Klarheit!!

Am 12. / 13. Januar 1980 habt ihr euch in Karlsruhe als "Die Grünen" konstituiert und sofort in eurem Parteiprogramm gewarnt: "Der Einsatz der Atomenergie, der die Demokratie und die menschlichen Grundrechte bedroht, verstärkt die vorhandenen Tendenzen zu einem Polizei- und Überwachungsstaat."

Für uns Bürgerinitiativen bleibt ernüchtert festzuhalten, und dabei möchte ich noch einmal aus dem gemeinsamen Grußwort der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg und der Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus" zu eurem 25 jährigen Bestehen zitieren:

"Der ehemalige verlängerte Arm der Anti-Atom-Bewegung lässt in Regierungsverantwortung seit 6 Jahren selbst in gigantischen Polizeieinsätzen gegen Atomkritiker einknüppeln."

In der Münsterlandzeitung von gestern stand lapidar, dass sich die gesamte Fraktion der SPD hinter Minister Horstmann und dessen Ja zur UAA-Erweiterung in Gronau gestellt hat. Leute, die derartige Beschlüsse mittragen können oder wollen, brauchen wir nicht in der Regierungsverantwortung!!

Das gilt für SPD, CDU/CSU, FDP und leider auch für euch Grüne. Unsere Verbitterung ist deshalb so groß, weil wir das gerade von euch nicht erwartet haben... Wir haben euch nicht nur bei den Wahlen unser Vertrauen geschenkt, damit ihr gerade in der Atompolitik unsere ehemals gemeinsamen Interessen vertretet und nicht zu Handlangern globalisierter Energiekonzerne werdet.

Wir sind enttäuscht und frustriert von dem großen Unterschied zwischen Ankündigungen / oder Beschwichtigungen und Taten. So sprach Bärbel Höhn in Ahaus noch von dem berühmten Ass im Ärmel, musste aber anschließend eingestehen, dass keine Möglichkeit mehr bestehe... Wir sind enttäuscht, dass die Landesregierung, zu der ihr gehört, nur gegen den Sofortvollzug der Rossendorf-Transporte Klage eingereicht hat, sich aber nie inhaltlich dagegen gewandt hat.

Wir sind sauer darüber, dass ihr überhaupt keine Vorkehrungen für die aus Garching und die aus der Wiederaufbereitung geplanten Transporte trefft, Wenn´s tatsächlich wieder so weit ist und jahrelang Atomtransporte nach Ahaus rollen, werdet ihr euch wieder zurücklehnen und behaupten, dass alles nach Recht und Gesetz zugehe und ihr nichts dagegen unternehmen könnt...

In Wirklichkeit wisst ihr sehr wohl bescheid, wollt aber die Koalition in Düsseldorf und auch in Berlin nicht gefährden, obwohl ihr genau wisst, dass die SPD nur darauf wartet, mit der FDP in der Nach-Fischer-Zeit zusammen gehen zu können.

Es ist frustrierend zu sehen und mitzuerleben, wie ihr als größter Landesverband der Grünen in Deutschland vor Trittin in Berlin und vor der SPD in Düsseldorf kriecht und euch teilweise an der Nase herumführen lasst, wie die Erweiterung der UAA in Gronau zeigt. Obwohl viele von euch ja gar nicht mehr aus der Anti-Atom-Arbeit kommen, solltet ihr alle wissen, dass Gronau den Anfang der Brennstoff-Spirale darstellt und damit den Kernpunkt für die Atomkraftwerke nicht nur in Deutschland, sondern demnächst weltweit.

Und was macht ihr dagegen? Nichts! Ihr stellt nicht einmal an diesem Punkt die Koalitionsfrage...

Wer an das Märchen glaubt, in der Regierungsverantwortung mehr als auf der harten Oppositionsbank erreichen zu können, der wird seelig und ist als Wähler der Grünen selber Schuld.

Uns sind - wie unser Pressesprecher Felix Ruwe immer wieder sagt, ehrliche Feinde lieber als meuchelnde Freunde!!

Wir brauchen keine Interessenvertreter der Atommafia im Münsterland, denn davon gibt es schon genug. Wir brauchen ehrliche Kämpfer, die noch zu den Grundwerten grüner Politik stehen und diese nicht bereitwillig auf dem Altar des Machterhalts und der Pöstchenwirtschaft opfern!!

LIEBE GRÜNE - denn jetzt möchte ich doch einmal diese Anrede benutzen - nehmt endlich die Sorgen der Menschen ernst, auch die Sorgen der Atomkraftgegner im Münster- land, tut mehr für die Hartz-IV-Opfer und mehr für unsere Schulen. Ich bin seit 1974 Lehrer, und das mit voller Überzeugung und Freude, wenn ich nicht an eure scheiß Schulpolitik denke.

Wir brauchen in erster Linie kleine Klassen und nicht 33iger Klassen mit immer mehr Aufgaben und Zusatzstunden, die trotz steigenden Altersschnitts uns allen aufgebührdet werden.

Es tut mir nicht leid, dass ich euch als einer , der ein grünes Herz hat, so hart kritisiert habe, aber ihr habt uns mit euren Rossendorfbeschlüssen und eurem Gronau-Versagen hart getroffen.

Burkhard Helling

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