Presseauswahl Februar 2005 Presseauswahl der BI bis Februar 2005

TAZ NRW 28.2.05:

Grüne im Schnellwaschgang

Beeindruckt von den eigenen Beifallsstürmen für Joschka Fischer winken Nordrhein-Westfalens Grüne ihr Programm für die Landtagswahl durch. Kritisches ist nur noch sehr, sehr leise zu hören

AUS KÖLN

ANDREAS WYPUTTA

Kritik war früher. Durch den Auftritt von Außenminister Joschka Fischer wie befreit und erleichtert haben Nordrhein-Westfalens Grüne ihr Wahlprogramm im Schnelldurchlauf verabschiedet - der eigentlich zweitägig angelegte Kölner Landesparteitag endete mangels Diskussion bereits am Samstag Abend.

Dabei liefert die rot-grüne Koalition in Düsseldorf genug Stoff für Kontroverses, fühlen sich besonders viele Parteilinke etwa durch Hartz-Gesetze, den Ausbau der Urananreicherungsanlage Gronau und die drohenden Castor-Transporte nach Ahaus oder die Erweiterung der Flughafen provoziert. Doch die Wenigsten wollten die nach Fischers Rede hoffnungsvolle Stimmung im Vorwahlkampf trüben, Nachdenkliches war nur leise im Foyer des Kölner Gürzenichs zu hören. "Ich hätte nie gedacht, dass wir Bündnisgrüne schon so weich gekocht sind" - eine Delegierte versucht, ihren Frust wegzuflüstern.

Beispiel Anti-Atompolitik: Hinten links sitzen die Delegierten aus dem Münsterland, viele protestieren mit ,Stopp UUA'-Stickern gegen den von NRW-Energieminister Axel Horstmann (SPD) forcierten Ausbau der Urananreicherungsanlage Gronau. "Aufruf und Protest" soll auch ein Plakat signalisieren, dass während Fischers Rede kurz hochgehalten wurde. "Wir sind sehr enttäuscht", sagt Eva-Mira Brökelmann aus dem Kreisverband Warendorf. "Wir befürchten, dass die Atompolitik ganz ans Ende geschoben wird."

Von "Verarschung" spricht auch Burkhard Helling - die für Sonntag angesetzte Rede des Vorsitzenden der Ahauser Anti-Atom-Initiative fiel schlicht aus. "Ich hätte die Grünen gefragt, wie lange sie sich noch von der SPD vorführen lassen wollen", ärgert sich Helling. "Wer angesichts der Verdreifachung der Atombrennstoff-Produktion in der Gronauer UAA noch von Atomausstieg spricht, muss blind sein." Dagegen hatte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Werner Bischoff, noch am Freitag über "Investitionen, Arbeitsplätze und 15 Millionen Euro Gewerbesteuer" gejubelt. "Die Grünen sollten die Koalitionsfrage stellen", meint Helling.

Stattdessen denken die Grünen über eine Klage gegen die Genehmigung des NRW-Energieministeriums nach. "Wir lassen das juristisch prüfen", sagt Rüdiger Sagel, atompolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion. Der UAA-Betrieb sei nicht verantwortbar, finden auch die Landesparteichefs Britta Haßelmann und Frithjof Schmidt: "Der Ausbau widerspricht dem Geist des Atomausstiegsgesetzes."

Mögliche Koalitionsverhandlungen mit der SPD dürften damit spannend werden - auch in den Bereichen der Verkehrs- und der Arbeitsmarktpolitik: Die Grünen haben sich in ihrem Wahlprogramm eindeutig gegen jeden weiteren Flughafenausbau festgelegt. "Nordrhein-Westfalen verfügt über eine mehr als ausreichende Flughafen-Infrastruktur. Weitere Ausbaumaßnahmen sind weder ökologisch noch ökonomisch zu rechtfertigen", heißt es. "Und das gilt auch nach der Wahl", freut sich Verkehrsexperte Oliver Keymis.

In Zugzwang bringen dürfte die grünen Minister Michael Vesper und Bärbel Höhn, die sich passend zum Parteitag in die älteste Jeans, das älteste Kostüm geworfen hatten, auch die wachsende Unzufriedenheit der Basis mit den Hartz-Gesetzen. In den Hartz-Arbeitsgemeinschaften vor Ort herrsche "pures Chaos", Nordrhein-Westfalens Minister für Wirtschaft und Arbeit und wirke mit seinem Zusatzjob als SPD-Landeschef überfordert, klagen viele Grüne: "Leider wird Schartau einer persönlich sehr sympathischen Fehlbesetzung."

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ddp Sonntag 27. Februar 2005, 15:42 Uhr:

RAG-Chef Müller rechnet mit Bau neuer Kernkraftwerke

Düsseldorf (ddp). Der Chef des Essener Energie- und Chemiekonzerns RAG, Werner Müller, geht langfristig von einer Renaissance der Kernenergie aus. «Wenn wir die Vermeidung von Kohlendioxid ernst nehmen, werden wir irgendwann auch wieder bei der Kernenergie landen - und die Grünen werden dann an der Spitze der Bewegung stehen», sagte Müller dem «Handelsblatt» (Montagausgabe). Bis zur Mitte des Jahrhunderts werde sich die gesellschaftliche Akzeptanz der Kernkraft erhöhen, da Sonnenenergie nicht ausreiche, das Klima zu schützen.

«In 50 Jahren wird unser Energiemix von Kohle, Kernenergie und den regenerativen Energien bestimmt», sagte Müller, in dessen Amtszeit als Bundeswirtschaftsminister der Konsens über den Ausstieg aus der Kernenergie ausgehandelt wurde. Allerdings sei es derzeit noch zu früh, um über eine Verlängerung der Restlaufzeiten bestehender Kernkraftwerke zu sprechen.

Müller ist seit 2003 Chef der aus dem Bergbau hervorgegangenen RAG und hat in dieser Zeit die Entwicklung zum Mischkonzern vorangetrieben. Derzeit plant das Unternehmen den Einstieg in den Energiemarkt.

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Westfälische Nachrichten 27.2.05:

Termin für Castor-Transporte noch offen

 Ahaus (wl) - Der Termin für den Transport von 18 Castor-Behältern mit Atommüll aus dem sächsischen Forschungsreaktor Rossendorf nach Ahaus ist nach Angaben des NRW-Innenministeriums noch offen.

Es gibt keinen Tag und keine Uhrzeit, sagte ein Ministeriumssprecher. Atomkraftgegner hatten spekuliert, die erste von drei Lastwagen-Fuhren mit jeweils sechs Behältern könnte unmittelbar nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl am 22. Mai in Sachsen starten. Das Polizeipräsidium Münster dementierte Mitteilungen von Atomkraftgegnern, wonach es für den Zeitraum nach der Wahl bereits Urlaubssperren bei der Polizei gebe. Bei uns gibt es so etwas nicht, sagte Sprecher Alfons Probst. Die Sicherheitsbehörden schätzen das Protest-Potenzial erheblich geringer ein als beim bisher letzten Transport von Atommüll ins westfälische Zwischenlager Ahaus. Damals hatte es tagelange Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten vor den Toren des Brennelemente-Zwischenlagers gegeben.

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NW Bad Oeynhausen 26.02.2005

Castortransport durch Bad Oeynhausen

Anti-Atomgegner planen Demo

Bad Oeynhausen (nic). Sechs Castoren mit radioaktivem Atommüll sollen nach Informationen von sächsischen und münsterländischen Anti-Atomkraft-Initiativen Ende Mai auf Lastwagen durch Bad Oeynhausen rollen.

Für den Transport der abgebrannten Brennelemente von Dresden nach Ahaus sollen zwei Routen in Frage kommen. Die Nordroute von der A 2 über die A 30 nach Osnabrück und von dort nach Ahaus. Als neuralgischer Punkt gelte dabei, so die Castorgegner, Bad Oeynhausen. Denn die Lastwagen rollten dann über die Mindener Straße. Für Ende April planen die Anti-Atomkraft-Initiativen im Umfeld des 19. Jahrestags der Tschernobyl-Katastrophe eine Protestdemonstration.

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Neue Westfälische 26.02.2005

Castor soll durch Löhne rollen

Anti-Atomgegner planen Demo

Löhne/ Bad Oeynhausen (nic). Sechs Castoren mit radioaktivem Atommüll sollen nach Informationen von sächsischen und münsterländischen Anti-Atomkraft-Initiativen Ende Mai auf Lastwagen durch Bad Oeynhausen und Löhne rollen.

Für den Transport der abgebrannten Brennelemente von Dresden nach Ahaus sollen zwei Routen in Frage kommen. Die Nordroute von der A 2 über die A 30 nach Osnabrück und von dort nach Ahaus. Als neuralgischer Punkt gelte dabei, so die Castorgegner, Bad Oeynhausen. Denn die Lastwagen rollten dann über die Mindener Straße. Für Ende April planen die Anti-Atomkraft-Initiativen hier im Umfeld des 19. Jahrestags der Tschernobyl-Katastrophe eine Protestdemonstration.

Die Kreispolizei hat bislang weder Kenntnis von Demo, noch von den angeblich geplanten Castortransporten, so Polizeisprecher Werner Wojahn..

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Münsterland Zeitung 24.2.05:

Rollen Castoren durch Heek?

Heek/Legden - Rollen die ab Ende Mai geplanten Castor-Transporte aus Rossendorf zum Zwischenlager Ahaus möglicherweise durch Heek und auch über Legdener Gemeindegebiet" Die Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus" will jedenfalls Hinweise erhalten haben, dass die Polizeiführung eine Alternativroute für den Atommüll mitten durch den Heeker Ortskern einplant.

Diese Route für die drei Atomtransporte mit je sechs Castoren soll demnach von der Autobahnabfahrt Heek über die Bundesstraße 70 quer durch die Ortsmitte von Heek und weiter über die jüngst ausgebaute Landstraße 574 in Richtung Legden führen, um dann am Kreisverkehr vor Schöppingen auf die Landstraße 570 abzubiegen. Von dort würde der Transport dann an der Düstermühle in Legden-Wehr vorbei Richtung Ahaus direkt zum Zwischenlager rollen. Auch Legdener Gemeindegebiet wäre somit betroffen.

Dementieren wollte Alfons Probst, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Münster, diese Möglichkeit nicht: Bei den zu erwartenden Castor-Transporten aus Rossendorf handele es sich um Gefahrguttransporte der "Klasse 2", für die es keine besonderen Streckenvorschriften gebe.

"Jede mögliche Route"

Entsprechend könnten die Transporte theoretisch jede mögliche Route wählen und sogar Wirtschaftswege benutzen. Damit wäre die Vermutung der BI zumindest hinsichtlich der für den Transport geltenden Vorschriften nicht ausgeschlossen.

Im Rathaus der Dinkelgemeinde hatte man davon allerdings noch nichts gehört: Bürgermeister Dr. Kai Zwicker zeigte sich gestern auf Anfrage überrascht von dieser Ankündigung. Er halte einen Transport durch den Ortskern schon wegen der zu erwartenden Beeinträchtigungen für nicht vorteilhaft. "Die Sicherheit der Bevölkerung muss absolut gewährleistet sein, und da habe ich allein auf Grund der engen Straßenverhältnisse im Ort erhebliche Zweifel." Er wolle in dieser Sache eigene Erkundigungen einziehen.

"Die Zeche bezahlen"

Offensichtlich wolle die Polizei mit dieser Alternativroute Protesten in Ahaus aus dem Weg gehen und eine ähnliche polizeiliche "Besatzung" der Stadt wie beim Castor-Einsatz im März 1998 vermeiden, vermutet die Bürgerinitiative. Allerdings: "Die Heeker müssten damit für ein Ahauser Problem die Zeche bezahlen", so Felix Ruwe von der BI Ahaus. "Wir fordern die CDU-Stadtregierung in Ahaus auf, sich öffentlich dafür einzusetzen, dass nicht andere Kommunen wie Heek für die eigene Atomfreundlichkeit den Kopf hinhalten müssen." - mel/pd

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Welt am Sonntag 20.02.05:

Gronauer Grüne erwägen Partei-Austritt

Urananreicherung wird ausgeweitet: Höhn kritisiert Horstmann

von Andreas Fasel

 

Ein Grüner in Gronau zu sein - das bedeutet: gegen die Gronauer Urananreicherungsanlage zu sein. Deutlicher als anderswo ist hier noch spürbar, wie tief die Sonnenblumen-Partei in der Anti-Atomkraft-Bewegung verwurzelt ist. Mitglieder der Bürgerinitiative gegen die Anreicherungsanlage gründeten im Juli 1982 die Gronauer Grünen. Karl-Heinz Hoffmann-Hansen ist einer dieser Gründer. Und er ist einer von denen, die jetzt sagen: "Wir sind maßlos enttäuscht. Wir lassen unsere Parteimitgliedschaft ruhen."

Denn zu Beginn der Woche gab der NRW-Energieminister Axel Horstmann, SPD, bekannt, daß die Kapazitätserweiterung der Gronauer Urananreicherungsanlage (UAA) genehmigt werde. Statt 1800 sollen dort künftig 4500 Tonnen des strahlenden Materials produziert werden. Das ist eine Menge, mit der 20 neue Kernkraftwerke betrieben werden können. "Erschüttert" habe ihn die Nachricht, sagt Hoffmann-Hansen, "mit so einem Beschluß können wir hier nicht weiterarbeiten."

Denn wie soll ein Gronauer Grüner die Leute davon überzeugen, daß sie seine Partei wählen sollen, wenn eine rot-grüne Bundes- und Landesregierung zuläßt, daß die Anreicherungsanlage nicht dichtgemacht, sondern sogar noch ausgeweitet wird. "Damit werden wir hier unglaubwürdig, wir können uns bei keiner Demonstration mehr sehen lassen, wir Grünen werden doch verlacht", wettert Hoffmann-Hansen.

Er und die anderen Gronauer Grünen haben deswegen gestern einen Brief an alle Landes- und Bundesvorstände verschickt. Darin fordern sie, daß die Vorstände sich bis zum 31. März in Gronau zum Gespräch einfinden sollten. Bis dahin, wie gesagt, ruht die Parteimitgliedschaft der Gronauer. Einer ist sogar schon ausgetreten. Denn, so lautet der Vorwurf an die Parteispitze: "Die haben zu wenig für unsere politischen Überzeugungen gekämpft." Zu zaghaft, zu zögerlich, zu zahm.

Die Stellungnahmen der Landesgrünen zu Horstmanns Genehmigung hören sich beispielsweise so an: Zwar sei die Entscheidung "politisch falsch", sagt die grüne Landesparteivorsitzende Britta Haßelmann. Und ergänzt wohlabgewogen: Aber dem Energieministerium sei kein Vorwurf zu machen, "denn das Verfahren wurde nach Recht und Gesetz durchgeführt". Immerhin will die Partei in der kommenden Woche prüfen, ob gegen die Ausweitung der UAA geklagt werden könne.

Freilich haben die Grünen im NRW-Landtag längst gewußt, daß sie die Genehmigung aus dem Haus des SPD-geführten Energieministeriums nicht würden verhindern können. Denn die Urananreicherungsanlage gilt als chemische Fabrik und ist damit nicht Bestandteil des gesetzlich verankerten Atomausstiegs. Jedoch schlummerte bei den Grünen bis zur vergangenen Woche noch die stille Hoffnung, der SPD-Minister Horstmann würde es sich und der Betreiberfirma Urenco Deutschland GmbH zumindest ein bißchen schwerer machen.

"Wer es mit dem Atomausstieg ernst meint, der hätte diese Genehmigung untersagen müssen", findet Rüdiger Sagel, der atompolitische Sprecher der Grünen im NRW-Landtag - auch wenn die Firma Urenco nach einem Nein des Ministers vermutlich ihr Recht auf Kapazitätserhöhung eingeklagt hätte. "Aber dann hätte Urenco die Nachweispflicht gehabt, daß die Anlage sicher ist", sagt Sagel. Er fühlt sich übergangen: "Die ganze Zeit hieß es im Energieministerium, man sei noch mit dem Verfahren beschäftigt. Und jetzt überrascht man uns mit der Genehmigung. Unsere Bedenken wurden nicht berücksichtigt."

Andere sind der Meinung, Horstmann hätte die Genehmigung zumindest bis nach der Landtagswahl zurückhalten können. Doch so viel Rücksicht auf grüne Befindlichkeiten ist von Axel Horstmann nicht zu erwarten, auch nicht drei Monate vor der Wahl. In Horstmanns Ministerium verweist man auf "zügige Verfahrensabläufe", die einzuhalten waren, und schert sich ansonsten nicht darum, wenn nun wieder einmal das Wort "Koalitionskrise" die Runde macht.

Ist es tatsächlich eine Krise? Als "durchaus konfrontativ" bezeichnet jedenfalls Rüdiger Sagel das Vorgehen des Koalitionspartners. Sagel ist einer der wenigen in der Landtagsfraktion, die deutlichere Worte wählen: "Axel Horstmann hat seinen politischen Spielraum in dieser Angelegenheit nicht genutzt", kritisiert Sagel, "und die SPD muß sich nun fragen lassen, ob sie sich wie CDU und FDP schon auf dem Weg zurück zur Atomenergie befindet."

"Wir alle wußten, daß das Genehmigungsverfahren läuft", sagt hingegen Bärbel Höhn, die grüne NRW-Umweltministerin. Sie sieht die Sache gelassener, von einer Koalitionskrise will sie nichts wissen. "Und die Rückkehr der SPD zu einer Pro-Atomenergie-Politik befürchte ich nicht." Allerdings ist Höhn der Meinung, es sei "absurd, eine Urananreicherungsanlage zu erweitern". Und sie stört sich daran, "daß ich von dieser Genehmigung nicht zuerst von unserem Koalitionspartner erfahren habe, sondern vom Bundesumweltministerium". Doch das hält sie nicht für eine gezielte Provokation, sondern für einen persönlichen Fauxpas. "Axel Horstmann ist ja selbst innerhalb seiner eigenen Partei dafür bekannt, daß er seine Entscheidungen nicht besonders gut kommuniziert", spöttelt Höhn.

Ihre Noch-Parteifreunde in Gronau wird das kaum trösten.

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Lausitzer Rundschau 21.2.02:

Massiver Widerstand gegen Castor-Transporte geplant

Atomkraftgegner wollen Straßen blockieren

Atomkraftgegner planen starken Widerstand gegen Castor-Transporte aus dem sächsischen Forschungsreaktor Rossendorf ins westfälische Zwischenlager Ahaus.

Vorgesehen seien am Tag der Transporte Straßenblockaden in Dresden und Ahaus sowie Widerstandscamps entlang der Autobahn, teilte die Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus" am Sonntag mit. Die Castor-Gegner rechnen in der ersten Juni-Hälfte mit den zwischen Sachsen und Nordrhein-Westfalen vereinbarten Transporten von 18 Behältern in drei Lastwagen-Fuhren.

Die Atomgegner begrüßten, dass auch sächsische Anti- Atom-Gruppen gegen die Transporte seien. Die Lastwagen mit den Castorbehältern müssten über eine Autobahnstrecke von rund 600 Kilometern zwischen Rossendorf bei Dresden und Ahaus fahren.

Laut Dresdner Innenministerium steht noch kein Termin fest für den Transport mit 951 Brennstäben aus dem ehemaligen Forschungsreaktor. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte zunächst darauf bestanden, dass die Behälter nicht per Lastkraftwagen, sondern auf der Schiene nach Ahaus gelangen, die Blockade aber aufgegeben. Da Rossendorf keinen Gleisanschluss hat, kommen nur Lkw infrage.

 (dpa/ksi)

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WAZ 21.02.2005

Anti-Atom-Initiativen planen ihre Widerstandsaktivitäten

Auch in diesem Jahr werden die Atom-Gegner von der Waltroper Bürgerinitiative Menschen gegen Atomanlagen (MegA) auf die Straße gehen.

Rund 40 Vertreter verschiedener Anti-Atom-Initiativen aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen und Frankreich berieten in Münster ihre Widerstandsaktivitäten im kommenden Frühjahr. Darunter auch die Waltroper Bürgerinitiative Menschen gegen Atomanlagen (Mega).

Dabei verabschiedeten sie einen gemeinsamen Widerstandsfahrplan. Einhellig wurde die Ausbaugenehmigung für die Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau abgelehnt. Mit dem Ausbau der UAA betreibe die rot-grüne Bundes- und Landesregierung aktive Förderung der Atomenergie. Kritisiert wurde die Scheinheiligkeit, mit der der Bevölkerung der sogenannte Atomausstieg vorgegaukelt wird. Die Initiativen rufen dazu auf, den nächsten Urantransport nach Russland mit vielen Protestaktionen zu behindern. Im Juni 2004 war ein solcher Urantransport im Münsterland und den angrenzenden Niederlanden durch vier Blockaden mehrmals gestoppt worden.

Intensiv diskutierten die Delegierten Widerstandskonzepte für die 600 km Autobahntransport für die 18 Castoren aus Dresden-Rossendorf. Diese sollen zwischen dem 30. Mai und 14. Juni in drei Lkw-Fuhren à sechs Castoren nach Ahaus gebracht werden. Es gibt zwei genehmigte Routen für den hochradioaktiven Atommüll, wobei die Südroute über Dresden durch das Ruhrgebiet - Dortmund, Recklinghausen, Gelsenkirchen, Bottrop - bis nach Ahaus führt.

Die Initiativen begrüßten, dass die sächsischen Anti-Atom-Gruppen einmütig gegen den gefährlichen Abtransport des hochradioaktiven Atommüll sind. So sollen bereits im Vorfeld an den Autobahnstrecken Aktionen durchgeführt werden. So ist Ende April eine Demonstration in Bad Oeynhausen an der "Nordroute" geplant. Dort befinden sich die einzigen vier Kilometer Transportstrecke, die nicht über eine Autobahn führen, sondern mitten durch den bekannten Kurort.

Geplant sind auch Proteste in Kamen, einem neuralgischen Punkt an der "Südroute". Straßenblockaden in Dresden und Ahaus, dezentrale Widerstandscamps, Demos auf Autobahnbrücken und an Raststätten sind geplant. Die Anti-Atom-Initiativen werden auch Demonstrationen auf Autobahnen anmelden, um gegen die tödlichen Strahlentransporte zu demonstrieren.

Auftakt der Aktionen ist ein außerordentlicher Sonntagsspaziergang am 22. Mai, dem Tag der NRW-Landtagswahl. Danach wird ein Camp in Ahaus eingerichtet. Die Initiativen kündigen zudem kreative Widerstandsaktionen an, um auf die neue Situation von den geplanten Autobahn-Transporten angemessen und flexibel zu reagieren.

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Dpa/ksi 21.02.2005 01:01

Massiver Widerstand gegen Castor-Transporte geplant

Atomkraftgegner wollen Straßen blockieren

Atomkraftgegner planen starken Widerstand gegen Castor-Transporte aus dem sächsischen Forschungsreaktor Rossendorf ins westfälische Zwischenlager Ahaus.

Vorgesehen seien am Tag der Transporte Straßenblockaden in Dresden und Ahaus sowie Widerstandscamps entlang der Autobahn, teilte die Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus" am Sonntag mit. Die Castor-Gegner rechnen in der ersten Juni-Hälfte mit den zwischen Sachsen und Nordrhein-Westfalen vereinbarten Transporten von 18 Behältern in drei Lastwagen-Fuhren.

Die Atomgegner begrüßten, dass auch sächsische Anti- Atom-Gruppen gegen die Transporte seien. Die Lastwagen mit den Castorbehältern müssten über eine Autobahnstrecke von rund 600 Kilometern zwischen Rossendorf bei Dresden und Ahaus fahren.

Laut Dresdner Innenministerium steht noch kein Termin fest für den Transport mit 951 Brennstäben aus dem ehemaligen Forschungsreaktor. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte zunächst darauf bestanden, dass die Behälter nicht per Lastkraftwagen, sondern auf der Schiene nach Ahaus gelangen, die Blockade aber aufgegeben. Da Rossendorf keinen Gleisanschluss hat, kommen nur Lkw infrage.

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Indymedia 20.02.05

Anti-Atom-Demo in Ahaus

von WIGA Münster - 20.02.2005 17:10

Rund 200 Leute demonstrierten heute trotz heftigen Schneeschauern in Ahaus gegen die Erweiterungsgenehmigung der Urananreicherungsanlage Gronau und gegen die geplanten Castor-Transporte von Dresden nach Ahaus. In Redebeiträgen wurden die rot-grüne Bundes- und Landesregierung heftig für ihre Atomfreundlichkeit kritisiert. Gleichzeitig wurde zu Widerstand gegen die Castor-Transporte und gegen Urantransporte von/nach Gronau aufgerufen.  

Bereits gestern trafen sich 40 Delegierte aus NRW, Niedersachsen, Sachsen und Frankreich in Münster zu einem Widerstandsratschlag. Dabei wurde ein Streckenkonzept für Aktionen gegen die Dresden-Ahaus-Castoren besprochen. Geplant sind Aktionen auf Autobahnbrücken, an Raststätten sowie Widerstandscamps an der 600 km langen Autobahnstrecke. Es werden auch Demos direkt auf der Autobahn angemeldet werden.  

In Dresden und Ahaus wird es zentrale Anlaufpunkte für Aktive geben. In Ahaus wird ab dem 26. Mai ein großes Widerstandscamp eingerichtet werden. Wir rechnen mit den drei Transporten für den Zeitraum 30. Mai bis 14. Juni. Es werden auch bereits die ersten Urlaubssperren bei der Polizei gemeldet.  

Vorgestellt wurde auch ein bundesweiter Aufruf gegen die Castor-Transporte. Zu den ErstunterzeichnerInnen gehören die Anti-Atom-Initiativen aus dem Münsterland sowie aus Dresden. Der Aufruf wird in wenigen Tagen auf der www.wigatom.de Website ins Netz gestellt. Bestellungen bitte an: wigatom@web.de. Der Aufruf wird laufend aktualisiert werden, je mehr Initiativen unterschreiben oder wenn sich die Sachlage ändert.  

Die Initiativen sind optimistisch das Polizeikonzept für die Autobahntransporte durch kreative Aktionen ins Wackeln zu bringen.   Beschlossen wurde auch für Ende April eine Demo in Bad Oeynhausen. Der Ort liegt auf der Nordstrecke und dort gibt es die einzigen vier Kilometer ohne Autobahn. Der Ort ist für Demos also bestens geeignet.   Klinkt euch in den Widerstand ein und macht mit! Atomausstieg jetzt sofort!  

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TAZ 21.02.05

Proteste gegen Ost-Castoren

AHAUS taz AtomkraftgegnerInnen planen starken Widerstand gegen Castor-Transporte aus dem sächsischen Forschungsreaktor Rossendorf ins westfälische Zwischenlager Ahaus. "Wir werden am Tag X Straßen in Dresden und Ahaus blockieren und Widerstandscamps entlang der Autobahn aufbauen", sagte Matthias Eickhoff von der Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus" gestern. In der ersten Juni-Hälfte sollen zwischen Sachsen und Nordrhein-Westfalen drei Lastwagen-Fuhren mit der gefährlichen Fracht fahren.  

Gestern waren wieder 200 Menschen auf dem "Sonntagsspaziergang" gegen das Ahauser Endlager auf der Straße, die BI rechnet bis zu dem Sachsen-Transport mit monatlich mehr Demonstranten, sagte Eickhoff. NRW hatte wegen des geringeren Sicherungsaufwandes stets für einen einzigen Schienentransport plädiert. Das Bundesamt für Strahlenschutz erteilte Anfang November die Genehmigung für den Transport. "JOE

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Münsterland Zeitung 20. Februar 2005

Fahrplan für Widerstand

Ahaus - In heftiger Kritik der Anti-Atom-Initiativen auch an der SPD-Landesregierung gipfelte die Kundgebung beim gestrigen Sonntagsspaziergang, zu dem sich bereits am Ahauser Bahnhof gut 200 Personen eingefunden hatten, die dann zum Rathaus zogen.

Aktueller Anlass für die herbe Schelte war die vor einer Woche erfolgte Genehmigung der Kapazitätserweiterung für die Urananreicherungsanlage in Gronau(UAA).

Rüdiger Sagel - (Bild), Landtagsabgeordneter der Grünen, äußerte als Gastredner großen Unmut über diese Entscheidung von Energieminister Axel Horstmann, von der die Grünen als Koalitionspartner vorab nicht in Kenntnis gesetzt worden seien: "Wir Grünen in NRW sind damit in keiner Weise einverstanden. Wir sind davon überrascht worden und sehen dies als Affront an." Der Vorgang werde Thema auf dem anstehenden Landesparteitag sein, so Sagel. Deutliche Worte für die "Mutterpartei" fanden auch die Ahauser Jusos, die eine "Verschleppung" des lange beschlossenen Atomausstiegs beklagten.

Dem schlossen sich auch die Sprecher der Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus", Felix Ruwe und Burkhard Helling, sowie Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis an, die zum aktiven Widerstand gegen die Ende Mai/Juni erwarteten Castor-Transporte von Rossendorf nach Ahaus aufriefen.

Aktionen geplant

Bereits am Samstag hatten 40 Vertreter verschiedener Anti-Atom-Initiativen aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen und Frankreich in Münster ihre Aktivitäten für das Frühjahr abgestimmt und einen "Widerstandsfahrplan" aufgestellt. Demnach ist massiver Widerstand auf der 600 Kilometer langen Autobahnstrecke Dresden-Ahaus geplant. Bereits im Vorfeld sowie rund um den "Tag X" sind Straßenblockaden in Dresden und Ahaus angekündigt, entlang der Transportstrecke dezentrale Widerstandscamps eingerichtet, Demonstrationen auf Autobahnbrücken und an Raststätten geplant.

In Ahaus soll es ein großes Widerstandscamp geben. Auftakt der Aktionen ist ein außerordentlicher Sonntagsspaziergang am 22. Mai, dem Tag der NRW-Landtagswahl. Danach werde das Camp in Ahaus eingerichtet. - mel/pd

Das nächste bundesweite Koordinierungstreffen der Initiativen findet im März in Dresden statt.

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ddp 20.2.05:

Castor-Gegner rechnen mit Atommülltransport aus Sachsen ab Ende Mai

Münster/Dresden (ddp-lsc). Castor-Gegner rechnen ab Ende Mai mit dem im vergangenen Jahr geplatzten Atommülltransport aus Rossendorf ins münsterländische Ahaus. Der Sprecher vom «Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen», Willi Hesters, sagte der Nachrichtenagentur ddp am Sonntag nach einem Aktionstreffen in Münster, die Initiativen gingen inzwischen fest von einem Beginn der Transporte ab dem 27. Mai und damit fünf Tage nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen aus. Geplant würden derzeit eine Reihe von Aktionen gegen den Transport in mehreren Bundesländern, darunter auch in Sachsen.

Gedacht sei etwa an «Widerstandscamps an Autobahnauffahrten und Autobahnbrücken». Wenn dieser Transport gelinge, wäre das laut Hesters «der Türöffner für weitere Atommüll-Fuhren beispielsweise von den Forschungsreaktoren in München oder Jülich nach Ahaus». Auf dem Treffen in Münster sei ein «Widerstandsfahrplan» festgelegt worden. Der Transport müsse ab Rossendorf zunächst etwa 16 Kilometer lang über eine Landstraße führen, an der es auch Waldflächen gebe. Dies sei ein «neuralgischer Punkt», fügte Hesters hinzu. Die Initiativen, die ein Camp auch in Ahaus selbst planten, werden nach seinen Angaben ebenso versuchen, die Leertransporte mit den für die Fahrten erforderlichen speziellen Stoßdämpfer-Paaren aufzuhalten.

Diese waren von Sachsen beschafft und bezahlt worden, um die Zahl der Transporte auf drei Kolonnen-Fuhren zu verringern. Der Freistaat hatte im vergangenen Jahr vergeblich darauf gedrängt, die 18 Castoren mit insgesamt 951 Brennstäben aus dem ehemaligen DDR-Forschungsreaktor Rossendorf ins münsterländische Brennelemente-Zwischenlager Ahaus zu bringen.

Die rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen war zwar mehrmals vergeblich juristisch gegen die Genehmigung des Straßentransports vorgegangen. Die dadurch entstandenen Verzögerungen bewirkten indes, dass sich die von einem Transport quer durch die Republik betroffenen Bundesländer schließlich Mitte November auf den vorläufigen Transport-Verzicht einigten, da in den bevorstehenden Wintermonaten der Einsatz für die Polizisten nicht zu verantworten sei.

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WDR 20.2.2005:

Atomkraftgegner machen mobil

In der ersten Juni-Hälfte wird mit Castor-Transporten gerechnet

Straßenblockaden und Widerstandscamps - diese Proteste gegen die Atommülltransporte nach Ahaus haben am Sonntag (20.02.05) Atomkraftgegner angekündigt. Sie kritisierten auch die Ausbaugenehmigung für die Urananreicherungsanlage Gronau.

AKW-Gegner machen mobil

Mitglieder der Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus" teilten am Sonntag (20.02.05) mit, dass sie massiven Widerstand gegen die nächsten Castor-Transporte in ihre Stadt leisten werden. Die Bürgerinitiative rechnet in der ersten Juni-Hälfte mit den Transporten von 18 Castor-Behältern. Sie sollen in drei Fuhren nach NRW befördert werden. Dann werde es Straßenblockaden in Dresden und Ahaus geben, sowie Widerstandscamps entlang der Autobahn, sagten die Atomkraftgegner. Die Autobahnstrecke zwischen dem sächsischen Rossendorf bei Dresden und Ahaus betrage rund 600 Kilometer.

Bürgerinitiative gegen Ausbau von Gronau

Zudem lehnte "Kein Atommüll in Ahaus" die Ausbaugenehmigung für die Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau ab. Damit betreibe die rot-grüne Landesregierung eine "aktive Förderung der Atomenergie". Die Genehmigung dazu war am 14. Februar vom nordrhein-westfälischen Energieministerium erteilt worden. Damit können künftig in Gronau statt 1.800 Tonnen bis zu 4.500 Tonnen spaltbares Material jährlich produziert werden. Diese Menge reicht zur Versorgung von 36 Atomkraftwerken, bislang waren es 15. Zusätzlich wurde der Bau eines Zwischenlagers für 50.000 Tonnen Uranoxid genehmigt. Das Verfahren hatte mehr als vier Jahre gedauert.

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Freie Presse Sachsen 20.02.2005

Castor-Gegner rechnen mit Atommülltransport aus Sachsen ab Ende Mai

Münster/Dresden (ddp-lsc). Castor-Gegner rechnen ab Ende Mai mit dem im vergangenen Jahr geplatzten Atommülltransport aus Rossendorf ins münsterländische Ahaus. Der Sprecher vom «Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen», Willi Hesters, sagte der Nachrichtenagentur ddp am Sonntag nach einem Aktionstreffen in Münster, die Initiativen gingen inzwischen fest von einem Beginn der Transporte ab dem 27. Mai und damit fünf Tage nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen aus. Geplant würden derzeit eine Reihe von Aktionen gegen den Transport in mehreren Bundesländern, darunter auch in Sachsen.

Gedacht sei etwa an «Widerstandscamps an Autobahnauffahrten und Autobahnbrücken». Wenn dieser Transport gelinge, wäre das laut Hesters «der Türöffner für weitere Atommüll-Fuhren beispielsweise von den Forschungsreaktoren in München oder Jülich nach Ahaus». Auf dem Treffen in Münster sei ein «Widerstandsfahrplan» festgelegt worden. Der Transport müsse ab Rossendorf zunächst etwa 16 Kilometer lang über eine Landstraße führen, an der es auch Waldflächen gebe. Dies sei ein «neuralgischer Punkt», fügte Hesters hinzu. Die Initiativen, die ein Camp auch in Ahaus selbst planten, werden nach seinen Angaben ebenso versuchen, die Leertransporte mit den für die Fahrten erforderlichen speziellen Stoßdämpfer-Paaren aufzuhalten.

Diese waren von Sachsen beschafft und bezahlt worden, um die Zahl der Transporte auf drei Kolonnen-Fuhren zu verringern. Der Freistaat hatte im vergangenen Jahr vergeblich darauf gedrängt, die 18 Castoren mit insgesamt 951 Brennstäben aus dem ehemaligen DDR-Forschungsreaktor Rossendorf ins münsterländische Brennelemente-Zwischenlager Ahaus zu bringen.

Die rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen war zwar mehrmals vergeblich juristisch gegen die Genehmigung des Straßentransports vorgegangen. Die dadurch entstandenen Verzögerungen bewirkten indes, dass sich die von einem Transport quer durch die Republik betroffenen Bundesländer schließlich Mitte November auf den vorläufigen Transport-Verzicht einigten, da in den bevorstehenden Wintermonaten der Einsatz für die Polizisten nicht zu verantworten sei.

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WDR17.02.2005

Koalitionsstreit um Gronauer Uran-Anlage

NRW-Grüne prüfen rechtliche Schritte

Der Ausbau der Uran-Aufbereitungsanlage in Gronau treibt die Grünen auf die Barrikaden. Sie kritisieren ihren Koalitionspartner SPD, mit der Gronauer Entscheidung gegen das Atomausstiegsgesetz verstoßen zu haben, und prüfen juristische Schritte. Ein Pro und Contra.

Pro: Werner Bischof, wirtschaftspol. Sprecher der SPD-Landtagsfraktion

"Die Genehmigung zur Erweiterung der Urananreicherungsanlage wird die Koalition nicht in eine Krise stürzen. Erstens gehörte Gronau für die NRW-Koalition nie zu den Atomausstiegsprojekten. Zudem beinhaltet der Atomkonsens zwischen der Bundesregierung und den führenden Kernkraftbetreibern die 'geordnete Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität'.

Zudem hat die zuständige Aufsichtsbehörde, das Bundesinnenministerium, der Genehmigung zum Ausbau der Gronauer Anlage durch das Land nicht widersprochen. Das Verfahren hat somit nach geltendem Recht stattgefunden.

Außerdem ist bekannt, dass die Anlage in Gronau bisher nur eine Teilgenehmigung hatte und auf jeden Fall ein Erweiterungsantrag gestellt werden würde. Wäre die Genehmigung nicht erteilt worden, hätte das Unternehmen auf seine Standorte im europäischen Ausland ausweichen müssen. Das hätte die Investitionsentscheidung für Gronau und die damit verbundenen Arbeitsplätze generell in Frage gestellt."

Contra: Rüdiger Sagel, atompol. Sprecher der NRW-Grünen

"Der geplante Ausbau der Urananreicherungsanlage in Gronau wird von der Grünen-Landtagsfraktion weiterhin abgelehnt. Die Erweiterung widerspricht der Zielsetzung des Atomausstiegs und dem Sinn des Atomausstiegsgesetzes. Die Erhöhung der Kapazität dieser Anlage zur Erzeugung von Kernbrennstoff für Atomkraftwerke von 1.800 auf 4.500 Tonnen Urantrennarbeit bringt größere Sicherheitsprobleme mit sich. Zahlreiche neue Urantransporte sind die Folge.

Die Grünen haben sich immer wieder für die Stilllegung der Gronauer Anlage und anderer Atomanlagen eingesetzt und werden das auch weiterhin tun. Mit der bisher produzierten Kapazität kann bereits jährlich Uran für den Betrieb von rund 15 Atomkraftwerken angereichert werden; künftig wird die Menge für rund 35 solcher Anlagen reichen - und das, obwohl in der Bundesrepublik immer weniger Atomkraftwerke in Betrieb sind.

Die SPD muss sich fragen lassen, ob sie noch für einen konsequenten Atomausstieg steht. Die Entscheidung über die Gronauer Anlage liegt bei NRW-Energieminister Horstmann und nicht bei Bundesumweltminister Trittin. Wir meinen, dass Horstmann seine Entscheidungskompetenz hier hätte voll ausschöpfen müssen, um die Genehmigung zu untersagen."

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TAZ Ruhr 17.2.05:

Atom-Traffic nimmt zu

Gestern wurde wieder radioaktiver Atommüll in Castoren durch Ruhrgebiet und Münsterland gefahren

MÜNSTER taz Gestern am frühen Morgen haben Atomkraftgegner im Ruhrgebiet und Münsterland gegen die Durchfahrt eines Castor-Transportes protestiert. Der Zug mit vier Castor-Behältern aus dem Atomkraftwerk Stade sollte in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch von Deutschland nach Frankreich fahren. Der Transport passierte gegen acht Uhr den Osnabrücker Hauptbahnhof, um 8.44 Uhr Münster-Hiltrup und erreichte um 9.10 Uhr Hamm. Von dort sollte der Atomzug über Lünen-Waltrop-Recklinghausen-Duisburg-Köln weiter in die Plutoniumfabrik La Hague in Frankreich fahren. Wie jeder Transport verlief auch dieser streng geheim: Die Landesregierung und die Polizei hatten den Atomtransport nicht angekündigt. Jeder Castor-Behälter enthält das mehrfache radioaktive Material einer Hiroshima-Bombe. Fünf bis acht Kilo verbrauchtes Plutonium reichen für eine Bombe.

Bereits am Dienstag Abend hatten Atomkraftgegner auf einer Kundgebung in Münster gegen den Atomtransport und gegen die genehmigte Erweiterung der Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau durch die rot-grüne Landesregierung protestiert (taz berichtete). Dabei bekräftigten die Anti-Atom-Initiativen aus dem Münsterland ihre Forderung an die Landesgrünen, wegen dieser "klaren Fehlentscheidung" des SPD-geführten Energieministeriums in Düsseldorf die Koalitionsfrage zu stellen.

Frankreichs konservative Regierung setzt bisher weiter auf die atomare Energie, Wind- und Solarkraft spielen nur eine geringe Rolle. Die 58 französischen Reaktoren erzeugen jedes Jahr 12.000 Tonnen radioaktive Abfälle. Da die Wiederaufbereitungsanlagen immer mehr Atommüll erzeugen, als sie verbrauchen, wird der Atommüll-Verkehr zwischen den beiden Nachbarländern künftig zunehmen.

Davon ist auch Nordrhein-Westfalen betroffen: Durch die Erweiterung der UAA ist in Zukunft mit deutlich mehr Urantransporten durch Gronau, Ahaus, Münster und das Münsterland zu rechnen. Das Münsterland wird damit zu einem Zentrum der bundesdeutschen Atomindustrie.

HÉLÈNE WANYOU

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TAZ 16.02.05

Die Uranfirma Urenco

Die 1964 in Jülich gegründete "Gesellschaft für Kernverfahrenstechnik", eine Firma des Bundes, sollte eine betriebssichere und wirtschaftliche Zentrifuge zur Urananreicherung entwickeln. 1970 wurde das Unternehmen privatisiert und mittlerweile gehört die Urenco Deutschland GmbH zur Urenco Ltd, an der die Uranit GmbH ein Drittel hält. Besitzer der Uranit GmbH sind zu gleichen Teilen Eon und RWE.

In der Gronauer Anlage wird aus Uranhexafluorid angereichertes sowie abgereichertes Uran. Das angereicherte kann zur Beschickung von Atomkraftwerken benutzt werden, abgereichertes Uran, so genanntes "Tails"-Uran, kann zur Herstellung von Uranmunition verwendet werden. Nur wenige, große Anreicherungsanlagen können aus Tails erneut angereichertes Uran herstellen, weshalb ein Transport Tails im vergangenen Jahr von Gronau nach Russland ging. Vor dem Hintergrund des Nuklearstreits mit dem Iran und Nordkorea verlangte kürzlich der Chef der internationalen Atomenergiebehörde, Mohammed el Baradei, ein fünfjähriges Moratorium für Urananreicherungsanlagen. KOK

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Kölner Stadt Anzeiger 15.02.05

Atomanlage droht Koalition zu spalten

VON GÜNTHER M. WIEDEMANN, 15.02.05, 07:06h

Düsseldorf - Die bundesweit einzige Uran-Anreicherungsanlage in Gronau kann ihre Kapazitäten mehr als verdoppeln. Nordrhein-Westfalens Energieminister Axel Horstmann (SPD) hat am Montag die Genehmigung für eine Erweiterung erteilt und damit heftigen Protest beim grünen Koalitionspartner ausgelöst. Die Entscheidung sei „politisch falsch" und widerspreche dem von SPD und Grünen beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie, erklärten die beiden Grünen-Landesvorsitzenden Britta Hasselmann und Frithjof Schmidt. Drei Monate vor der Landtagswahl droht damit eine ernste Koalitionskrise in Düsseldorf. Die Grünen im Stadtrat von Gronau forderten Horstmann auf, das Vorhaben zu stoppen.

Der Sprecher Horstmanns sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger", er könne die Aufregung der Grünen „nicht verstehen". Das Landesministerium habe den Antrag des Unternehmens aus dem Jahr 1998 auf Ausbau im Auftrag von Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) geprüft. Dessen Ministerium sei ständig eingebunden gewesen. Wenn das Verfahren ordnungsgemäß abgeschlossen sei, könne man die Entscheidung auch nicht künstlich verzögern. Im Übrigen habe die Sache „nichts mit dem Atom-Ausstieg zu tun". Gronau falle nicht unter diesen Beschluss, da es kein Atomkraftwerk sei, sondern eine chemische Anlage.

Das sehen die Grünen anders: Der Ausbau „widerspricht dem gesetzlich verankerten Atomausstieg", erklärte Rüdiger Sagel, atompolitischer Sprecher der Landtagsfraktion. Die Erhöhung der Kapazität der Anlage von 1800 auf 4500 Tonnen pro Jahr bringe größere Sicherheitsprobleme mit sich und habe zahlreiche neue Uran-Transporte zur Folge. Schon heute seien im Bundesgebiet wegen Gronau jährlich bis zu 500 Lkws mit Uran unterwegs. Mit den bisher produzierten Uran-Brennstäben könnten jährlich 14 bis 15 Atomkraftwerke versorgt werden, obwohl nur 10 in Betrieb seien. Sagel: „Wir werden uns daher weiterhin mit aller Kraft politisch für die Abschaltung und Stilllegung dieser Anlage einsetzen."

Mehrere Bürgerinitiativen bezeichneten das Düsseldorfer Energieministerium als „willigen Erfüllungsgehilfen der Atomindustrie". Rot-Grün nehme den selbst propagierten Ausstieg aus der Atomenergie nicht ernst, erklärte Udo Buchholz vom Arbeitskreis Umwelt. Sogar die internationale Atomenergiebehörde habe ein Moratorium für den Bau neuer Anreicherungskapazitäten gefordert.

Nach Angaben des Ministeriums wurde in dem Genehmigungsverfahren insbesondere geprüft, ob die Anlage gegen Schäden und gegen Störmaßnahmen Dritter ausreichend geschützt ist. Gutachter hätten dem Betrieb ausreichende Sicherheit attestiert. Kritiker bestreiten dies. So könne die Anlage nicht dem Absturz eines Passagierflugzeugs standhalten. Die Wahrscheinlichkeit für solch einen Zwischenfall sei jedoch extrem gering, sagte ein Ministeriumssprecher.

Die Uran-Anreicherungsanlage wird von der Urenco Deutschland GmbH betrieben; sie ist Tochterfirma eines deutsch-britisch-niederländischen Atomenergiekonsortiums. Das Unternehmen betreibt auch im niederländischen Almelo, unweit der Stadt Gronau, eine Urananreicherungsanlage. Für die Erweiterung der Gronauer Anlage müssen nach Angaben des Ministeriums eine zweite Uran-Isotopen-Trennanlage sowie ein Uranoxidlager für 50 000 Tonnen abgereichertes Uran errichtet werden. Das Uran wird für die Herstellung von Brennelementen in Atomkraftwerken hergestellt. Nach Angaben eines Urenco-Sprechers soll sich der Ausbau bis ins „kommende Jahrzehnt" hinziehen. Dafür sollen rund 700 bis 800 Millionen Euro in die Anlage investiert werden. Mit dem Uran können 30 bis 35 Atomkraftwerke betrieben werden.

Gegen den Ausbau der UAA hatten seit langem zahlreiche Anti-Atomkraft-Initiativen vor allem aus dem Münsterland demonstriert. „Mit großem Entsetzen" reagierten daher auch die Atomkraftgegner aus dem Münsterland auf die Entscheidung. Die Landesregierung habe „sich vom Atomausstieg in NRW verabschiedet", hieß es. Die Initiativen riefen zu öffentlichen Protesten gegen die „drastisch verschärfte Atompolitik in NRW" auf. Zudem forderten die Initiativen die NRW-Grünen auf, die Koalitionsfrage zu stellen und die SPD zu einer Umkehr in ihrer Atompolitik zu bewegen. Nur so könnten die Grünen ihre Glaubwürdigkeit auf diesem Feld behalten. (mit ddp)

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Kölner Stadt Anzeiger 18.02.05

Erweiterung der Uran-Anlage politisch falsch - Umweltministerin Bärbel Höhn.

Die NRW-Grünen haben die Genehmigung für die Urananreicherungsanlage Gronau kritisiert. Darüber sprach Thomas Geisen mit NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne). KÖLNER STADT-ANZEIGER: Frau Höhn, die Uran-Anlage Gronau verdreifacht ihre Produktion. Sieht so der Atom-Ausstieg aus?

BÄRBEL HÖHN: Nein, so sieht er eben nicht aus. Deshalb halte ich die Erweiterung der Uran-Anreicherungsanlage auch politisch für falsch.

Was tun die Grünen dagegen?

HÖHN: Wir haben das in Fraktion und Partei diskutiert. Es wird geprüft,

ob wir juristisch dagegen vorgehen.

Verglichen mit früheren Zeiten fällt der Protest doch eher milde aus?

HÖHN: Das sehe ich nicht so.

Haben Sie keinen guten Draht mehr zu Jürgen Trittin, der den Ausbau ja geprüft hat?

HÖHN: Es hat Einwände des Bundesumweltministeriums gegeben, die die

Firma offensichtlich ausräumen konnte.

Ist die rot-grüne Harmonie in Düsseldorf gestört?

HÖHN: Die Rechtslage ist halt so, dass ein Antragsteller, wenn er die Auflagen des Gesetzgebers erfüllt, ein Anrecht auf Genehmigung hat.

Hätte Ihr Kollege, Energieminister Horstmann (SPD), mit der Ankündigung nicht noch bis nach der NRW-Wahl warten können?

HÖHN: Das kann ich nicht beurteilen. Wir diskutieren über den Antrag zur Erweiterungsanlage in Gronau ja schon seit zwei Jahren.

Im Moment sieht es nicht so gut aus für die Grünen: Visa-Affäre, Ärger mit Volmer, Angriffe auf Sie und Joschka Fischer, jetzt auch noch Gronau - erfüllt Sie das mit Sorge?

HÖHN: Wir sollten uns auf NRW-Themen konzentrieren, denn dies ist ein NRW-Wahlkampf. Wir haben als Grüne gute Arbeit geleistet und können gute Erfolge vorweisen. Deshalb bin ich zuversichtlich.

Heißt die Devise bei Gronau: Stillhalten, bloß keine Streit-Debatte?

HÖHN: Eben nicht. Wir diskutieren die Themen ja aus. Wir gehen die Vorwürfe offensiv an, wie man das am Beispiel der Visa-Debatte sehen kann. Wir stellen uns dieser Diskussion - und zwar inhaltlich.

(KStA)

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Arbeitskreis Umwelt Gronau

Mitglied im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) e. V.

Gronauer Initiative für ein Leben mit der Natur

 

Presseinformation: 16.2.2005

Bürgerinitiative: SPD und Grüne sollen Rechtsstreit gegen

NRW-Uranfabrik mit 40.000,- Euro mitfinanzieren.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, der folgende Brief (Antrag) des AKU Gronau ist heute gleichlautend an die Landesverbände der SPD und der Grünen in NRW geschickt worden (Fax / Post). Beide Parteien werden darin aufgefordert, sich an den Kosten einer Klage gegen den Ausbau der Gronauer Urananreicherungsanlage (UAA) zu beteiligen. Beantragt wurden jeweils 20.000 Euro. Am Montag hatte das NRW-Energieministerium den Ausbau der Anlage, gegen den mehr als 7000 Einsprüche erhoben worden sind, genehmigt. Wir bitten um Berichterstattung.

Mit freundlichen Grüßen Werner Neuman

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Offener Brief 17.02.05

Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau / Unterstützungsantrag

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

bekanntlich hat am 14. Februar 2005 das NRW-Energieministerium unter Federführung von Minister Dr. Horstmann den Ausbau der bundesweit einzigen Urananreicherungsanlage genehmigt. Die Genehmigung beinhaltet u. a. auch den Bau eines „Zwischen"lagers für Uranoxid, das bundesweit ebenfalls einzigartig sein wird. Indirekt genehmigt wurden damit 2770 Urantransporte mit LKW oder 840 Bahnwaggons mit Uranladungen pro Jahr.

Wir verurteilen diese Genehmigung in schärfster Form. Gegen die Ausbaupläne wurden über 7000 Einsprüche erhoben und 2003 fand ein mehrtägiger Erörterungstermin statt, bei dem zahllose Argumente gegen den UAA Ausbau vorgetragen wurden. Dies alles wurde nicht berücksichtigt.  

Während weltweit die militärische Brisanz von Urananreicherungsanlagen (UAA) immer mehr als bedrohlich erkannt wird, und dem Iran offen wegen dessen UAA gedroht wird, wurde im rot-grün regierten NRW der Ausbau der UAA Gronau scheinbar locker-flockig genehmigt, so als gäbe es keine Debatten über die Urananreicherung, keinen Moratoriumsvorschlag von IAEO-Chef El Baradei und als gäbe es keinen Atomausstiegsbeschluss. Zukunftig sollen noch mehr AKWs in aller Welt mit Gronauer Uran versorgt werden und zukünftig sollen noch mehr Urantransporte nach Gronau und wieder weg rollen, und dabei die Bevölkerung nicht nur in Deutschland gefährden, sondern auch in den Niederlanden, in Frankreich, Rußland und anderswo.  

Der AKU Gronau ist darüber maßlos empört und wirft der NRW-Landesregierung Scheinheiligkeit vor. Sie hat zwar im Jahr 2004 gegen den Transport von Atommüll von Rossendorf nach Ahaus oberflächlich Widerstand geleistet. Gleichzeitig hat sie aber den Ausbau der UAA Gronau vorbereitet und bereits in 2004 zahllose Urantransporte von und nach Gronau gebilligt. Der halbseidene Protest der Landesregierung gegen den Castor-Transport nach Ahaus erfolgte erst durch den Druck der Bürgerinitiativen und war letztlich ein willkommenes Ablenunkungsmanöver von den Ausbauplänen in Gronau.  

Wir sind darüber enttäuscht, dass die Regierungsparteien in Land und Bund keinen spürbaren Widerstand gegen die Ausbaugenehmigung geleistet haben. Es kann doch nicht sein, dass Regierungsparteien, die eigentlich aus der Atomenergie aussteigen wollen, keinen Einfluß auf die eigenen Minister (Trittin und Horstmann) haben. In dieser Suituation ersuchen wir Sie,

a) massiv und öffentlich von Minister Dr. Horstmann die Aufhebung der Ausbaugenehmigung zu fordern und

b) uns hilfsweise und unverzüglich jeweils 20.000 Euro zur Mitfinanzierung eines Rechtsstreites gegen den Ausbau der UAA zu spenden.

Die Genehmigung ist noch nicht rechtskräftig und kann noch angefochten werden. Dies wäre allerdings mit erheblichen Kosten verbunden (Rechts- und Sachbeistände etc.). Wenn Sie den Ausbau der UAA und den Betrieb von Atomkraftwerken ablehnen, dürfte es für Sie ein leichtes sein, aus dem Wahlkampfetat jeweils 20.000 Euro zur Verfügung zu stellen. Sicherlich haben Sie auch auf Ihre Bundesparteien, die sich ja ggf. ebenfalls beteiligen könnten.

Für eine Klagebegründung sind verschiedene Ansätze denkbar: Fehlende Entsorgung, Verstoß gegen den Atomausstieg, fehlender Schutz gegen Flugzeugabstürze, ungenügende Öffentlichkeitsbeteiligung im Genehmigungsverfahren, Trinkwasserfgefährdung etc. Allerdings ist bereits die Prüfung der Genehmigung hinsichtlich Mängel mit Kosten verbunden.

Daß auch Klagen gegen Urananreicherungsanlagen erfolgreich sein können, wurde bereits wiederholt bei der Schwesteranlage im niederländischen Almelo deutlich. Im Herbst 2004 wurde der Ausbau der niederländischen UAA gerichtlich untersagt wurde, da die Bevölkerung nicht ausreichend über die Ausbaupläne informiert worden war.

Wir hoffen, dass Sie sich mit der beantragten Spende für den Schutz der Bevölkerung einsetzen und damit ein deutliches Signal gegen den UAA-Ausbau setzen werden.

Mit atomenergiefeindlichen Grüßen Werner Neumann

Kassenwart des AKU Gronau

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Frankfurter Rundschau 17.02.2005

Umweltverbände fürchten um Atomausstieg

Endausbau der Urananreicherung in Gronau genehmigt / Vorwürfe an

Landesregierung in NRW

Umweltschützer kritisieren die Genehmigung für den Endausbau der bundesweit einzigen Urananreicherungsanlage Gronau in Nordrhein-Westfalen. Die Grünen im Landtag erwägen nun juristische Schritte.

VON WOLFGANG HEININGER

Frankfurt a. M. · 16. Februar · Robin Wood und der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) werfen der rot-grünen Landesregierung vor, die eigene wie auch die Atomausstiegspolitik der Bundesregierung zu konterkarieren. Das Düsseldorfer Ministerium für Energie und Landesplanung hatte die atomrechtliche Genehmigung zum Endausbau der Urananreicherung in Gronau (Kreis Borken) auf eine Kapazität von 4500 Tonnen pro Jahr am Montag erteilt; Bundesumweltministerium und Strahlenschutzkommission hatten den Plänen des Betreibers Urenco bereits zugestimmt. Die Anlage ist seit knapp 20 Jahren in Betrieb. Schon damals war der Standort auf eine Kapazität von 5000 Tonnen ausgelegt worden. Erlaubt war bislang die jährliche Verarbeitung von 1800 Tonnen.

In Gronau wird der Anteil des spaltbaren Isotops U-235, der im natürlichen Uran weniger als ein Prozent ausmacht, mittels Gaszentrifugen auf bis zu sechs Prozent angehoben. Das Material wird danach an anderen Standorten zu Brennelementen verarbeitet.

Robin Wood wirft Energieminister Axel Horstmann (SPD) vor, er habe sich mit seiner Entscheidung über alle fachlichen Argumente hinweggesetzt und sich "ganz offiziell vom Atomausstieg verabschiedet". Künftig könne die Anlage 35 statt 14 Atommeiler mit Brennstoff beliefern. Die Zahl der gefährlichen Uranfahrten durch die Republik werde sich dadurch drastisch erhöhen. Der BBU moniert, einerseits protestiere die Landesregierung gegen die Castor-Transporte durch NRW, andererseits forciere sie die Ausbaupläne in Gronau.

Das Atomausstiegsgesetz beziehe sich auf die Stromerzeugung durch Kernkraftwerke, widerspricht Ministeriumssprecher Lothar Wittenberg: Die Urananreicherung in einem chemischen Betrieb sei davon nicht beührt. Die Landtagsgrünen kündigten am Mittwoch eine juristische Prüfung an, um den Ausbau doch noch zu stoppen.

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Junge Welt 16.02.2005

Inland Reimar Paul

Mehr Uran für mehr AKW

Anlage in Gronau darf Kapazität verdreifachen. Düsseldorfer Energieministerium genehmigte in dieser Woche die Erhöhung der Jahreskapazität

Die Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau an der niederländischen Grenze in Nordrhein-Westfalen kann künftig dreimal so viele Atomkraftwerke mit »Brennstoff« versorgen wie bislang. Das Düsseldorfer Energieministerium genehmigte in dieser Woche die Erhöhung der Jahreskapazität von 1 800 auf 4 500 Tonnen Trennarbeit. Das entspricht dem Bedarf von 35 großen Atomkraftwerken &endash; in Deutschland laufen 18 Reaktoren.

Das Energieministerium von NRW betonte, das Bundesumweltministerium habe dem Genehmigungsentwurf zugestimmt. Vor dem Ja zum Ausbau seien in einem mehrjährigen Genehmigungsverfahren die Zuverlässigkeit des Betreibers Urenco Deutschland, die Risiken und der Schutz der Anlage gegen Störmaßnahmen überprüft worden.

In der einzigen deutschen UAA wird seit 1985 Uran für die Nutzung in Atomkraftwerken angereichert. Die natürlich vorkommende Pechblende besteht nur zu etwa 0,7 Prozent aus dem spaltbaren Isotop Uran 235, in Atomkraftwerken ist aber ein Uran-235-Anteil von mindestens drei bis vier Prozent erforderlich. Die Anreicherung erfolgt in mehreren Stufen in einer riesigen Gaszentrifuge. Gegenstand der nun genehmigten Erweiterung ist insbesondere die Errichtung einer zweiten Uranisotopentrennanlage sowie eines Uranoxidlagers für 50 000 Tonnen abgereichertes Uran.

Bei der Urananreicherung verschwimmen die ohnehin unscharfen Grenzen zwischen ziviler und militärischer Nutzung der Atomenergie vollends. Höher angereichertes Uran kann zum Bombenbau verwendet werden &endash; dies wird derzeit dem Iran unterstellt. Außerdem entsteht als Abfallprodukt abgereichertes Uran, das für panzerbrechende Munition benutzt wird, wie sie westliche Staaten unter anderem im Jugoslawien- und Irak-Krieg verschossen haben.

Bürgerinitiativen haben die Genehmigung zum Ausbau der Fabrik scharf kritisiert. Udo Buchholz vom Arbeitskreis Umwelt Gronau warf der Landesregierung im Gespräch mit junge Welt »Scheinheiligkeit« vor. Zwar habe die Regierung im vergangenen Jahr gegen den Transport von Atommüll von Rossendorf nach Ahaus »oberflächlich Widerstand geleistet«. Gleichzeitig seien jedoch zahllose Urantransporte von und nach Gronau gebilligt worden. »Der halbherzige Protest der Landesregierung gegen den Castor-Transport nach Ahaus erfolgte erst durch den Druck der Bürgerinitiativen und war letztlich ein willkommenes Ablenkungsmanöver von den Ausbauplänen in Gronau«, sagte Buchholz.

Auch die Grünen-Fraktion im Düsseldorfer Landtag bekräftigte ihre Ablehnung. »Der geplante Ausbau ist politisch falsch und widerspricht dem gesetzlich verankerten Atomausstieg«, sagte ein Sprecher. Gegen die Ausbaupläne hatten Atomgegner mehr als 7 000 Einwendungen gesammelt. Sie wurden 2003 bei einem atomrechtlichen Erörterungstermin auch mündlich vorgetragen.

Wie die Atomgegner weiter vorgehen wollen, ist noch unklar. Nach Auffassung von Buchholz war das Genehmigungsverfahren zum Ausbau der UAA fehlerhaft, es müsse deshalb wiederholt werden. Er wies darauf hin, daß auch in den Niederlanden im Herbst 2004 der Ausbau einer Urananreicherungsanlage wegen eines Formfehlers gerichtlich untersagt wurde. »Der Widerstand gegen die UAA Gronau geht auf jeden Fall weiter, die Firma Urenco und die mit ihr verbündete Landesregierung können sich nicht zurücklehnen«, erklärte Buchholz.

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TAZ NRW 16.2.05:

Urenco: Genehmigung wackelt wieder

Die Gegner der Uran-Anreicherungsanlage in Gronau wollen die Genehmigung zur Ausweitung der Anlage anfechten.Es gebe weiterhin Klärungsbedarf. Geld für den Prozess sollen nach dem Willen von Bürgerinitiativen die Landesgrünen liefern

VON ELMAR KOK

Udo Buchholz, Ratsmitglied der Grünen in Gronau und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU), will die Landesgrünen für ihre Haltung im Streit um die Erweiterung der Urananreicherungsanlage Gronau bluten lassen. "Wir werden anfragen, ob der Landesverband bereit dazu ist, für einen etwaigen Prozess gegen die Erweiterung der Anlage 20.000 Euro bereitzustellen", sagte Buchholz gestern der taz.

Mit der Landtagswahl vor der Brust seien die Grünen sicherlich dazu bereit, die Summe aus dem Wahlkampfetat abzuzweigen, bevor sie das Thema Urananreicherungsanlage "im Wahlkampf ständig präsentiert bekommen", sagt Buchholz. Buchholz wirft den Grünen im Landtag vor, das Thema Urananreicherung regelrecht verschlafen zu haben. Dass die Genehmigung zur Erweiterung der Anlage nun noch vor der Landtagswahl erteilt wurde, komme der Anti-Atomkraft-Partei sicherlich ungelegen, so Buchholz.

Am Montag hatte das SPD-geführte Energieministerium in NRW die Genehmigung zum Ausbau der Anlage erteilt. Nach den Plänen von Urenco, die die Kapazität der Gronauer Anlage in den nächsten 10 Jahren fast verdreifacht werden. Statt bisher 15 Atomkraftwerke (AKW) könnten nach dem Ausbau rund 36 AKWs mit angereichertem Uran beliefert werden. Dass trotz Atomausstiegsgesetzes ein Ausbau der Anlage überhaupt möglich ist, liegt an den Energielobbyisten innerhalb der SPD. Sie drückten im Bund durch, den Brennstoffkreislauf innerhalb der Atomwirtschaft abzusichern. Das führt dazu, dass in Deutschland immer noch Uran angereichert werden darf. Sollte der Ausbau wie genehmigt kommen, würden umgerechnet 13 Lastwagen täglich als Transporte durch Gronau fahren, um die Anlage beliefern zu können.

Um den Ausbau noch stoppen zu können, werden die Atomkraftgegner versuchen, einen vom Anlagenbetreiber geplanten Erdwall zu instrumentalisieren. Der sechs Meter hohe Wall war im Erörterungsverfahren von Urenco als Lärmschutzwall für eine Dauer von 10 Jahren beantragt worden. So lange sollen die Bauarbeiten zur Erweiterung von Urenco in Gronau dauern. Nach Beendigung des Erörterungsverfahrens stellte die Urenco den Antrag, den Erdwall dauerhaft installieren zu dürfen. "Dass der Wall der Anlagensicherheit dienen soll, sagen die Urenco-Leute jetzt auch", so Buchholz. Dementsprechend hätte der dauerhafte Schutzwall auch Thema des Verfahrens sein müssen, folgert Buchholz. Diese Streitigkeit soll helfen, die Genehmigung anzufechten.

Dass für den Betreiber eine Erweiterung der Anlage zur Urananreicherung überhaupt Sinn macht, liegt daran, dass vor allem in Asien zurzeit neue Kraftwerke geplant sind. Allein die Volksrepublik China plant in den nächsten Jahren den Neubau von 20 Atomkraftwerken. Hinzu kommt, dass die Urenco-Anreicherungstechnik im Vergleich zu anderen Verfahren billig ist. Deshalb wurde Buchholz auch schon von amerikanischen Anwälten angerufen erzählt er. "Die wollten wissen, ob Urenco ungerechtfertigte Fördermittel oder Subventionen erhält", sagt Buchholz.

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taz 16.2.200

Die Uranfirma Urenco

Die 1964 in Jülich gegründete "Gesellschaft für Kernverfahrenstechnik", eine Firma des Bundes, sollte eine betriebssichere und wirtschaftliche Zentrifuge zur Urananreicherung entwickeln. 1970 wurde das Unternehmen privatisiert und mittlerweile gehört die Urenco Deutschland GmbH zur Urenco Ltd, an der die Uranit GmbH ein Drittel hält. Besitzer der Uranit GmbH sind zu gleichen Teilen Eon und RWE.

In der Gronauer Anlage wird aus Uranhexafluorid angereichertes sowie abgereichertes Uran. Das angereicherte kann zur Beschickung von Atomkraftwerken benutzt werden, abgereichertes Uran, so genanntes "Tails"-Uran, kann zur Herstellung von Uranmunition verwendet werden. Nur wenige, große Anreicherungsanlagen können aus Tails erneut angereichertes Uran herstellen, weshalb ein Transport Tails im vergangenen Jahr von Gronau nach Russland ging. Vor dem Hintergrund des Nuklearstreits mit dem Iran und Nordkorea verlangte kürzlich der Chef der internationalen Atomenergiebehörde, Mohammed el Baradei, ein fünfjähriges Moratorium für Urananreicherungsanlagen. KOK

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Westfälische Rundschau 16.2.05: 

Nur zwei Hubschrauber "bewachten" Castor-Transport durch Bergkamen

Etwa gegen 10 Uhr passierten gestern die vier Castor-Behälter den Bahnübergang Rotherbachstraße.

Bergkamen. (hb) In Münster-Hiltrup und Waltrop gab es gestern Morgen Mahnwachen, durch Bergkamen rollte am Mittwoch gegen 10 Uhr fast unbemerkt der jüngste Atommülltransport über die Gleise der Hamm-Osterfelder Bahnlinie.

Im "Gepäck" hatte der Zug vier Castor-Behälter mit Atommüll aus dem Atomkraftwerk Stade. Er befand sich gestern auf dem Weg über Lünen, Duisburg und Köln zur Wiederaufbereitungsanlage in La Hague/Frankreich.

"Die Landesregierung und die Polizei kündigten wie immer den Atomtransport nicht an und betreiben damit eine unverantwortliche Geheimniskrämerei. Jeder Castor-Behälter enthält das mehrfache radioaktive Material einer Hiroshima-Bombe", kritisiert Matthias Eickhoff von der Gruppe "Widerstand gegen Atomanlagen (WIGA)" Münster.

1998 noch mit Großaufgebot. . .

Begleitet war gestern der Castor-Transport von Demonstrationen unter anderem in Münster und Waltrop.

Diese Transporte selbst scheinen für die Behörden zumindest für das Bergkamener Stadtgebiet eine "Routineangelegenheit" geworden zu sein. Im März 1998, als zum ersten Mal Atommüll über die Hamm-Osterfelder Bahnlinie rollte, stand der auch in der Nordbergstadt unter der Bewachung eines Großaufgebots von Polizei und Bundesgrenzschutz.

Damals waren bereits Tage vor dem Transport Spähtrupps des Bundesgrenzschutzes durch Bergkamen geeilt. Die in den Augen der Sicherheitsbehörden neuralgischen Punkte wie die Straßenbrücke über der Industriestraße sowie die drei Bahnübergänge der Hamm-Osterfelder Linie in Oberaden waren fest in Polizeihand, die Bergehalde wurde ständig von Hubschraubern überflogen. Als der Vorzug, Begleithubschrauber und der eigentliche Castor-Transport schließlich durch Bergkamen rollten, waren die Anwohner längst angewiesen worden, in ihren Wohnungen zu bleiben. Das größte Problem hatten die Kumpel von Haus Aden: Weil die Bahnübergänge eine Stunde lang abgeriegelt waren, konnten sie ihre Schicht erst verspätet antreten.

Gestern wurde der Zug lediglich von zwei Hubschraubern begleitet.

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ROBIN WOOD 15.02.2005

Redaktion: Aktuelles/Umwelt/Wirtschaft

Atomausbau beschlossene Sache

ROBIN WOOD verurteilt die gestrige Entscheidung des Nordrhein-Westfälischen Energieministers Axel Horstmann zur Erweiterung der Urananreicherungsanlage in Gronau.

Gegen den Ausbau der einzigen deutschen Urananreicherungsanlage hatten im letzten Jahr mehr als 7.000 Menschen Einspruch erhoben. Weitere 600 Personen beteiligten sich an einem online-Protest von ROBIN WOOD und forderten Energieminister Horstmann auf, die Expansionspläne der Betreiberfirma Urenco nicht zu genehmigen.

"Schon während des mehrtägigen Erörterungstermins im Juli letzten Jahres war klar geworden, dass die Genehmigungsbehörde unter Minister Horstmann dem Antrag der Firma Urenco keine Steine in den Weg legen wollte," erklärt Bettina Dannheim, Energiereferentin von ROBIN WOOD. "Nur so ist zu erklären, warum die zahlreichen fachlichen Argumente gegen die Erweiterung der Anlage allesamt abgebügelt wurden. Mit seiner Entscheidung hat sich Energieminister Axel Horstmann ganz offiziell vom Atomausstieg verabschiedet."

Zur Zeit reicht die Kapazität der Atomfabrik aus, um 14 Atomkraftwerke mit Uran zu versorgen. Nach der jetzt erteilten Ausbau-Genehmigung können aus Gronau zirka 35 Atommeiler auf der ganzen Welt mit dem notwendigen Brennstoff versorgt werden.

Durch den Ausbau der Atomanlage wird sich auch die Zahl der gefährlichen Urantransporte durch das Bundesgebiet und durch benachbarte Länder drastisch erhöhen. Allein durch die Gronauer Innenstadt könnten pro Jahr künftig bis zu 2.770 LKWs oder 840 Bahnwaggons beladen mit hochgiftigem und strahlendem Uran rollen. Vor diesem Hintergrund sind die Proteste der Nordrhein-Westfälischen Landesregierung gegen den angekündigten CASTOR-Transport aus dem sächsischen Rossendorf ins Zwischenlager Ahaus mehr als unglaubwürdig.

ROBIN WOOD tritt auch weiterhin für den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie ein und wird auch weiterhin mit Worten und Taten gegen den Betrieb der Urananreicherungsanlage in Gronau streiten.

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Westfälische Nachrichten 15.2.05:

Erste neue Anlageteile 2007 in Betrieb

Von Klaus Wiedau

Gronau. Gestern Morgen noch hatten die Grünen im Gronauer Rat NRW-Energieminister Dr. Axel Horstman in einem Brief aufgefordert, keine Genehmigung zum Ausbau der Urananreicherungsanlage (UAA) zu erteilen. Doch da waren in Düsseldorf längst Fakten geschaffen: Endausbau der Urananreicherungsanlage Gronau genehmigt, lautete am frühen Nachmittag die Headline einer Pressemitteilung aus dem Ministerium für Verkehr, Energie und Landesplanung. In den kommenden Jahren soll die Anlage von derzeit 1800 Tonnen Urantrennarbeit im Jahr (tUTA/a) auf die Kapazität von 4500 tUTA/a ausgebaut werden. Die Urenco Deutschland GmbH hatte im September 1998 den Antrag gestellt.

Zwischen 700 und 800 Millionen Euro will das Unternehmen für den Endausbau bewegen, wie der Leiter der Anlage, Dr. Joachim Ohnemus, mitteilte und darauf verwies, dass damit langfristig Arbeitsplätze gesichert und Neueinstellungen geplant werden können. Die Sicherung des Standortes Gronau habe zudem positive Auswirkungen auf zahlreiche Planungs- und Zulieferfirmen in Gronau und in der Umgebung. Mit den Bauarbeiten für die Errichtung einer ersten Betriebseinheit der neuen Trennhalle werde in Kürze begonnen - von der Urenco Ltd. in Marlow/England seien dafür Mittel in Höhe von 200 Millionen Euro bewilligt worden. Die Inbetriebnahme neuer Anlageteile ist für die zweite Hälfte 2007 geplant. Der Baustellenverkehr, so Ohnemus weiter, werde auf dem Grundstück östlich der Anlage geführt, um ihn vom betriebsinternen Verkehr zu trennen. Als Ausgleich für Entwässerungsgräben wird Urenco nach eigenen Angaben auf einer Fläche von 1800 Quadratmetern ein Ausgleichsbiotop anlegen.

Bürgermeister Karl-Heinz Holtwisch begrüßte gestern gegenüber den WN die Entscheidung der Landesregierung, mit der den ursprünglichen Plänen zum Ausbau der Anlage Rechnung getragen werde. Dass die Genehmigung vom Land in Verbindung mit der Bundesregierung erteilt worden sei, wertete Holtwisch als deutliches Zeichen dafür, dass es sich hier um eine besondere Anlage handelt, die nicht gleichzusetzen ist mit dem propagierten Ausstieg aus der Kernenergie. Aus Sicht der Stadt sei die Entscheidung zum Ausbau auch deshalb zu begrüßen, weil damit nach Aussage des Bürgermeisters die Schaffung weiterer hochqualifizierter Arbeitsplätze verbunden ist. Und, so Holtwisch weiter: Wir verbinden damit natürlich auch die Hoffnung auf eine positive Gewerbesteuerentwicklung. Dass es auch Bevölkerungskreise gibt, die in erster Linie Angst vor den Gefahren der Anlage hat, weiß auch Holtwisch. Aber: Nach meiner Einschätzung ist die Anlage weniger mit einem Kernkrafwerk, sondern eher mit einer chemischen Fabrik zu vergleichen, obwohl sie natürlich im atomrechtlichen Verfahren genehmigt wird. Holtwisch, der am ersten Genehmigungsverfahren in seiner damaligen Funktion als Leiter der Bauaufsicht in Gronau sehr intensiv beteiligt war, verwies in auf das sehr langwierige und intensive Genehmigungsverfahren und darauf, dass die Anlage seit Jahrzehnten problemlos in Betrieb sei. Holtwisch: Es gibt andere Bereiche des Lebens, die gefährlicher sind als die Anlage.

Der Ausbau stehe im krassen Widerspruch zu allen Atomausstiegsbeschlüssen, so Udo Buchholz vom Arbeitskreis Umwelt (AKU), der seit Jahren für die Stilllegung der Anlage kämpft. Verantwortlich für diesen Skandal ist SPD-Minister Horstman mitsamt der ganzen SPD-Riege, aber auch allen Grünen in maßgeblichen Funktionen - bis hin zu Bundesreaktorminister Trittin, so Buchholz. In Gronau werde das böse Erwachen kommen, wenn klar werde, dass neben der Kapazitätsausweitung auch ein Lager für 50000 Tonnen Uranoxid gebaut werde und wenn nahezu täglich Urantransporte mit der Bahn durch Gronau fahren. Die Bürgerinitiative Kein Atommüll in Ahaus will nach Angaben von Sprecher Felix Ruwe ihre Mitglieder mobilisieren, sich bei der Landtagswahl im Mai gegen eine derart atomfreundliche Regierung zu entscheiden. Ruwe: Wenn sich Minister Horstman erdreistet, 100 Tage vor der Wahl eine solche Genehmigung auszusprechen, scheint er sich in Sachen Wahlausgang sehr sicher zu fühlen. Und: Wir werden mit Sicherheit auf diese rot-grüne Regierung verzichten.

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Westfälische Nachrichten 15,02,2005

Endausbau der Urananreicherungsanlage Gronau genehmigt.

Presseinfo vom 14.02.2005: Das Ministerium für Verkehr, Energie und Landesplanung des Landes NRW informiert:

Das Ministerium für Verkehr, Energie und Landesplanung des Landes Nordrhein-Westfalen (MVEL) hat heute (14.02.) der Urenco Deutschland GmbH die atomrechtliche Genehmigung zum Endausbau der Urananreicherungsanlage Gronau auf eine Kapazität von 4.500 Tonnen Urantrennarbeit pro Jahr (t UTA/a) sowie deren Betrieb erteilt. Sie konnte erteilt werden, nachdem das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - in dessen Auftragsverwaltung das MVEL tätig ist - zusammen mit der Strahlenschutz- und Reaktorsicherheits-kommission dem Genehmigungsentwurf zugestimmt hatte.

In einem mehrjährigen Genehmigungsverfahren nach dem Atomgesetz war zuvor neben der Zuverlässigkeit und Fachkunde des Betreiberunternehmens insbesondere geprüft worden, ob die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch Errichtung und Betrieb der Anlage getroffen und die Anlage gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter hinreichend geschützt ist. Hierfür hat das Ministerium mehrere Gutachter hinzugezogen. Bestandteil der Genehmigung sind zahlreiche sicherheits- und sicherungstechnische Auflagen. Außerdem wurden eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt, die sich wegen des grenznahen Standortes der Anlage auch auf die Niederlande erstreckten. Die dort erhobenen Einwendungen gegen das Vorhaben, wurden im weiteren Verfahren geprüft und berücksichtigt.

In der Urananreicherungsanlage Gronau wird Brennstoff für Kernkraftwerke erzeugt, indem mit Hilfe von Gaszentrifugen der Anteil des spaltbaren Uran-Isotops U-235, der in natürlichem Uran weniger als 1 Prozent beträgt, auf bis zu 6 Prozent erhöht wird. Das so angereicherte Uran wird andernorts bei der Herstellung von Brennelementen für Kernkraftwerke verarbeitet. Die Urananreicherungsanlage Gronau nahm 1985 mit den ersten Einheiten ihren Betrieb auf und wird seitdem kontinuierlich ausgebaut. Schon damals war der Standort auf eine Kapazität von 5.000 t UTA/a ausgelegt. Gegenwärtig ist ein Betrieb mit einer Kapazität von bis zu 1.800 t UTA/a zugelassen, die im Laufe dieses Jahres erreicht wird. Gegenstand des Erweiterungsvorhabens ist insbesondere die Errichtung einer zweiten Uranisotopentrennanlage sowie eines Uranoxidlagers für 50.000 t abgereichertes Uran.

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Kölner Stadt Anzeiger 14.02.2005

Urananlage Gronau wächst enorm

GRONAU. Die bundesweit einzige Urananreicherungsanlage (UAA) in Gronau (Kreis Borken) wird deutlich erweitert. Das nordrhein-westfälische Energieministerium erteilte die Genehmigung für die umstrittene Aufstockung der Anlage von bisher 1800 Tonnen auf bis zu 4500 Tonnen Uran-Trennarbeit pro Jahr. Die daraus produzierte Menge an spaltbarem Material reicht zum Betrieb von 36 statt bisher 15 größeren Atomkraftwerken. Bestandteil der Genehmigung ist auch der Bau eines Zwischenlagers für 50 000 Tonnen Uranoxid. Das Genehmigungsverfahren hatte mehr als vier Jahre in Anspruch genommen.

Der Ausbau stößt auf erheblichen Widerstand von Atomkraftgegnern und Umweltschützern. Die Grünen im Stadtrat von Gronau forderten Energieminister Axel Horstmann (SPD) auf, das Vorhaben zu stoppen. Zumindest müsste aber der Bevölkerung Gelegenheit gegeben werden, ausreichend zu dem Bauvorhaben Stellung zu nehmen.

An dem Verfahren war auch das von Jürgen Trittin (Grüne) geführte Bundesumweltministerium beteiligt. Udo Buchholz vom Arbeitskreis Umwelt (Gronau) kritisierte deshalb auch die Politik der Grünen auf Bundes- und Landesebene. Sie nehme den von ihr selbst propagierten Ausstieg aus der Atomenergie nicht ernst. Sogar die internationale Atomenergiebehörde habe ein Moratorium für den Bau neuer Anreicherungskapazitäten gefordert.

Laut Ministerium sei in dem rund vier Jahre dauernden Genehmigungsverfahren insbesondere geprüft worden, ob die Anlage gegen Schäden und gegen Störmaßnahmen Dritter ausreichend geschützt ist. Gutachter hätten ausreichende Sicherheit attestiert. Kritiker bestreiten dies. So könne die Anlage nicht dem Absturz eines Passagierflugzeuges standhalten. Die Wahrscheinlichkeit einen solchen Falls sei jedoch extrem gering, sagte ein Ministeriumssprecher.

Die Urananlage wird von der Urenco Deutschland GmbH, Tochter eines deutsch-britisch-niederländischen Atomenergiekonsortiums, betrieben.

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AP Montag 14. Februar 2005, 17:15 Uhr

Grünes Licht für Ausbau der Urananreicherungsanlage Gronau

Düsseldorf (AP) Die umstrittenen Urananreicherungsanlage im münsterländischen Gronau darf ihre Kapazität annähernd verdreifachen. Das Düsseldorfer Energieministerium gab am Montag grünes Licht für die Erhöhung der Jahreskapazität von 1.800 auf 4.500 Tonnen Jahrestrennarbeit. Nach Angaben von Umweltschützern entsprich dies dem Bedarf von 35 Atomkraftwerken. Die Grünen im Düsseldorfer Landtag wollen ihren Widerstand gegen den Ausbau fortsetzen.

Das nordrhein-westfälische Energieministerium betonte, das Bundesumweltministerium und die Strahlenschutz- und Reaktorsicherheitskommission hätten dem Genehmigungsentwurf zugestimmt. Vor dem Ja zum Ausbau seien in einem mehrjährigen Genehmigungsverfahren die Zuverlässigkeit des Betreibers Urenco Deutschland, die Risiken und der Schutz der Anlage gegen Störmaßnahmen überprüft worden.

In der Urananreicherungsanlage Gronau wird Brennstoff für Kernkraftwerke erzeugt, indem mit Hilfe von Gaszentrifugen der Anteil des spaltbaren Uran-Isotops U-235, der in natürlichem Uran weniger als 1 Prozent beträgt, auf bis zu 6 Prozent erhöht wird. Das so angereicherte Uran wird andernorts bei der Herstellung von Brennelementen für Kernkraftwerke verarbeitet. Die Anlage hatte 1985 ihren Betrieb aufgenommen. Gegenstand des Erweiterungsvorhabens ist insbesondere die Errichtung einer zweiten Uranisotopentrennanlage sowie eines Uranoxidlagers für 50.000 t abgereichertes Uran.

Die Grünen-Fraktion im Düsseldorfer Landtag bekräftigte allerdings ihren Widerstand gegen den geplanten Ausbau. Ihr atompolitischer Sprecher betonte: «Der geplante Ausbau ist politisch falsch und widerspricht dem gesetzlich verankerten Atomausstieg.» Die Erhöhung der Kapazität der Anlage zur Erzeugung von Kernbrennstoff für Atomkraftwerke vergrößere die Sicherheitsprobleme und habe neue Urantransporte zur Folge.

Die Grünen betonten, schon mit der bisher vorhandenen Kapazität könne jährlich Uran für den Betrieb von 14-15 Atomkraftwerken angereichert werden, obwohl in der Bundesrepublik nur 10 Atomkraftwerke in Betrieb seien. Zum Zweck der Urananreicherung werde zudem seit vielen Jahren laufend hochgefährliches Uran durch die Bundesrepublik transportiert.

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TAZ 16.02.05

Uranfabrik darf Produktion erhöhen

Der NRW-Energieminister genehmigt einen Antrag der Gronauer Atomfirma Urenco. Die Grünen haben sich bisher still verhalten. Doch kurz vor den Landtagswahlen bekommen sie Bauchschmerzen. Umweltschützer fühlen sich verschaukelt

VON KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Der Wolf in Nordrhein-Westfalen trage einen "rot-grünen Schafspelz". Das jedenfalls sehen Atomkraftgegner aus Münster so. Sie verweisen auf einen am Montagabend vom roten Energieministerium in Düsseldorf genehmigten Antrag der Atomfirma Urenco Deutschland, mit dem das Unternehmen die Jahreskapazität seiner Urananreicherungsanlage in Gronau an der Grenze zu den Niederlanden mehr als verdoppeln will: von bislang 1.800 Tonnen auf 4.500 Tonnen.

Der Antrag sei sowohl vom Bundesumweltministerium als auch von der Strahlenschutz- und der Reaktorsicherheitskommission gebilligt worden, sagte Landesenergieminister Axel Horstmann (SPD). Auch die Risiken und der Schutz der Anlage gegen "Störmaßnahmen" sei hinreichend überprüft worden, hieß es weiter. Urenco selbst verweist darauf, dass in der 1981 erteilten 1. Teilgenehmigung für den Anlagenbau sogar eine Jahreskapazität von 5.000 Tonnen festgeschrieben worden sei.

Mit der Kapazitätsausweitung jetzt könne Urenco rund 36 größere Atomkraftwerke in aller Welt mit angereichertem Uran beliefern; bislang waren es "nur" 15. Die aktuell beantragte Kapazitätsausweitung kostet Urenco rund 800 Millionen Euro. In der Anlage in Gronau wird das Uran in "Zentrifugenkaskaden" auf die von den Atomkraftwerken benötigte Konzentration angereichert.

Urenco betreibt in den Niederlanden und in Großbritannien noch zwei weitere Anreicherungsanlagen "für Kunden in aller Welt", wie das Unternehmen stolz vermeldet. Die Fabrik ist seit 1985 in Betrieb und produzierte bis zum Ende des Geschäftsjahres 2003 rund 12.000 Tonnen "Urantrennarbeit" (UTA), wie der Anreicherungsvorgang bei Urenco genannt wird.

Ursprünglich hatte die Urenco gehofft, den Antrag auf Kapazitätsausweitung schon im zweiten Quartal 2004 genehmigt zu bekommen. Schließlich hätten die Genehmigungsunterlagen schon von Januar bis Ende März 2003 entsprechend der atomrechtlichen Verfahrensordnung nicht nur in Gronau und in Düsseldorf, sondern wegen der Nähe zur Grenze auch in den holländischen Städten Enschede und Zwolle zur öffentlichen Einsicht ausgelegen. Der öffentliche Erörterungstermin fand dann im April 2003 statt - ohne größere Proteste von Umweltschützern oder Grünen.

Man setzte auch in Düsseldorf bei den Grünen generell auf den beschlossenen Ausstieg aus der Atomwirtschaft; und die Parteispitze verzichtete ausdrücklich darauf, juristisch gegen Gronau vorzugehen. Bauchschmerzen bekam die grüne Regierungspartei offenbar erst jetzt (wieder) - kurz vor den Landtagswahlen. Der Haussegen in Düsseldorf hänge jetzt "erheblich schief", war aus dem Landtag zu hören. Der Widerstand gegen den Ausbau soll fortgesetzt werden. Die Umweltschützer im Grenzland fühlen sich von Rot-Grün "verschaukelt". Man habe im Mai die Wahl zwischen Pest und Cholera, sagte Matthias Eickhoff vom Bündnis "Widerstand gegen Atomanlagen" in Münster - zwischen Rot-Grün und der CDU. Möglicherweise ist ihnen der "ehrliche Feind CDU" inwischen lieber.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

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WDRF 14.02.2005

Atom-Anlage in Gronau: Ausbau genehmigt

Grüne kritisieren NRW-Energieministerium

Die bundesweit einzige Urananreicherungsanlage in Gronau (Kreis Borken) wird ausgebaut. Das nordrhein-westfälische Energieministerium erteilte am Montag (14.02.05) die Genehmigung für die umstrittene Aufstockung der Anlage von bisher 1.800 auf bis zu 4.500 Tonnen Uran-Trennarbeit pro Jahr. Die dadurch produzierte Menge angereicherten Materials reicht zum Betrieb von 36 (statt bisher 15) größeren Atomkraftwerken. Bestandteil der Genehmigung ist auch der Bau eines Zwischenlagers für 50.000 Tonnen Uranoxyd. Das Genehmigungsverfahren hatte mehr als vier Jahre gedauert.

Grüne: "Politisch falsch"

Die Grünen in NRW bezeichneten die Entscheidung als "politisch falsch". "Der Ausbau widerspricht dem Geist des Atomausstiegsgesetzes", erklärten die Landesvorsitzenden Frithjof Schmidt und Britta Haßelmann. Auch mehrere Bürgerinitiativen der Region kritisierten die Entscheidung.

Nach Angaben des Ministeriums hat ein Gutachter festgestellt, dass die Anlage gegen Schäden und Störmaßnahmen von außen ausreichend gesichert sei. Kritiker bestreiten dies mit Blick auf einen möglichen Flugzeugabsturz über der Anlage.

Die Urananreicherungsanlage verarbeitet natürliches Uran zu sechsfach konzentriertem spaltbaren Uran, das sich für Kernbrennstäbe verwenden lässt. Sie gehört der Urenco Deutschland GmbH, der Tochter eines deutsch-britisch-niederländischen Atomkonzerns.

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Sächsische Zeitung 10. Februar 2005

Blockade gegen Castoren

Ahaus/Dresden. Für die Castor-Transporte aus dem Forschungsreaktor Rossendorf bei Dresden ins 600 Kilometer entfernte westfälische Zwischenlager Ahaus gibt es noch immer keinen Termin. Das bestätigte gestern das sächsische Innenministerium.

Atomkraftgegner rechnen jedoch in der ersten Juni-Hälfte mit den zwischen Sachsen und Nordrhein-Westfalen vereinbarten Transporten von 18 Behältern in drei Lastwagen-Fuhren. Darüber hinaus werden im Münsterland bereits Proteste gegen den Transport vorbereitet. „Wir wollen blockieren und uns den Castoren in den Weg stellen", sagte Felix Ruwe, Vorsitzender der Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus". „Wir haben mindestens fünf Zugriffsmöglichkeiten", bekräftigte er die Pläne.

Das Bundesamt für Strahlenschutz hatte die Genehmigung für die Transporte bis Ende 2005 verlängert. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte zunächst darauf bestanden, dass die Behälter nicht per Lastkraftwagen, sondern auf der Schiene nach Ahaus gelangen, die Blockade aber aufgegeben. Da Rossendorf keinen Gleisanschluss hat, kommen nur Lkw in Frage. (dpa)

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TAZ NRW 10.2.05:

Ein Jahrzehnt Enttäuschung

Nach zehn Jahren grüner Regierungsbeteiligung ziehen NRWs Anti-Atom-Initiativen ein bitteres Fazit: Die Partei habe sich aus der Anti-AKW-Bewegung verabschiedet. Statt Protest herrsche Schweigen

AUS AHAUS

ANDREAS WYPUTTA

Eine riesige Lagerhalle am Rand des Münsterlands, gut gesichert durch massive Stahltore und hohe Drahtzäune. Wer das Gelände des Brennelemente-Zwischenlagers Ahaus (BZA) betritt, bleibt keine Minute allein. Ob er helfen könne, fragt Michael Ziegler freundlich, aber bestimmt. Ziegler ist für die Öffentlichkeitsarbeit des BZA verantwortlich, will keine schlechte Presse: Von den über 400 Stellplätzen sind gerade 50 belegt, etwa durch radioaktiven Müll aus dem nach einem Unfall stillgelegten Thorium-Hochtemperaturreaktor in Hamm. Doch das soll sich bald ändern. Nach der Landtagswahl sollen wieder Castoren rollen - diesmal aus dem stillgelegten DDR-Forschungsreaktor Rossendorf bei Dresden. Der Inhalt: Über zwei Kilogramm hochgiftiges Plutonium, über 100 Kilo radioaktives Uran 235 und 237.

Szenenwechsel: Passend zum politischen Aschermittwoch ziehen Vertreter der Anti-Atom-Initiativen aus dem Münsterland in der gutbürgerlichen Kneipe "Am Schulzenbusch" eine Bilanz zehn Jahre grüner Regierungsbeteiligung in Nordrhein-Westfalen - und die ist bitter. "Der Atomausstieg ist ferner denn je", sagt Felix Ruwe von der Bürgerinitiative Kein Atommüll in Ahaus. Matthias Eickhoff, Sprecher des Widerstands gegen Atomanlagen aus Münster, geht noch weiter: "Die Landesregierung arbeitet nicht ernsthaft an einem Atomausstieg", ist er überzeugt. Stattdessen spiele die Düsseldorfer Koalition aus SPD und Grünen auf Zeit. Direkt nach der Landtagswahl, zwischen dem 30. Mai und dem 14. Juni, sollen die Rossendorfer Castoren nach Ahaus rollen, sind die beiden Aktivisten überzeugt - frühere Transporttermine seien wohl aus Wahlkampfgründen verschoben worden. Bereits seit April vergangenen Jahres liefen polizeitaktische Gespräche mit den sächsischen Behörden.

Ein paar Kilometer nördlich steht das nächste grüne Identitätsproblem: Die Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau. Derzeit kann der Betrieb jährlich 1.800 Tonnen Atombrennstoff anreichern, das entspricht dem Bedarf von 15 großen Atommeilern. Die Betreiberfirma Urenco aber hat eine Erweiterung der Kapazität auf 4.500 Tonnen jährlich beantragt. "Dabei ist das Gelände nicht gegen Flugzeugabstürze oder ähnliche Katastrophen gesichert", sagt Udo Buchholz vom Gronauer Arbeitskreis Umwelt. "Selbst der Betreiber räumt ein, dass dann mit Todesfällen im Nahbereich der Anlage zu rechnen wäre."

Dennoch scheint Rot-Grün auf stur geschaltet zu haben - bis zur Landtagswahl soll das Problem mit der Atomenergie ausgesessen werden. "Wir haben alle grünen Minister angeschrieben: In Berlin Umweltminister Jürgen Trittin und Außenminister Joschka Fischer, in Düsseldorf Umweltministerin Bärbel Höhn genauso wie den stellvertretenden Ministerpräsidenten Michael Vesper", klagen Eickhoff und Ruwe. Geantwortet habe niemand, ebensowenig wie die Sozialdemokraten. Ministerpräsident Peer Steinbrück schweigt genau wie sein Energieminister Axel Horstmann - und CDU-Oppositionsführer Jürgen Rüttgers. Warum die labilen Brennelemente, deren Sicherheit allein die Castor-Behälter garantieren sollen, nach 40 Jahren mit Millionenaufwand von Rossendorf nach Ahaus transportiert werden müssen, will offiziell niemand beantworten. Forschungsreaktoren seien im Atomkompromiss, den Rot-Grün in Berlin wieder aufschnüren will, schlicht vergessen worden, ist in Düsseldorf zu hören.

Die Anti-Atom-Initiativen wollen kämpfen, die Castoren durch bundesweite Protestaktionen verhindern - und mahnen im Wahlkampf klare Aussagen zu Ahaus, Gronau und dem ebenfalls weiter betriebenen Kernforschungszentrum Jülich an. Zwar sei die CDU keine Alternative, denkt nicht nur Felix Ruwe. "Aber ehrliche Feinde, die ganz offen den Wiedereinstieg in Atomenergie fordern, sind besser als meuchelnde so genannte Freunde."

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Münsterland Zeitung 10.02.2005

"Enttäuschte Freundschaft"

Ahaus - "Uns sind ehrliche Feinde lieber als meuchelnde Freunde." Mit scharfen Worten haben gestern Vertreter münsterländischer Anti-Atom-Initiativen die rot-grüne Politik in Düsseldorf und Berlin angegriffen.

Auf der als "atompolitischer Aschermittwoch" titulierten Pressekonferenz kritisierten Felix Ruwe (BI Ahaus), Matthias Eickhoff ("Widerstand gegen Atomanlagen" Münster) und Udo Buchholz (Arbeitskreis Umwelt Gronau) den "massiven Ausbau der Atomanlagen in Ahaus und Gronau" trotz rot-grüner Koalitionen in Bund und Land, "die historisch gesehen eine einmalige Konstellation sind".

Die Atomkraftgegner erwarten, dass die 18 Castorbehälter aus dem Rossendorfer Forschungsreaktor in der Zeit vom 30. Mai bis 14. Juni im Rahmen dreier Straßentransporte nach Ahaus rollen und kündigten massive Proteste an. Ruwe: "Der angeblich geplante Atomausstieg hat sich bis jetzt als reine Mogelpackung erwiesen." Bis zur Landtagswahl am 22. Mai wäre eigentlich die Zeit, Klartext zu reden, aber die Landesregierung beantworte die Briefe der Initiativen seit einem Jahr nicht mehr. Die Stilllegung der Urananreicherungsanlage in Gronau und ein Einlagerungsstopp für Ahaus seien nach wie vor die Forderung, an der die Bundes- und Landesregierung gemessen würden. Die Enttäuschung über Rot-Grün führe aber nicht zu Resignation, betonte Ruwe. "Wir wollen mit öffentlichen Protesten Bewegung in die Politik bringen." Er zeigte sich überzeugt davon, viele Menschen gegen die Transporte nach Ahaus mobilisieren zu können " "wenn nicht gleich beim ersten Mal, dann doch beim zweiten, das haben die Erfahrungen des Castortransports von 1998 gezeigt." - gro

Die Initiativen kündigten für die nächste Woche Protestaktionen - gegen Castortransporte in die Wiederaufarbeitung nach La Hague und einen überregionalen "Widerstandsratschlag" in Münster an. Am Sonntag, 20. Februar, findet in Ahaus der Sonntagsspaziergang - statt. Beginn ist um 14 Uhr am Bahnhof. Vor dort aus zieht der Protestzug zum Rathaus.

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wdr 09.02.2005

Proteste gegen Castor-Transport geplant

Atomkraftgegner aus dem westlichen Münsterland bereiten erneut Proteste gegen Castortransporte nach Ahaus vor. Voraussichtlich in der ersten Juni-Hälfte werden 18 Atommüll-Behälter aus dem sächsischen Forschungsreaktor Rossendorf im Zwischenlager Ahaus erwartet.

Die Atomkraftgegner planen unter anderem, die Transportstrecke zu blockieren.

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jungle world 9.2.05

Atome sind geduldig

Tagung des Atomforums

von andreas chollet

Deutschland ist schon wieder Weltmeister! Das Kernkraftwerk Isar II ist weltweit Spitzenreiter bei der nuklearen Stromerzeugung. Mit dieser und anderen Meldungen zur hervorragenden Bilanz der deutschen Atomkraftwerke im Jahr 2004 leitete das Deutsche Atomforum in der vorigen Woche in Berlin seine Wintertagung unter dem Motto »Plädoyer für einen vernünftigen Energiemix« ein.

Und damit die Botschaft auch nicht überhört wird, leisteten die üblichen Verdächtigen mediale Unterstützung. So sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, dass nur ein »Energiemix« unter Einschluss der Atomenergie die Erfüllung der klimapolitischen Verpflichtungen ermögliche, ohne dass die Energiepreise stark ansteigen müssten.

Die deutsche Atomindustrie wird wieder selbstbewusster. Diente der so genannte Atomausstieg der rot-grünen Regierung und auch der Atomindustrie bislang hauptsächlich zur Befriedung der Atomkraftgegner, so wird jetzt an der Rehabilitation der Atomenergie gearbeitet. Getreu dem Motto »Kein Klimaschutz ohne Kernkraft« suggeriert die Industrie, dass sie an der Spitze der Umweltbewegung stehe. Und die rot-grünen Koalitionäre sehen schweigend zu, wie ihre am Konsens orientierte Ausstiegspolitik scheitert.

Kein Wunder, dass sich die deutsche Atomindustrie mit dieser Politik schnell anfreunden konnte. Auf der einen Seite nahm sie den Ende der neunziger Jahre immer noch zahlreichen aktiven Atomkraftgegnern den Wind aus den Segeln, die Proteste, etwa gegen die Castor-Transporte, flauten ab. Der Staat konnte sich den Ausnahmezustand und den Einsatz vieler Polizisten sparen und schonte seine Finanzen. Auf der anderen Seite wurden die veralteten Atomkraftwerke Stade und Obrigheim abgeschaltet. Das reduzierte die Überkapazitäten im deutschen Strommarkt und erhöhte die Profite der Betreiber.

Für die hoch profitablen Atomkraftwerke besitzt man hingegen noch eine jahrelange Bestandsgarantie. Die rot-grüne Koalition könnte zwar mit viel Glück noch für eine weitere Legislaturperiode regieren, aber bis es mit dem beschlossenen Ausstieg ernst wird, könnte durchaus ein Regierungswechsel eintreten. Der dann fällige Ausstieg aus dem Ausstieg wird heute bereits öffentlichkeitswirksam vorbereitet.

Dabei war das notwendige Instrumentarium für einen tatsächlichen Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie schon beisammen. Der fehlende Nachweis für die Sicherheit der Castor-Behälter hätte den direkten Entsorgungsweg lahm gelegt, und dass kein Endlager zur Verfügung steht, hätte langfristig zum Entzug der Betriebsgenehmigung führen müssen.

Schließlich noch die Rückstellungen für den zukünftigen Rückbau der Atomkraftwerke in Milliardenhöhe: Eine Verpflichtung, das Geld beim Staat zu hinterlegen, hätte die Freude am Betrieb der Reaktoren deutlich getrübt. Doch all dies hätte einen handfesten Streit zwischen Politik und Wirtschaft bedeutet, den die rot-grüne Koalition scheute.

Und so sind heute alle zufrieden. Die rot-grünen Politiker verweisen stolz auf den vertraglich festgelegten Ausstieg, und die Atomindustrie genießt die unverhoffte Ruhe, lässt die Reaktoren glühen und wartet auf den Regierungswechsel.

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Reuters 09.02.05

Trittin strebt bis Jahresende Gesetz zur Atom-Endlagerung an

Berlin (Reuters) - Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) will

einem Zeitungsbericht zufolge bis zum Jahresende ein Gesetz zur

Endlagerung von Atommüll vorlegen.

Gegenwärtig kläre sein Ministerium mit der Bundesregierung und der Industrie den Auswahlprozess bei der Endlagersuche und die Kosten, sagte Trittin der "Osnabrücker Zeitung" (Mittwochausgabe) einem Vorabbericht zufolge. Er hoffe, bis Ende 2005 die rechtlichen Vorkehrungen treffen zu können, die für den geplanten Abgleich von mindestens zwei unter- und drei oberirdischen Atommüll-Lagerstätten notwendig seien.

Trittin wies Vorwürfe der Opposition, einzelner Bundesländer und der Umweltverbände zurück, er verschleppe die Endlager-Suche. "Wir liegen im Zeitplan, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", sagte der Minister.

Der Naturschutzbund Nabu und der Bund für Umwelt und Naturschutz bekräftigten unterdessen ihre Kritik an Trittin. "Ich bin sehr verwundert, dass Jürgen Trittin in der Endlager-Frage seltsam still geworden ist", sagte Nabu-Präsident Olaf Tschimpke der "Berliner Zeitung" (Mittwochausgabe) laut Vorabbericht. Trittin müsse endlich ein Endlager-Gesetz vorlegen. "Wenn die Regierung den Atomausstieg ernst nimmt, darf es keinen Aufschub mehr geben", sagte Tschimpke.

Trittin habe das Gesetz bereits mehrfach versprochen, aber bislang keinen Entwurf geliefert, sagte die Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz, Angelika Zahrnt der "Berliner Zeitung". Offenbar scheue die Regierung den Konflikt mit den Bundesländern und den Energieversorgern.

Das Endlager soll ab dem Jahr 2030 betriebsbereit sein. In den vergangenen Jahrzehnten war als einziges mögliches Endlager für hochradioaktiven Abfall der Salzstock im niedersächsischen Gorleben erkundet worden. Wegen Zweifeln an der Eignung des Salzstocks hat die rot-grüne Bundesregierung jedoch die Erkundung ausgesetzt.

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Afp 09.02.2005

Endlagerung von Atommüll wird konkret

Minister Trittin: Behauptungen über Milliarden-Kosten sind "völlig

überzogen"

 

Osnabrück. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) will möglichst noch in diesem Jahr ein Gesetz zur Endlagerung von Atommüll präsentieren. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Trittin, gegenwärtig befinde sich sein Haus im Stadium der Vorabklärung mit der Bundesregierung und der Industrie über den Auswahlprozess bei der Endlagersuche und die Kosten. Er hoffe, bis Ende 2005 die rechtlichen Vorkehrungen treffen zu können, die für den geplanten Abgleich von mindestens zwei unter- und drei oberirdischen Atommüll-Lagerstätten notwendig seien.

Der Grünen-Politiker wies zudem Vorwürfe der Opposition und aus einzelnen Bundesländern zurück, er verschleppe die Endlager-Suche. "Wir liegen im Zeitplan; wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", sagte Trittin. Insofern könne etwa der niedersächsische SPD-Chef Wolfgang Jüttner die Kritik an einer Verzögerung des Endlager-Gesetzes allenfalls auf seine eigene Partei gemünzt haben. Trittin fügte hinzu, das Umweltministerium habe sich intensiv vorbereitet und arbeite entsprechend an dem Projekt. Für die Erkundungen gebe es ein Zeitfernster, das sich durch den Atomausstieg nicht geändert habe und sich nicht an Tagesaktualitäten orientiere.

Vor dem Jahr 2030 werde keine Deponie benötigt; gemäß dem Moratorium für Gorleben müsse erst zwischen 2005 und 2010 der Auswahl- und Vergleichsprozess gestartet werden. Gleichwohl sei er bestrebt, vor der Bundestagswahl 2006 "mindestens die rechtlichen Grundlagen klar zu machen". Als "völlig überzogen" bezeichnete der Minister die von der Industrie behaupteten Kosten für eine neue Endlager-Suche. Von den genannten drei bis vier Milliarden Euro sei man "meilenweit entfernt"; zum Beispiel würden für einen oberirdischen Standortvergleich kaum mehr als 150 Millionen Euro benötigt. "Gleichzeitig sparen wir durch den Atomausstieg sehr viel Geld ein, da wir weniger Müll lagern müssen."

(afp)

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Berlin Online 09.02.05

"Trittin ist seltsam still geworden"

Umweltverbände kritisieren die rot-grüne Endlager-Politik

Jörg Michel

BERLIN, 8. Februar. Nach den niedersächsischen Sozialdemokraten und Grünen haben nun auch die großen Umweltverbände Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) vorgeworfen, die Suche nach einem atomaren Endlager in Deutschland zu verschleppen. "Ich bin sehr verwundert, dass Jürgen Trittin in der Endlager-Frage seltsam still geworden ist", sagte der Präsident des Naturschutzbundes Nabu, Olaf Tschimpke, der Berliner Zeitung. Trittin müsse nach Monaten des Zögerns den Mut aufbringen, das umstrittene Endlager-Gesetz vorzulegen. "Wenn die Regierung den Atomausstieg ernst nimmt, darf es keinen Aufschub mehr geben", so Tschimpke.

Unpopuläre Entscheidung

Auch die Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz, Angelika Zahrnt, übte Kritik. "Die Verzögerungstaktik beim Thema Endlager muss ein Ende haben", sagte Zahrnt. Er habe das Gesetz bereits mehrmals versprochen, bislang aber keinen Entwurf geliefert. Offenbar scheue die Regierung den Konflikt mit den Ländern und Energieversorgern. Zahrnt betonte, angesichts immer neuer Castor-Transporte nach Gorleben schaffe jeder Monat Fakten, "die man später nur noch schwer zurückholen kann."

Die Umweltverbände reagierten damit auf einen Bericht der Berliner Zeitung. Danach droht sich das von Trittin für Herbst 2004 versprochene Konzept zur Suche eines Endlagers bis in den Sommer hinein zu verzögern. In Koalitionskreisen hieß es dazu, man wolle mindestens die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen abwarten, die Ende Mai stattfinden. Das Gesetz ist innerhalb der Koalition umstritten. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) etwa befürchtet, dass auf die

Energieversorger neue Kosten zukommen könnten. Nach den Vorstellungen Trittins die Wirtschaft die Kosten für die Suche und den Betrieb eines deutschen Endlagers übernehmen. Auch im Kanzleramt möchten man eine Debatte über einen alternativen Standort zu Gorleben derzeit vermeiden. Das Thema gilt als unpopulär, weil kaum eine Region in Deutschland freiwillig ein Endlager in der Nähe haben will. Das Gesetz ist nötig, weil Rot-Grün die von der Kohl-Regierung veranlassten Erkundungen im niedersächsischen Salzstock Gorleben gestoppt und ein neues Suchverfahren versprochen hatte.

Die Umweltverbände befürchten nun, dass der ursprüngliche Zeitplan nicht mehr zu halten ist. Trittin wollte bis 2010 einen geeigneten Ort finden. Bis 2030 sollte das Endlager gebaut werden. "Trittin hat das ganze Verfahren unverantwortlich schleifen lassen", so Zahrnt. Man habe derzeit nicht den Eindruck, dass der Regierung an der Lösung des Problems gelegen sei.

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Dpa 09.02.05

Trittin: Möglichst noch 2005 Gesetz zu Endlagerung von Atommüll

 

Osnabrück (dpa) - Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) will möglichst noch in diesem Jahr ein Gesetz zur Endlagerung von Atommüll präsentieren. Sein Haus sei im Stadium der Vorabklärung über den Auswahlprozess bei der Endlagersuche und die Kosten, sagte Trittin der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch). Er hoffe, bis Ende 2005 die rechtlichen Vorkehrungen treffen zu können, die für den geplanten Abgleich von mindestens zwei unter- und drei oberirdischen Atommüll- Lagerstätten notwendig seien.

Als "völlig überzogen" bezeichnete Trittin die von der Industrie behaupteten Kosten für eine neue Endlagersuche. Von den genannten drei bis vier Milliarden Euro sei man "meilenweit entfernt". Zum Beispiel würden für einen oberirdischen Standortvergleich kaum mehr als 150 Millionen Euro benötigt. "Gleichzeitig sparen wir durch den Atomausstieg sehr viel Geld ein, da wir weniger Müll lagern müssen."

Umweltverbände warfen Trittin vor, die Suche nach einem Endlager zu verschleppen. "Ich bin sehr verwundert, dass Jürgen Trittin in der Endlager-Frage seltsam still geworden ist", sagte der Präsident des Naturschutzbundes NABU, Olaf Tschimpke, der "Berliner Zeitung". Die Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz, Angelika Zahrnt, sagte: "Die Verzögerungstaktik beim Thema Endlager muss ein Ende haben." Offenbar scheue die Regierung den Konflikt mit den Ländern und Energieversorgern. ..........................................

Pressemitteilung BMU 09.02.05

Nr. 027/05

Berlin, 09.02.2005

Trittin: Umweltverbände kritisieren den Falschen

Deutschland weltweit führend im Klimaschutz

Bundesumweltminister Jürgen Trittin hat die Kritik aus Umweltverbänden an der Klimaschutzpolitik der Bundesregierung zurückgewiesen. "Deutschland ist weltweit Vorreiter im Klimaschutz. Wir haben im Hinblick auf Klimagase das höchste Reduktionsziel aller Industriestaaten und sind auf dem besten Wege, dies auch zu erreichen", sagte Trittin. Es gebe für die Kritik der Umweltverbände in Europa und im Rest der Welt wesentlich passendere Adressaten als ausgerechnet die deutsche Regierung, so der Bundesumweltminister.

Die wichtigste Grundlage für die Fortschreibung des nationalen Klimaschutzprogramms ist mit der Einführung des Emissionshandel gelegt. "Deutschland hat in Europa den ambitioniertesten Plan für den Handel mit Treibhausgasen vorgelegt. Denn wir sehen als einzige Reduktionen bereits in der ersten Handelperiode vor", sagte Trittin. Deutschland muss bis 2012 17 Millionen Tonnen CO2 einsparen, um das Kyoto-Ziel zu erreichen. Mehr als die Hälfte davon, rund 10 Millionen Tonnen, werden Industrie und Energiewirtschaft durch den Emissionshandel beitragen. Die Sektoren Dienstleistungen, private Haushalte und Verkehr müssen also noch eine Reduktion um 7 Millionen Tonnen erbringen. "Ich bin mehr als zuversichtlich, dass wir das erreichen", sagte der Bundesumweltminister.

So sind beispielsweise die jahrelang steigenden Klimagasemissionen des Verkehrs mittlerweile als Folge der Ökosteuer rückläufig. Auch der ungebrochene Trend zum Diesel wird weiter zur Senkung der Durchschnittsverbräuche und damit der Klimabelastung beitragen. "Wir werden diesen positiven Trend im Nationalen Klimaschutzprogramm fortschreiben. Mit dem Bauministerium sind wir uns einig, dass im Gebäudebestand mehr gemacht werden muss", betonte Trittin. Zur CO2-Reduzierung im Gebäudebestand stehen derzeit mit Hilfe der Ökosteuer 360 Millionen Euro zur Verfügung.

Den erneut vorgetragenen Vorwurf, das sogenannte "Nationale Klimaschutzziel" der Regierung Kohl, eine Verminderung der Kohlendioxidemissionen um 25 Prozent bis zum Jahr 2005 gegenüber dem Basisjahr 1990, zu verfehlen, wies der Bundesumweltminister zurück: "Das Ziel hat bereits die Regierung Kohl im Jahr 1997 in Kyoto de facto aufgegeben. Denn dort wurden weniger ambitionierte Ziele vereinbart und diese für einen späteren Zeitpunkt. Aber schon das deutsche Kyoto-Ziel ist mit 21 Prozent Verminderung der Treibhausgase das ambitionierteste unter allen Industriestaaten", sagte Trittin.

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AP Montag 7. Februar 2005, 15:27 Uhr:

Verwaltungsgericht erlaubt Salzbergwerk bei Gorleben Lüneburg (AP) Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat grünes Licht für die Gewinnung von Salz aus dem als Atommüllendlager vorgesehenen Gorlebener Salzstock gegeben. In einem am Montag in Lüneburg verkündeten Urteil gab das Gericht dem Atomkraftgegner und Grundbesitzer Andreas Graf Bernstorff recht, der den ihm gehörenden südwestlichen Teil des Salzstock zur Rohstoffgewinnung nutzen will. Nach dem Urteil, muss die 1998 erteilte Rahmengenehmigung zum Salzabbau, der Rahmenbetriebsplan, bis 2008 verlängert werden. Zudem muss Bernstorff kein Gutachten zur Vereinbarkeit von Salzabbau und Endlagerung erstellen lassen.

Im Salzstock Gorleben könne in unmittelbarer Nachbarschaft zum Erkundungsbergwerk für das atomare Endlager auch ein Bergwerk zur Salzgewinnung zugelassen werden, entschied das Verwaltungsgericht. Der geplante Salzabbau gefährde die Sicherheit des Erkundungsbergwerkes im nordöstlichen Teil des Salzstockes nicht. Bislang seien nur im nordöstlichen Bereich des Salzstockes Erkundungsstollen errichtet worden. Für das Südwestfeld des Salzstockes wolle sich die Bundesrepublik nur die Option einer Erkundung offen halten.

«Bloße Planungen sind nicht schutzwürdig», urteilten die Lüneburger Richter. Eine Option auf Erkundung, deren Verwirklichung vollkommen offen sei, könne sich nicht gegen die als Eigentum geschützten Salzrechte von Graf Bernstorff durchsetzen.

Das Verwaltungsgericht begründete sein Urteil auch mit dem vom Bund verhängten Moratorium, mit dem im Juni 2000 die weitere Erkundung des Salzstocks ausgesetzt wurde. Zudem solle der südwestliche Teil des Salzstocks nur mit Stollen untersucht werden, wenn im nordöstlichen Teil für die Endlagerung keine hinreichend großen Salzpartien vorhanden seien. Daher sei es nicht absehbar, «ob überhaupt und wann die Erkundung des Südwestfeldes betrieben werden» solle.

Der Rahmenbetriebsplan, mit dem der Salzabbau bei Gorleben 1998 im Grundsatz genehmigt wurde, sei über das Jahr 2003 hinaus um fünf Jahre zu verlängern, entschied das Gericht. Für den Hauptbetriebsplan, die Baugenehmigung für das Salzbergwerk, müsse Graf Bernstorff aber noch die Auswirkungen des Vorhaben auf die Umwelt beschreiben, einen Waldbrandschutzstreifen anlegen und eine wasserrechtliche Erlaubnis vorlegen.

Wegen der besonderen Bedeutung des Urteils für die Erkundung des Gorlebener Salzstocks ließ das Gericht die Berufung beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg zu.

(Aktenzeichen: VG Lüneburg 2 A 263/03)

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AFP 07.02.2005

Material aus Tschernobyl-Atomanlage zum Verkauf

Kiew (AFP) - Knapp 19 Jahre nach der Katastrophe von Tschernobyl sollen Teile der stillgelegten Atomanlage verkauft werden, um mit dem Geld etwas gegen die bröckelnde Schutzhülle aus Beton zu unternehmen. Veräußert werden sollen Metallteile aus Bereichen, die am weitesten von dem Unglücks-Reaktor entfernt sind, wie die russische Nachrichtenagentur ITAR-TASS unter Berufung auf die Verwaltungsfirma Tschernobylskaja meldete.

Die Teile, die ab März zum Verkauf kämen, seien "sauber", hieß es. Für das Material, das aus dem radioaktiv verseuchten Gebiet ausgeführt werden solle, gebe es eine entsprechende Erlaubnis, in der die Stärke der radioaktiven Strahlung vermerkt sei.

Die Einnahmen aus dem Verkauf sollen dazu dienen, den "Betonsarg" um den ausgebrannten Reaktor zu verstärken, der einzustürzen drohe, erklärte Tschernobylskaja-Direktor Alexander Smitschliajow der Agentur zufolge. Die internationale Gemeinschaft hat mehr als 720 Millionen Euro gesammelt, um den verstrahlten Reaktor bis 2008 mit einer 20.000 Tonnen schweren Stahlhülle abzudecken. Die Stahlhülle soll über den "Betonsarg" gestülpt werden, der nach der Katastrophe auf die Schnelle gebaut worden war.

Am 26. April 1986 hatten zwei Explosionen den vierten Reaktor des Atomkraftwerks Tschernobyl zerstört und die schwerste Katastrophe in der zivilen Nutzung der Atomkraft ausgelöst. Mehr als zehn Tage lang brannte der Reaktorkern, wobei radioaktive Energie mit einer Intensität von etwa 200 Hiroshima-Bomben freigesetzt wurde.

Weite Teile der Ukraine, Weißrusslands und Russlands wurden radioaktiv verseucht. Radioaktives Material ging in der Folgezeit über weiten Teilen Europas nieder. Offiziellen Angaben zufolge starben 31 Menschen durch die Reaktorkatastrophe. Nach inoffiziellen Schätzungen starben dagegen allein in der Ukraine 15.000 bis 30.000 Menschen an den Folgen des Unglücks.

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AFP 05.02.2005

Polizei in Indien fasst zwei Kuriere mit waffenfähigem Uran

New Delhi (AFP) - Die indische Polizei hat im Besitz von zwei mutmaßlichen Drogenhändlern waffenfähiges Uran gefunden. Die beiden Männer hätten knapp 254 Gramm hoch angereichertes Uran mit sich geführt, als sie im vergangenen Dezember im Bezirk Bareilly im nördlichen Bundesstaat Uttar Pradesh festgenommen worden seien, berichtete die Zeitung "India Times" am Samstag unter Berufung auf die Polizei. Das Material habe sich in einem zum Schutz vor radioaktiver Strahlung mit Blei ausgekleideten Behälter befunden; es sei zur Untersuchung in ein Atomforschungszentrum bei Bombay gebracht worden. Laut dem Blatt handelte es sich um "99-prozentiges" Uran. Der Empfänger sei unbekannt. Mehrere Behörden leiteten demnach Ermittlungen ein. Indien ist Atommacht.

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dpa 05.02.2005

USA arbeiten angeblich an neuen Atomwaffen

Washington (dpa) - Die USA haben nach Informationen der «New York Times» in aller Stille mit Arbeiten an einer neuen Generation von robusteren und verlässlicheren Atomwaffen begonnen. Grund dafür sei die Sorge, dass das zunehmend veraltete US-Arsenal im Ernstfall versagen könnte.

Das berichtete die Zeitung am Montag unter Berufung auf Regierungsbeamte. Danach handelt es sich zur Zeit noch um ein sehr begrenztes Programm: Nur neun Millionen Dollar (rund sieben Millionen Euro) seien bisher für die Forschungsarbeiten in den drei US-Atomlaboren Los Alamos, Livermore und Sandia zur Verfügung gestellt worden, weniger als 100 Wissenschaftler beteiligt. In den nächsten Jahren sei aber mit einer deutlichen Ausweitung zu rechnen.

Ziel ist es dem Zeitungsbericht zufolge, Atomwaffen mit einer längeren Lebensdauer zu schaffen. Die rund 10 000 Atomsprengköpfe im US-Arsenal seien ursprünglich für eine Dauer von 15 Jahren konzipiert worden. Sie seien aber heute bereits durchschnittlich 20 Jahre alt.

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FR 02,02.2005

Wirtschaft will Ausstieg aus Atomausstieg

Verbände erhöhen Druck auf Politik / Verlängerung der Restlaufzeiten von

AKW gefordert / Klimaschutz als Argument

Von Vera Gaserow

Führende Wirtschaftsverbände trommeln immer lauter für eine Aufkündigung des Atomausstiegs - und wollen ihre Forderung doch nicht so dringlich gemeint haben. Aber der Druck auf die Politik wächst. Berlin . 1. Februar . "Die politische Festlegung auf einen Ausstieg aus der Kernenergie muss zurückgenommen werden", fordert der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK,) Martin Wansleben. Vor zehn Tagen hatte auch der neue Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Jürgen Thumann, für einen Ausstieg aus dem Ausstieg geworben: "Die Chance ist jetzt da, die Reaktor-Laufzeiten zu verlängern". Das Thema werde heute "viel sachlicher und unaufgeregter diskutiert als noch vor vier Jahren", hatte der neue BDI-Chef gesagt.

Die zeitnahe Offensive gleich zweier führender Wirtschaftsverbandschefs wurde am Dienstag von der Opposition umgehend aufgegriffen. "Rot-Grün muss die Forderungen der Wirtschaft ernst nehmen und den so genannten Atomausstieg überprüfen", erklärte der stellvertretende FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle. "Eine Verlängerung der Restlaufzeiten von Kernkraftwerken ist sowohl aus ökologischen als auch ökonomischen Gründen sinnvoll und notwendig", stimmte auch die CDU/CSU über ihren umweltpolitischen Sprecher, Peter Paziorek, ein.

Der verbale Zangengriff von Wirtschaft und Opposition wird die rot-grüne Bundesregierung in ihrer Haltung zwar nicht beirren. Umweltminister Trittin (Grüne) wies denn auch die Forderungen nach einer Umkehr des Ausstieg scharf zurück. Eine solche Debatte verzögere nur nötige Investitionen in neue Kraftwerke und gefährde Arbeitsplätze. Und selbst der industriefreundliche Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) bekannte sich unlängst in aller Deutlichkeit zu der 2000 geschlossenen Ausstiegs-Vereinbarung .

Richtig eilig mit dem Ausstieg aus dem Ausstieg haben es - trotzi allem verbalen Druck - auch die Verbandschefs der Wirtschaft nicht. L.ängere Laufzeiten für die Atommeiler seien "richtig und wichtig", heißt es beim BDI, "aber wir werden kein Plädoyer für eine Laufzeitverlängerung abgeben und auch die Energiewirtschaft nicht auffordern, ihre Vereinbarung mit der Bundesregierung aufzukündigen". Auch beim DIHK gibt man sich zurückhaltend. "Wir sind nicht pro Kernenergie", aber um die Klimaschutzziele zu erreichen und die Strompreise für die Industrie stabil zu halten, sei es nahezu unumgänglich, die Option Kernenergie weiter offen zu halten.

Die Energiewirtschaft hält sich in der Debatte zurück. Deren kerntechnischer Lobbyverband, das Deutsche Atomforum, erklärt: "Es gibt für uns keine Veranlassung, die politisch gewollte Vereinbarung mit der Bundesregierung aufzuweichen." Den Druck der Wirtschaft und das Argument, Laufzeitverlängerungen für die AKW trügen zum Klimaschutz bei, nimmt man jedoch gern auf. Für ihre derzeit stattfindende "Wintertagung" borgte sich die Atomlobby sogar ein Lieblingswort von Rot-Grün aus. "Ist Kernenergie nachhaltig?", fragt ein Vortrag. Die Antwort hat die Kommission, der der Referent angehört, bereits 2004 gegeben. "Unter den deutschen Rahmenbedingungen weist die Kernenergie ausgezeichnete Eigenschaften (...) auch in Bezug auf Umwelt- und Gesundheitsaspekte auf."

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FR 02,02.2005

Kommentar

Atomausstieg

Versuch der Aushöhlung

"Klappern gehört zum Handwerk" - es fallen einem viele schöne Redewendungen ein zum anschwellenden Bocksgesang von Wirtschaft und Opposition, doch endlich den Atom-Konsens aufzukündigen. Dabei kennen die Rufer nach dem "Ausstieg aus dem Ausstieg" auch diese Lebensregel sehr genau: Pacta sunt servanda, Verträge sind einzuhalten. Das gilt auch für politische Abkommen. Dass mit Rot-Grün, womöglich gar in dieser Legislaturperiode, eine Revision des Ausstiegs zu machen wäre, glaubt deshalb ernsthaft auch kein noch so überzeugter Kernenergie-Vorreiter. Aber es gibt noch ein anderes Sprichwort, das durchaus ernst zu nehmen ist: "Steter Tropfen höhlt den Stein". Genau diesem Motto folgen jetzt die verbalen Attacken auf die Ausstiegsstrategie. Rot-Grün wird sich dagegen wappnen müssen, denn die Phalanx der Kernkraftapologeten wächst und sie bedient sich geschickt ökologischer Argumente. Der Schutz des Klimas ist längst auch in der der internationalen Debatte zum Kronzeugen erkoren. Der kann nicht die Unverantwortlichkeit der Kernkraft widerlegen, nicht ihre Risiken, nicht ihre Endlagerprobleme. Aber er kann, oft genug in den Zeugenstand bemüht, die Unumstößlichkeit klarer Laufzeitbeschränkungen aufweichen. Wenn nicht jetzt, dann später, unter anderer politischer Farbenlehre. Noch loten Wirtschaft und Opposition das gesellschaftliche Klima aus. Getestet wird, ob ein leichter Dauerbeschuss gegen den Ausstieg am Wahltag nicht doch nach hinten losgehen könnte Vera Gaserow

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Spiegel online 3.2.05

ATOMAUSSTIEG

Streit ums nukleare Sparschwein

Von Sebastian Knauer

 

Tauziehen um die Kosten des deutschen Atomausstieges: Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wirft Kraftwerksbetreibern wie E.ON und RWE vor, unzulässige Steuervorteile für Rückstellungen zu erhalten. Die Konzerne drohen: Werden ihnen die Privilegien genommen, sei der sichere Abbau der Kraftwerke nicht mehr zu finanzieren.

Hamburg - Die Idee ist eigentlich gut. Die Betreiber der 18 Kernkraftwerke in Deutschland sollen sich wie ein kluger Hausvater verhalten. Für die schlechten Zeiten wird jedes Jahr aus den satten Gewinnen des Stromverkaufs ein Teil auf die hohe Kante gelegt. Jede Kilowattstunde aus der Steckdose des Verbrauchers finanziert auch die nukleare Zukunftsvorsorge.

AP

Abgeschaltetes Atomkraftwerk Stade: "Nicht im luftleeren Raum kalkuliert" Diese Rückstellungen in der Bilanz sollen vor allem dem Zweck dienen, den im Jahre 2000 zwischen Industrie und Regierung beschlossenen Ausstieg finanziell abzusichern. Denn Stilllegung der Nuklearfabriken, Entsorgung des Strahlenmülls, Abriss der Meiler und sicheren Einschluss des Risikomaterials wird in der Zeit bis 2020 Milliarden von Euro verschlingen. "Wir sind gut gewappnet, den geordnete Ausstieg finanziell zu bewältigen", sagt Patricia Nicolai, Sprecherin des Berliner Verbandes der Elektrizitätswirtschaft (VdEW) "die Mittel sind sicher und rentabel angelegt".

Daran hat Johannes van Bergen, Geschäftsführer der Stadtwerke Schwäbisch-Hall, seine Zweifel. Von den rund 30 Milliarden Euro, die nach den Bestimmungen des deutschen Atomgesetzes in den vergangenen Jahren gebunkert wurden, seien ein Großteil in "riskante Aktivitäten" investiert worden. Zwischen 1998 und 2001, kritisiert auch der SPD-Abgeordnete und Energieexperte Hermann Scheer, seien die Rücklagen teilweise "verjockelt" und für "sachfremde Investitionen" eingesetzt worden.

Wacklige Märkte

Ob Telekommunikation, Abfallwirtschaft oder Bauindustrie - die großen Versorger wie E. ON, RWE oder EnBW haben schon ab 1999 kräftig in wacklige Märkte investiert. Mindestens 25 Beteiligungen an inzwischen schon wieder verschwundenen oder verlustreichen Kommunikationsfirmen wie Germany.Net oder Minet listet eine Klageschrift für den Europäischen Gerichtshof (EuGH) auf.

Dort will van Bergen klären nun lassen, wie weit die steuerlich bevorzugt behandelten Milliardenrückstellungen der großen Stromkonzerne europaweit "wettbewerbsverzerrend" wirken. In seinem Auftrag hat die Hamburger Kanzlei des Rechtsanwalts und ehemaligen SPD-Umweltsenators Jörg Kuhbier eine Klage vor dem EuGH eingereicht. Angesichts der Größe der Causa hat der Gerichtshof in Luxemburg jetzt eine Kammerentscheidung und nicht die eines Einzelrichters angeordnet. "Das ist ein Verfahren von grundsätzlicher Bedeutung für ganz Europa", urteilt Kuhbier.

In der Tat. Denn während die beklagten deutschen Energieriesen RWE, E.ON, die baden-württembergische EnBW sowie Vattenfall/HEW rund 1,3 Milliarden Euro pro Atomstandort zurückgestellt haben, stehen in Frankreich für jeden der 71 Reaktoren nur jeweils rund 127 Millionen Euro bereit.

"Sparschwein vor dem Zugriff der EU schützen

Vergebens hatte schon die EU-Energiekommissarin Loyola de Palacio eine Überführung der nationalen Rückstellungen in einen nationalen Entsorgungsfonds durchsetzen wollen. Damit scheiterte sie aber an dem gemeinsamen Widerstand von Umweltminister Jürgen Trittin und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement.

DPA

Rückbau im Atomkraftwerk Würgassen: "Nicht im luftleeren Raum kalkuliert" Befürchtet wird von den beiden Deutschen eine "Nivellierung der hohen deutschen Sicherheitsstandards". Insbesondere mit der Erweiterung der EU um osteuropäische Atomländer wie Litauen, Tschechien oder Slowenien droht die Nuklearsanierung der 19 zusätzlichen Atommeiler zu einem finanziellen Desaster zu werden. "Wir müssen unser Sparschwein vor dem Zugriff der EU schützen", sagt Nicolai.

Und für den Kernkraftvorstand der E.ON, Walter Hohlefelder, verstößt die Überführung der Atom-Rückstellungen in einen öffentlichen Fonds schlicht gegen das Eigentumsrecht. Das sehen die Atomkläger anders. In einem Gutachten des Frankfurter Atomrechtlers Georg Hermes haben die Stadtwerke Schwäbisch-Hall ihren Vorstoß beim EuGH prüfen lassen. Nach dieser Expertise sind die derzeit rund 30 Milliarden Euro Rückstellungen der deutschen Stromkonzerne nach EU-Recht eine "unzulässige Beihilfe".

So könnten die Konzerne "ohne gesetzliche Anforderung an das Risiko, die Rendite oder die Verfügbarkeit" die Milliarden einsetzen. Dass auch solche Riesensummen nicht vor dem Crash bewahren zeige das Beispiel des US-amerikanischen Energiemultis und Strombrokers Enron, der nach Managementfehlern und Bilanztricksereien zerschlagen wurde. Für Kläger Kuhbier ist auch in Deutschland ein solcher "Konkursfall" nicht auszuschließen. Stillgelegte Anlagen könnten dann dem Staat "als Altlasten anheim fallen" - denn das Geld ist dann weg.

Deshalb ziele die europäische Klage auch auf eine "gesetzliche Konkretisierung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung", wie der geplante Atomausstieg in rund 15 Jahren zu finanzieren sei. Zwar prüft das Bundesministerium für Finanzen regelmäßig das so genannte "Stilllegungskostenprogramm" der Betreiber, das dem Stand der Technik angepasst wird. Doch wie Erfahrungen im europäischen Ausland zeigen, bestehen schon heute große Risiken für den Rückbau der Risikotechnik:

In England musste die British Energy erstmals in Brüssel einen "Rettungskredit" beantragen, um 2002 die Gehälter weiter zahlen zu können. Die Regierung in London schoss weitere fünf Milliarden Pfund in den defizitären Versorger, davon alleine 2,2 Milliarden Pfund für die Stilllegung alter Kernkraftwerke. Zusätzliche Mittel werden für die teure Entsorgung abgebrannter Brennstäbe fällig.

In Frankreich erreicht die Verschuldung des Staatskonzern Electricité de France (EdF) die Rekordhöhe von 25 Milliarden Euro. Der französische Rechnungshof legte im Januar 2005 einen vernichtenden Bericht vor. Danach sind weder Abriss noch sichere Endlagerung der nuklearen Altlasten finanziell gesichert. Für den veralteten Kraftwerkspark werden dafür in den nächsten 70 Jahren Kosten von 60 Milliarden Euro kalkuliert. Entgegen den Kalkulationen der Betreiber, die von durchschnittlichen Abrisskosten von 15 Prozent der Baukosten ausgehen, hat alleine der Rückbau des Kernkraftwerks Marcoule in der Normandie sechs Milliarden Euro verschlungen - das Doppelte des Neubaupreises.

Für die Bundesrepublik wollen die Stromkonzerne solche Belastungen ausschließen. Für den 1997 begonnenen Rückbau des Kernkraftwerks im niedersächsischen Würgassen kalkulieren die Betreiber 700 Millionen Euro, allerdings ohne die Entsorgungsleistungen für den in 24 Jahren Laufzeit produzierten Atommüll. Für E.ON-Sprecherin Petra Uhlmann sind die Rückstellungen "nicht im luftleeren Raum kalkuliert" und sicherten den geordneten Rückzug aus der Kernenergie. "Wir sind gewöhnt, Verträge einzuhalten." Kommt allerdings der Europäische Gerichtshof zu dem Beschluss, dass die deutschen Atomrückstellungen nicht rechtens sind, drohen die Stromkonzerne schon heute mit einem überraschenden Argument. "Dann ist der ganze Atomkompromiss gefährdet", sagt Hohlefelder.

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jungle world 2.2.05

Der Kampf hat sich gelohnt

Hans Schuierer

Am 4. Februar 1985 teilte die Deutsche Gesellschaft für Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen (DWK) ihre Entscheidung mit, im bayerischen Wackersdorf eine Wiederaufbereitungsanlage (WAA) zu errichten. In der Folge kam es zu einer der härtesten Auseinandersetzungen um die Nutzung der Atomkraft in Deutschland. Hans Schuierer (SPD) war von 1970 bis 1996 Landrat im Landkreis Schwandorf, zu dem Wackersdorf gehört. Er wurde wegen seines Engagements im Widerstand gegen die WAA zu einem Widersacher der bayerischen Staatsregierung. Mit ihm sprach Stefan Wirner.  

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie heute an die damalige Zeit zurückdenken?  

Ich denke mit gemischten Gefühlen zurück. Auch mit Schrecken. Für unsere Region war das eine furchtbare Zeit. Wenn man sich vorstellt, wie viele Strafverfahren gegen friedliche Demonstranten liefen. Wie sich die Polizeiführung verhielt. Das muss man erlebt haben. Wenn man sich Filme von damals ansieht, dann kommt einem der Zorn hoch. Die Polizeihunde, die Schlägertrupps aus Berlin, wie die gewütet haben.  

Doch der fünfjährige Kampf hat sich gelohnt. Wir haben an dem Standort, wo die WAA errichtet werden sollte, inzwischen ein Industriegebiet und somit einen guten Tausch gemacht. Anfangs versprach die Betreibergesellschaft DWK 3 200 Arbeitsplätzen in der WAA, später 1 600, dann 1 200. Im Industriegebiet haben wir heute ungefähr 4 000 Arbeitsplätze.  

Die Oberpfalz war als Standort für die WAA vorgesehen, weil man annahm, dass der Widerstand dort klein bleiben würde.  

Damals mussten die Maxhütte und die bayerische Braunkohlenindustrie, zwei riesige Betriebe, zeitgleich schließen. Die Arbeitslosenrate lag bei uns um die 20 Prozent. Deshalb meinte die bayerische Staatsregierung, dass es leichter sei, die WAA bei uns anzusiedeln. Außerdem wurde von einer industriefreundlichen Bevölkerung gesprochen. Industriefreundlich ist unsere Bevölkerung, aber wir wollten diesen gefährlichen Betrieb nicht.  

Wie war auf den Demonstrationen das Verhältnis von Oberpfälzern und Auswärtigen?  

Die Staatsregierung und die Polizeiführung behaupteten immer, es handele sich durchweg um auswärtige Chaoten und Unruhestifter. Aber davon konnte keine Rede sein. Es waren 80 bis 90 Prozent Einheimische beteiligt, aber sicher auch einige Autonome, die die Gelegenheit nutzten, Wirbel zu machen. Die wurden dann immer sehr schnell verhaftet und der Presse vorgeführt: Da schaut her, das sind die Auswärtigen.  

Viele Wackersdorfer sollen sich über die Unterstützung gefreut haben und beherbergten Leute oder versteckten sie vor der Polizei.  

Ich muss ganz ehrlich sagen: Wir haben diese Autonomen auch gebraucht. Denn die Regierung hätte uns noch zehn Jahre um den Zaun rumtanzen lassen. Aber wir waren gegen Gewalt. Mit Zwillen gezielt auf Menschen zu schießen, haben wir abgelehnt. Wir wollten keine Menschen verletzen. Ich habe mich da immer vermittelnd eingeschaltet. Deswegen bin ich der Prügelknabe beider Seiten geworden. Aber an und für sich waren wir auch bereit, diesen Zaun abzureißen.  

Sie sollten ja auch des Amtes enthoben werden.  

Es lief ein Disziplinarverfahren, das sich über vier Jahre hinzog. Man wollte mich mundtot machen. Denn ich hatte ungeheueren Rückhalt in der Bevölkerung.  

Es wurde eine »Lex Schuierer« erlassen.  

Die gibt es immer noch, sie wurde nicht wieder aufgehoben. Es ist das »Selbsteintrittsrecht« des Staates. Nach unserem Gesetz ist es so, dass die Genehmigung in so einem Verfahren im Landratsamt erteilt wird. Der Landrat entscheidet als letzte Instanz darüber. Und ich habe eine Genehmigung für diese atomare Anlage abgelehnt. Genauso beim Bebauungsplan, bei allen Vorgängen, die über das Landratsamt liefen. Daraufhin haben sie das Selbsteintrittsrecht beschlossen. Das bedeutet, dass der bayerische Staat selbst »eintreten« kann, wenn etwa der Landrat eine Genehmigung verweigert. Sie haben mich entmachtet. Das ist das ganze Geheimnis der Lex Schuierer. Das Gesetz gilt heute in ganz Bayern.  

Trotz dieser Auseinandersetzung blieb die CSU in den Wahlen in Bayern immer erfolgreich.

  In unserer Gegend hat es sich stark ausgewirkt. Die Direktmandate der CSU fielen damals an die SPD. Allerdings erzielt die CSU heute wieder dieselben Ergebnisse wie früher. So läuft es halt in Bayern.  

Warum haben Sie sich so gegen die WAA engagiert ?  

Weil ich sie viel zu gefährlich fand. Ich hatte die Möglichkeit, die Unterlagen genau zu studieren. In der Baubeschreibung hieß es zum Beispiel, dass über einen 200 Meter hohen Kamin laufend radioaktive Schadstoffe abgegeben würden. Dann habe ich gefragt, wozu man einen 200 Meter hohen Kamin braucht. Damit die radioaktiven Schadstoffe möglichst weit verteilt werden, war die Antwort. Da habe ich gedacht, wenn das schon im Normalfall gefährlich ist, um wie viel gefährlicher ist es, wenn ein Ernstfall eintritt.  

1989 erklärte die DWK ihren Verzicht auf den Bau der WAA. Was waren Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?

  Eindeutig der Widerstand der Bevölkerung. Der damalige Veba-Chef Rudolf von Bennigsen-Förder sagte bei der Bekanntgabe: Man kann gegen den Willen der Bevölkerung eine solche Anlage nicht errichten. Kurz darauf ist er gestorben. Und die DWK hatte ungefähr zwei Milliarden Mark in den Sand gesetzt.  

Der Tod von Franz-Josef Strauß 1988 spielte keine Rolle?  

Der hatte nicht das Geringste damit zu tun. Ich habe schon damals gesagt, dass Franz-Josef Strauß bereits den Rückzug antrat, das konnte man seinen Reden entnehmen. Strauß wäre allerdings nicht so dumm gewesen wie seine Nachfolger. Er hätte selbst bekannt gegeben, warum Wackersdorf eingestellt wird. In solchen Fragen hat Strauß immer sehr schnell reagiert.  

Die Entsorgung der verbrauchten Brennstäbe wird nun in Zusammenarbeit mit Frankreich betrieben. Der radioaktive Abfall kommt zurück und wird in Gorleben gelagert.

Ich war einige Male in Gorleben, ich habe auch dort auf Demonstrationen gesprochen. Ich bin zwar der Meinung, dass man ein Endlager braucht für dieses Material, das momentan in der ganzen Welt herumliegt. Aber es muss ein geeigneter Platz gefunden werden. Wie es momentan läuft, halte ich für unverantwortlich. Dass an jedem Atomkraftwerk ein Zwischenlager existiert, ist ja keine Lösung. Ob Gorleben für ein Endlager taugt, weiß ich nicht.  

Wie zufrieden sind Sie mit der Atompolitik der Bundesregierung? Die deutschen Atomkraftwerke haben 2004 mehr Strom produziert als 2003, nämlich 167 Milliarden Kilowattstunden.  

Der beschlossene Ausstieg ist das Resultat der rot-grünen Politik. Dass zu wenig vorangetrieben wird und man zu nachgiebig ist, finde ich nicht gut. Ich hätte den Ausstieg gerne etwas schneller. Aber noch kann ich nicht sagen, dass die Bundesregierung etwas getan hätte, was ich unbedingt verurteile.  

Aber die Bundesregierung setzt das angebliche Zwischenlager in Gorleben durch.

  Das Endlager ist eine Aufgabe der Bundesregierung. Irgendwo muss es eingerichtet werden, da gibt es keinen Ausweg.  

Momentan produziert man den Müll weiter, obwohl man kein Endlager hat.  

Das finde ich verbrecherisch, dass man nach wie vor die Atomkraftwerke betreibt und dass manche neue Atomkraftwerke bauen wollen, obwohl die Frage des Endlagers nicht gelöst ist.

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TAZ 01.02.05

Atomkraft lässt die meisten kalt

AKW-GegnerInnen mobilisieren zu einer Widerstandswoche gegen das Deutsche Atomforum, das heute und morgen stattfindet. Bisher hält sich die Anzahl der Unterstützer noch in Grenzen

VON PETER NOWAK

Eine Hundertschaft Polizisten umringt einen Eisenbahnwaggon. Auf einem anderen Foto hat sich eine Menschenmenge zur Blockade auf die Straße gesetzt. Diese Fotos von Castor-Transporten ins Wendland sollen für die richtige Stimmung gegen Atomkraft sorgen. Doch am Wochenende hatten sich nur wenige Menschen zum Auftaktkongress der Anti-AKW-Wintertage 2005 im Schöneberger Jugendzentrum Drugstore eingefunden. Ziemlich unbeachtet hängen die Fotos am Eingang.

Auf ihrem Treffen wollten die AktivistInnen dem Protest gegen die Atomkraft wieder anheizen. Konkret soll gegen das Deutsche Atomforum demonstriert werden. Regelmäßig Anfang Februar veranstaltet diese Lobbyorganisation der Atomindustrie im Berliner Maritim-Hotel ihre Wintertagung - in diesem Jahr am 1. und 2. Februar. Das Atomforum wurde 1959 gegründet. Mit Siemens, KWU, Hochtief und RWE sind alle Konzerne im Atomforum vertreten, die maßgeblich am Atomgeschäft beteiligt sind.

Das Motto des diesjährigen Atomforums heißt: "Plädoyer für einen vernünftigen Energiemix". In Arbeitsgruppen diskutieren PolitikerInnen, KonzernvertreterInnen und ausgewählte WissenschaftlerInnen. So soll etwa eine Mitarbeiterin des Instituts für Demoskopie aus Allensbach erläutern, wie der Begriff Energiemix in der Öffentlichkeit ankommt. Bei den organisierten AKW-GegnerInnen müsste sie da nicht erst nachfragen. Denn sie stellten ihre Widerstandswoche unter das Motto "Widerstandsmix statt Energiemix".

Mit einem Spaziergang zu atompolitischen Stätten in Berlin wollte man sich am Montag schon mal warmlaufen - die Beteiligung fiel mit zehn Personen erneut eher mager aus, berichtete ein Sprecher, der sich davon allerdings wenig beeindruckt zeigt. Schließlich liege der Schwerpunkt der Organisatoren auf den konkreten Protesten gegen die Veranstaltung der Atomlobby.

Heute Nachmittag wollen die Atomkraft-Gegner die Teilnehmer des Atomforums "begrüßen". Höhepunkt der Protestwoche soll eine erneute Kundgebung am späten Mittwochnachmittag vor dem Maritim-Hotel sein. Nach dem Ende des Atomforums rufen die GegnerInnen für den Donnerstag schließlich dazu auf, Berlin zu "dekontaminieren". "Wir stellen nur den Rahmen und laden alle Anti-Atom-Gruppen und Einzelpersonen ein, sich mit eigenen Aktionen an den Aktionstagen zu beteiligen", sagt eine Aktivistin gegenüber der taz.

Von der geringen Resonanz für den Auftaktkongress will man sich nicht abschrecken lassen. Ausdrücklich werden auch die AltaktivistInnen der Anti-AKW-Bewegung zur Teilnahme an den Widerstandstagen eingeladen. Schließlich haben sich einst hunderte von Berlinern zu AKW-Standorten wie Gorleben, Brokdorf oder Wackersdorf aufgemacht. Ob das Konzept aufgeht, wird sich spätestens am Freitag zeigen. Dann wollen die AktivistInnen die Widerstandswoche auswerten und Schlussfolgerungen für weitere Aktionen ziehen. Selbst wenn die Aktionswoche in Berlin floppen sollte, haben die AKW-GegnerInnen einen Trost. Der nächste Castor-Transport nach Gorleben kommt bestimmt - und damit auch der Protest dagegen.

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Junge Welt 01.02.05

Inland Reimar Paul

Die Datensammler flippen aus

Bundesinnenminister Schily will Gendatei für alle Straftäter, seine Kollegen Beckstein und Schünemann sind für Gentests auch nach Ordnungswidrigkeiten oder Antiatomprotesten

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und seine Länderkollegen Günther Beckstein (Bayern, CSU) und Uwe Schünemann (Niedersachsen, CDU) wollen eine Ausweitung der Gentests. Während Schily den Aufbau einer Gendatei für alle Straftäter verlangt, möchten Beckstein und Schünemann auch diejenigen Menschen Gentests unterziehen, die lediglich eine Ordnungswidrigkeit begehen. Nach der bisherigen Rechtslage ist die DNA-Analyse bekanntlich nur bei besonders schweren Straftaten und nach richterlicher Anordnung zulässig.

Schwarzfahrer im Visier

Sollten sich die Hardliner durchsetzen, könnten von der Maßnahme künftig also auch Schwarzfahrer oder Antiatomdemonstranten betroffen sein. Die Berliner Zeitung zitierte Beckstein vergangene Woche mit den Worten: »Wenn sich ein Demonstrant in Gorleben ankettet, wollen wir eine DNA-Analyse.« Und Schünemann erklärte auf Anfrage der Elbe Jeetzel Zeitung, er könne sich DNA-Tests auch für Castorgegner vorstellen, wenn diese der Polizei mehrfach aufgefallen seien. Ins Visier der Ordnungshüter können Kernkraftgegner aber sehr schnell geraten, wie nicht zuletzt die Proteste bei den Atommülltransporten ins Wendland immer wieder zeigen.

Die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg befürchtet, »daß sich diese unglaublichen Begehrlichkeiten der innenministeriellen Datensammler nicht verhindern lassen«. Angesichts des Fahndungserfolgs der Polizei in Zusammenhang mit dem Mord an dem Münchner Modemogul Rudolph Mooshammer werde die populistische Forderung nach Ausweitung der Gentests derzeit kaum öffentlich hinterfragt, so BI-Sprecher Dieter Metk.

Begehrliche Schnüffler

In den Grünen, die gern auf ihre Tradition als Bürgerrechtspartei pochen, sehen die Atomkraftgegner längst keine Verbündeten mehr. Tatsächlich ließ Parteichef Reinhard Bütikofer jetzt verlauten, er halte eine DNA-Analyse ohne richterliche Anordnung für denkbar. Es müsse lediglich darüber diskutiert werden, wie viele »kleinere« Straftaten Voraussetzung für die Speicherung der Gendaten sein könnten. »Es hat schon mehr als makabre Züge, wenn zeitgleich zum 60. Jahrestag der Befreiung der Überlebenden aus dem KZ Auschwitz einer flächendeckenden Speicherung der sensibelsten Daten des Menschen das Wort geredet wird«, so Metk. Begehrlichkeiten, dieses Datenmaterial in jeder Hinsicht zu sichten und auszuwerten, ließen sich bei den Sicherheitsfanatikern auch eines »demokratischen« Staates nicht verhindern. Die Bürgerinitiative verweist darauf, daß das Bundeskriminalamt bereits mit dem bisher gesammelten Datenmaterial arbeitet, um soziale Zusammenhänge zu konstruieren.

Auch in der Wirtschaft gibt es längst ein massives Interesse am genetischen Datenmaterial. Spätestens ab 2011 will beispielsweise die Versicherungswirtschaft Einblick in ärztliche Gentests haben. Von einer »faszinierenden Entwicklung, deren Ausgang derzeit nicht bestimmbar ist«, fabulierte jüngst der Chefarzt des weltweit größten Rückversicherers Münchner Rück, Achim Regenauer. Das Recht auf Einblicke in Ergebnisse von Gentests wolle man sich zukünftig jedenfalls nicht weiter nehmen lassen.

»In die Suppe spucken«

Allen Horrorszenarien zum Trotz wollen die Castorgegner die geplanten Verschärfungen nicht widerstandslos hinnehmen. »In vorauseilendem Gehorsam«, so die BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, habe man sich entschlossen, »den Herren Schily, Beckstein und Schünemann in die Suppe zu spucken«. An diesem Samstag wollen die Atomgegner auf dem Marktplatz im niedersächsischen Lüchow öffentlich Proben für die DNA-Analyse einsammeln. Spucke, Haare, Hautschuppen, benutzte Taschentücher und Kondome der Wendländer sollen in großen Glasbehältern gesammelt und anschließend den Innenministern zugeschickt werden. »Das Ergebnis der Erbgutsammlungen aus dem Wendland können die Minister dann zu gegebener Zeit auf ihren Schreibtischen begutachten und analysieren.«

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NGO-Online 31.01.05

Hauptsache, die Kasse klingelt

Hohe Atomstrom-Produktion zu Lasten der Sicherheit

In den 18 deutschen Atomkraftwerken hat es während der ersten drei Quartale des vergangenen Jahres 114 meldepflichtige Störfälle gegeben. Allein im "Pannen-AKW" Brunsbüttel waren es 15. Dies meldet die Umweltschutzorganisation Robin Wood anlässlich der am 1. Februar beginnenden Wintertagung des Deutschen Atomforums in Berlin. Die Organisation kritisiert, dass die Energiekonzerne die Produktion von Atomstrom auf Kosten der Sicherheit noch weiter gesteigert hätten und verlangt den sofortigen Atomausstieg.

In einer Erklärung des Umweltverbandes heißt es, als wesentliches Argument für den Weiterbetrieb der AKW führten Vertreter der Atomindustrie an, ihre Kraftwerke seien 2004 noch länger am Netz gewesen als im Jahr zuvor und hätten noch mehr Atomstrom produziert.

Für die Umwelt sei dies aber ein Desaster, allein schon wegen der Tonnen an Atommüll, die die Meiler in 2004 produziert haben und für die es kein Endlager gibt. Außerdem verschwiegen die Konzerne, dass die hohe Produktionsleistung auf Kosten der Sicherheit gehe.

Fehler bei der Bedienung, Wartung, Reparatur oder Instandhaltung seien laut Bundesamt für Strahlenschutz die Ursache für 17 Prozent aller Störfälle in 2003 gewesen, erklärte Robin Wood. Erst vergangene Woche haben Fachleute der "sicher nicht atomkritischen" (Robin Wood) Internationalen Atomenergiebehörde gravierende Mängel beim Sicherheitsmanagement des von EnBW betriebenen Meilers Philippsburg II festgestellt. Der Ausbildungsstand der MitarbeiterInnen sei dem Bericht zufolge unzureichend und der Arbeitsschutz liege unter dem europäischen Durchschnitt.

Trotz dieser "offensichtlich gravierenden Mängel" verstärkten Betreiber und Überwachungsbehörden die Sicherheitsvorkehrungen nicht, kritisieren die Umweltschützer. Das Gegenteil sei der Fall. Personal werde abgebaut, Arbeitsschutzmaßnahmen würden missachtet und die Revisionszeiten verkürzt.

"Die Energiekonzerne produzieren Atomstrom auf Teufel komm raus", kommentierte Bettina Dannheim, Energiereferentin von Robin Wood. "Hauptsache, die Kasse klingelt." Die Sicherheit bleibe dabei auf der Strecke. Atomenergie dürfe im künftigen Energiemix daher keine Rolle spielen.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.02.2005

Atomenergie

Wirtschaft will Ausstieg aus Atomausstieg

31. Januar 2005 Die deutsche Wirtschaft will den von der rot-grünen Regierung veranlaßten Atom-Ausstieg wieder rückgängig machen. „Die politische Festlegung auf einen Ausstieg aus der Kernenergie muß zurückgenommen werden", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am Montag in Berlin. Nur ein breiter Energiemix unter Einschluß der Kernenergie gewährleiste, daß klimapolitische Verpflichtungen erreicht werden könnten, ohne die Energiepreise weiter in die Höhe zu treiben. Zuvor hatte sich bereits der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann, dafür ausgesprochen, zumindest die Laufzeiten der bestehenden 18 Reaktorblöcke zu verlängern.

Diese Forderung wird nun auch aus der Energiewirtschaft selber erhoben. „Wir werden am Ende eine Laufzeitverlängerung brauchen, wenn wir bei begrenzten finanziellen Mittel das Ziel erreichen wollen, den Ausstoß von Kohlendioxid zu reduzieren", sagte der neue Präsident des Deutschen Komitees des Weltenergierates, Jürgen Stotz, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er verweise etwa auf Laufzeitverlängerungen, wie sie in Amerika oder Frankreich beschlossen worden seien. Grundsätzlich solle in der Stromerzeugung keine Energieart ausgeschlossen werden, sagt Stotz. Das Komitee vertritt etwa 50 Unternehmen der Strom-, Gas-, Kohle- und Ölbranche, darunter fast alle Konzerne.

Weniger „Klimakiller"

Auf Druck der Bundesregierung, die die Atomenergie für zu gefährlich hält, hatten die Betreiber von Kernkraftwerken Mitte 2001 in die planmäßige Stillegung der deutschen Kernkraftwerke bis 2021 eingewilligt. Durch den Einsatz von Kernenergie werde allerdings jedes Jahr soviel des als „Klimakiller" berüchtigten Kohlendioxyds vermieden, wie der gesamte Straßenverkehr ausstoße, stellte das Deutsche Atomforum fest.

Die - nach Stillegung des Kraftwerks Stade im vergangenen Jahr - noch 18 betriebenen Reaktoren erreichten zuletzt einen Anteil von rund 28 Prozent der deutschen Stromerzeugung. Laut Atomforum waren die Reaktoren zu knapp 90 Prozent der Zeit verfügbar und so produktiv wie nie zuvor. Der Sprecher von Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) hatte die Feststellung jüngst mit der Bemerkung kommentiert, damit sei der Atomausstieg „zügig vorangeschritten". Denn von der vereinbarten Reststrommenge von 2.663 Terawattstunden, die die Atommeiler noch produzieren dürfen, seien noch lediglich etwa 1.800 übriggeblieben. „Vier Jahre nach dem Atomkonsens ist der Atomausstieg bereits zu einem Drittel vollzogen. Da kann man nur sagen: Weiter so."

Kein Bedarf an neuen Kernkraftwerken

Dagegen hält der DIHK in einem Positionspapier zur Energiepolitik fest, es sei völlig unklar, wie die Regierung ihre klimapolitischen Ziele ohne Kernenergie erreichen wolle. „Der Ausstieg aus der Kernenergie setzt lediglich eine energie- und umweltpolitische Interventionsspirale immer stärker in Gang." Zugleich fordert die Wirtschaft, Trittin solle „die sicherheitstechnisch fragwürdige Verzögerung politischer Entscheidungen" bei der Suche nach einem Endlager aufgeben.

Mit Nachdruck warnen die Kammern vor den industrie- und sicherheitspolitischen Folgen, wenn sich Deutschland weiter aus der Kernenergieforschung zurückziehe. Damit würden nicht nur auf neue Märkte - allein China plant den Bau 30 neuer Kernkraftwerke - verzichtet, sondern auch auf die Möglichkeit das Sicherheitsniveau von Reaktoren in Nachbarländern zu beeinflussen. Aktuell bestehe in Deutschland kein Bedarf an neuen Kernkraftwerken, heißt es übereinstimmend. Allerdings könnten sich die großen deutschen Stromerzeuger an entsprechenden Projekten im Ausland beteiligen, empfiehlt Stotz.

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TAZ 01.02.2005

Verbaut, verschweißt, vergessen

1,5 Kilo Atomschrott unter fünf Metern Beton: Der 1989 abgeschaltete Thorium-Hochtemperaturreaktor in Hamm-Uentrop ist sein eigenes Zwischenlager

AUS HAMM-UENTROP

KLAUS JANSEN

Die zwei Männer stehen auf dem Kern des Atomkraftwerks in Hamm-Uentrop. Ein dicker Stahlboden und eine fünf Meter dicke Betonwand trennen sie von anderthalb Kilo Atomschrott, Uran, Thorium und Plutonium. Aus der Wand ragen bunte Rohre und Leitungen: Braun für Öl, grün für Wasser, blau für Luft und gelb für Gas. Sie sind verschlossen. "Abgeschnitten, zugeschweißt, Deckel drauf, nochmal zugeschweißt", sagt der drahtige Rothaarige mit der Lampe. "Die beiden goldenen Regeln der Kernkraftsicherheit: Redundanz, Diversität", ergänzt sein Kollege mit der silbernen Uhrenkette.

Andreas Reisch und Günther Dietrich sind Cheftechniker und Geschäftsführer der "Hochtemperatur-Kernkraftwerk GmbH". Ihr Arbeitsplatz ist die Reaktorhalle des Thorium Hochtemperaturreaktors, kurz THTR 300 - noch vor dreißig Jahren der Traum eines jeden Energiepolitikers, nun eine Ruine. "Drei Ingenieursleben habe ich mit dem THTR verbracht: Aufbau, Betrieb, sicherer Einschluss, Erhaltungsbetrieb", sagt Michael Reisch, als er die Reaktorhalle verlässt. Er raucht eine selbstgedrehte Zigarette, zware shag, und geht über das Gelände des RWE-Kohlekraftwerks Westfalen, vorbei an Stacheldraht-bewehrten Objektschutztoren, die längst außer Dienst sind.

In den 70er und 80er Jahren war es ihre Aufgabe, das zu schützen, was die Zukunft der Kernenergie sein sollte: Ein Reaktor, der ohne Wasserkühlung auskommt. Ein Reaktor, der sich im Fall einer Störung selbst herunterfährt. Seine Energie sollte dazu genutzt werden, Kohle zu verflüssigen - und zu exportieren. Auf ewig und drei Tage könnte das Atomkraftwerk zehntausende Arbeitsplätze im Steinkohlebergbau erhalten, glaubte die Landesregierung. "SPD-Reaktor", hieß es damals. Heute, dreißig Jahre später, gibt der Reaktor gerade mal zwei Männern Arbeit.

Das Projekt floppte - die Technik, von der man geträumt hatte, funktionierte nicht reibungslos. 1986, im Jahr des Reaktorunfalls in Tschernobyl, kam es auch in Hamm-Uentrop zu einem Störfall: Ein kleines Wölkchen radioaktiver Aerosole wurde aus dem Kamin in die Luft geblasen - das Atomkraftwerk war politisch erledigt. Nur 426 Tage war die Anlage unter Volllast gelaufen. Rund fünf Milliarden Mark hatte das Projekt gekostet - nicht einmal ein Viertel bezahlte die Stromwirtschaft, der Rest kam von Bund, Land, dem Steuerzahler.

Wenige Kilometer vom Reaktor entfernt sitzt Horst Blume in der Dachgeschosswohnung seines Elternhauses am Lippe-Seitenkanal. Der Mann in Pantoffeln steht seit 30 Jahren an der Spitze der "Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm". Er hat seinen Kampf gewonnen. Seit 1989 arbeitet der Reaktor nicht mehr. Der an einem einzigen markanten Träger aufgehängte, gleichsam schwebende Kühlturm, einst Wunderwerk der Technik, ist längst gesprengt. Horst Blume macht trotzdem weiter. Der 51-Jährige hat eine schriftliche Anfrage an die NRW-Landesregierung gerichtet. Fragen nach Zahlen und Zeiträumen, auf zwei Seiten Papier. Wie viel Geld hat der Reaktor verschlungen, wie viel verschlingt er noch jetzt, als totes Gerippe. Fragen, auf die man ihm keine Antworten gibt.

In den Regalen hinter Blume stehen Bücher mit Titeln wie "Der Atom-Staat" oder "Anarchismus", an der Wand hängen Bilder von zapatistischen Rebellen, auf dem Bücherbord sitzt: Käpt'n Blaubär. Als 17-Jähriger mit langen Haaren und Bart hat Blume den Kampf gegen den Reaktor in seiner Nachbarschaft aufgenommen. Damals war er Lehrling in einem Baustoffhandel. Sein Chef war ein FDP-Ratsherr, Atomkraftbefürworter. "Bis vier Uhr bin ich arbeiten gegangen, um fünf Uhr nach Feierabend habe ich vor dem Rathaus gegen meinen Vorgesetzten demonstriert", sagt Blume. Die Rache folgte: Auf einer Betriebsfeier füllten ihn Chef und Kollegen ab, rasierten ihm die Haare und einen Hitler-Schnäuzer.

Blumes Wohnung war die Keimzelle des Widerstands gegen den THTR. Mit seinen Freunden, später mit den Bauern aus der Region, hat er demonstriert, dann in Nacht-und-Nebel-Aktionen das Tor des Reaktors blockiert. "Wir haben Kundschafter mit Autos zum Tor geschickt, dann gekuckt, ob die Presse da ist, dann mit dem Traktor hinterher, ich dann da hin..." - Blume gestikuliert wild. Eine "wunderschöne Zeit sei das gewesen", sagt er.

Seine Freunde haben den Protest eingestellt, als der Reaktor still gelegt wurde. Blume macht weiter. Er schreibt Rundbriefe und Artikel für Anti-Atomkraft- und Anarchismuszeitungen, betreibt gemeinsam mit einem Bekannten die Homepage thtr-a.de. "A steht für anti", sagt Blume. Das Atomkraftwerk ist für ihn noch nicht erledigt. China und Südafrika entwickeln die Hochtemperatur-Technologie weiter, "mit Unterstützung des Forschungszentrums Jülich, obwohl die nur Sicherheitsfragen erforschen dürfen", sagt er. Er hat Listen erstellt mit Veröffentlichungen aus Jülich, "die belegen, dass die aktiv forschen", sagt Blume. Ab und zu fährt er noch zum Kraftwerk, auf der bunt bemalten Schutzmauer kleben Radioaktivitätszeichen. "Die haben wir dahin geklebt", sagt er. Und dann: "Ja, das hat mein Leben bestimmt."

"Mein Mann legt noch eine halbe Stunde die Beine hoch, dann ist er zu sprechen", sagt die Frau am Telefon. Die Fürsorge gilt Horst Blumes Gegenspieler: Klaus Knizia, von 1975 bis 1992 Vorstandsvorsitzender der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen (VEW). Knizia, mittlerweile 77 Jahre alt, ist einer der Väter der Hochtemperatur-Technologie. Er lebt in Herdecke, etwa 60 Kilometer von Hamm entfernt. Gerade aus dem Mittagsschlaf geweckt, betet er die Vorzüge seines Reaktors herunter: Inhärente Sicherheit, hoher Wirkungsgrad, kein Wasser zur Kühlung benötigt. "Optimal für aride Zonen. Man könnte ganze Wüstengebiete damit zubauen", sagt Knizia.

Der Ingenieur glaubt an eine Renaissance seiner Technologie: "China, Südafrika, Japan - nur Deutschland macht nichts." Nach den Terroranschlägen des 11. Septembers ist die Internationale Atomenergiebehörde an den Rentner herangetreten, er solle ein Dossier verfassen - für Knizia eine späte Genugtuung. "Kaputt gegangen ist der Reaktor, weil ihn die Politik nach Tschernobyl nicht mehr wollte. Ein paar Monate vorher wurde uns von Kanzler Schmidt in Bonn noch ein roter Teppich ausgerollt, wenn wir den THTR präsentiert haben", sagt Knizia. Seine Partner auf Seiten der Politik sehen die Situation in der Rückschau anders: "Knizias Kopf glühte wie ein durchgebrannter Reaktor", erinnert der damalige NRW-Arbeitsminister Friedhelm Fahrtmann an ein altes Spiegel-Zitat. "Knizia ist ein netter Kerl, aber verrückt nach Atomkraft: Dessen Birne hat immer rot geglüht, wenn der auf dem Podium saß", sagt der Sozialdemokrat.

Knizia fühlt sich von der Politik verraten. Die Probleme, der Störfall? "Das war ein Prototyp, natürlich funktioniert da nicht alles. Das ist doch ganz normal, wie bei einem Flugzeug, einem Fahrrad oder sonst wo."

Der stillgelegte Prototyp kostet noch immer 6,5 Millionen Euro im Jahr. Den Löwenanteil tragen der Bund und die NRW-Landesregierung. Für die im Zwischenlager Ahaus gelagerten Brennelemente muss Miete bezahlt, der Reaktor muss überwacht werden. Techniker Andreas Reisch muss für ständigen Unterdruck im Kern sorgen. 2.500 Leitungen und Rohre sind zu kontrollieren, die in das verstrahlte Innere führen, 2.500 verschweißte Nahtstellen. Eine eigens für den Einschluss gebaute Lüftungsanlage hält das Innere des Mantels trocken, damit Rohre und Leitungen nicht rosten.

Bis 2009 ist die Finanzierung für diesen Apparat noch gesichert. Und dann? Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat sich darüber scheinbar noch keine Gedanken gemacht. Sie weiß nicht einmal, wer genau zuständig ist: Das Energieministerium erklärt das Kraftwerk zu einer Sache des Wirtschaftsministeriums. Nein nein, ist man sich dort sicher, das Energieministerium entscheidet. Kann sein, gibt man dort später zu, aber über die Finanzen wisse nur das Finanzministerium Bescheid.

Wirklich informiert scheint nur RWE. "Für die Phase nach 2009 wird das Land NRW die Mittel bei Herstellern, Stromwirtschaft, der Deutschen Industrie und der Bundesrepublik Deutschland einwerben", teilt das Unternehmen mit. Der Erfolg: Ungewiss wie die Zukunft der Atomruine.

Frühestens 2027 kann der Reaktor aufgemeißelt und abgerissen werden - wenn es bis dahin ein Endlager gibt. Techniker Martin Reisch, jetzt 49, wird bis zur Rente im Reaktor herumwerkeln. Mit der Taschenlampe, weil es zu gefährlich wäre, die Anlage zu beleuchten - die Folgen eines Kabelbrands sind nicht abzuschätzen. Deshalb müssen selbst die Uhren stillstehen: Sie alle zeigen 19 Uhr 17 - die Zeit, in der die Anlage vom Netz ging.

taz NRW Nr. 7579 vom 1.2.2005, Seite 3, 289 TAZ-Bericht KLAUS JANSEN

 

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