Presseauswahl November 2004

Saar Echo 30.11.2004

*Atomkraft: Wer die Wahrheit sagt, der fliegt*

Entlassener Reaktorchef kritisierte Kraftwerks-Sicherheit und mußte gehen / Kündigungsgrund vorgeschoben? Stuttgart. Der frühere Reaktorchef des Atomkraftwerks Neckarwestheim, Eberhard Grauf, hat einem Zeitungsbericht zufolge vor seiner Entlassung die Sicherheit der Kernkraftwerke der Energie Baden-Württemberg (EnBW) massiv kritisiert. Dies belegten interne Dokumente, heißt es in einem Bericht der "Stuttgarter Zeitung". Bisher habe das für die Atomaufsicht zuständige Umweltministerium in Stuttgart behauptet, dies habe bei der Entlassung keine Rolle gespielt.

Der international renommierte Atomexperte war als Chef des zweiten Reaktorblocks in Neckarwestheim Ende Juni überraschend abgelöst worden. Die EnBW hatte die Entlassung den Angaben zufolge mit "verbalen Ausfällen" und "querulatorischem" Verhalten Graufs begründet.

Die Zeitung bezog sich nun auf einen Vortrag, den Grauf vor dem EnBW-Chef Utz Claassen und weiteren Managern vor seiner Entlassung gehalten hatte, sowie auf "geheime Protokolle" einer Befragung von Grauf durch das Umweltministerium. Demnach habe Grauf beklagt, dass die EnBW nichts aus den schweren Sicherheitsverstößen im Jahr 2001 im Atomkraftwerk Philippsburg gelernt habe.

Grauf soll Zweifel an dem auf Druck der Atomaufsicht eingeführten Sicherheitsmanagement geäußert haben. Es handele sich dabei um "Alibi- und Beruhigungsinstrumentarien", die die Situation "eher schlechter als besser" machten. Besorgt habe sich Grauf auch über die angeblich gleichgültige Stimmung der Kraftwerksbelegschaft geäußert. Dort greife "der Götz-von-Berlichingen-Standpunkt in einem bedenklichen Maß um sich".

Gegenüber der "Stuttgarter Zeitung" habe das Umweltministerium nun erstmals eingeräumt, dass Grauf "Sicherheitsfragen kritisch angesprochen" habe. Dies sei aber nicht der Grund der Kündigung gewesen. Die EnBW verwies der Zeitung zufolge auf die bisher genannten Gründe. (ddp)

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Stuttgarter Zeitung 30.11.04

 

*Mappus weist den Vorwurf der Lüge empört zurück*

Umweltminister gibt aber keine Erklärung für Widerspruch - SPD und Grüne verurteilen Täuschung der Öffentlichkeit

STUTTGART. Umweltminister Stefan Mappus (CDU) wehrt sich gegen den Vorwurf der Lüge, entkräftet ihn aber nicht: Er liefert keine Erklärung, warum er einen Streit um die Sicherheit des Kernkraftwerks Neckarwestheim wider besseres Wissen bestritten hat.

Von Andreas Müller

Die Opposition reagierte prompt. Gleich am Vormittag äußerten sich SPD und Grüne zu einem Bericht der Stuttgarter Zeitung, nach dem Mappus als oberster Atomaufseher die Öffentlichkeit falsch informiert hat: Bisher hatte sein Haus immer behauptet, vor der Entlassung des Neckarwestheimer Reaktorchefs Eberhard Grauf habe es keinen Streit über Sicherheitsfragen gegeben. Nun stellte sich heraus, dass Grauf massive Kritik am Sicherheitskurs geübt hatte - und dem Ministerium dies seit langem bekannt war.

SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler warf Mappus daraufhin vor, er verbreite "Lügengeschichten". Damit folge er seinem Vorgänger Ulrich Müller, der auch erst "durch einen Untersuchungsausschuss zur Wahrheit gezwungen wurde". Die Glaubwürdigkeit der Atomaufsicht habe damit einen neuen Tiefpunkt erreicht, sagte Drexler. Sein Grünen-Kollege Winfried Kretschmann sprach von einem "unglaublichen Vorgang". Offensichtlich habe die Öffentlichkeit über die tatsächlichen Umstände der Entlassung Graufs getäuscht werden sollen. Die Grünen beantragten, dem Landtag die Protokolle der Befragung zu dem Fall vorzulegen. Darin ist der Streit über die Atomsicherheit dokumentiert.

Erst am Nachmittag äußerte sich Mappus zu den schweren Vorwürfen: Sie seien "unerhört und inhaltlich durch nichts zu belegen". Es sei gerade sein Ministerium gewesen, das die Befragung angeordnet habe. Dabei habe sich ergeben, dass nicht der Dissens über Sicherheitsfragen zur Entlassung geführt habe. Die sonstigen Umstände zu untersuchen sei nicht Sache der Atomaufsicht. Der Minister erklärte jedoch nicht, weshalb sein Haus wiederholt behauptet hatte, es gebe keinerlei Anhaltspunkte für einen Streit um die Sicherheit der Kernkraftwerke. Zugleich verwies er auf das Bundesumweltministerium, das an der Befragung teilgenommen und bisher keinen Anlass zum Eingreifen gesehen habe. Die EnBW erklärte am Abend, die Personalie Grauf sei "längst erledigt". Seine Kündigung habe nichts mit Differenzen in Sicherheitsfragen zu tun gehabt.

Die SPD nahm gestern auch den Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) ins Visier. Fraktionschef Drexler zeigte sich "verwundert über dessen Schweigen". Trittin habe die neuerliche Befragung veranlasst und kenne offenbar auch die Aussagen der Beteiligten. Trotzdem habe er Mappus" falscher Darstellung zumindest öffentlich bisher nicht widersprochen.

Auch dem Stuttgarter Wirtschaftsministerium war das tatsächliche Ergebnis der Befragung bekannt: Ein Beamter aus dem Ressort von Ernst Pfister (FDP) hatte daran teilgenommen. Trotzdem hatte das Ministerium der Darstellung von Mappus nicht widersprochen. Ein Sprecher Pfisters sagte dazu, die Information der Öffentlichkeit sei allein Sache des Umwelt- und Verkehrsministeriums.

Der frühere Reaktorchef wehrt sich unterdessen gegen den Verdacht der Unzuverlässigkeit. Entsprechende Zweifel hatte der Chef der Atomaufsicht, Dietmar Keil, nach Zeugenaussagen gegenüber dem GKN-Management geäußert. Graufs Anwalt erklärte auf Anfrage, sein Mandant werde den Vorwurf "nicht auf sich sitzen lassen". Man werde das Umweltministerium auffordern, die Äußerungen zu widerrufen und künftig zu unterlassen. Sollte es dazu nicht bereit sein, werde man klagen.

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Pforzheimer Zeitung 30.11.04

*Mappus unter Beschuss*

Wieder Streit um Atomkraft: Musste Manager wegen Kritik an mangelnder

Sicherheit gehen?

STUTTGART. Im Streit um die Sicherheit des Atomkraftwerks Neckarwestheim gerät Umweltminister Stefan Mappus unter Druck. Der Pforzheimer CDU-Abgeordnete habe gelogen, so der Vorwurf der Opposition.

Der CDU-Politiker habe die Öffentlichkeit über die wahren Hintergründe für die Entlassung des Kraftwerksleiters Eberhard Grauf "getäuscht und belogen", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Drexler gestern. Im Gespräch mit der "Pforzheimer Zeitung" kündigte Drexler an, das Thema per Antrag auf die Tagesordnung im Landtag zu bringen. Mappus habe "eindeutig gelogen", als sein Ministerium noch Anfang November mitteilte, die Befragungen der EnBW-Mitarbeiter hätten - Zitat Ministerium - "keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Entlassung Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Betreiber und dem früheren Leiter der Anlage über die Bedeutung von Fragen des sicheren Betriebs von Kernkraftwerken zugrunde lagen". Damit habe Mappus eine Debatte über die Sicherheit der Atomkraftwerke verhindern wollen, so Drexler. Auch nach Ansicht der Grünen "drängt sich der Eindruck auf, dass der neue Umweltminister ein Problem mit der Wahrheit hat". Mappus wies die Vorwürfe als "unerhört und inhaltlich durch nichts zu belegen" zurück. Nach einem Bericht der "Stuttgarter Zeitung" hatte der Reaktorchef Grauf vor seiner Entlassung massive Kritik an der Sicherheit der Kernkraftwerke geübt. Das belegten interne Dokumente. Mappus betonte allerdings gestern erneut, Sicherheitsfragen hätten keine Rolle bei der Entlassung gespielt. "Es war aber nicht unsere Aufgabe, die sonstigen Umstände oder gar die arbeitsrechtliche Rechtfertigung der Entlassung zu untersuchen", sagte der Minister. Der Betreiber - die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) - warf der "Stuttgarter Zeitung" gestern vor, "aus der längst erledigten Personalie G im Kernkraftwerk Neckarwestheim II posthum ein Politikum zu zimmern".

Der Atomexperte Grauf war im Sommer überraschend als Chef des zweiten Reaktorblocks in Neckarwestheim abgelöst worden. Die EnBW soll dies nach Angaben der Zeitung mit "verbalen Ausfällen" und "querulatorischem" Verhalten begründet haben. Das Stuttgarter Umweltministerium habe mehrfach erklärt, es gebe keine Hinweise auf Differenzen über Sicherheitsfragen - dies sei nicht der Grund der Ablösung gewesen. Tatsächlich habe Grauf massive Kritik an der Sicherheit der EnBW-Kernkraftwerke geübt, heißt es in der Zeitung. Dies hätten Teilnehmer einer Besprechung mit EnBW-Chef Utz Claassen ausgesagt, bei der es zum Eklat gekommen sein soll. Die geheimen Protokolle der Befragung durch das Umweltministerium liegen der Zeitung nach eigenen Angaben vor.

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Kölner Stadtanzeiger 17.11.2004

Atom-Transporte nicht vor der Landtagswahl 2005

VON HEINZ TUTT

Die NRW-Grünen sind verärgert über Bundesumweltminister Trittin.

Düsseldorf - Mit den umstrittenen Castor-Transporten von Rossendorf (Sachsen) nach Ahaus ist trotz verlängerter Genehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz nicht vor der Landtagswahl im Mai 2005 zu rechnen. Diese Auffassung vertrat am Dienstag der Staatssekretär im Düsseldorfer Innenministerium, Hans Krings, vor der SPD-Landtagsfraktion. Nach dem Winter, der einen Straßentransport problematisch mache, sei im März und April vor den Landtagswahlen mit Demonstrationen zu rechnen, die Polizeikräfte binden würden, wird der Staatssekretär von einem SPD-Sprecher zitiert.

Die voraussichtliche Verschiebung bis nach der Wahl kommt dem grünen Koalitionspartner offenbar sehr entgegen. Bereits gestern scherzte ein Mitglied des Parteivorstands, dass diesmal der „Winter in NRW bis zum Mai andauert". Sichtlich verärgert reagierte allerdings die Grünen-Fraktion auf die Straßentransport-Erlaubnis, die alle bisherigen Bedenken und Risiken nicht berücksichtige. Die NRW-Grünen lasten diese Entscheidung Bundesumweltminister Jürgen Trittin an, zu dessen Geschäftsbereich das Bundesamt für Strahlenschutz gehört. Auch NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn habe sich „sehr über die Entscheidung gewundert", berichteten Fraktionsmitglieder.

Der atompolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Rüdiger Sagel, erklärte: „Es ist nicht nachvollziehbar, dass das Bundesamt für Strahlenschutz ohne weitere Detailprüfung die Genehmigung erteilt hat. NRW hat sachlich begründete Argumente im Hinblick auf die Sicherheit des Transports und die notwendige weitere Lagerung der Castoren in Sachsen geliefert." Sachsen als Antragsteller habe sich in Widersprüche verstrickt - auch dies erfordere eine neue Bewertung.

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TAZ 16.11.2004

Castor rollt nächstes Jahr

RUHR taz Nach dem Verzicht auf Castor-Transporte noch in diesem Jahr werden die Lastwagen mit Atommüll aus dem sächsischen Rossendorf nun im nächsten Jahr ins westfälische Zwischenlager Ahaus rollen. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat die Transportgenehmigung für die 18 Behälter mit 951 Brennstäben aus dem ehemaligen Forschungsreaktor Rossendorf bei Dresden am Montag bis Ende 2005 verlängert.

Die Grünen wehren sich gegen die erneute Genehmigung. "Es ist nicht nachvollziehbar, dass das Bundesamt für Strahlenschutz ohne weitere Detailprüfung die Genehmigung erteilt hat", sagt Rüdiger Sagel, atompolitischer Sprecher der Grünen. NRW habe sachlich begründete Argumente für die weitere Lagerung der Castoren in Sachsen geliefert. "Wir werden weiterhin gegen die Lieferung vorgehen", sagt Sagel. Notfalls würden sich die Grünen auch an Demonstrationen beteiligen. "JOE

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dpa 16.11.2004

Castortransport für 2005 genehmigt

Salzgitter/Dresden. Nach dem Verzicht auf Castor-Transporte noch in diesem Jahr können die Lastwagen mit Atommüll aus Rossendorf nun im nächsten Jahr ins westfälische Zwischenlager Ahaus rollen. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat die Transportgenehmigung für die 18 Behälter mit 951 Brennstäben aus dem ehemaligen Forschungsreaktor Rossendorf bei Dresden bis Ende 2005 verlängert. Das teilte ein Sprecher gestern in Salzgitter mit.

Die beteiligten Bundesländer, der Betreiber der Kernforschungsanlage Rossendorf und die Transportfirma hatten sich darauf verständigt, die Transporte nicht mehr in diesem Jahr rollen zu lassen. Im Winter sei der Polizeieinsatz nicht zu verantworten.

Sachsen will die Castoren per Lastwagen in das 600 Kilometer entfernte Ahaus bringen. Die Transportgenehmigung läuft zum Jahresende aus. Die Transportfirma hatte eine Verlängerung der Genehmigung beantragt.

Die Entscheidung des Bundesamtes bedeutet eine Niederlage der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Diese hatte gehofft, dass bei einem neuen Antrag die Genehmigung für Straßentransporte entfallen könnte. „Wir bedauern, dass wir keine Gelegenheit hatten, unsere Argumente nochmals vorzubringen", sagte ein Sprecher des Innenministeriums. (dpa)

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dpa 13.11.2004

Getöteter Castor-Gegner war nicht mehr angekettet

Atom Transporte

Hamburg (dpa) - Der in Frankreich vom Castor-Zug überrollte Kernkraftgegner war zum Zeitpunkt des Unglücks nicht mehr an die Gleise gekettet. Das habe die Staatsanwaltschaft bestätigt, meldet der «Spiegel». Freunde des 21-Jährigen erklärten, sie hätten sich beim Herannahen des schnell fahrenden Castorzuges aus ihren Ketten lösen können. Der junge Mann wurde jedoch vom Luftwirbel des Zugs erfasst und auf das Gleis geschleudert worden.

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heise-online 12.11.2004

Getöteter Castor-Gegner war nicht mehr angekettet

Erklärung der Gruppe

Am 7. November 2004 starb Sébastien, als ihn die Lokomotive des Atommüllzugs nach Gorleben erfasste. Einige Wochen zuvor hatte er sich mit anderen von uns zum Handeln entschieden, um die Angreifbarkeit dieser Transporte publik zu machen. Die Tatsache, dass er tot ist, sollte nicht vergessen lassen, dass diese Aktion gewaltfrei, überlegt und freiwillig war.

Auch wenn dieses Drama es so erscheinen lässt, war unsere Tat keinesfalls unverantwortlich, bzw. ein Akt der Verzweiflung. Unser Engagement ist das Ergebnis tiefster Überzeugung reeller und bestehender Gefahren, welche die Atomkraft schon viel zu lange darstellt. Diese Aktion war gemeinsam genauestens vorbereitet: genaue Ortskenntnisse und die Berücksichtigung eines Notfallsstopps.

Wir hatten mehrfach die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass der Zug nicht anhalten könnte. Da wir uns in einer langgezogenen Kurve mit eingeschränkter Sicht befanden, war uns klar, dass wir notfalls die Gleise sehr schnell verlassen müssten. Wir lagen zu viert neben den Schienen, da wir zwei Rohre unter den Gleisen platziert hatten. Niemand lag zwischen den Schienen, um notfalls schnell wegzukommen. Wir waren nicht angekettet und hatten so die Möglichkeit schnell den Arm aus dem Rohr zu ziehen.

Leider konnte die Gruppe, die den Zug 1500m vorher zum Bremsen bringen sollte, nicht handeln. Der Hubschrauber, der ständig dem Zug voraus fliegt, fehlte. Er war "Tanken"; aber die Gruppe rechnete damit, dass er die Ankunft des Zuges signalisieren würde. Da neben dem Zug Fahrzeuge der Gendarmerie mit hoher Geschwindigkeit fuhren, konnte die Stoppergruppe nicht handeln. Der Transport konnte also weder vom Hubschrauber, noch von den Stoppern gewarnt werden und kam so mit 100km/h auf uns zu. Diese Verkettung von Umständen brachte uns in Gefahr. So hatten die Personen, die an den Gleisen lagen, sehr wenig Zeit festzustellen, dass der Zug seine Geschwindigkeit nicht verringerte. Wir hatten es geübt sekundenschnell wegzukommen.

Sébastien wurde dabei erfasst, als er die Gleise verließ. Sein Arm steckte nicht in dem Rohr fest, wie die durchzuführenden Untersuchungen beweisen werden. Es ging alles so schnell, dass wir ihm nicht helfen konnten.

Wir waren in der Kälte zehn Stunden lang etwa 30 m von den Gleisen entfernt am Waldrand versteckt. In dieser Zeit wurden weder wir, noch die Vorposten zur Benachrichtigung (15 Kilometer entfernt vom Ort der Aktion), noch die Gruppe von den Sicherheitskräften entdeckt, die den Zug stoppen sollte. Wir wurden auch nicht entdeckt, als wir im Vorfeld um fünf Uhr morgens die Rohre unter die Schienen legten. Es ist klar, die Verantwortung jedes Beteiligten muss festgestellt werden, unsere inbegriffen. Zur Stunde erleben wir einen der schlimmsten Augenblicke unseres Lebens.

Neben vielen bekannten Gründen für die Aktion, ging es uns in erster Linie der Schutz unseres Planeten, der Jahr für Jahr mehr zerstört wird. Es ging uns aber auch um die Ablehnung jeder Infragestellung dieses monolithischen Staats. Wir haben nicht aus Unreife oder Abenteuerlust versucht den Zug zu stoppen, sondern weil die Atompolitik dieses Landes nur so zu einer elementaren Frage werden kann. Sébastien ist durch einen Unfall gestorben, er hat es sich nicht ausgesucht, niemand wollte es. Er starb nicht nach einem Discobesuch betrunken am Steuer, sondern um seiner Überzeugung Gehör zu verschaffen.

Sein Tod wird deshalb für uns nie ein beliebiges Vorkommnis sein. In der Situation, in der wir derart verlassen und verloren waren, hätten wir uns nie vorgestellt so viel Unterstützung zu bekommen. Wir danken vor allem unseren Freunden und Eltern, vielen Initiativen, aber auch Tausenden anonymen Deutschen und Franzosen, die in seinem Andenken Demonstrationen und Andachten organisierten. Die Stärke der Solidarität überwältigt und berührt uns. Das Wichtigste ist für uns, einen Bruder zu beweinen und seine Familie zu unterstützen, nicht sein Bild zu instrumentalisieren. "Bichon" war voller Lebensfreude und -energie, nicht nur Atomkraftgegner. Dieser Text ist weder eine Beichte noch eine Anschuldigung, wir wollen dadurch nur die Wahrheit dieser Ereignisse wiedergeben.

Sebastians Weggefährtinnen und Weggefährten

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ahaus@online 11.11.2004

2004 kein Atomtransport mehr nach Ahaus

Ahaus - 11.11.04 - Die Münsterländer Anti-Atomkraft-Initiativen werten die weitere Verzögerung der Castor-Transporte von Dresden nach Ahaus als Teilerfolg für ihren monatelangen Widerstand. Eigentlich hätten die Transporte schon im Januar 2004 rollen sollen. „Wir werden alles dafür tun, dass die hochgefährlichen Atomtransporte nun ganz abgesagt werden. Das ist die sicherste Lösung", so Felix Ruwe von der BI „Kein Atommüll in Ahaus".

Die Atomkraftgegner fordern deshalb die Landesregierung in Düsseldorf auf, ihren interministeriellen Planungsstab aufzulösen und keine weiteren Vorbereitungen für die Castor-Transporte zu treffen. Die NRW-Landesregierung habe nun neuen politischen Spielraum, um die Transporte zu verhindern. Diesen müsse sie ausnutzen.

Gleichzeitig fordern sie von der sächsischen Landesregierung, auf eine Verlängerung der Transportgenehmigung zu verzichten. Die jetzige Genehmigung läuft Ende 2004 aus. Von Bundesumweltminister Trittin wird erwartet, dass er das zuständige Bundesamt für Strahlenschutz anweist, die Genehmigung auf keinen Fall zu verlängern.

Für den 21. November rufen die Anti-Atom-Initiativen zu dem nächsten Sonntagsspaziergang auf. Sie wollen in Ahaus für einen sofortigen Einlagerungsstopp demonstrieren. „Im Mittelpunkt müssen die unkalkulierbaren Gefahren der Atomenergie, die unsichere Lagerung von Atommüll in Ahaus sowie die Gefahren der Atomtransporte stehen und nicht Fragen des begleitenden Polizeieinsatzes. Das ignoriert die NRW-Landesregierung bisher komplett," so Matthias Eickhoff von der Wiga Münster.

Am Mittwoch Abend hielten 31 Personen am Ahauser Bahnhof eine Trauer-Mahnwache für den am Sonntag tödlich verunglückten französischen Atomkraftgegner. Noch immer sind viele Menschen schockiert über den Unfall sowie darüber, dass der Castor-Transport nach Gorleben einfach weiterfahren durfte. Der Schutz von Menschenleben muss absoluten Vorrang haben.

Kontakt: Felix Ruwe (BI Ahaus) Matthias Eickhoff (Wiga Münster)

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Sächsische Zeitung Donnerstag, 11. November 2004

Keine sächsischen Castor-Transporte in diesem Jahr

Dresden/Düsseldorf. Der Transport der 18 Castor-Behälter von Rossendorf ins nordrhein-westfälische Zwischenlager Ahaus wird nicht mehr in diesem Jahr stattfinden. Darauf hätten sich alle betroffenen Bundesländer, die Transportfirma und die Betreiber von Rossendorf gestern auf einer Sitzung in Düsseldorf geeinigt, teilte das nordrhein-westfälische Innenministerium mit. Als Grund wurden die bevorstehenden unwägbaren Straßenverhältnisse im Winter genannt.

Während Nordrhein-Westfalen die Transporte von Anfang an abgelehnt hatte, war Sachsen bis vor wenigen Tagen davon ausgegangen, noch in diesem Jahr die 951 abgebrannten Brennelemente nach Ahaus schaffen zu können. „Die Vernunft hat gesiegt", kommentierte der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens (SPD). „Vernünftig ist, die Castoren nach Ahaus zu bringen. Wir halten an diesem Vorhaben fest", sagte Sachsens Umweltminister Steffen Flath (CDU).

Der Zeitpunkt der Transporte ist damit wieder völlig offen. NRW prüft ein Zeitfenster vom 15. März bis 6. April. In dieser Zeit stünden bundesweit keine Polizei-Großeinsätze an. Erwartet wird, dass die Transporte nicht vor den Landtagswahlen in NRW im Mai stattfinden.

Vorerst läuft die Transportgenehmigung zum Jahresende aus. „Ein Antrag auf Verlängerung liegt bereits vor", bestätigte Dirk Daiber, Sprecher des Bundesamtes für Strahlenschutz. Maßgeblich sei die Vereinbarung zwischen den Innenbehörden. (SZ/ft)

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AP Mittwoch 10. November 2004

Kein Atomtransport nach Ahaus mehr in diesem Jahr

Düsseldorf (AP) In diesem Jahr wird es keinen Castortransport mit radioaktiven Brennelementen von der Kernforschungsanlage Rossendorf ins Zwischenlager nach Ahaus mehr geben. Darauf verständigten sich nach Monate langem Streit am Mittwoch die beteiligten Bundesländer Sachsen und Nordrhein-Westfalen, der Betreiber der Kernforschungsanlage Rossendorf und die Transportfirma bei einer Koordinierungsbesprechung. «Die Vernunft hat gesiegt», sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Fritz Behrens in Düsseldorf.

Alle vom Castortransport betroffenen Bundesländer seien mit Nordrhein-Westfalen einig, dass in den Wintermonaten der Transport nicht zu verantworten sei, betonte Behrens. Der gegenwärtige Wintereinbruch mache dies mehr als deutlich. «Die Witterung ist in dieser Zeit völlig unkalkulierbar», sagte Behrens. Dies gelte auch für die Wintermonate im kommenden Jahr.

Einen Transporttermin nannte das Düsseldorfer Ministerium nicht. Der Anfang nächsten Jahres komme jedenfalls aus Witterungsgründen ebenfalls nicht in Betracht. Die Transportgenehmigung für die Brennstabe ist allerdings bis Ende Dezember befristet. Der Betreiber muss deshalb nun eine Verlängerung beantragen.

Insgesamt sollen 951 abgebrannte Brennelemente aus dem ehemaligen DDR-Forschungsreaktor Rossendorf auf Tiefladern in 18 Castor-Behältern nach Ahaus gebracht werden. Nordrhein-Westfalen wehrt sich seit Monaten vor allem gegen den Straßentransport und fordert die größtmögliche Bündelung. Mit einem einzigen Schienentransport bleibe der Aufwand am geringsten, hieß es.

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dpa 10.11.2004

Castortransporte nach Ahaus nicht mehr in diesem Jahr

Ein Castor-Transport

Düsseldorf/Ahaus - Die geplanten Atommüll-Transporte vom sächsischen Rossendorf ins westfälische Zwischenlager Ahaus werden definitiv nicht mehr in diesem Jahr rollen. Darauf hätten sich die beteiligten Bundesländer, der Betreiber der Kernforschungsanlage Rossendorf und die Transportfirma verständigt, teilte das Düsseldorfer Innenministerium am Mittwoch mit. "Die Vernunft hat gesiegt", sagte NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD). Bis zuletzt hatte die sächsische Seite weiter von einem Rollen des Transports noch im laufenden Jahr gesprochen.

In den Wintermonaten sei der Einsatz der Polizisten nicht zu verantworten, betonte Behrens. Darin seien sich alle vom Castortransport betroffenen Bundesländer mit Nordrhein-Westfalen einig. "Der plötzliche Wintereinbruch heute macht dies mehr als deutlich, die Witterung ist in dieser Zeit völlig unkalkulierbar." Dies gelte besonders für die Wintermonate im kommenden Jahr: "Erst danach können wir die Situation neu beurteilen", sagte der Politiker.

Das Innenministerium hatte Polizeiexperten aus Nordrhein-Westfalen und Sachsen sowie aus den möglicherweise vom Transport betroffenen Länder Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Hessen geladen. Auch die Transportfirma und der Betreiber der Atomanlage waren eingebunden.

Sachsen will 18 Castor-Behälter mit 951 Brennstäben per Lastwagen in das 600 Kilometer entfernte westfälische Brennelemente- Zwischenlager bringen. Erst gegen Ende November stehen in Sachsen ausreichend Transportgestelle für den Transport der Castorbehälter zur Verfügung. Die Transportgenehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz in Salzgitter läuft Ende des Jahres aus. Die mit der Fracht beauftragte Transportfirma habe beim Bundesamt aber vorsorglich eine Verlängerung der Genehmigung beantragt, teilte das sächsische Umweltministerium bereits am Dienstag mit.

Nach Informationen der Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus" sind die Monate März bis Mai 2005 als Transportzeitraum angepeilt. Der Sprecher des nordrhein-westfälischen Innenministeriums, Ludger Harmeier, betonte jedoch, es sei sinnlos, bereits jetzt über einen Termin zu diskutieren: "Ohne eine neue Genehmigung kann es auch keinen Termin geben."

Die Anti-Atomkraft-Initiativen im Münsterland werteten die "weitere Verzögerung der Castortransporte" als Teilerfolg. "Wir werden alles dafür tun, dass die hochgefährlichen Atomtransporte nun ganz abgesagt werden. Das ist die sicherste Lösung", sagte Felix Ruwe von der Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus". Die Landesregierung habe neuen politischen Spielraum, um die Transporte zu verhindern. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) forderten die Atomgegner auf, das zuständige Bundesamt für Strahlenschutz anzuweisen, auf keinen Fall die Transportgenehmigung zu verlängern. (dpa)

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Reuters Mittwoch 10 November, 2004 16:32

Behrens: 2004 kein Castortransport von Sachsen nach NRW

Düsseldorf (Reuters) - In diesem Jahr wird es nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministeriums keinen Castortransport aus dem sächsischen Rossendorf ins Atommüll-Zwischenlager Ahaus im Münsterland geben.

Alle vom Castortransport betroffenen Bundesländer seien sich mit Nordrhein-Westfalen einig, dass in den Wintermonaten der Einsatz für die Polizei nicht zu verantworten sei, sagte NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) am Mittwoch in Düsseldorf nach einem Koordinierungstreffen, an dem unter anderem auch Vertreter des sächsischen Innenministeriums teilnahmen. Es gelte nun abzuwarten, ob Sachsen für das kommende Jahr überhaupt eine neue Genehmigung vom Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter für den Transport der 951 Brennstäbe erhalten werde, erläuterte ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Innenministeriums. "Die aktuelle Genehmigung gilt nur dieses Jahr."

Der Sprecher betonte, dass die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Castor-Transport aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague ins niedersächsische Gorleben nichts mit der Entscheidung der Teilnehmer des Koordinierungstreffens zu tun gehabt hätten. Bei dem Transport war am Sonntag ein junger Atomkraftgegner vom Castor-Zug überrollt und getötet worden.

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mdr 10.11.2004

Stopp

Castoren bleiben vorerst in Rossendorf

Im Streit um den Atommüll-Transport aus dem sächsischen Rossendorf ins Zwischenlager Ahaus hat sich Nordrhein-Westfalen vorerst durchgesetzt. In diesem Jahr wird es keinen Castor-Transport geben. Darauf einigten sich die vom Transport betroffenen Bundesländer und die Transportfirma. Zur Begründung hieß es, in den Wintermonaten sei ein Einsatz der Polizei zum Schutz der Castoren nicht zu verantworten.

Wann der Atommüll Rossendorf verlassen kann, bleibt weiter ungeklärt

Transportgenehmigung läuft aus - Streit geht in neue Runde

Der Sprecher des sächsischen Umweltministeriums kündigte jedoch bereits an, den Beschluss nur zu akzeptieren, wenn die Transportgenehmigung über das Jahresende hinaus verlängert werde. Ein entsprechender Antrag liege dem Bundesamt für Strahlenschutz bereits vor.

Der Freistaat hatte vor einigen Wochen gerichtlich durchgesetzt, dass die insgesamt 18 Castorbehälter auf der Straße nach Ahaus transportiert werden dürfen. Das Land Nordrhein-Westfalen wollte hingegen die Atommüllbehälter aus Kostengründen auf der Schiene transportieren lassen. In Rossendorf selbst demonstrierten in den vergangenen Monaten wiederholt Castor-Gegner. Sie argumentieren, dass die Behälter in Rossendorf genauso sicher gelagert werden können wie in Ahaus.

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Kölner Stadtanzeiger 11.11.2004

Transport von Castoren verschoben

VON GÜNTHER M. WIEDEMANN

Sachsen muss im nächsten Jahr eine neue Genehmigung beantragen.

Düsseldorf - Sachsen hat eingelenkt: In diesem Jahr wird es keinen Castor-Transport mit radioaktivem Material aus dem sächsischen Rossendorf ins münsterländische Ahaus geben. Dies hat NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) gestern nach einem Koordinierungsgespräch aller betroffenen Länder und der Betreiber der Einrichtungen mitgeteilt. Die Einigung kommt überraschend, denn Sachsens Umweltministerium hatte bis zuletzt darauf bestanden, die Transporte noch in diesem Jahr durchzuführen - weil die Transporterlaubnis nur bis Jahresende gilt. Danach muss das Genehmigungsverfahren neu aufgerollt werden.

Nordrhein-Westfalen hatte gegen die Transport-Genehmigung geklagt. Doch damit war die Landesregierung sowohl beim Verwaltungsgericht in Braunschweig als auch beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht gescheitert. NRW hatte vor allem durchsetzen wollen, dass die 18 Castor-Behälter mit 951 Brennstäben nicht in mehreren Transporten über die Straße, sondern alle gleichzeitig auf dem Schienenweg transportiert werden. Außerdem argumentierte der Minister, angesichts des bevorstehenden Winters sei ein Transport auf der Straße aus Sicherheitsgründen nicht mehr möglich. Sachsen warf daraufhin NRW vor, den Transport bewusst verschleppt zu haben.

Bei dem gestrigen Koordinierungsgespräch, zu dem Behrens nach Düsseldorf eingeladen hatte, setzte sich dann die Auffassung des NRW-Ministers überraschend durch. Das Ministerium erklärte: „Alle vom Castor-Transport betroffenen Bundesländer sind mit Nordrhein-Westfalen einig, dass in den Wintermonaten der Einsatz für unsere Polizistinnen und Polizisten nicht zu verantworten ist. Der plötzliche Wintereinbruch heute macht dies mehr als deutlich." Der Innenminister: „Die Vernunft hat gesiegt."

In Düsseldorf wird aber bezweifelt, dass allein der Wintereinbruch zur Einigung geführt hat. Der Tod eines Demonstranten in Frankreich gegen den Castor-Transport nach Gorleben vor einigen Tagen dürfte mit dazu beigetragen haben, die Sicherheitslage neu zu bedenken. Es wird auch nicht ausgeschlossen, dass der Regierungswechsel in Sachsen, wo jetzt die SPD mit am Kabinettstisch sitzt, eine Einigung mit den in NRW regierenden Sozialdemokraten befördert haben könnte.

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wdr 10.11.2004

Castor-Transporte erst im kommenden Jahr

Koordinierungsgespräch in Düsseldorf

Das Land NRW hat sich durchgesetzt: Die geplanten Castor-Transporte vom sächsischen Rossendorf ins münsterländische Zwischenlager Ahaus werden nicht mehr in diesem Jahr rollen. Darauf verständigten sich die beteiligten Bundesländer, der Betreiber der Anlage Rossendorf und die Transportfirma am Mittwoch (10.11.04) in Düsseldorf.

Der Transport in diesem Jahr ist zu gefährlich.

Laut NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) herrschte bei der Besprechung Einigung bei allen Ländervertretern, dass der Polizeieinsatz zur Sicherung der Atommülltransporte in den Wintermonaten für die Beamten "nicht zu verantworten ist". Die nordrhein-westfälische Landesregierung hatte in den vergangenen Monaten wiederholt vergeblich versucht, die Genehmigung der Transporte durch das Bundesamt für Strahlenschutz gerichtlich zu kippen. Behrens sagte nach dem Gespräch: "Die Vernunft hat gesiegt." Sachsen will aus dem stillgelegten Forschungsreaktor Rossendorf 951 verbrauchte Brennelemente in 18 Castor-Behältern auf der Straße in das westfälische Zwischenlager transportieren lassen.

Transportgenehmigung muss verlängert werden

Mit Blick auf den Zeitpunkt für die Transporte betonte Behrens nach dem Koordinierungsgespräch, der plötzliche Wintereinbruch am Mittwoch (09.11.04) habe deutlich gemacht, dass die Witterung "in dieser Zeit völlig unkalkulierbar" sei. Dies gelte insbesondere für die bevorstehenden Wintermonate. "Erst danach können wir die Situation neu beurteilen."

Der Sprecher des sächsischen Umweltministeriums, Dirk Reelfs, machte die endgültige Entscheidung noch von einer neuen Transportgenehmigung abhängig. Man werde sie nur akzeptieren, wenn die am Jahresende auslaufende Genehmigung verlängert werde, betonte er. Diese Verlängerung um ein Jahr sei bereits beim Bundesamt für Strahlenschutz beantragt.

NRW kann den Transport nicht verhindern

Nach Informationen der Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus" sind die Monate März bis Mai 2005 als Transportzeitraum angepeilt. Seit Mitte Oktober steht fest: Das Land NRW kann den Transport grundsätzlich nicht verhindern. Das Bundesamt für Strahlenschutz hatte den Widerspruch der Düsseldorfer Landesregierung gegen die Genehmigung des Transports zurückgewiesen. Die 18 Castor-Behälter mit ihren insgesamt knapp 1.000 Brennelementen werden also ihren Weg von Sachsen nach Nordrhein-Westfalen antreten.

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wdr 09.11.2004

Castor-Transporte nicht mehr in diesem Jahr

Koordinierungsgespräche diese Woche

Die umstrittenen Atommüll-Transporte vom sächsischen Rossendorf ins westfälische Zwischenlager Ahaus werden vermutlich nicht mehr in 2004 rollen. "In diesem Jahr wird es keinen Castor-Transport geben", sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Fritz Behrens (SPD) am Dienstag (09.11.04) in Düsseldorf.

Der Transport in diesem Jahr ist zu gefährlich.

Nach Informationen der Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus" sind die Monate März bis Mai 2005 als Transportzeitraum angepeilt. Für Mittwoch (10.11.04) hat das Ministerium zu Koordinierungsgesprächen über die Abwicklung der Transporte geladen. "In den Wintermonaten ist der Einsatz der Polizisten nicht zu verantworten", betonte Behrens. "Die unkalkulierbare Witterung erlaubt dies nicht." Zudem stünden in Sachsen erst gegen Ende des Monats ausreichend Transportgestelle für die Castorbehälter zur Verfügung.

Sachsen will 18 Castor-Behälter mit 951 Brennstäben per Lastwagen in das westfälische Brennelemente-Zwischenlager bringen. Die Transportgenehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz in Salzgitter läuft allerdings Ende des Jahres aus. Zu den Koordinierungsgesprächen am Mittwoch treffen sich nach Ministeriumsangaben Polizeiexperten aus Nordrhein-Westfalen und Sachsen sowie aus den möglicherweise vom Transport betroffenen Länder Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Hessen. An dem Gespräch seien zudem Vertreter der Transporteure beteiligt.

NRW kann den Transport nicht verhindern

Seit Mitte Oktober steht fest: Das Land NRW kann den Transport von abgebrannten Brennelementen aus dem ehemaligen Forschungsreaktor Rossendorf in das Zwischenlager Ahaus nicht verhindern. Das Bundesamt für Strahlenschutz hatte den Widerspruch der Düsseldorfer Landesregierung gegen die Genehmigung des Transports zurückgewiesen. Die 18 Castor-Behälter mit ihren insgesamt knapp 1.000 Brennelementen werden also ihren Weg von Sachsen nach Nordrhein-Westfalen antreten.

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TAZ 9.11.04:

Der Tod ist kein Hindernis

Die sächsische Staatsregierung hält trotz des tödlichen Unfalls eines Atomkraftgegners an den umstrittenen Castor-Transporten nach Ahaus fest. Anti-Atom-Aktivisten im Münsterland sind bestürzt

VON KLAUS JANSEN

Die sächsische Staatsregierung will trotz des Todes eines französischen Anti-Castor-Demonstranten an den geplanten Atommülltransporten vom Forschungsreaktor Rossendorf ins münsterländische Ahaus festhalten. "Soll man deswegen jetzt Staatstrauer ausrufen?", kommentiert Andreas Schumann, Sprecher des sächsischen Innenministers Horst Rasch (CDU), den Unfall in Lothringen, bei dem ein 21-Jähriger von dem von der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague ins niedersächsische Zwischenlager Gorleben fahrenden Castor-Zug überrollt worden war.

Weitaus bestürzter als die sächsische Staatsregierung reagieren die Atomkraftgegner in NRW auf den Unfall. Noch am Sonntagabend kamen in Münster, Bielefeld und Waltrop Menschen zu spontanen Trauerkundgebungen zusammen, für Montagabend war eine große Veranstaltung vor dem Münsteraner Hauptbahnhof geplant.

"Wir sind geschockt, dass der Fahrplan der Transporte Vorrang vor Menschenleben hat", sagt Felix Ruwe, Sprecher der Bürgerinitiative (BI) "Kein Atommüll in Ahaus". Besonders entsetzt sind die Atomkraftgegner darüber, dass der Castor-Zug ohne größere Polizeiaufsicht mit 100 km/h auf der kurvigen Strecke in Frankreich unterwegs war - der zur Überwachung abgestellte Hubschrauber war zur Unfallzeit zum Tanken am Boden. "Da sind 15.000 Polizisten im Einsatz, und keiner sieht etwas. Der Zug hätte entgleisen können, wenn da ein Betonklotz gelegen hätte", sagt Matthias Eickhoff von der BI "Stoppt Atomtransporte" aus Münster. Auch Atomkraftgegner Willi Hesters vom "Aktionsbündnis Münsterland" ist betroffen: "Wenn man ganz ehrlich ist, hat man nie damit gerechnet, dass es irgendwann so weit kommt", sagt er. Einig sind sich die drei Aktivisten darin, dass im Zuge des Unfalls auch die geplanten Transporte von Rossendorf nach Ahaus neu diskutiert werden sollen. "Die müssen jetzt endgültig abgesagt werden", so Hesters.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung versucht seit über einem Jahr vergeblich, die von Sachsen gewünschten Transporte zu verhindern. Für morgen sind Vertreter Sachsens zu einem "Koordinierungsgespräch" nach Düsseldorf eingeladen. Anlässlich des Zwischenfalls in Frankreich fordert nun Rüdiger Sagel, atompolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, eine Absage des Treffens. "Der Unfall hat gezeigt, wie gefährlich die Transporte sind", so Sagel zur taz. "Da muss man die Risiken erst noch einmal grundlegend überdenken." Zudem würden nach dem Unfall stärkere Sicherheitsvorkehrungen nötig - schon jetzt werden die Kosten für einen Einsatz der NRW-Polizei zur Transportsicherung auf 50 Millionen Euro geschätzt.

NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) will das Koordinierungsgespräch mit den Sachsen jedoch nicht absagen. "Es ist bekannt, dass wir gegen die Transporte sind. Den Unfall als Argumentationshilfe zu nehmen, wäre jedoch zynisch", so Ministeriumssprecher Ulrich Rungwerth. Ohnehin sind der Landesregierung weitgehend die Hände gebunden: Das Bundesamt für Strahlenschutz hat den Transport bereits in letzter Instanz genehmigt, auch der juristische Spielraum ist erschöpft (siehe Kasten). "Wir halten an dem Transport fest", gibt sich deshalb die sächsische Landesregierung entschlossen. Zudem könne bei der geplanten Fahrt mit LKW kein Unfall wie in Frankreich passieren. Auch das Bundesumweltministerium ist nicht bereit, den Transport zu verbieten: "Die Genehmigung ist erteilt. Man sollte den Unfall jetzt nicht instrumentalisieren", sagt Sprecherin Frauke Stamer.

Ob sich die Aktivisten im Münsterland im Falle eines Transports wie in Frankreich ebenfalls an Gleise ketten werden, ist umstritten. "Wir werden uns nicht verstecken, aber sicherlich unsere Protestformen überdenken", kündigt "Aktion Münsterland"-Sprecher Willi Hesters an. "Wir sind keine Harakiri-Demonstranten, wir wollen keine Eskalation", sagt er. Für Felix Ruwe von der BI Ahaus bleibt jedoch auch Anketten ein legitimes Mittel des Protests: "Wir werden die Autobahn blockieren. Als Demonstranten hat uns die Polizei zu schützen."

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TAZ 09.11.2004

TAZ kommentar: castor-tod und nrw

Keine Stunde für Zyniker

Staatstrauer wird es nicht geben. Trotzdem: Zynischer als Sachsens Innenministerium kann man den tragischen Unfalltod im Wald von Lothringen nicht kommentieren. Auch wenn jeder, der sich an Gleise kettet, selbst für das verantwortlich ist, was er tut.

Sachsens Regierung greift nicht nur moralisch daneben, wenn sie den Tod eines jungen Menschen leichtfertig abtut - sie begeht auch taktisch einen schweren Fehler. Wenn sie tatsächlich ihren Atommüll von Rossendorf nach Ahaus schaffen will, kann sie eine Benno-Ohnesorgisierung des Protests nicht gebrauchen. Zwar sind die Genehmigungen längst erteilt und die juristischen Scharmützel ausgetragen, doch eine Eskalation des Widerstands könnte zu einer Verkettung führen, an deren Ende die Transporte doch noch verboten werden könnten: Mehr Krawall gleich mehr Polizei gleich höhere Kosten gleich neue Argumente für die nordrhein-westfälische Landesregierung, die den Transport verhindern will. Auch Bundesumweltminister Trittin steht als Grüner nicht derart felsenfest hinter den Transporten, wie es sich Sachsens CDU-Regierung wünscht.

Dennoch ist es gut, dass die Atomkraftgegner in Ahaus und anderswo nicht der verlockenden Logik der Eskalation folgen. Sie würden damit nicht nur Gefahr laufen, die Unterstützung des großen Teils der Bevölkerung zu verlieren, der bislang völlig gerechtfertigten Protest unterstützt. Es wäre ebenfalls zynisch gegenüber dem Toten. Die Demonstranten wissen selbst: Kein Castor ist ein Menschenleben wert. " KLAUS JANSEN

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FOCUS-ONLINE-NEWS 08.11.01

Trauerstimmung

Blockaden und Demos gegen Castor-Zug

Die wütenden Proteste gegen den Castor-Transport in Deutschland sind fortgesetzt worden, Tausende trauerten um den in Frankreich getöteten Demonstranten.

Der Zug mit radioaktivem Müll rollte am Montag unter starkem Polizeischutz quer durch Deutschland zum niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg.

In Harlingen löste die Polizei eine Sitzblockade mit knapp 200 Demonstranten auf den Gleisen auf. Zudem begannen Sicherheitskräfte am Abend mit der Auflösung einer Straßenblockade durch Traktoren.

Der Zug erreichte kurz nach 16 Uhr Dannenberg, wo die zwölf Castor-Behälter auf Tieflader gehievt und vermutlich bis (zum morgigen) Dienstagmorgen ins 20 Kilometer entfernte Zwischenlager Gorleben gefahren werden sollten. Mehrere Hundert Atomkraftgegner blockierten beide Strecken für den Straßentransport. Bei Groß-Gusborn beschlagnahmten Polizisten die Trecker und schlossen die Maschinen kurz. Wegen der dazwischen sitzenden Demonstranten konnten sie die Fahrzeuge aber zunächst nicht bewegen.

Gedenken an getöteten Demonstranten

Knapp 2000 Castor-Gegner erinnerten unterdessen in Splietau an den 21-jährigen Sebastien Briat, der am Vortag im französischen Lothringen vom Castorzug überrollt und getötet worden war. Sie entzündeten Kerzen und schwenkten schwarze Fahnen. Nach Angaben der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg kündigten die Demonstranten weiteren Widerstand an.

Der Sprecher der Bürgerinitiative, Dieter Metk, kritisierte, dass der „Todeszug im doppelten Wortsinn" nicht spätestens an der deutschen Grenze gestoppt worden sei, sondern seine Fahrt fortgesetzt habe. Robin-Wood-Sprecher Jürgen Sattari sagte, der tragische Tod werfe „einen sehr dunklen Schatten auf den Castor-Transport, die Nutzung der Atomenergie und auch auf die Aktionen, die wir hier geplant haben".

Trittin ruft zur Besonnenheit auf

Umweltminister Jürgen Trittin rief Demonstranten und Polizei zur Besonnenheit auf. Zu einem solch tragischen Vorfall dürfe es in Zukunft nicht noch einmal kommen, sagte der Grünen-Politiker.

Parteichein Claudia Roth appellierte an alle Demonstranten vor Ort, jede Selbstgefährdung zu vermeiden. Die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms sagte, die Lehre aus dem Unfall müsse sein, dass „auf normal schnell befahrenen Bahnstrecken solche Aktionen zu riskant sind". Das gelte allerdings nicht für den bei Transporten gesperrten Streckenabschnitt zwischen Lüneburg und Dannenberg.

Kritik von Polizeigewerkschaft

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) übte dagegen scharfe Kritik an den Blockadeaktionen. DPolG-Funktionär Hans-Joachim Zastrow erklärte, wer die Gleise betrete, riskiere sein Leben und verantworte folgenschwere Unfälle. Der Tod des jungen Franzosen „gehe zu Lasten fanatischer Atomkraftgegner".

Der 660 Meter lange und 2900 Tonnen schwere Castor-Zug, der in der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague gestartet war, hatte gegen 6 Uhr in Göttingen kurz anhalten müssen, weil sich zehn Atomkraftgegner an der Bahnstrecke aufhielten. Zuvor hatte die Polizei in der Nacht während der Fahrt durch Rheinland-Pfalz und Hessen mindestens 14 Atomkraftgegner kurzzeitig in Gewahrsam genommen.

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Frankfurter Rundschau 08.11.2004

-Widerstand mit Bannkreuz

Die BI "Kein Atommüll in Ahaus" fürchtet neue Lieferungen ins eigene Zwischenlager und demonstriert einstweilen in Dannenberg

VON KRISTIAN FRIGELJ (DÜSSELDORF)

Ahaus

Seit 1992 wird Atommüll im Brennelement-Zwischenlager Ahaus (BZA) aufbewahrt. Etliche Stellplätze sind noch frei. Der Bürgermeister von Ahaus, Felix Büter (CDU), sieht keine negativen Auswirkungen auf das Image der Gemeinde. Schließlich sei die Bevölkerungszahl seit 1993 um rund 5000 Personen auf fast 38 000 gestiegen, die Zahl der Arbeitsplätze habe sich um 26 Prozent auf etwa 3000 erhöht. Die Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus", Grüne, SPD und Kirchengemeinden hingegen wehren sich, auch weil sie ein erhöhtes Krebsrisiko für die Bevölkerung fürchten. Das Bundesland Sachsen beruft sich bei seinem Rossendorf-Transport auf das geltende Atomrecht. Danach sind für Forschungsreaktoren, anders als bei Atommeilern, keine standortnahen Zwischenlager vorgeschrieben. fr

Sie haben die Gefahr nicht vergessen. Deshalb lehnen an einigen ihrer Backsteinhäuser verwitterte x-förmige Schilder. Oder lugen halb verborgen aus Hofeinfahrten und hinter Holzzäunen hervor. Irgendwann auf der Straße, die aus dem Städtchen Ahaus in die flache Landschaft führt, tauchen die gelben Kreuze nochmals auf. Die Kreuzreihe endet an einer Einfahrt mit Metallzaun. Dahinter erhebt sich eine braune Halle, hunderte Meter lang und so hoch, dass sie die dahinter rotierenden Windräder fast verdeckt. Es ist menschenleer am BZA - dem Brennelement-Zwischenlager Ahaus.

Seit sechs Jahren sind keine Abfälle mehr angeliefert worden. "Es gab die Hoffnung, dass keine Atomtransporte mehr kommen", sagt Felix Ruwe, Sprecher der Bürgerinitiative (BI) "Kein Atommüll in Ahaus", die einen sofortigen Einlagerungsstopp fordert. Selbst Jürgen Trittin habe das 1999 einmal vor Ort versprochen. Der Bundesumweltminister ist zuständig für die Reaktorsicherheit in der Bundesrepublik, für den Atomausstieg - und er ist Grüner. Doch die leise Hoffnung dürfte sich nicht erfüllen. Trittin habe sein Versprechen zurückgezogen, sagt Ruwe. Mehrere Male wurde in den vergangenen zwölf Monaten "Castoralarm" ausgelöst. Noch ist kein neuer Behälter mit der fatalen Fracht gekommen. Doch Ahaus muss sich auf Transporte aus einem 600 Kilometer entfernten Forschungsreaktor im sächsischen Rossendorf einstellen. Eine Frage treibt die BI um: Wann? Ein Koordinierungsgespräch zwischen Nordrhein-Westfalen und Sachsen soll es am Mittwoch geben.

Dann werden wohl an einem anderen Ort andere Castoren eingetroffen sein. Deshalb sind die BI-Mitglieder aus Ahaus am Wochenende ins niedersächsische Dannenberg gereist, um gegen die nahenden Transporte aus La Hague zu protestieren. Spätestens am Dienstag sollen sie im Zwischenlager Gorleben ankommen - auch so ein Ort mit lauter kreuzförmigen Zeichen. Die BI Ahaus will zeigen, dass ihr Widerstand noch lebt, auch wenn er nachgelassen hat. Dass das kein Kinderspiel ist, hat der jüngste Zwischenfall in Frankreich gezeigt, bei dem der Atomzug einem Demonstranten die Beine abfuhr. Der Mann starb.

Angst vorm Endlager

Gorleben und Ahaus gelten offiziell als "Zwischenlager". Doch die rot-grüne Bundesregierung hat die Suche nach einem Endlager abgebrochen und nährt Ahnungen in den betroffenen Kommunen. Der "Stillstand" deute auf "extrem lange Zwischenlagerzeiten hin", meint die BI Ahaus.

Seit einem Jahr beschäftigt ein irritierender Streit die Landesregierungen in Dresden und Düsseldorf. Es geht um 951 Brennelemente eines DDR-Forschungsreaktors, die in 18 kleineren Castorbehältern in Rossendorf lagern. Das CDU-geführte Sachsen würde die Altlast gern loswerden und zahlt seit 1995 reservierte Lagerplätze im BZA. Sachsen besitzt eine bis 31. Dezember befristete Genehmigung für Straßentransporte, die das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) erteilt hat, eine nachgeordnete Behörde des Bundesumweltministeriums.

Neue Erkenntnisse sind das nicht. Und doch wehrt sich NRW gegen die Straßentransporte. Innenminister Fritz Behrens (SPD) und Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) stimmten ein regelrechtes Kriegsgeheul an, weil sie Protestchaos vor den Kommunalwahlen im September vermeiden wollten. Straßentransporte seien zu gefährlich, Polizeieinsätze zu teuer. Die NRW-Grünen revidierten kleinlaut einen Beschluss, in dem sie die Rossendorf-Transporte als legitime Maßnahme im Atomausstieg bewerteten. Trittin konterte in einem Interview und sagte, er habe Höhn "frühzeitig eingebunden". Das BfS betonte, Behrens habe versichert, die Polizei könne die Fuhren ausreichend schützen. Allseits herrscht Argwohn. Nach der Ablehnung seines Widerspruchs gegen die Straßentransportgenehmigung fordert Behrens einen einzigen Schienentransport und droht mit Klage.

Behrens hat angekündigt, dass es in diesem Jahr keine Transporte mehr geben werde, weil die Gorleben-Fuhre zu viele Polizeikräfte binde und der Winter naht. Sachsens Umweltminister Steffen Flath (CDU) hingegen sagt, die Castoren seien ab Ende November bereit zur Abfahrt auf drei Lastern. Zudem verstehe er die Kritik nicht. Schließlich habe NRW im Juli Castor-Straßentransporte aus dem Forschungsreaktor Jülich Richtung La Hague vorgenommen - ohne dass Probleme bekannt geworden seien.

Es bleibt die Frage, ob Sachsen die Genehmigungsfrist ungenutzt verstreichen lässt und eine Verlängerung beantragt. Für die Regierung in Düsseldorf ist die Lage heikel. Im Mai stehen wieder Wahlen an, diesmal zum Landtag. Ganz abgesehen vom Datum wäre die Rossendorfer Lieferung aus Sicht der Bürgerinitiative ein weit reichendes Signal: dass die Transporte nach Ahaus weitergehen - ebenso wie der Widerstand mit seinen Bannkreuzen.

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AFP Sonntag 7. November 2004, 17:20 Uhr

Angeketteter Atomgegner von Castor-Zug überrollt

Nancy/Dannenberg (AFP) - Bei den Protesten gegen den Castor-Transport ist in Frankreich ein an die Gleise geketteter Atomkraftgegner von dem Zug überrollt und getötet worden. Dem 23-jährigen Franzosen wurden beide Beine abgetrennt, wie die Feuerwehr im lothringischen Avricourt mitteilte. Die Rettungskräfte versuchten vergebens, ihn wiederzubeleben.

Das Unglück ereignete sich rund 60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Atomkraftgegner zeigten sich geschockt von dem bislang schwersten Unfall in der Geschichte der Anti-Atom-Proteste. Die französische Atomfirma Cogema sprach von einem "dramatischen Unfall". Der Castor-Transport aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague sollte am späten Nachmittag die Grenze nach Deutschland überqueren.

Der tödliche Unfall ereignete sich trotz strengster Sicherheitsvorkehrungen am Sonntag um 14.34 Uhr. Zuvor war der Castor-Transport bereits in der Nähe von Nancy für zwei Stunden aufgehalten worden, weil sich zwei Atomkraftgegner an die Gleise gekettet hatten. Um 13.23 Uhr setzte der Zug die Fahrt fort, nachdem die Polizei diese beiden Demonstranten losgekettet hatte. Der Transport mit zwölf Behältern hochradioaktiven Mülls war am Samstagabend in Richtung des deutschen Zwischenlagers Gorleben gestartet.

Der Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, Francis Althoff, sagte, die Demonstranten vor Ort seien "total geschockt". Es stelle sich die Frage, "ob der Zug tatsächlich einfach durchgefahren ist". An der Umladestation in Dannenberg hatten am Samstag bis zu 5000 Menschen demonstriert. Am Sonntag fanden kleinere Demonstrationen mit mehreren hundert Teilnehmern statt. In Dannenberg sollen am Dienstag die zwölf Behälter mit hochradioaktivem Müll von der Schiene auf Lastwagen umgeladen werden, um die letzten 19 Straßenkilometer ins Zwischenlager Gorleben zurückzulegen.

Die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms und Vorkämpferin gegen das Atomlager Gorleben sagte: "Damit ist leider passiert, wovor ich die ganzen Jahre die meiste Angst gehabt habe, nämlich ein schwerer Unfall bei Protesten gegen den Schienentransport."

Ein Cogema-Sprecher in Frankreich erklärte in einer ersten Reaktion, die für die Überwachung des Konvois zuständigen Angestellten seien "sehr geschockt".

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Frankfurter Rundschau 07.11.2004

ATOMTRANSPORT

Castor-Gegner von Zug getötet

Nancy · 7. November · dpa · Bei einer Protestaktion gegen den umstrittenen Atommülltransport aus Frankreich nach Deutschland ist am Sonntag ein junger Kernkraftgegner ums Leben gekommen. Der Castor-Zug überrollte in Lothringen einen 23-Jährigen, der sich an die Gleise gekettet hatte. Dem Mann wurden beide Beine abgetrennt. Die Feuerwehr habe vergeblich versucht, den Demonstranten wiederzubeleben, teilte die Polizei in Nancy mit.

Der französische Atomtechnikkonzern Cogema bedauerte den "dramatischen Unfall". Die Beschäftigten von Cogema Logistics, die den Zug mit zwölf Castor-Behältern beaufsichtigt hätten, könnten sich den Unfall nicht erklären, sagte ein Konzernsprecher in Paris. Nach Angaben der Polizei in Dannenberg ermittelt die Staatsanwaltschaft in Frankreich. Es könne Stunden dauern, bis der Zug weiterfahre

Der Transport hatte am Samstagabend die Normandie verlassen und sollte am Dienstag das Zwischenlager im niedersächsischen Gorleben erreichen.

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Sonntag 7. November 2004, 17:07 Uhr

BI Lüchow-Dannenberg bestürzt über Unfall

Dannenberg (AP) Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg hat sich über den tödlichen Unfall eines französischen Atomgegners «sehr betroffen und bestürzt» gezeigt. Bei der Demonstration gegen den Castor-Transport von der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague nach Gorleben wurde ein 23-jähriger Atomgegner am Sonntagnachmittag im lothringischen Avricourt vom Zug überrollt.

Man berate gegenwärtig über Konsequenzen des Unglücks für die weiteren gegen den Transport geplanten Protestaktionen, teilte das Pressebüro der BI in Dannenberg weiter mit. Noch am Sonntagabend werde man eine ausführliche Erklärung zu dem Unglück abgeben.

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AFP 07.11.2004 16:50

Castor-Gegner von Zug überrollt: Beine abgetrennt

Nancy (AFP) - Bei den Protesten gegen den Castor-Transport aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague ist ein Atomkraftgegner in Lothringen von dem Zug überrollt worden. Der 23-Jährige hatte sich an die Gleise gekettet und verlor bei dem Unglück beide Beine, wie die Feuerwehr in Avricourt mitteilte. Die Rettungskräften versuchten demnach, ihn am Unglücksort wiederzubeleben. Der Unfall ereignete sich um 14.34 Uhr.

Zuvor hatten zwei Atomkraftgegner den Castor-Transport in der Nähe von Nancy für zwei Stunden blockiert. Wie ein Sprecher der Demonstranten mitteilte, ketteten sich ein Mann und eine Frau kurz vor Mittag an die Gleise. Der Zug konnte zwei Stunden später weiterfahren, nachdem die Polizei die Demonstranten losgekettet hatte. Insgesamt hatte sich rund ein Dutzend Atomkraftgegner an der Stelle versammelt.

Der Transport mit zwölf Behältern hochradioaktiven Mülls war am Samstagabend in Richtung des deutschen Zwischenlagers Gorleben gestartet. Ursprünglich sollte der Zug am Sonntagmittag die deutsche Grenze überqueren. Gegen den achten Castor-Transport ins Wendland hatten am Samstag nach Polizeiangaben rund 4500 Menschen in Dannenberg friedlich protestiert.

Nancy: Mann stirbt nach Unfall bei Castor-Transport

Mindestens ein weiterer Demonstrant sei verletzt worden, sagte ein Polizeisprecher. Der Castor-Transport war am Samstagabend in der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague in Richtung Gorleben aufgebrochen. Er besteht aus 12 Behältern mit Atommüll, die in Gorleben zwischengelagert werden sollen.

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merkur-online Samstag 6. November 2004, 22:22 Uhr

Atommülltransport von Frankreich nach Gorleben unterwegs

Valognes (dpa) - Der Atommülltransport aus dem französischen La Hague ist in Richtung des Zwischenlagers Gorleben in Niedersachsen gestartet. Der von drei Lokomotiven angetriebene Zug mit zwölf Castorbehältern verließ kurz nach 21 Uhr das Bahnterminal in der Normandie. Die Umweltorganisation Greenpeace berichtet, der Zug werde mit drei Polizeiwaggons geschützt. Anders als in Deutschland sind in Frankreich keine Proteste gegen den Transport geplant. Der Konvoi soll spätestens am Dienstag das Zwischenlager Gorleben erreichen.

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YAHOO-Nachrichten Samstag 6. November 2004, 17:39 Uhr

Atomkraftgegner protestieren gegen Castor-Transport

Karlsruhe (ddp-bwb). Atomkraftgegner haben am Samstag im Kreis Karlsruhe gegen den Castortransport nach Gorleben protestiert. Wie die südwestdeutschen Anti-Atom-Initiativen mitteilten, zogen zunächst rund 150 Teilnehmer des Widerstandscamps in Oberhausen-Rheinhausen zum Bahnhof Wiesental in der Nähe von Philippsburg. Dort schlossen sich den Angaben zufolge mehr als 100 weitere Demonstranten aus Frankreich und Deutschland an. Angeführt wurde der Zug von einem als Castorbehälter «geschmückten» Traktor.

Die Vertreter der Anti-Atom-Bewegung aus Frankreich, dem Wendland und aus Süddeutschland forderten den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie. Mit jedem weiteren Tag, den die Atomkraftwerke in Betrieb seien, vergrößere sich das schwere Erbe der Atomenergie. Für Sonntag planten die Atomkraftgegner ab 14.00 Uhr einen Schienenspaziergang entlang der Transportstrecke in Wörth. Dort wird der Castortransport gegen 15.00 Uhr erwartet.

Voraussichtlich Anfang der Woche werden zwölf Castorbehälter mit hochradioaktiven Glaskokillen aus der Wiederaufarbeitungsanlage im französischen La Hague in Gorleben eintreffen. Der Transport sollte nach Informationen von Umweltschützern am Samstagabend in Frankreich starten.

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onnachrichten t-online 06.11.2004

Castorgegner gehen wieder auf die Straße

Tausende Atomkraftgegner haben am Samstag im niedersächsischen Dannenberg gegen den bevorstehenden Castor-Transport in das nahe gelegene Gorleben demonstriert. Nach Angaben der Polizei protestierten rund 4500 Menschen mit Spruchbändern und Transparenten friedlich gegen den Atommüll-Transport. Unter den Demonstranten waren auch zahlreiche Landwirte aus der Umgebung, die zu der Aktion mit mehr als 150 Traktoren gekommen sind.

Endlager Gorleben?

Die Initiative "X-tausendmal Quer" von Atomkraftgegnern sprach von etwa 5500 Teilnehmern. Das seien weit mehr als beim vorangegangenen Transport im Jahr 2003, hieß es. Die Zahl habe sich offenbar deshalb erhöht, weil die politische Debatte über Atompolitik derzeit weder bei Regierung und Opposition noch bei den Energiekonzernen geführt werde, sagte ein Sprecher. So sei die Frage einer Atommüll-Endlagerstätte weiter ungelöst, zugleich kämen aber immer mehr Castoren in das Zwischenlager Gorleben. Das deutet nach Ansicht des Sprechers darauf hin, dass das Zwischenlager zum dauerhaften Aufbewahrungsort für die Castoren werden soll.

Castorbehälter am Montag in Niedersachsen

Voraussichtlich wird der Zug mit den Castor-Behältern am Samstagabend aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague abfahren und am Montag in Niedersachsen ankommen. An der Verladestation im Ort Dannenberg würden die Behälter dann auf Schwertransporter umgeladen und auf der Straße in das einige Kilometer entfernte Gorleben gebracht, sagte der Sprecher der Initiative "X-tausendmal Quer". Dies werde wohl entweder am späten Montagabend oder am frühen Dienstagmorgen geschehen.

Wahrscheinlich wieder Sitzblockaden

Nach Angaben der Initiative gibt es bereits während des Transportes in den kommenden Tagen zahlreiche Proteste. Die Atomkraftgegner rechnen mit mehreren tausend Demonstranten. Geplant sind offenbar auch Sitzblockaden entlang der Schienenstrecke.

In der Vergangenheit gab es Verletzte

Bereits in den vergangenen Jahren hatten jeweils tausende Menschen gegen die Transporte demonstriert. Unter den Atomgegnern waren stets auch zahlreiche Bewohner aus der Region. Bei den Protesten kam es zu Auseinandersetzungen, bei denen sowohl Demonstranten als auch Polizisten verletzt wurden.

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dpa - Meldung vom 06.11.2004 12:59 Uhr (auch von SDA übernommen)

Tausende demonstrieren gegen Atommülltransport nach Gorleben*

Demonstartion gegen Castortransport

Immer wieder gibt es Proteste gegen die Castortransport ins Zwischenlager Gorleben.

Dannenberg - Mehrere tausend Menschen haben am Samstag im niedersächsichen Dannenberg gegen den Castor-Transport mit radioaktivem Atommüll nach Gorleben demonstriert.

Begleitet von einem großen Polizeiaufgebot zogen sie mit Transparenten, Trommeln und Sirenen durch den Ort. Dutzende Trecker der «Bäuerlichen Notgemeinschaft» begleiteten die Atomkraftgegner.

Der Zug mit 12 Castorbehältern soll am Abend im französischen La Hague starten. Atomkraftgegner aus ganz Deutschland wollen sich an den Protesten beteiligen. Polizei und Bundesgrenzschutz sichern die Fahrt ins Zwischenlager Gorleben mit einem massiven Aufgebot. Die Einsatzkräfte hatten im Vorfeld an die Kernkraftgegner appelliert, bei ihren Protestaktionen auf Gewalt zu verzichten.

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AP Samstag 6. November 2004, 13:38 Uhr

Demonstration von über tausend Castor-Gegnern

Dannenberg (AP) Mehr als tausend Atomkraftgegner haben sich am Samstag in Dannenberg zu einer Demonstration gegen den bevorstehenden Castor-Transport nach Gorleben versammelt. Die Protestaktion, an der sich auch Bauern mit Traktoren beteiligten, richtete sich auch gegen die Einrichtung eines Atommüllendlagers bei Gorleben. Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg sprach von weit mehr als 3.000 Demonstranten, die Polizei von mehr als 500 Protestierenden.

Der achte Castor-Transport nach Gorleben mit zwölf Behältern mit hochradioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung soll am (heutigen) Samstagabend nahe dem französischen La Hague starten und am (morgigen) Sonntag die deutsch-französische Grenze passieren. In Dannenberg, wo die zwölf Atommüllbehälter vom Transportzug auf Straßentieflader umgeladen werden müssen, werden die Castoren am Montag erwartet.

Die Demonstration am (heutigen) Samstag, die die heiße Phase der Proteste gegen den Transport einleitete, sollte mit einer Kundgebung nahe der Castor-Umladestation in Dannenberg enden.

Die Anti-Atom-Initiative X-tausendmal quer teilte mit, die Bezirksregierung Lüneburg habe eine Mahnwache quer vor dem Castor-Verladekran in Dannenberg verboten. Gegen das Verbot habe man Rechtsmittel eingelegt.

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ddp Samstag 6. November 2004, 13:28 Uhr

Auftakt der Anti-Castor-Proteste

Gorleben (ddp-nrd). Mehrere tausend Atomkraftgegner haben am Samstag in Dannenberg gegen den Castortransport nach Gorleben demonstriert. An der Protestkundgebung beteiligten sich auch mehrere Dutzend Landwirte mit ihren Traktoren. Die Demonstranten versammelten sich zunächst auf dem Marktplatz und wollten anschließend durch die Stadt ziehen. Für den Nachmittag war eine Kundgebung in der Nähe des Verladebahnhofs geplant.

Voraussichtlich Anfang der Woche werden zwölf Castorbehälter mit hochradioaktiven Glaskokillen aus der Wiederaufarbeitungsanlage im französischen La Hague in Gorleben eintreffen. Der Transport sollte nach Informationen von Umweltschützern am Samstag in Frankreich starten. Demnach könnten die Castoren am Montag am Verladebahnhof in Dannenberg eintreffen. Dort werden sie auf Tieflader verladen, um die letzten 20 Kilometer zum Zwischenlager auf der Straße zurückzulegen. Dort warten bereits 44 Castoren auf ihre Endlagerung.

Nach Angaben von Polizei-Gesamteinsatzleiter Friedrich Niehörster sollen den Transport voraussichtlich weniger Beamte schützen als im vergangenen Jahr. Damals kamen 12 500 Polizisten und Bundesgrenzschützer zum Einsatz.

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NDR 06.11.04

Atomkraftgegner demonstrieren gegen Castor-Transport

Vor Beginn des Castor-Transports mit Atommüll ins niedersächsische Gorleben haben sich mehrere tausend Atomkraftgegner in Dannenberg zur Auftaktdemonstration versammelt. Von Marktplatz aus wollen sie mit Trommeln, Sirenen und Transparenten durch die Stadt ziehen. Jugendliche aus sechs Ländern verlasen auf einer provisorischen Bühne Grußbotschaften. Dutzende Trecker der "Bäuerlichen Notgemeinschaft" begleiteten die Demonstranten. Die Polizei beschrieb die Atmosphäre als ruhig. Am Nachmittag findet die Abschlusskundgebung in Sichtweite der Verladestation statt.

Castoren erreichen voraussichtlich Montag das Wendland

Der Transport mit zwölf Atommüll-Behältern soll voraussichtlich am Samstagabend in Frankreich starten und am Sonntag die Grenze zu Deutschland passieren. In der Region Gorleben hatten bereits am Freitag mehrere tausend Polizisten Stellung bezogen, die den Transport sichern sollen. Die Castorbehälter sollen am Montag oder Dienstag das Atommüll-Zwischenlager in Gorleben erreichen. Die geplante Transportroute durch Deutschland wird geheim gehalten.

Polizei mahnt Castor-Gegner zu friedlichen Protesten

Die Polizei forderte Atomkraftgegner am Freitag auf, ihren Protest friedlich auszudrücken. Der Einsatzleiter appellierte an die Demonstranten, auf Gewalt zu verzichten. Am Donnerstagabend hatte ein Traktor bei einer Protestveranstaltung einen Polizisten angefahren und erheblich verletzt. Die Einsatzleitung rechnet mit einem Rückgang der Proteste und setzt weniger Beamte ein als im Vorjahr.

Verwaltungsgericht hebt Versammlungsverbot teilweise auf

Das Verwaltungsgericht Lüneburg hatte am Mittwoch das Verbot von Versammlungen auf der Straßentransportstrecke des Castors aufgehoben. Die so genannte Allgemeinverfügung sei unverhältnismäßig und nicht rechtens, urteilte das Gericht. Auch die Untersagung aller unangemeldeten öffentlichen Versammlungen bis zum Ablauf des kommenden Sonntags hob das Gericht auf. Die

Bürgerinitiative Umweltschutz hatte gegen die Allgemeinverfügung Beschwerde eingelegt. Die Bezirksregierung kündigte eine Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht Celle an. Die Zahl der Gefährdungen und Verletzungen von Rechtsgütern habe bei den Castor-Transporten in den vergangenen Jahren stetig abgenommen, begründete das Verwaltungsgericht seine Entscheidung. Es verstoße daher gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, wenn pauschal alle angemeldeten Versammlungen ohne individuelle Prüfung untersagt würden.

BUND fordert Gesetz zur Endlagersuche

Der Naturschutzverband BUND hat die Bundesregierung angemahnt, das seit Jahren geplante Gesetz zur Endlagersuche vorzulegen. Mit dem Gesetz sollen erstmal verbindliche Kriterien für ein Atommüllendlager in Deutschland festgelegt werden. Bislang wurden einzig der Salzstock Gorleben als Endlagerstandtort erkundet. Seit der Vereinbarung über den Atomausstieg vor über vier Jahren ruhen die Erkundungsarbeiten allerdings.

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BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg 02.11.2004

Castortransport absagen

Blutkrebs-Skandal eskaliert Stimmung in Gorleben

Eine sofortige Absage der geplanten Castor-Transporte nach Gorleben fordert die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg. Es ist absolut unzumutbar, ungeachtet des publik gewordenen neuen Kenntnisstands zu den Ursachen der dreifach erhöhten Leukämiefälle rund um den Nuklearstandort Krümmel bei Geesthacht, weiter atombusiness as usual betreiben zu wollen, so ein BI-Sprecher. Es sei ein nicht mehr zu überbietender menschenverachtender Affront, wenn wieder weit über zehntausend Polizisten diesen Transport schützen, aber gleichzeitig in der nur 60 km von Dannenberg entfernten Atomforschungsanlage GKSS bei Geesthacht geheime Forschungen durchgeführt wurden oder gar werden. Der BI-Sprecher fordert stattdessen eine ?endlich ernstzunehmende und öffentlich nachvollziehbare Aufklärung darüber, auf Grund welcher Experimente Menschen um Geesthacht seit Jahren elendig an Blutkrebs sterben mußten?.

Nach Ansicht von Wissenschaftlern, die kürzlich aus Protest aus der schleswig-holsteinischen Leukämiekommission ausgetreten sind, können in der Umgebung der Geesthachter Anlagen gefundene Plutonium- und Americiumhaltigen Mikrokugeln aus einer Hybridanlage freigesetzt worden sein, bei der Kernfusion und Kernspaltung zusammen zu Energiefreisetzungen benutzt werden sollten. Ein Brand, der sich 1986 auf dem GKSS-Gelände in der Nähe des Atomkraftwerks Krümmel ereignete, stützt ihre Vermutung eines folgenschweren Unfalls. Geheime Atomexperimente könnten nach Ansicht der zurückgetretenen Kommissionsmitglieder Ursache für die extreme Häufung von Leukämiefällen sein.

Die "Süddeutsche Zeitung" (02.11.04) berichtet, als eine Ursache der überproportionalen Tumorerkrankungen könnten völkerrechtswidrige Versuche an einer "Atombombe in der Aktentasche" in Betracht kommen. Experimente mit so genannten radioaktiven Perlen aus Plutonium 239 hätten damals stattgefunden, wird der Strahlenmediziner Edmund Lengfelder von der "Süddeutschen Zeitung" zitiert. Solche Perlen, die mittels Laserimpuls hochverdichtet werden, so dass es zu einer Mini-Atombombenexplosion kommt, seien in Hanau auch für die Brennelemente des seinerzeit entwickelten Hochtemperaturreaktors produziert worden. Bei einem dieser Experimente soll es im September 1986 zu einem Zwischenfall gekommen sein, glaubt die Kommission laut dem Zeitungsbericht. Später sei der radioaktive Müll auf die DDR- Giftmülldeponie Schönberg verbracht worden. Die zurückgetretenen Wissenschaftler vermuten "geheimgehaltene kerntechnische Sonderexperimente" als wesentliche Ursache radioaktiver Kontamination, die zu Leukämie führen kann.

Der Verdacht auf völkerrechtswidrige Versuche mit geheimen Mini- Atombomben überschattet den Polizeiaufmarsch um Gorleben und trägt zu einer unverantwortbaren eskalierenden Stimmung bei, warnt ein BI-Sprecher. Seit Jahren würden die wahren Ursachen der Todesfälle von den Aufsichtsbehörden nicht nur verschleiert, die betroffenen Familienangehörigen selbst sollten sogar Nachweise über den Verdacht der Todesursachen erbringen. Statt sich auf den nächsten martialischen Polizeieinsatz gegen die Bevölkerung in Gorleben zu konzentrieren sollten die Verantwortlichen sofort alle Kraft in die Aufklärung und Information um den Skandal der unzulässigen Strahlenbelastungen mit militärischem Hintergrund und tödlichen Folgen stecken.

Francis Althoff 05843 - 98 6789

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sueddeutsche.de 02.11.04

Schleswig-Holstein

*Atomperlen aus Geesthacht*

Die "Atombombe in der Aktentasche": Forscher glauben, Ursache der

Kinder-Tumore in der Gemeinde Geesthacht entdeckt zu haben.

Von Martin Urban

Völlig überraschend hat sich die Experten-Kommission aufgelöst, die seit 1992 die Ursache der häufig auftretenden Leukämie bei Kindern in der Umgebung von Geesthacht (Schleswig-Holstein) erforscht.

Der Vorsitzende Otmar Wassermann und fünf weitere wissenschaftliche Mitglieder der achtköpfigen Kommission erklärten am Montag in Berlin „unter Protest gegen die Verschleierungspolitik der schleswig-holsteinischen Aufsichtsbehörde" ihren Rücktritt. Die Strahlenforscher glauben jetzt zu wissen, was seinerzeit passiert ist.

Die Suche nach dem Fingerabdruck

Sie haben jahrelang nach dem „Fingerabdruck" eines mit der Freisetzung von Radioaktivität verbundenen Ereignisses gesucht &endash; und sind auf sensationelle Weise fündig geworden. Sie identifizierten nach eigenen Angaben einen Mix aus Spalt- und Aktivierungsprodukten, Transuranen (Plutonium und Americium) sowie weiteren Kernbrennstoffen (angereichertes Uran und Thoriumderivate).

Die Analyse ergab, dass die Spur nicht nach Tschernobyl führt, wo sich im April 1986 die bisher größte Reaktorkatastrophe ereignet hat. Sie führt auch nicht ins Kernkraftwerk Krümmel, obwohl auch dort allerlei Unregelmäßigkeiten vorgekommen sein sollen. Dagegen wurden die Strahlenforscher bei der gleich nebenan liegenden GKSS fündig.

Art und Aufbau sogenannter Mikrosphären ließen auf die Herkunft „aus einer Hybridanlage, bei der Kernfusion und Kernspaltung vereint zur Energiefreisetzung benutzt werden sollten", schließen. Im September 1986 sei eine Laboreinrichtung auf dem Gelände abgebrannt. Das Ereignis belege „den zeitlichen Zusammenhang zum Anstieg der Leukämieerkrankungen".

"Atombombe in der Aktentasche"

Was war passiert? Damals - in Bonn regierte Helmut Kohl, in Schleswig Holstein Uwe Barschel - wurde die Idee einer „Atombombe in der Aktentasche" diskutiert: Eine millimetergroße Perle aus Plutonium 239 genügt. Im Brennpunkt eines Ellipsoids, einer Eiform aus Keramik, angebracht, kann die Perle mittels eines Laserimpulses so hoch verdichtet werden, dass es zu einer Mini-Atombombenexplosion kommt.

Dabei werden Energien freigesetzt, die 500 bis 1000 Kilogramm TNT-Sprengstoff entsprechen. Solche Experimente, so das Münchner Kommissionsmitglied, der Strahlenmediziner Edmund Lengfelder, sind damals - vermutlich mit Wissen der Amerikaner - in der GKSS gemacht worden. Wenn das zuträfe, wäre es völkerrechtswidrig gewesen, was die Dementis wie die Behinderungen der Kommission durch die staatlichen Stellen erklären würde.

Radioaktive Perlen aus Thorium wurden auch für die Brennelemente des seinerzeit entwickelten Hochtemperaturreaktors benötigt. In Hanau habe man solche Perlen produziert, sagt Lengfelder. Bei einem dieser Experimente, so glaubt die Kommission, muss es im September 1986 zu einem Zwischenfall gekommen sein.

Die jetzt zurückgetretenen Forscher nennen die Erklärungen der Reaktoraufsicht „absurd" und „aberwitzige Widerlegungsversuche". Unterlagen, sagt die Feuerwehr heute, seien später bei einem Brand vernichtet worden, der radioaktive Müll soll auf die DDR-Giftmülldeponie Schönberg gekarrt worden sein.

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rbi-aktuell 02.11.04

*Atombomben-Versuche an der Elbe?*

Leukämie-Kommission Schleswig-Holstein nach Behinderungen durch Landesbehörden zurückgetreten

Von Martin Müller-Mertens

Ist es nur behördliche Schlamperei und Desinteresse, oder wird in den Kieler Behörden ein krimineller Skandal vertuscht? Am gestrigen Montag löste sich die Leukämie-Kommission des Landes durch den Rücktritt von sechs ihrer acht Mitglieder faktisch auf. Ihr Vorsitzender, Otmar Wassermann, warf der Landesregierung dabei schwerwiegende Verschleierungsmaßnahmen vor. Seiner Vermutung nach sollten geheime Nuklearexperimente aus den 80er Jahren unter dem Teppich gehalten werden.

Im Jahre 1990 war die Leukämie-Rate bei Kindern an der schleswig-holsteinischen Unterelbe drastisch angestiegen und liegt auch heute noch drei Mal höher als im deutschen Durchschnitt. Seit 1992 sollte sich die Leukämie-Kommission des Landes mit der Aufklärung des Falls befassen. Während zunächst viele an eine Folge des Reaktorunglücks von Tschernobyl dachten, der auch in der Bundesrepublik für erhöhte Strahlenwerte gesorgt hatte, richtete sich der Verdacht schnell auf das dem Ort Geesthacht benachbarte Atomkraftwerk Krümel.

In Krümel, so sind sich Beobachter sicher, hat es zwar eine ganze Reihe von Unregelmäßigkeiten gegeben, für die gestiegene Krebs-Rate ist die Anlage aber wohl nicht verantwortlich. Die Kommission konnte dagegen mit einer sensationellen Entdeckung aufwarten. Im benachbart liegenden Forschungszentrum GKSS wurden demnach geheime Experimente mit einer Mischung aus Kernspaltung und Kernfusion durchgeführt, die zusammen zur Energiefreisetzung genutzt werden sollten. Im September 1986 brannte die Anlage ab und steht inzwischen seit Jahren leer. Der Giftmüll wurde auf die in der DDR liegende Deponie Schönberg gebracht, Unterlagen wurden bei dem Brand vernichtet. So könnte bei dem Brand Strahlung freigesetzt worden sein, deren „Fingerabdruck" bei den in der Umgebung liegenden Kindern die Krankheit ausgelöst hatte.

Mit ihren Erkenntnissen trafen die Kommissions-Mitglieder jedoch auf taube Ohren. Im Gegenteil, Behinderungen seien an der Tagesordnung gewesen. So verweigerten Staatsanwaltschaft und LKA die Zusammenarbeit, die Entnahme von Bodenproben und Strahlungsmessungen in dem Gebiet seien hintertrieben worden, Honorare für eine der Landesregierung nicht genehme Studie wurden mit der Begründung nicht eingehaltener Fristen gekürzt, oder ganz verweigert.

Unterstützt wurde die Kommission durch Messungen im benachbarten Niedersachsen, wo etwa Chemikalien in der Elbe als Auslöser für die Krebsfälle ausgeschlossen wurden.

Nach Ansicht der „Süddeutschen Zeitung" könnte es jedoch noch einen viel gravierenderen Grund für die Verschleierungstaktik geben. Die Zeitung berichtet unter Berufung auf den Münchner Strahlenmediziner Edmund Lengfelder, die GKSS hätte zu diesem Zeitpunkt mit Mini-Atombomben experimentiert. Die Art und Weise der Krankheitsfälle &endash; zunächst schlagartiges Auftraten, dann schnelles Absinken der Rate, die jedoch signifikant höher bleibt, als im Durchschnitt &endash; spricht nicht für einen langfristigen Strahlungsaustritt, sondern für eine einmalige Explosion.

An den Mini-Atombomben, die lediglich die Größe einer Perle hätten und Energie bis zu 1000 Kilogramm TNT freisetzen könnten, sei seinerzeit auch in Hanau gearbeitet worden. Vermutlich sei es bei der GKSS im Herbst 1986 zu einem Unfall gekommen, der vertuscht werden sollte. Eingeweiht wären sowohl die Landesregierung unter dem später unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommenen Uwe Barschel, wie auch die Bundesregierung gewesen. Die Amerikaner hätten von den Experimenten zumindest Wissen müssen.

Das Umweltministerium in Kiel wies die Vorwürfe der Kommission unterdessen zurück. Kein anderes Gebiet sei so lückenlos Untersucht worden, hieß es. Dabei hätten fünf verschiedene Gutachten keine Verschmutzung mit Kernbrennstoffen in der Elbmarsch ergeben.

Die Kommissions-Mitglieder geben sich mit dieser Aussagen jedoch nicht zufrieden. Klar ist, daß sie bei ihrer Arbeit behindert wurden und, daß die zuständigen Behörden offenkundige Vertuschung betrieben. Und dies ist zumeist ein Hinweis darauf, daß es etwas zu verbergen gibt. Die Wissenschaftler wollen ihre Arbeit nun auf anderem Wege fortsetzen. Bereits bisher waren es vor allem die Ärzteorganisation IPPNW und eine örtliche Bürgerinitiative, die sie finanziell unterstützten.

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TAZ 02.11.2004

Strahlender Abgang der Kommission

ExpertInnen fühlen sich bei der Aufklärung der hohen Leukämierate rund um den Atomreaktor Krümmel behindert

HAMBURG taz Es ist kein leiser Abgang: Nach zwölfjähriger Tätigkeit gab die so genannte schleswig-holsteinische Leukämiekommission gestern ihre faktische Auflösung bekannt. Sechs der acht Mitglieder traten zurück. Sie protestieren gegen "die Verschleierungspolitik" der Kieler Landesregierung im Ursachenstreit um die Häufung von Blutkrebserkrankungen in der Umgebung des Atomkraftwerks Krümmel aus dem Gremium zurück. Kommissionschef Otmar Wassermann und fünf seiner MitstreiterInnen warfen der schleswig-holsteinischen Landesregierung "aberwitzige Widerlegungsversuche" von Erkenntnissen vor, die den Atommeiler in den Verdacht bringen, für die Häufung von Blutkrebserkrankungen in der Elbmarsch verantwortlich zu sein.

Nach Auffassung der Experten kommt das Kraftwerk "nach wie vor als Mitverursacher der Leukämieerkrankungen in Frage". Die jetzt zurückgetretenen WissenschaftlerInnen gehen dabei von einer "unfallartigen Freisetzung von Radioaktivität" im Jahr 1986 aus. Daneben muss es nach Auffassung der ExpertInnen "geheim gehaltene kerntechnische Sonderexperimente" in der benachbarten Geesthachter Kernforschungsanlage GKSS gegeben haben, die zu einer "leukämierelevanten Umgebungskontamination" der Elbmarsch-Region geführt hätten. Besonders bei in der Nähe der beiden Anlagen lebenden Kindern hatte die Häufigkeit von Blutkrebs messbar zugenommen.

Die schleswig-holsteinische Landesregierung wies die Anschuldigungen der Kommissionsmehrheit vehement zurück. Der Sprecher des Umweltministeriums, Michael Rittmeier, klassifizierte die Behauptungen der sechs WissenschaftlerInnen gegenüber der taz als "Verschwörungstheorien". Die Landesregierung habe seit Anfang der Neunzigerjahre mit Hilfe der Kommission und zahlreicher unabhängiger Gutachter "eine sehr intensive Ursachenforschung" betrieben. Dabei sei aber "kein eindeutiger Beleg" für den Zusammenhang zwischen den Leukämieerkrankungen und dem Betrieb des Atommeilers und der GKSS gefunden worden. Trotzdem habe das Ministerium erst im Juni die Ausweitung der Leukämiestudie beschlossen, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen.

Randy Lehmann, die Sprecherin des für die Atomaufsicht zuständigen Kieler Sozialministeriums, bewertete die Erklärung der zurückgetretenen Kommissionsmitglieder als "heiße Luft". Ein von der Hamburger Gesundheitsbehörde vor wenigen Monaten veröffentlichtes Gutachten und auch eine im vergangenen Jahr erschienene Expertise des Bremer Instituts für Präventionsforschung und Sozialmedizin hätten Krümmel als Leukämieverursacher ausgeschlossen.

Die Leukämiekommission war seit ihrer Einsetzung vor 12 Jahren gespalten - ihre Mehrheit hatte stets an der These festgehalten, der Krümmler Reaktor sei für die aufgetretenen Blutkrebsfälle hauptverantwortlich. Ministeriumssprecher Rittmeier: "Wir schließen das weiterhin nicht aus, auch wenn die zahllosen Studien der vergangenen Jahre keine fixierbare Ursache ergeben haben." " MARCO CARINI

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NDR 02.11.2004

Wissenschaftler verlassen aus Protest Leukämiekommission

Im Streit um die Ursachen für eine Häufung von Leukämieerkrankungen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind sechs Mitglieder der Untersuchungskommission am Montag zurückgetreten. Der Vorsitzende des achtköpfigen Gremiums, Otmar Wassermann, und fünf weitere Wissenschaftler protestieren mit ihrem Rücktritt "gegen die Verschleierung der schleswig-holsteinischen Aufsichtsbehörde". Die zuständigen Ämter des Landes hätten die Ursachenforschung nicht unterstützt und kritische Berichte unterschlagen, so Wassermann. Von der Landesregierung seien die Wissenschaftler "zutiefst enttäuscht". "Wir können die Vorwürfe nicht nachvollziehen", wies ein Sprecher des Umweltministeriums in Kiel die Anschuldidgungen zurück. Kaum eine andere Region sei so intensiv untersucht worden.

"Zahl der Leukämieerkrankungen bis heute dreifach überhöht"

Die 1992 von der Kieler Landesregierung eingesetzte Kommission sollte die Häufung von Leukämiefällen bei kleinen Kindern in der Nähe des Kernkraftwerks Krümmel sowie in der Umgebung einer atomaren Forschungsanlage bei Geesthacht und in der niedersächsischen Elbmarsch untersuchen.

Die Wissenschaftler berichten, dass "seit dem sprunghaften Anstieg der Erkrankungsfälle im Jahr 1990" in der betreffenden Region "die Zahl der Leukämieerkrankungen bis heute dreifach überhöht geblieben" sei. In ihrem Abschlussbericht vermuten die Forscher bislang "geheimgehaltene kerntechnische Sonderexperimente" bei der Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schifffahrt. (GKSS) in Geesthacht und sehen "den Verdacht einer unzulässigen radioaktiven Kontamination der Umgebung bestätigt".

Bislang geheim gehaltener Atomunfall?

Die Wissenschaftler vermuten, dass sich bei illegalen Experimenten auf dem Gelände er GKSS ein bislang geheim gehaltener Atomunfall ereignet habe. 1986 seit bei der GKSS eine Laboreinrichtung abgebrannt. Diese Tatsache sei systematisch vertuscht worden, sagte Wassermann. Die Lübecker Staatsanwaltschaft hätte vor Ort allerdings keine strahlenden Kernbrennstoffpartikel gefunden. Das Unternehmen dementierte die Vermutung am Montag energisch. "Es hat bei uns nie einen derartigen Störfall gegeben", sagte ein GKSS-Sprecher. Die Kommission wirft den Behörden vor, eine Aufklärung des Brandes verweigert zu haben.

Ursachen für Leukämie noch immer umstritten

Die Ursachen für die Häufung von Blutkrebserkrankungen in den betroffenen Regionen sind umstritten. Nach Auffassung des Bundesamtes für Strahlenschutz besteht "bislang kein nachweisbarer Zusammenhang" zwischen den Erkrankungen und den nahe gelegenen Atomanlagen. Ein Behördensprecher kündigte den Abschluss der laufenden Studie zu "Kindlichen Tumoren in der Umgebung westdeutscher Leistungsreaktoren" für voraussichtlich Anfang 2006 an. Eine Teilstudie soll Ende diesen Jahres abgeschlossen werden.

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TAGESSCHAU 01,11,204 (20 Uhr)

Vorwürfe gegen Schleswig-Holstein

Verbotene Atomversuche in Geesthacht?

Im jahrelangen Streit um die Ursachen von Blutkrebserkrankungen in der Nähe von Nuklearanlagen gibt es neue Vermutungen und Vorwürfe gegen die Landesregierung von Schleswig-Holstein. Die meisten Mitglieder der schleswig-holsteinischen Leukämiekommission haben ihre Ämter niedergelegt und der Kieler Landesregierung Verschleierung vorgehalten. Sie erneuerten ihre Theorie, geheime Atomexperimente könnten Ursache für die auffällige Häufung von Leukämiefällen in der Umgebung des AKW Krümmel sein. Ein Strahlenmediziner vermutet, in der Gegend könne es Versuche mit kleinen Atombomben gegeben haben.

Kein Interesse an Aufklärung?

Der bisherige Vorsitzende Otmar Wassermann und fünf weitere Wissenschaftler warfen den Landesbehörden vor, Verschleierung zu betreiben und nicht wahrhaft an Aufklärung interessiert zu sein. In ihrem Abschlussbericht sehen sie den Verdacht unzulässiger Strahlenbelastung bestätigt.

Die Wissenschaftler argumentierten, dass "seit dem sprunghaften Anstieg der Erkrankungsfälle im Jahr 1990" in der betroffenen Region um das Kernkraftwerk Krümmel sowie weiterer Nuklearanlagen bei Geesthacht "die Zahl der Leukämieerkrankungen bis heute dreifach überhöht geblieben" sei.

Geheime Experimente in Kernforschungsanlage?

Die Kommissionsmitglieder um Watermann vertraten die Ansicht, dass der Normalbetrieb der Atomanlage Krümmel nicht zu einem erhöhten Blutkrebsrisiko führe. Zum gleichen Ergebnis waren 2003 Bremer Wissenschaftler gekommen. Statt dessen vermuten die zurückgetretenen Forscher "geheimgehaltene kerntechnische Sonderexperimente" als wesentliche Ursache radioaktiver Kontamination, die zu Leukämie führen kann.

In der Umgebung gefundene Mikrokügelchen mit Spuren von Plutonium und Americium können nach ihrer Ansicht aus einer so genannten Hybridanlage stammen, bei der Kernfusion und Kernspaltung vereint zur Energiefreisetzung benutzt werden sollten. Ihre Vermutung eines Unfalls sehen sie durch einen Brand gestützt, der sich 1986 auf dem Gelände der neben Krümmel gelegenen Kernforschungsanlage GKSS ereignete.

Den schleswig-holsteinischen Behörden warfen die Professoren vor, eine Aufklärung der näheren Umstände des Brandes sei verweigert worden. Die Reaktoraufsicht habe jede Unregelmäßigkeit bestritten, die Argumente der Kommission nicht angemessen geprüft und deren Arbeit eher behindert, beklagte Wassermann. Er äußerte sich tief enttäuscht und erklärte, mit dem Rücktritt von sechs der acht Mitglieder sei die Kommission de facto aufgelöst.

Völkerrechtswidrige Versuche?

Unterdessen berichtete die "Süddeutsche Zeitung" (Dienstagausgabe), als eine Ursache der überproportionalen Tumorerkrankungen könnten völkerrechtswidrige Versuche an einer "Atombombe in der Aktentasche" in Betracht kommen. Experimente mit so genannten radioaktiven Perlen aus Plutonium 239 hätten damals stattgefunden, wird der Strahlenmediziner Edmund Lengfelder von der "Süddeutschen Zeitung" zitiert.

Solche Perlen, die mittels Laserimpuls hochverdichtet werden, so dass es zu einer Mini-Atombombenexplosion kommt, seien in Hanau auch für die Brennelemente des seinerzeit entwickelten Hochtemperaturreaktors produziert worden. Bei einem dieser Experimente soll es im September 1986 zu einem Zwischenfall gekommen sein, glaubt die Kommission laut dem Zeitungsbericht. Der radioaktive Müll sei später auf die DDR-Giftmülldeponie Schönberg verbracht worden.

Die insgesamt achtköpfige Kommission war 1992 von der Kieler Landesregierung eingesetzt worden. Sie sollte der Häufung von Leukämiefällen bei kleinen Kindern in der direkten Umgebung des Atomkraftwerks Krümmel und einer benachbarten Kernforschungsanlage bei Geesthacht und in der niedersächsischen Elbmarsch nachgehen.

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