Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus"

Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen

Widerstand gegen Atomanlagen (WIGA) Münster

Münsteraner Bündnis „Stoppt Atomtransporte!!"

 

Ahaus, Wettringen, Münster, 17. Februar 2004

 

Bürgerinitiativen schreiben an Jürgen Trittin:

CASTOR-Transporte nach Ahaus verhindern !!

In einem Offenen Brief wenden sich heute die Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus", das Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen, das Münsteraner Bündnis „Stoppt Atomtransporte!!" und die WIGA (Widerstand gegen Atomanlagen) Münster an Bundesumweltminister Jürgen Trittin. In dem Schreiben fordern Sie den Minister auf, die geplanten CASTOR-Transporte von Dresden-Rossendorf nach Ahaus zu verhindern. „Wir sehen Ihr Verhalten weder als sachgerecht, „schonend" oder gerechtfertigt an," so die Initiativen. Für die münsterländer Anti-Atom-Initiativen zeigt sich Jürgen Trittin immer mehr als der eigentliche Motor hinter den Atomtransporten. Der vollständige Brief an Jürgen Trittin ist beigefügt.

In dem umfangreichen Fragenkatalog mit 17 Einzelpunkten kritisieren die Initiativen insbesondere folgende Punkte:

Die Bundesregierung gibt mit den geplanten CASTOR-Transporten ihre vielfach propagierte Politik auf, innerdeutsche Transporte von hochradioaktivem Atommüll zu vermeiden.

Die Lagerhalle in Ahaus ist nicht sicherer als die im ehemaligen Forschungszentrum Dresden-Rossendorf. Eine sachliche Begründung für den Transport gibt es deshalb nicht.

Die CASTOR MTR-2 Behälter sind nur für eine Dauer von 15 Jahren als sicher abgenommen. Trotzdem weisen sie schon jetzt Korrosionsprobleme auf. Nun soll die Haltbarkeit der Behälter aufgrund rein theoretischer Berechnungen auf 40 Jahre verlängert werden. Der stellvertretende Vorsitzende der Strahlenschutz-Kommission, Prof. Köhnlein, bezeichnete dieses Vorgehen als „fürchterlichen Pfusch".

Das Atommüll-Lager in Ahaus ist nicht gegen Flugzeugabstürze gesichert. Während Jürgen Trittin einen solchen Schutz für die Halle in Rossendorf fordert, ist sie ihm in Ahaus egal.

NRW-Innenminister Behrens spricht für den Fall eines Transportes von „neun Wochen Ausnahmezustand" für Ahaus. Dies halten wir für völlig inakzeptabel. Wir fordern, dass sich der Bundesumweltminister der ablehnenden Haltung der münsterländer Bürgerinitiativen, der sächsischen Umweltgruppen und des NRW-Innenministers anschließt, und die Transporte verhindert.

Die Bürgerinitiativen im Münsterland werden gemeinsam mit den sächsischen Umweltgruppen entschieden gegen diese völlig unnötigen Transporte vorgehen, sollte Minister Trittin seine CASTOR-Pläne nicht revidieren. Wir erwarten aber, dass auch im Bundesumweltministerium und in der sächsischen Landesregierung endlich Vernunft einkehrt.

Am kommenden Wochenende (21.-23.2.) werden wir in Dresden mit den sächsischen Umweltgruppen zusammen für die Absage des Transportes und für den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie demonstrieren.

Am 28. Februar wird der bundesweite „Autobahn-Aktionstag" vielfältige Proteste entlang der 600 km langen Autobahn-Transportstrecke bringen. Weitere Aktionen sind in Vorbereitung.

Kontakt: Felix Ruwe (BI Ahaus): 02561/6577, Willi Hesters (Aktionsbündnis): 02557/1411, Matthias Eickhoff (WIGA): 0251/9720765

 

Hier der "Offene Brief" an den Bundesminister für Umweltschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin:

Bahnhofstr. 51 48683 Ahaus Postfach 1165 48661 Ahaus

Vorwahl: 02561 Tel.: 961791 FAX: 961792 INFOLINE: 961799

Homepage: www.bi-ahaus.de E-mail: mail@bi-ahaus.de

Offener Brief an den Bundesumweltminister:

CASTOR- Transporte nach Ahaus verhindern !

 

Ahaus, Wettringen, Münster, 17. Februar 2004

 

Sehr geehrter Herr Trittin,

in den letzten drei Monaten hat es viele Berichte gegeben über den geplanten Transport von 18 CASTOR- Behältern aus dem ehemaligen Forschungsreaktor Dresden- Rossendorf in das so genannte Transportbehälterlager (TBL) Ahaus. Viele Menschen in Ahaus, dem Münsterland und in Dresden sind empört über das Verhalten des Bundesumweltministeriums und demonstrieren gegen die geplanten Atomtransporte von 951 abgebrannten Brennelementen.

Im Münsterland erleben wir durch den massiven Ausbau der Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau, durch die zahlreichen Uran- und WAA-Transporte sowie durch die neuen Einlagerungspläne für das Atommüll-Lager in Ahaus das genaue Gegenteil vom öffentlich propagierten Atomausstieg. Wir fragen deshalb das Bundesumweltministerium:

Warum täuschen Sie der Bevölkerung einen Atomausstieg vor, den es in Wirklichkeit gar nicht gibt? Wir fordern, dass das Bundesumweltministerium (BMU) und die Bundesregierung die geplanten Atomtransporte nach Ahaus verhindern. Es darf keine weitere Einlagerung von Atommüll in Ahaus geben. Die UAA in Gronau muss schon aufgrund ihrer militärischen Dimension (s. Pakistan und Iran) umgehend geschlossen werden.

Im Einzelnen fragen wir das Bundesumweltministerium:

1. Die Bundesregierung, das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und die NRW-Landesregierung haben oftmals gesagt, dass CASTOR- Transporte vermieden werden sollen. Warum forciert das BMU jetzt zusammen mit der Staatsregierung Sachsen die Genehmigung neuer Atomtransporte nach Ahaus?

2. Wir sagen, jeder Atomtransport ist ein Transport zu viel, da von jedem Transport unkalkulierbare Gefahren für die Bevölkerung ausgehen. Für Rot-Grün bestand Übereinstimmung, dass der Atommüll am Entstehungsort bis zur möglichen Endlagerung aufbewahrt wird und so Transporte vermieden werden. Haben Sie diese Position aufgegeben?

3. Über die Medien wird behauptet, der Atommüll dürfe nicht in Rossendorf bleiben, weil es dort kein Zwischenlager gebe. Diese Auffassung ist falsch. Es gibt in Rossendorf eine nur für diesen Zweck neu errichtete Halle, die in etwa baugleich zu der in Ahaus ist. Der Atommüll lagert am Entstehungsort genau so sicher oder unsicher wie in Ahaus.

4. Sie behaupten, es gebe in Rossendorf nur eine vorläufige Umgangsgenehmigung. Fakt ist aber, dass diese „vorläufige" Genehmigung zeitlich unbefristet ist! Ihr Argument: „Die Rossendorfer Halle verfügt nicht über eine §6 AtG-Genehmigung. Sie ist weder für eine längerfristige Aufbewahrung konzipiert, geprüft oder gar genehmigt." Dies werten wir als hohle Phrasen. Schließlich haben Sie noch 1999 in Ahaus gesagt, Atomtransporte von Rossendorf nach Ahaus seien überflüssig. Warum haben Sie diese Position aufgegeben?

5. In Ihrem Brief an NRW-Innenminister Behrens vom 12. Februar 2004 schreiben Sie, es gehe darum, dass der Atommüll „geordnet beseitigt" werde. Erstens lässt sich Atommüll nicht „beseitigen", sondern bestenfalls für Jahrtausende sicher lagern. Zweitens ist gerade die Leichtbauhalle in Ahaus nicht für eine „geordnete" Lagerung geeignet. Insbesondere ist sie nicht gegen Flugzeugabstürze gesichert. Wenn Sie glauben, jedes Risiko in Ahaus ausschließen zu können, warum gilt dies dann nicht für die nahezu baugleiche Halle in Rossendorf?

6. Das Bundesamt für Strahlenschutz sagt immer wieder, dass die eigentliche Sicherheitsbarriere der CASTOR- Behälter selbst ist und die Sicherheit der Halle nicht entscheidend ist. Wenn dem so ist, kann die Beschaffenheit der Halle in Dresden- Rossendorf doch keinerlei Argument für oder gegen eine Lagerung dort sein. Nach dieser „Sicherheits"- Philosophie wäre es ja geradezu egal, wo und unter welchen Bedingungen die CASTOR- Behälter lagern.

7. Das BfS teilte der BI-Ahaus mit, dass die vorgesehenen CASTOR MTR-2 Behälter schon erhebliche Korrosionsprobleme hatten. Zudem konnten die Antragsteller im Jahr 2001 nur einen Sicherheitsnachweis für 15 Jahre erbringen. Erforderlich sind aber 40 Jahre. Wie gedenkt das BMU mit dieser brisanten Problematik umzugehen?

8. Halten Sie es für ausreichend, dass eine rein theoretische Prüfung eine längere Haltbarkeit ergibt für Behälter, die ohnehin schon Probleme haben? Der stellvertretende Vorsitzende der Strahlenschutzkommission, Prof. Dr. Köhnlein, teilte der BI-Ahaus dazu mit, dass es nicht möglich sei, die Sicherheit eines beladenen CASTOR- Behälters nachträglich derart zu verbessern. Zitat Prof. Dr. Köhnlein: „Da muss einer fürchterlich gepfuscht haben!" Teilen Sie die Auffassung von Herrn Köhnlein?

9. In Ihrem Brief an Minister Behrens schreiben Sie, dass es in Rossendorf keine erhöhte Sicherheit gebe, sondern nur erhöhte Sicherungsmaßnahmen („zusätzliche Bestreifung und Hunde"). Auch heben Sie darauf ab, dass die Sicherheit gegen Flugzeugabstürze gewährleistet sein müsse. Worin genau besteht Ihrer Meinung nach die höhere Sicherheit des Atommüll-Lagers in Ahaus? Das Atommüll-Lager in Ahaus (wie auch das in Gorleben!) ist doch gerade gegen Flugzeugabstürze nicht gesichert.

10. Die Atomtransporte sollen über die Straße abgewickelt werden. Einer Ihrer Vorgänger, Prof. Töpfer, ordnete Ende der 80er-Jahre an, dass CASTOR- Transporte aus „Sicherheitsgründen" auf die Schiene verlagert werden. Nun sollen die Transporte aber aus „Kostengründen" über die Autobahn rollen. Sind Sie der Meinung, dass Kosten vor Sicherheit gehen? Welche neuen Erkenntnisse haben sich seit der Entscheidung der Bundesregierung im Rahmen des Transnuklear-Skandals Ende der 80er-Jahre ergeben, die zum jetzigen Sinneswandel führen?

11. In seinem Schreiben vom 9. Februar verweist NRW-Innenminister Behrens darauf, dass in Ahaus (und auch in Dresden) mit massivem Widerstand aus der Bevölkerung zu rechnen ist. Außerdem seien Transportkosten in zweistelliger Millionenhöhe zu erwarten. Ist Ihnen die Meinung der Bevölkerung egal? Wäre das Geld für die Transporte nicht an anderer Stelle besser ausgegeben?

12. In Ihrem Schreiben an Minister Behrens heißt es, Ahaus sei durch das Konzept der standortnahen Zwischenlager „geschont" worden. Ist diese „Schonphase" für Ahaus nun vorbei? Wir sind der Meinung, dass es nicht darum geht, Standorte zu „schonen" oder nicht, sondern Atommüll sicher zu lagern. Wenn dies nicht geht, dann muss man aus der Atomenergie aussteigen, und zwar sofort. Das fordern wir schon seit langem. Ihre Bemerkung zur „Schonung" von Ahaus fassen wir als moralische Erpressung der Menschen in Ahaus und im Münsterland auf.

13. Sie behaupten öffentlich, Sie hätten keinerlei Ermessensspielraum bei der Entscheidung für oder gegen Transporte. Das ist falsch. 2001 haben Sie einen CASTOR- Transport von Neckarwestheim nach Ahaus mit einer bundesaufsichtlichen Weisung gestoppt, obwohl es dort keine adäquaten Lagerungsmöglichkeiten gab. Warum machen Sie von Ihren Kompetenzen jetzt keinen Gebrauch?

14. Der Atommüll aus Rossendorf liegt in der Verantwortung des Freistaates Sachsen, ist also mithin „staatlicher" Atommüll. Wenn der Betreiber, also der Freistaat Sachsen, keine sichere Lagerung außerhalb von Sachsen nachweisen kann oder diese nicht zur Verfügung steht, ist der Freistaat unserer Meinung nach dazu verpflichtet, selbst für eine solche sichere Lagerungsmöglichkeit zu sorgen. Der Freistaat Sachsen hat keinerlei Rechtsanspruch auf eine Einlagerung in Ahaus. Diesen Anspruch verschaffen erst Sie und das BfS.

15. Für die Landesregierung in Sachsen bedeutet der Atommüll ein „Imageproblem". Fördern Sie das Image der Ferienregion Münsterland durch die Einlagerung weiteren hochradioaktiven Atommülls? Wenn Sie schon für die „grüne Wiese" in Rossendorf sind (die es nicht geben wird, wie Sie genau wissen), was haben Sie dann gegen eine grüne Wiese in Ahaus? Das NRW-Innenministerium ließ am 16. Februar laut dpa mitteilen, dass mit den CASTOR- Transporten „neun Wochen Ausnahmezustand" verbunden sind. Halten Sie das für akzeptabel?

16. Die jetzigen Transporte sollen nur der Türöffner für weitere Atommüll-Transporte nach Ahaus sein. U. a. ist beabsichtigt, die militärisch hoch brisanten Uranabfälle aus dem Forschungsreaktor in Garching nach Ahaus zu transportieren. Das Transportbehälterlager Ahaus würde dann zum militärischen Hochsicherheitsbereich werden. Ist das für Sie akzeptabel?

17. Da es weltweit noch kein sicheres Endlager für hochradioaktiven Atommüll gibt, befürchten viele Menschen in Ahaus und dem Münsterland zu Recht, dass das Atommüll-Lager in Ahaus zu einem Endlager werden könnte. Jeder weitere Transport von Atommüll zementiert den Atomstandort Ahaus langfristig und ist deshalb abzulehnen.

Herr Trittin, wir sehen Ihr Verhalten weder als sachgerecht, „schonend" oder gerechtfertigt an. Ihre Planungen für Ahaus sind rücksichtslos, unbegründet und in höchstem Maße gefährlich für die Menschen in Ahaus und dem Münsterland.

Wir fordern Sie deshalb auf, die CASTOR- Transporte von Dresden- Rossendorf zu verhindern und die gesamte Entsorgung für hochradioaktive Abfälle aus Forschungsreaktoren neu zu planen. Fest steht, dass eine sichere Lagerung in Ahaus (und in Gorleben) nicht möglich ist. Das wird auch in einem Sicherheitsgutachten der GRS festgestellt, das sich mit den Auswirkungen des 11. September 2001 beschäftigt. Dieses Gutachten wird der Öffentlichkeit vorenthalten. Aufgrund der vielen Sicherheitsmängel sind weitere Einlagerungen in Ahaus strikt abzulehnen.

Weil das Problem sehr drängend ist, erwarten wir eine rasche und detaillierte Beantwortung unserer Fragen. Wir erwarten darüber hinaus, dass von Ihnen und dem BfS bis dahin keinerlei Entscheidungen getroffen werden, die unserem Anliegen widersprechen.

 

Mit freundlichen Grüßen

i.A.

Felix Ruwe (Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus"e.V.) mail@f-ruwe.de

Willi Hesters (Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen) Willi.Hesters@web.de

Matthias Eickhoff (Widerstand gegen Atomanlagen Münster) m.eickhoff@t-online.de

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