08.2002

Opposition: Atomaufsicht arbeitet schlampig

Stuttgart - Nach mehreren Pannen in den Atomkraftwerken Philippsburg und

Neckarwestheim haben SPD und Grüne Landesumweltminister Ulrich Müller (CDU)

Schlamperei bei der Atomaufsicht vorgeworfen.

 

VON MARIA WETZEL

 

Gleich vier Störungen meldeten der Betreiber der beiden Atomkraftwerke, die

Energie Baden-Württemberg (EnBW), und das Landesumweltministerium am

Montagnachmittag: Die jüngste lag fünf Tage zurück, die älteste über zwei

Monate. Prüfer hatten am vorigen Mittwoch bei der Jahresrevision in

Philippsburg entdeckt, dass in einem Lüftungskreislauf im radioaktiven

Bereich eine Berstscheibe in den 80er Jahren falsch eingebaut worden war.

Der Fehler, der eher zufällig bemerkt worden war, wurde am Donnerstag per

Eilmeldung dem Umweltministerium in Stuttgart mitgeteilt - dieses ist für

die Atomaufsicht verantwortlich. Bei einer Überprüfung der übrigen

Atomkraftwerke im Land wurde der gleiche Fehler auch in einem Block in

Neckarwestheim entdeckt.

 

Michaela Preuß, Sprecherin des Umweltministeriums, weist Kritik zurück, die

Öffentlichkeit sei zu spät informiert worden. "Weder für die Mitarbeiter

noch für die Umgebung drohte eine Gefahr.'' Das Ministerium habe am Dienstag

dem Landtag Berichte über die vier meldepflichtigen Ereignisse in den beiden

Atomkraftwerken übersandt. Nach der Pannenserie in Philippsburg im Herbst

2001 meldete das Ministerium alle Vorfälle direkt der Presse, seit März

werden Ereignisse, die keine oder nur sehr geringe sicherheitstechnische

Bedeutung haben (Stufe 1), nur noch im Internet veröffentlicht. Die

internationale Bewertungsskala Ines umfasst Vorfälle von der Störung (Stufe

1) bis zum katastrophalen Unfall (Stufe 7). Wie brisant die Bewertungen

sind, zeigen die beiden Ereignisse vom 5. und 27. Juni in Neckarwestheim,

die das Ministerium am Montag ebenfalls meldete. Die EnBW hatte Verstöße

zweier Arbeiter gegen Sicherheitsvorschriften zunächst auf Stufe 0

eingeordnet. Weil es offensichtlich Defizite im Sicherheitsmanagement gebe,

sei eine Einordnung in Stufe eins erforderlich, meinte dagegen die

Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS), die im Auftrag des

Bundesumweltministeriums tätig ist. Die EnBW stimmte zu.

 

Der SPD-Landtagsabgeordnete Rainer Stickelberger warf Umweltminister Müller

vor, dass die Atomaufsicht "viel Geld für wohlfeile Gutachten und Gutachter

ausgibt, aber nie ernsthafte Konsequenzen aus ihren Versäumnissen zieht''.

Daher wollten CDU und FDP verhindern, dass Bundesumweltminister Jürgen

Trittin vor der Bundestagswahl im Atom-Untersuchungsausschuss auftrete. Die

EnBW habe aus der Pannenserie 2001 "offenbar nichts gelernt'', erklärte der

Fraktionschef der Grünen, Winfried Kretschmann. "Schlampereien sind bei den

EnBW-Kraftwerken offensichtlich nach wie vor an der Tagesordnung.''

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BMU-Pressedienst Nr. 186/02

Berlin, 9. August 2002

Umwelt/Atom

Bundesumweltminister Trittin verlangt qualifiziertes Sicherheitsmanagement fuer Atomkraftwerke

 

Bundesumweltminister Juergen Trittin verlangt ein umfassendes

Sicherheitsmanagement fuer Atomkraftwerke: "Vorfaelle wie in Neckarwestheim,

Phillipsburg, Obrigheim und Brunsbuettel haben erhebliche Defizite im

bisherigen Sicherheitsmanagement offenbart. Es muessen nicht nur technische

Maengel behoben werden. Es muss endlich ein Sicherheitsmanagementkonzept

erarbeitet werden, das Unzulaenglichkeiten der Betriebsorganisation und

Fehler des Betriebspersonals vorsorgend vermeidet."

 

Die Umweltministerkonferenz von Bund und Laendern (UMK) hatte beschlossen,

dass die Betreiber schnellstmoeglich ein Konzept fuer ein umfassendes

Sicherheitsmanagement auf der Grundlage nachvollziehbarer Indikatoren

vorlegen und in den Anlagen verwirklichen sollen. Als einziger Betreiber hat

bisher die Energie Baden-Wuerttemberg AG (EnBW) ein Konzept fuer ihre

Anlagen vorgelegt.

 

"Nun ist es Zeit endlich zu handeln," erklaerte Trittin. In einem Schreiben

an die fuer Atomaufsicht zustaendigen Landesminister verlangt er von den

Laendern, die Betreiber noch in diesem Jahr zu verpflichten, innerhalb von

sechs bis neun Monaten fuer alle Anlagen ein Konzept fuer ein qualifiziertes

Sicherheitsmanagementsystem zu erarbeiten. Ein solches

Sicherheitsmanagementsystem soll in der Lage sein, fruehzeitig Probleme beim

Betrieb der Anlage zu erkennen, die Ursachen transparent zu machen und

technische und organisatorische Maengel zu vermeiden. Trittin bittet die

zustaendigen Landesminister in seinem Schreiben um Rueckaeusserung bis zum

30. August 2002.

 

Das von EnBW vorgelegte Konzept gilt fuer die Atomkraftwerke Obrigheim,

Neckarwestheim 1 und 2 sowie Philippsburg 1 und 2. Der Betreiber des wegen

vertuschter Wasserstoffexplosionen stillgelegten Atomkraftwerks Brunsbuettel

hat ebenfalls die Erarbeitung eines Sicherheitsmanagementsystems zugesagt.

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